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Der Arbeitgeber. Nr. 695. Frankfurt a. M., 27. August 1870.

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[Spaltenumbruch] außerdem städtische Gas= und Wasserwerke. Nun haben wir gesagt,
daß diese Werke eine feste Kapitalanlage repräsentiren, und im All-
gemeinen scheint dies ein vorhandenes Baarkapital als nothwendig zu
deren Ausführung vorauszusetzen, es ist dies jedoch eine unrichtige
Ansicht. Da Kanäle, Eisenbahnen ec. ein Kapital an und[unleserliches Material] für sich
repräsentiren, welches weder der Mode noch dem Verderben noch der
Spekulation unterworfen ist, so ist es recht wohl möglich in einem
geordneten Staatswesen, wie es ja allerwärts in Deutschland vor-
handen ist, und auch trotz aller Franzosen vorhanden bleiben wird,
solche Anlagen ohne Kapital ( ? A. d. R. ) auszuführen, sobald der Staat die
Ausführung überwacht und die Fertigstellung derselben garantirt. So
ist es anerkannte Thatsache, daß eine Kanalverbindung vom Rhein
zur Weser und Elbe nothwendig ist; daß selbe sich rentiren werde
unterliegt gar keinem Zweifel.

Wie nun, wenn trotz aller Kriegszeit an die Ausführung dieser
großartigen Anlage gegangen würde? Nicht auf Aktien oder auf
Kommanditantheile, nicht auf Kosten des Staatsschatzes, den der Krieg
nothwendig braucht, sondern einfach durch Ausgabe von Kassenscheinen
ad hoc, die ja so sicher wären, wie irgend welches andere Werth-
zeichen. Der Staat müßte die Arbeiten in Regie ausführen lassen,
und nur in dem Maße, als die Arbeiten fortschreiten, dürften die
betreffenden Rhein=Elbe=Kanal=Scheine zur Löhnung ec. emittirt wer-
den. Da dies Papier unverzinslich wäre, so wäre hierdurch noch
ein großer Vorzug vor Aktien gewonnen. Selbstverständlich müßten
diese Scheine an Staatskassen ebenfalls an Zahlung genommen werden.
Durch Gesetz wäre zu bestimmen, daß die Ueberschüsse, welche dieser
Kanal bei seiner Benützung über die Unterhaltungskosten ergäbe, zur
Amortisation der Baukosten verwendet werden, und daß also von
denselben alljährlich genau so viele eingezogen würden als der Kanal
durch seinen Ertrag amortisirt hätte. Und wie hier mit dem Rhein-
Elbe=Kanal, so könnte dies noch mit vielen anderen staatlichen pro-
duktiven Anlagen gehalten werden. Auf diese Weise erhielte der Staat,
oder was dasselbe sagt, erhielten die Staatsbürger, mit der Zeit eine
sehr rentable stets zur Vermehrung des Nationalvermögens direkt bei-
tragende Anlage umsonst ( ? A. d. R. ) , während ähnliche Aktienunternehmen
häufig auch zur Vermehrung des Nationalvermögens fremder oder gar
feindlicher Völker beitragen können, wie dieß jetzt z. B. der Fall mit
mehreren Kohlenzechen in Westphalen, mit den Werken der Vieille-
Montagne und der Schlessischen Zinkgesellschaft ist, deren Aktien sich
in französischen Händen befinden.

Bei Städten bilden Gas= und Wasserwerke eine ebenso nützliche
als produktive Anlage. Sollte es jetzt nicht wünschenswerth und
ausführbar sein, wenn z. B. Berlin, welches ja längst mit dem Plane
der Anlage eines eigenen städtischen Wasserwerkes umgeht, ein solches
mitten in der Kriegszeit in Ausführung brächte, und die Arbeits-
löhne ec. hierbei mit neu zu edirenden Thalerscheinen ad hoc bestritte?
Sollten solche Werthzeichen, für welche erstlich die ausgeführte Anlage
bürgte, und hinter welchen das gesammte Kommunal=Eigenthum stände
an Ort und Stelle von Jedem gern in Zahlung genommen werden?
