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Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 23. Rudolstadt, 5. Juni 1848.

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[Spaltenumbruch] Am Life oak Creek verließ ich die Wagen und legte die übrigen
3 1 / 2 M. zur Stadt ohne Begleitung zurück, was ich um so weniger
bedauern mußte, als in der nachfolgenden Nacht ein heftiger Regen
niederfiel. -- Vom Llano nach Friedrichsburg rechne ich die Ent-
fernung von 38 Meilen.

Jn Friedrichsburg empfing ich wieder Nachrichten aus der
Heimath von ziemlich frischem Datum, hörte mancherlei Neuig-
keiten von Jndian Point, Neu = Braunfels und dem mexikani-
schen Kriegstheater, fand die Nachricht von der Ermordung dreier
Weißen bei S. Antonio grundlos, indem derselben eine Ver-
wechselung zu Grunde lag. Jm eigentlichen Jndianergebiet, am
Rio Blanco, einem Zuflusse des San Marcos flusses und
vermittelst dieses der Guadeloupe, waren 2 Landvermesser scal-
pirt worden. Ein sie begleitender Deutscher hatte sich durch die
Flucht retten können. Friedrichsburg hatte Besuch von 2 Par-
teien Comanches gehabt, die, scheinbar feindselig und Alles im
Stich lassend, sich bei dunkler Nacht auf nackten Pferden davon
gemacht hatten. Weitere Ergebnisse werde ich mit nächster Ge-
legenheit mittheilen und meine Meinung über Ansiedelung im
Vereinslande allgemein darzustellen versuchen. Die Häuserzahl
in Friedrichsburg war in dem kurzen Zeitraume von nicht 4 Wochen
aufs Doppelte gestiegen, von 60 auf etwa 120, zum Theil gute
solide Häuser, und zahlreiche Zäune sind theils vollendet, theils
begonnen.

Literatur.

Die Vereinigten Staaten von Nord - Ame-
rika. Von Francis Wyse. Für Deutsche be-
arbeitet von Eduard Amthor
, Dr. phil. und Mit-
glied der asiatischen Gesellschaft zu Paris. 3 Bände.
Leipzig 1846. Renger -sche Buchhandlung. Preis

2 1 / 2 Rl.

Der Verfasser hat sich bei Ausarbeitung des vorliegenden
Werkes, seiner eigenen Aussage nach, die Aufgabe gesetzt, dem
Publicum Data an die Hand zu geben, mit deren Zugrundelegung
man sich eine vorurtheilsfreie und begründete Meinung über
Nordamerika bilden kann; den Auswanderern aller Stände mit
brauchbaren Lehren unter die Arme zu greifen; auf den Charakter
der Amerikaner in den Vereinigten Staaten, auf ihre Sitten und
sociale Organisation, sowie auf ihre politische Macht und ihre
Gesetze einiges Licht zu werfen und das Verfahren der Regierung
und die Einrichtungen des Landes zu erläutern.

Wer den Umfang der Vereinigten Staaten, die Verschieden-
heit des Charakters ihrer Bewohner, -- man vergleiche nur den
berechnenden Bewohner der Neu = England = Staaten mit dem
chevaleresken Südländer, oder diesen mit dem derben, aber biedern
Kentuckyer --, und die aus dieser wie aus der Verschiedenheit
des Klimas hervorgehende Abweichung in Sitten und Gebräuchen
und Lebensweife erwägt; wer da weiß, daß jeder einzelne Staat
[Spaltenumbruch] der Union, außer dem allgemeinen Bundesgesetze, von den Nach-
barstaaten mehr oder minder stark abweichende, locale Gesetze hat,
der wird leicht ermessen können, daß die Arbeit des Verfassers
eine höchst schwierige war. Jemehr wir uns nun überzeugt
haben, daß der Verf. die verschiedenen Gesetze der einzelnen Staaten
eine Menge geschichtlicher und anderer Notizen, statistische Tabellen
u. s. w. mühsam und gewissenhaft sammelte, desto mehr müssen
wir bedauern, daß er in dem ersten Bande seines Werkes, welcher
von der Verfassung, Rechtspflege, Kirche, Schule, Handel, Finanzen,
Heer, Flotte und Sclaverei handelt, sich, gleich seinen Landsleuten
Marryat, Dickens, Trollope und Anderen, durch den der englischen
Nation innewohnenden Haß, oder, gelinder gesagt, durch ihre
Eifersucht gegen die Vereinigten Staaten und ihre Bewohner,
zu ungerechten Urtheilen, zu kleinlicher Tadelsucht hinreißen läßt.