Dieselben sollten weder verzinslich noch Börsenpapier sein, sondern
lediglich gleich dem Staatspapiergelde Werthzeichen einer durch selbe
repräsentirten produktiven Anlage. Und da ein solches Wasserwerk
ohne jeden Zweifel ebenso brillant rentiren würde, als die städtische
Gasanstalt, welche sich auf 28 pCt. verzinst, sollte da nicht eine
baldige Wiedereinziehung resp. Amortisation dieser Werthzeichen ge-
sichert sein? Möchten selbst, was der Himmel jedoch verhüten wird,
die Franzosen zum zweitenmale nach Berlin kommen, das Wasserwerk
könnten sie doch nicht rauben ( aber zerstören. A. d. R. ) , also würden auch
im schlimmsten Falle diese Werthzeichen ihren vollen Werth behalten. Und
das, was von der Hauptstadt gilt, läßt sich mutatis mutantis auch von
jeder Provinzialstadt, von jeder Kommune des ganzen Staates, des
ganzen Deutschlands sagen. Sollte es z. B. nicht gerade jetzt für
die Stadt Frankfurt a. M. ein hochverdienstliches Werk sein, wenn
sie nach besagtem Modus unverweilt an die Ausführung des Kanales
zum Rheine ginge? Wenn sie diese Arbeiten nicht gelddurstigen
Unternehmern anvertraute, sondern solche in eigener Regie ausführte,
und durch ihre jetzt ohnehin nicht beschäftigten Bauamts=Beamten
beaufsichtigen ließe?

Doch wir wollen noch einen ähnlichen kürzeren Weg angeben,
den nothgedrungen feiernden Arbeitern Arbeit und Brod zu schaffen,
ohne der in die Mäuselöcher verkrochenen Kapitalisten hierbei zu be-
dürfen. Unsere deutschen Städte sind fast ohne Ausnahme in einem
erfreulichen Wachsthume begriffen, und das steht fest, darin wird kein
[Spaltenumbruch] französischer Krieg sie behindern können. Allen voran wächst aber
die Metropole mit Riesenschritten zu einer Weltstadt heran, wie
solche als erste Repräsentantin des neuerstehenden deutschen Reiches
nach jeder Richtung hin als achtunggebietend dastehen muß. Erste
Bedingung des Anwachsens der Städte sind aber Neubauten und
erste Bedingung der Neubauten sind Baumaterialien. Hieran fehlt
es stets, wenn solche gesucht werden, und werden dann meistens un-
natürlich hohe Preise hierfür gezahlt, werden dann oft Ausschuß-
produkte, die zu nichts taugen, verarbeitet, und hierdurch nicht allein
die Bauten übermäßig vertheuert, sondern auch in den Materialien
und in der Ausführung unsolide. Wie nun, wenn jetzt, wo in den
größeren Städten der Arbeitsmangel so dringend ist, die Kommunen
die Erzeugung von Baumaterialien gegen Kreditscheine unternähmen?
Es sollen hierbei die gewöhnlichen Arbeitspreise gezahlt werden, d. h.
in den betreffenden Scheinen, und sollen diese Scheine an allen städ-
tischen Kassen in Zahlung genommen werden. Sobald alsdann der
Friede wieder eintritt und die Baulust auflebt, dann sollen diese
Baumaterialien gegen Kasse an Bauunternehmer verkauft werden,
oder auch auf erste Hypothek kreditweise ebenfalls abgelassen werden,
einen Baarverdienst soll jedoch die Kommune hieran nicht nehmen.
Mittelst einer Kommission von Bürgern wäre dann die Einziehung
und Vernichtung der Werthzeichen, welche für die versilberten Produkte
bisher kursirten, vorzunehmen, resp. zu überwachen. Diese Bauma-
terialien ( Ziegel, Bruchsteine, Kunststeine, Kalk gebrannt und einge-
löscht, Dachpappen, Dielen, Thüren und Fenster, Fensterglas u. s. w. )
verderben nicht und verlieren nicht durch Aufbewahrung an Werth;
mit ihrer Herstellung können aber Tausende beschäftigt werden.

Jn besagter Weise also, daß man die gezwungen feiernde Ar-
beitskraft mit Schaffung neuer sicherer Werthe beschäftigt, daß man
die Mittel hierzu in den geschaffenen Werthen selbst findet und durch
entsprechende Cirkulationsmittel ad hoc repräsentirt, daß vor allem
die Sicherheit geboten wird, daß unter keiner Bedingung mehr Werth-
zeichen ausgegeben werden können, als wirklich effektive, greifbare und
realisirbare, d. h. in Silber oder Gold umzusetzende neue Werthe
geschaffen sind, daß ferner von jeder Verzinsung, Prämienausloosung ec.
hierbei abgesehen wird: in dieser Art ist es möglich, dem Ruin des
Nationalvermögens durch den Krieg vorzubeugen, und gleichzeitig,
und das ist von höchster Wichtigkeit, einestheils dem weltwirthschaft-
lichen Gesetze der Produktionspflicht gerecht zu werden, anderntheils
dem Müssiggange mit seinem ganzen Annexe von Lastern wirksam
entgegenzutreten, drittens den klaren Begriff von der Solidarität der
Jnteressen Aller im ganzen Staate Jedem ad oculos zu demonstriren,
und endlich sich von der Jahrtausende alten Anbetung des goldenen
Kalbes, d. h. von der Macht des Goldes in praxi zu emancipiren.
Wer wagt es zu leugnen, daß ein Barren Roheisen nicht ebensogut
ein Werth sei als ein Stück Silber oder Gold? Und wenn nun
dieser Ziegelsteinwerth, dieser Roheisenbarrenwerth als Papier ebenso
leicht und leichter transportabel gemacht wird als das Edelmetall,
warum soll dann dieses papierne Werthzeichen, dessen sehr reelle
Unterlage vom Staate garantirt ist, nicht in der Cirkulation das
Silber ersetzen können?    J. C.

* Handelsstatistik. Welchen wesentlichen und günstigen Ein-
fluß die erleichternden Zollbestimmungen, daß vom Auslande einge-
führte und hier für das Ausland weiter verarbeitete Produkte und
Halbfabrikate zollfrei sind, für den auswärtigen Verkehr haben, davon
gibt eine Zusammenstellung im preußischen Staatsanzeiger Zeugniß.
Nach dieser fanden diese Zollbefreiungen mit namhaften Summen bei
den Lieferungen der preußischen Maschinenfabriken statt, da sich z. B.
im vorigen Jahr bei Borsig die Zollbefreiung auf 102 Lokomotiven
und bei der Aktiengesellschaft für Eisenbahnbedarf auf 2162 Centner
Wagenfedern, 2052 Ctr. Wagenachsen, 1602 Ctr. Stahl, 4793 Ctr.
eiserne Tragbalken ec. erstreckte; am auffälligsten aber ist der in
Folge dieser Bestimmung ermöglichte und stattgehabte Verkehr bei
der Druckerei, Färberei und Bleicherei. Die Berliner Druckereien
erhielten zum Lohndrucken 184,412 Stück Baumwollgewebe ( darunter
108,409 Stück aus Oestreich ) , eine Druckerei in Hagen 11,212 Stück,
Zeitz und Eulenburg 48,413 Stück, die Kölner, Elberfelder und
Gladbacher 66,689 Stück. Die Seidenfabrikanten und Färber in
Crefeld erhielten zum Färben, Bedrucken und Appretiren 8665 Stück
seidene und halbseidene Waaren im Gewicht von 11,244 Pfd., die

[Spaltenumbruch] außerdem städtische Gas= und Wasserwerke. Nun haben wir gesagt,
daß diese Werke eine feste Kapitalanlage repräsentiren, und im All-
gemeinen scheint dies ein vorhandenes Baarkapital als nothwendig zu
deren Ausführung vorauszusetzen, es ist dies jedoch eine unrichtige
Ansicht. Da Kanäle, Eisenbahnen ec. ein Kapital an und[unleserliches Material] für sich
repräsentiren, welches weder der Mode noch dem Verderben noch der
Spekulation unterworfen ist, so ist es recht wohl möglich in einem
geordneten Staatswesen, wie es ja allerwärts in Deutschland vor-
handen ist, und auch trotz aller Franzosen vorhanden bleiben wird,
solche Anlagen ohne Kapital ( ? A. d. R. ) auszuführen, sobald der Staat die
Ausführung überwacht und die Fertigstellung derselben garantirt. So
ist es anerkannte Thatsache, daß eine Kanalverbindung vom Rhein
zur Weser und Elbe nothwendig ist; daß selbe sich rentiren werde
unterliegt gar keinem Zweifel.