Zur Begründung dieses Ausspruchs mag es genügen, wenn
wir anführen, daß der Verf. sagt, dem Eingewanderten würden
in Amerika nur außer = häusliche Arbeiten geboten, welche lediglich
für Neger, Auswanderer und Fremde aufgespart werden, weil
kein eingeborener, weißer Amerikaner, selbst gegen beträchtlich ge-
steigerte Bezahlung, dieselben übernehmen würde. Einer Wider-
legung bedarf diese Behauptung gewiß nicht; dagegen hat sie die
auch bei anderen Stellen des Werks in uns aufgetauchte Ver-
muthung bei uns erregt, daß der Verf. da, wo er von Aus-
wanderern im Allgemeinen spricht, fast ausschließlich die übersiedelten
Jrländer und Schotten in's Auge faßte. "Nehmen wir an," sagt
der Verf. weiter, ohne anzugeben, was ihn zu dieser ganz falschen
Angabe berechtigt, "nehmen wir an, daß anstatt 7 unter 12 Schotten
und 4 unter 12 Jrländern, die zusammen mindestens 4 / 5 der ganzen
britischen Auswanderermenge ( 45,000 ) bilden, etwa die Hälfte
der gesammten Einwanderer einen guten Erfolg erzielen, so haben
wir das beklagenswerthe Factum ( soll wohl "Facit" heißen, denn
"Factum" ist es nicht ) vor uns, wie 20,000 unglückliche und
getäuschte Wesen alljährlich die Stätte der Heimath aufgeben
und der amerikanischen Bevölkerung hülflos in die Arme geworfen
werden" u. s. w. Wenn man von falschen Prämissen ausgeht,
so muß man nothwendig zu falschen Schlüssen gelangen; so er-
geht es hier auch dem Verf., der, gleich nachdem er gefunden
haben will, daß 20,000 Schotten und Jrländer alljährlich den
Vereinigten Staaten zur Last fallen, dessenungeachtet die Amerikaner
tadelt, daß sie darauf hinarbeiten, sich gegen den Zufluß ganz und
gar hilfloser Einwanderer in etwas sicher zu stellen; eine Logik,
der wir nicht zu folgen vermögen, der wir aber in fast allen Ur-
theilen des Vf. begegnen. Was mag Herr Francis Wyse wohl
zu der schon zur dritten Lesung gekommenen englischen Fremden-
bill sagen? --

Daß die Rechtspflege der Tadelsucht des Hrn. Verf. ein
weites Terrain bietet, wird hiernach Niemanden überraschen; dennoch
frappirte es uns, als wir unter den Gründen, welche er für die
Schlechtigkeit der Local = Regierungen anführt, den fanden, daß die
Mitglieder des Hauses der Abgeordneten der größern Anzahl
nach aus Leuten ohne Rang und Reichthum zu bestehen pflegen,
die, wie er fast in nackten Worten sagt, keine Jntelligenz besitzen

[Spaltenumbruch] Am Life oak Creek verließ ich die Wagen und legte die übrigen
3 1 / 2 M. zur Stadt ohne Begleitung zurück, was ich um so weniger
bedauern mußte, als in der nachfolgenden Nacht ein heftiger Regen
niederfiel. -- Vom Llano nach Friedrichsburg rechne ich die Ent-
fernung von 38 Meilen.