Wie nun, wenn trotz aller Kriegszeit an die Ausführung dieser
großartigen Anlage gegangen würde? Nicht auf Aktien oder auf
Kommanditantheile, nicht auf Kosten des Staatsschatzes, den der Krieg
nothwendig braucht, sondern einfach durch Ausgabe von Kassenscheinen
ad hoc, die ja so sicher wären, wie irgend welches andere Werth-
zeichen. Der Staat müßte die Arbeiten in Regie ausführen lassen,
und nur in dem Maße, als die Arbeiten fortschreiten, dürften die
betreffenden Rhein=Elbe=Kanal=Scheine zur Löhnung ec. emittirt wer-
den. Da dies Papier unverzinslich wäre, so wäre hierdurch noch
ein großer Vorzug vor Aktien gewonnen. Selbstverständlich müßten
diese Scheine an Staatskassen ebenfalls an Zahlung genommen werden.
Durch Gesetz wäre zu bestimmen, daß die Ueberschüsse, welche dieser
Kanal bei seiner Benützung über die Unterhaltungskosten ergäbe, zur
Amortisation der Baukosten verwendet werden, und daß also von
denselben alljährlich genau so viele eingezogen würden als der Kanal
durch seinen Ertrag amortisirt hätte. Und wie hier mit dem Rhein-
Elbe=Kanal, so könnte dies noch mit vielen anderen staatlichen pro-
duktiven Anlagen gehalten werden. Auf diese Weise erhielte der Staat,
oder was dasselbe sagt, erhielten die Staatsbürger, mit der Zeit eine
sehr rentable stets zur Vermehrung des Nationalvermögens direkt bei-
tragende Anlage umsonst ( ? A. d. R. ) , während ähnliche Aktienunternehmen
häufig auch zur Vermehrung des Nationalvermögens fremder oder gar
feindlicher Völker beitragen können, wie dieß jetzt z. B. der Fall mit
mehreren Kohlenzechen in Westphalen, mit den Werken der Vieille-
Montagne und der Schlessischen Zinkgesellschaft ist, deren Aktien sich
in französischen Händen befinden.

Bei Städten bilden Gas= und Wasserwerke eine ebenso nützliche
als produktive Anlage. Sollte es jetzt nicht wünschenswerth und
ausführbar sein, wenn z. B. Berlin, welches ja längst mit dem Plane
der Anlage eines eigenen städtischen Wasserwerkes umgeht, ein solches
mitten in der Kriegszeit in Ausführung brächte, und die Arbeits-
löhne ec. hierbei mit neu zu edirenden Thalerscheinen ad hoc bestritte?
Sollten solche Werthzeichen, für welche erstlich die ausgeführte Anlage
bürgte, und hinter welchen das gesammte Kommunal=Eigenthum stände
an Ort und Stelle von Jedem gern in Zahlung genommen werden?
Dieselben sollten weder verzinslich noch Börsenpapier sein, sondern
lediglich gleich dem Staatspapiergelde Werthzeichen einer durch selbe
repräsentirten produktiven Anlage. Und da ein solches Wasserwerk
ohne jeden Zweifel ebenso brillant rentiren würde, als die städtische
Gasanstalt, welche sich auf 28 pCt. verzinst, sollte da nicht eine
baldige Wiedereinziehung resp. Amortisation dieser Werthzeichen ge-
sichert sein? Möchten selbst, was der Himmel jedoch verhüten wird,
die Franzosen zum zweitenmale nach Berlin kommen, das Wasserwerk
könnten sie doch nicht rauben ( aber zerstören. A. d. R. ) , also würden auch
im schlimmsten Falle diese Werthzeichen ihren vollen Werth behalten. Und
das, was von der Hauptstadt gilt, läßt sich mutatis mutantis auch von
jeder Provinzialstadt, von jeder Kommune des ganzen Staates, des
ganzen Deutschlands sagen. Sollte es z. B. nicht gerade jetzt für
die Stadt Frankfurt a. M. ein hochverdienstliches Werk sein, wenn
sie nach besagtem Modus unverweilt an die Ausführung des Kanales
zum Rheine ginge? Wenn sie diese Arbeiten nicht gelddurstigen
Unternehmern anvertraute, sondern solche in eigener Regie ausführte,
und durch ihre jetzt ohnehin nicht beschäftigten Bauamts=Beamten
beaufsichtigen ließe?

Doch wir wollen noch einen ähnlichen kürzeren Weg angeben,
den nothgedrungen feiernden Arbeitern Arbeit und Brod zu schaffen,
ohne der in die Mäuselöcher verkrochenen Kapitalisten hierbei zu be-
dürfen. Unsere deutschen Städte sind fast ohne Ausnahme in einem
erfreulichen Wachsthume begriffen, und das steht fest, darin wird kein
[Spaltenumbruch] französischer Krieg sie behindern können. Allen voran wächst aber
die Metropole mit Riesenschritten zu einer Weltstadt heran, wie
solche als erste Repräsentantin des neuerstehenden deutschen Reiches
nach jeder Richtung hin als achtunggebietend dastehen muß. Erste
Bedingung des Anwachsens der Städte sind aber Neubauten und
erste Bedingung der Neubauten sind Baumaterialien. Hieran fehlt
es stets, wenn solche gesucht werden, und werden dann meistens un-
natürlich hohe Preise hierfür gezahlt, werden dann oft Ausschuß-
produkte, die zu nichts taugen, verarbeitet, und hierdurch nicht allein
die Bauten übermäßig vertheuert, sondern auch in den Materialien
und in der Ausführung unsolide. Wie nun, wenn jetzt, wo in den
größeren Städten der Arbeitsmangel so dringend ist, die Kommunen
die Erzeugung von Baumaterialien gegen Kreditscheine unternähmen?
Es sollen hierbei die gewöhnlichen Arbeitspreise gezahlt werden, d. h.
in den betreffenden Scheinen, und sollen diese Scheine an allen städ-
tischen Kassen in Zahlung genommen werden. Sobald alsdann der
Friede wieder eintritt und die Baulust auflebt, dann sollen diese
Baumaterialien gegen Kasse an Bauunternehmer verkauft werden,
oder auch auf erste Hypothek kreditweise ebenfalls abgelassen werden,
einen Baarverdienst soll jedoch die Kommune hieran nicht nehmen.
Mittelst einer Kommission von Bürgern wäre dann die Einziehung
und Vernichtung der Werthzeichen, welche für die versilberten Produkte
bisher kursirten, vorzunehmen, resp. zu überwachen. Diese Bauma-
terialien ( Ziegel, Bruchsteine, Kunststeine, Kalk gebrannt und einge-
löscht, Dachpappen, Dielen, Thüren und Fenster, Fensterglas u. s. w. )
verderben nicht und verlieren nicht durch Aufbewahrung an Werth;
mit ihrer Herstellung können aber Tausende beschäftigt werden.

Jn besagter Weise also, daß man die gezwungen feiernde Ar-
beitskraft mit Schaffung neuer sicherer Werthe beschäftigt, daß man
die Mittel hierzu in den geschaffenen Werthen selbst findet und durch
entsprechende Cirkulationsmittel ad hoc repräsentirt, daß vor allem
die Sicherheit geboten wird, daß unter keiner Bedingung mehr Werth-
zeichen ausgegeben werden können, als wirklich effektive, greifbare und
realisirbare, d. h. in Silber oder Gold umzusetzende neue Werthe
geschaffen sind, daß ferner von jeder Verzinsung, Prämienausloosung ec.
hierbei abgesehen wird: in dieser Art ist es möglich, dem Ruin des
Nationalvermögens durch den Krieg vorzubeugen, und gleichzeitig,
und das ist von höchster Wichtigkeit, einestheils dem weltwirthschaft-
lichen Gesetze der Produktionspflicht gerecht zu werden, anderntheils
dem Müssiggange mit seinem ganzen Annexe von Lastern wirksam
entgegenzutreten, drittens den klaren Begriff von der Solidarität der
Jnteressen Aller im ganzen Staate Jedem ad oculos zu demonstriren,
und endlich sich von der Jahrtausende alten Anbetung des goldenen
Kalbes, d. h. von der Macht des Goldes in praxi zu emancipiren.
Wer wagt es zu leugnen, daß ein Barren Roheisen nicht ebensogut
ein Werth sei als ein Stück Silber oder Gold? Und wenn nun
dieser Ziegelsteinwerth, dieser Roheisenbarrenwerth als Papier ebenso
leicht und leichter transportabel gemacht wird als das Edelmetall,
warum soll dann dieses papierne Werthzeichen, dessen sehr reelle
Unterlage vom Staate garantirt ist, nicht in der Cirkulation das
Silber ersetzen können?    J. C.

* Handelsstatistik. Welchen wesentlichen und günstigen Ein-
fluß die erleichternden Zollbestimmungen, daß vom Auslande einge-
führte und hier für das Ausland weiter verarbeitete Produkte und
Halbfabrikate zollfrei sind, für den auswärtigen Verkehr haben, davon
gibt eine Zusammenstellung im preußischen Staatsanzeiger Zeugniß.
Nach dieser fanden diese Zollbefreiungen mit namhaften Summen bei
den Lieferungen der preußischen Maschinenfabriken statt, da sich z. B.
im vorigen Jahr bei Borsig die Zollbefreiung auf 102 Lokomotiven
und bei der Aktiengesellschaft für Eisenbahnbedarf auf 2162 Centner
Wagenfedern, 2052 Ctr. Wagenachsen, 1602 Ctr. Stahl, 4793 Ctr.
eiserne Tragbalken ec. erstreckte; am auffälligsten aber ist der in
Folge dieser Bestimmung ermöglichte und stattgehabte Verkehr bei
der Druckerei, Färberei und Bleicherei. Die Berliner Druckereien
erhielten zum Lohndrucken 184,412 Stück Baumwollgewebe ( darunter
108,409 Stück aus Oestreich ) , eine Druckerei in Hagen 11,212 Stück,
Zeitz und Eulenburg 48,413 Stück, die Kölner, Elberfelder und
Gladbacher 66,689 Stück. Die Seidenfabrikanten und Färber in
Crefeld erhielten zum Färben, Bedrucken und Appretiren 8665 Stück
seidene und halbseidene Waaren im Gewicht von 11,244 Pfd., die

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[0002] außerdem städtische Gas= und Wasserwerke. Nun haben wir gesagt, daß diese Werke eine feste Kapitalanlage repräsentiren, und im All- gemeinen scheint dies ein vorhandenes Baarkapital als nothwendig zu deren Ausführung vorauszusetzen, es ist dies jedoch eine unrichtige Ansicht. Da Kanäle, Eisenbahnen ec. ein Kapital an und_ für sich repräsentiren, welches weder der Mode noch dem Verderben noch der Spekulation unterworfen ist, so ist es recht wohl möglich in einem geordneten Staatswesen, wie es ja allerwärts in Deutschland vor- handen ist, und auch trotz aller Franzosen vorhanden bleiben wird, solche Anlagen ohne Kapital ( ? A. d. R. ) auszuführen, sobald der Staat die Ausführung überwacht und die Fertigstellung derselben garantirt. So ist es anerkannte Thatsache, daß eine Kanalverbindung vom Rhein zur Weser und Elbe nothwendig ist; daß selbe sich rentiren werde unterliegt gar keinem Zweifel. Wie nun, wenn trotz aller Kriegszeit an die Ausführung dieser großartigen Anlage gegangen würde? Nicht auf Aktien oder auf Kommanditantheile, nicht auf Kosten des Staatsschatzes, den der Krieg nothwendig braucht, sondern einfach durch Ausgabe von Kassenscheinen ad hoc, die ja so sicher wären, wie irgend welches andere Werth- zeichen. Der Staat müßte die Arbeiten in Regie ausführen lassen, und nur in dem Maße, als die Arbeiten fortschreiten, dürften die betreffenden Rhein=Elbe=Kanal=Scheine zur Löhnung ec. emittirt wer- den. Da dies Papier unverzinslich wäre, so wäre hierdurch noch ein großer Vorzug vor Aktien gewonnen. Selbstverständlich müßten diese Scheine an Staatskassen ebenfalls an Zahlung genommen werden. Durch Gesetz wäre zu bestimmen, daß die Ueberschüsse, welche dieser Kanal bei seiner Benützung über die Unterhaltungskosten ergäbe, zur Amortisation der Baukosten verwendet werden, und daß also von denselben alljährlich genau so viele eingezogen würden als der Kanal durch seinen Ertrag amortisirt hätte. Und wie hier mit dem Rhein- Elbe=Kanal, so könnte dies noch mit vielen anderen staatlichen pro- duktiven Anlagen gehalten werden. Auf diese Weise erhielte der Staat, oder was dasselbe sagt, erhielten die Staatsbürger, mit der Zeit eine sehr rentable stets zur Vermehrung des Nationalvermögens direkt bei- tragende Anlage umsonst ( ? A. d. R. ) , während ähnliche Aktienunternehmen häufig auch zur Vermehrung des Nationalvermögens fremder oder gar feindlicher Völker beitragen können, wie dieß jetzt z. B. der Fall mit mehreren Kohlenzechen in Westphalen, mit den Werken der Vieille- Montagne und der Schlessischen Zinkgesellschaft ist, deren Aktien sich in französischen Händen befinden. Bei Städten bilden Gas= und Wasserwerke eine ebenso nützliche als produktive Anlage. Sollte es jetzt nicht wünschenswerth und ausführbar sein, wenn z. B. Berlin, welches ja längst mit dem Plane der Anlage eines eigenen städtischen Wasserwerkes umgeht, ein solches mitten in der Kriegszeit in Ausführung brächte, und die Arbeits- löhne ec. hierbei mit neu zu edirenden Thalerscheinen ad hoc bestritte? Sollten solche Werthzeichen, für welche erstlich die ausgeführte Anlage bürgte, und hinter welchen das gesammte Kommunal=Eigenthum stände an Ort und Stelle von Jedem gern in Zahlung genommen werden? Dieselben sollten weder verzinslich noch Börsenpapier sein, sondern lediglich gleich dem Staatspapiergelde Werthzeichen einer durch selbe repräsentirten produktiven Anlage. Und da ein solches Wasserwerk ohne jeden Zweifel ebenso brillant rentiren würde, als die städtische Gasanstalt, welche sich auf 28 pCt. verzinst, sollte da nicht eine baldige Wiedereinziehung resp. Amortisation dieser Werthzeichen ge- sichert sein? Möchten selbst, was der Himmel jedoch verhüten wird, die Franzosen zum zweitenmale nach Berlin kommen, das Wasserwerk könnten sie doch nicht rauben ( aber zerstören. A. d. R. ) , also würden auch im schlimmsten Falle diese Werthzeichen ihren vollen Werth behalten. Und das, was von der Hauptstadt gilt, läßt sich mutatis mutantis auch von jeder Provinzialstadt, von jeder Kommune des ganzen Staates, des ganzen Deutschlands sagen. Sollte es z. B. nicht gerade jetzt für die Stadt Frankfurt a. M. ein hochverdienstliches Werk sein, wenn sie nach besagtem Modus unverweilt an die Ausführung des Kanales zum Rheine ginge? Wenn sie diese Arbeiten nicht gelddurstigen Unternehmern anvertraute, sondern solche in eigener Regie ausführte, und durch ihre jetzt ohnehin nicht beschäftigten Bauamts=Beamten beaufsichtigen ließe? Doch wir wollen noch einen ähnlichen kürzeren Weg angeben, den nothgedrungen feiernden Arbeitern Arbeit und Brod zu schaffen, ohne der in die Mäuselöcher verkrochenen Kapitalisten hierbei zu be- dürfen. Unsere deutschen Städte sind fast ohne Ausnahme in einem erfreulichen Wachsthume begriffen, und das steht fest, darin wird kein französischer Krieg sie behindern können. Allen voran wächst aber die Metropole mit Riesenschritten zu einer Weltstadt heran, wie solche als erste Repräsentantin des neuerstehenden deutschen Reiches nach jeder Richtung hin als achtunggebietend dastehen muß. Erste Bedingung des Anwachsens der Städte sind aber Neubauten und erste Bedingung der Neubauten sind Baumaterialien. Hieran fehlt es stets, wenn solche gesucht werden, und werden dann meistens un- natürlich hohe Preise hierfür gezahlt, werden dann oft Ausschuß- produkte, die zu nichts taugen, verarbeitet, und hierdurch nicht allein die Bauten übermäßig vertheuert, sondern auch in den Materialien und in der Ausführung unsolide. Wie nun, wenn jetzt, wo in den größeren Städten der Arbeitsmangel so dringend ist, die Kommunen die Erzeugung von Baumaterialien gegen Kreditscheine unternähmen? Es sollen hierbei die gewöhnlichen Arbeitspreise gezahlt werden, d. h. in den betreffenden Scheinen, und sollen diese Scheine an allen städ- tischen Kassen in Zahlung genommen werden. Sobald alsdann der Friede wieder eintritt und die Baulust auflebt, dann sollen diese Baumaterialien gegen Kasse an Bauunternehmer verkauft werden, oder auch auf erste Hypothek kreditweise ebenfalls abgelassen werden, einen Baarverdienst soll jedoch die Kommune hieran nicht nehmen. Mittelst einer Kommission von Bürgern wäre dann die Einziehung und Vernichtung der Werthzeichen, welche für die versilberten Produkte bisher kursirten, vorzunehmen, resp. zu überwachen. Diese Bauma- terialien ( Ziegel, Bruchsteine, Kunststeine, Kalk gebrannt und einge- löscht, Dachpappen, Dielen, Thüren und Fenster, Fensterglas u. s. w. ) verderben nicht und verlieren nicht durch Aufbewahrung an Werth; mit ihrer Herstellung können aber Tausende beschäftigt werden. Jn besagter Weise also, daß man die gezwungen feiernde Ar- beitskraft mit Schaffung neuer sicherer Werthe beschäftigt, daß man die Mittel hierzu in den geschaffenen Werthen selbst findet und durch entsprechende Cirkulationsmittel ad hoc repräsentirt, daß vor allem die Sicherheit geboten wird, daß unter keiner Bedingung mehr Werth- zeichen ausgegeben werden können, als wirklich effektive, greifbare und realisirbare, d. h. in Silber oder Gold umzusetzende neue Werthe geschaffen sind, daß ferner von jeder Verzinsung, Prämienausloosung ec. hierbei abgesehen wird: in dieser Art ist es möglich, dem Ruin des Nationalvermögens durch den Krieg vorzubeugen, und gleichzeitig, und das ist von höchster Wichtigkeit, einestheils dem weltwirthschaft- lichen Gesetze der Produktionspflicht gerecht zu werden, anderntheils dem Müssiggange mit seinem ganzen Annexe von Lastern wirksam entgegenzutreten, drittens den klaren Begriff von der Solidarität der Jnteressen Aller im ganzen Staate Jedem ad oculos zu demonstriren, und endlich sich von der Jahrtausende alten Anbetung des goldenen Kalbes, d. h. von der Macht des Goldes in praxi zu emancipiren. Wer wagt es zu leugnen, daß ein Barren Roheisen nicht ebensogut ein Werth sei als ein Stück Silber oder Gold? Und wenn nun dieser Ziegelsteinwerth, dieser Roheisenbarrenwerth als Papier ebenso leicht und leichter transportabel gemacht wird als das Edelmetall, warum soll dann dieses papierne Werthzeichen, dessen sehr reelle Unterlage vom Staate garantirt ist, nicht in der Cirkulation das Silber ersetzen können? J. C. * Handelsstatistik. Welchen wesentlichen und günstigen Ein- fluß die erleichternden Zollbestimmungen, daß vom Auslande einge- führte und hier für das Ausland weiter verarbeitete Produkte und Halbfabrikate zollfrei sind, für den auswärtigen Verkehr haben, davon gibt eine Zusammenstellung im preußischen Staatsanzeiger Zeugniß. Nach dieser fanden diese Zollbefreiungen mit namhaften Summen bei den Lieferungen der preußischen Maschinenfabriken statt, da sich z. B. im vorigen Jahr bei Borsig die Zollbefreiung auf 102 Lokomotiven und bei der Aktiengesellschaft für Eisenbahnbedarf auf 2162 Centner Wagenfedern, 2052 Ctr. Wagenachsen, 1602 Ctr. Stahl, 4793 Ctr. eiserne Tragbalken ec. erstreckte; am auffälligsten aber ist der in Folge dieser Bestimmung ermöglichte und stattgehabte Verkehr bei der Druckerei, Färberei und Bleicherei. Die Berliner Druckereien erhielten zum Lohndrucken 184,412 Stück Baumwollgewebe ( darunter 108,409 Stück aus Oestreich ) , eine Druckerei in Hagen 11,212 Stück, Zeitz und Eulenburg 48,413 Stück, die Kölner, Elberfelder und Gladbacher 66,689 Stück. Die Seidenfabrikanten und Färber in Crefeld erhielten zum Färben, Bedrucken und Appretiren 8665 Stück seidene und halbseidene Waaren im Gewicht von 11,244 Pfd., die

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Zitationshilfe: Der Arbeitgeber. Nr. 695. Frankfurt a. M., 27. August 1870, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_arbeitgeber0695_1870/2>, abgerufen am 29.03.2024.