Jn Friedrichsburg empfing ich wieder Nachrichten aus der
Heimath von ziemlich frischem Datum, hörte mancherlei Neuig-
keiten von Jndian Point, Neu = Braunfels und dem mexikani-
schen Kriegstheater, fand die Nachricht von der Ermordung dreier
Weißen bei S. Antonio grundlos, indem derselben eine Ver-
wechselung zu Grunde lag. Jm eigentlichen Jndianergebiet, am
Rio Blanco, einem Zuflusse des San Marcos flusses und
vermittelst dieses der Guadeloupe, waren 2 Landvermesser scal-
pirt worden. Ein sie begleitender Deutscher hatte sich durch die
Flucht retten können. Friedrichsburg hatte Besuch von 2 Par-
teien Comanches gehabt, die, scheinbar feindselig und Alles im
Stich lassend, sich bei dunkler Nacht auf nackten Pferden davon
gemacht hatten. Weitere Ergebnisse werde ich mit nächster Ge-
legenheit mittheilen und meine Meinung über Ansiedelung im
Vereinslande allgemein darzustellen versuchen. Die Häuserzahl
in Friedrichsburg war in dem kurzen Zeitraume von nicht 4 Wochen
aufs Doppelte gestiegen, von 60 auf etwa 120, zum Theil gute
solide Häuser, und zahlreiche Zäune sind theils vollendet, theils
begonnen.

Literatur.

Die Vereinigten Staaten von Nord - Ame-
rika. Von Francis Wyse. Für Deutsche be-
arbeitet von Eduard Amthor
, Dr. phil. und Mit-
glied der asiatischen Gesellschaft zu Paris. 3 Bände.
Leipzig 1846. Renger -sche Buchhandlung. Preis

2 1 / 2 Rl.

Der Verfasser hat sich bei Ausarbeitung des vorliegenden
Werkes, seiner eigenen Aussage nach, die Aufgabe gesetzt, dem
Publicum Data an die Hand zu geben, mit deren Zugrundelegung
man sich eine vorurtheilsfreie und begründete Meinung über
Nordamerika bilden kann; den Auswanderern aller Stände mit
brauchbaren Lehren unter die Arme zu greifen; auf den Charakter
der Amerikaner in den Vereinigten Staaten, auf ihre Sitten und
sociale Organisation, sowie auf ihre politische Macht und ihre
Gesetze einiges Licht zu werfen und das Verfahren der Regierung
und die Einrichtungen des Landes zu erläutern.

Wer den Umfang der Vereinigten Staaten, die Verschieden-
heit des Charakters ihrer Bewohner, -- man vergleiche nur den
berechnenden Bewohner der Neu = England = Staaten mit dem
chevaleresken Südländer, oder diesen mit dem derben, aber biedern
Kentuckyer --, und die aus dieser wie aus der Verschiedenheit
des Klimas hervorgehende Abweichung in Sitten und Gebräuchen
und Lebensweife erwägt; wer da weiß, daß jeder einzelne Staat
[Spaltenumbruch] der Union, außer dem allgemeinen Bundesgesetze, von den Nach-
barstaaten mehr oder minder stark abweichende, locale Gesetze hat,
der wird leicht ermessen können, daß die Arbeit des Verfassers
eine höchst schwierige war. Jemehr wir uns nun überzeugt
haben, daß der Verf. die verschiedenen Gesetze der einzelnen Staaten
eine Menge geschichtlicher und anderer Notizen, statistische Tabellen
u. s. w. mühsam und gewissenhaft sammelte, desto mehr müssen
wir bedauern, daß er in dem ersten Bande seines Werkes, welcher
von der Verfassung, Rechtspflege, Kirche, Schule, Handel, Finanzen,
Heer, Flotte und Sclaverei handelt, sich, gleich seinen Landsleuten
Marryat, Dickens, Trollope und Anderen, durch den der englischen
Nation innewohnenden Haß, oder, gelinder gesagt, durch ihre
Eifersucht gegen die Vereinigten Staaten und ihre Bewohner,
zu ungerechten Urtheilen, zu kleinlicher Tadelsucht hinreißen läßt.

Zur Begründung dieses Ausspruchs mag es genügen, wenn
wir anführen, daß der Verf. sagt, dem Eingewanderten würden
in Amerika nur außer = häusliche Arbeiten geboten, welche lediglich
für Neger, Auswanderer und Fremde aufgespart werden, weil
kein eingeborener, weißer Amerikaner, selbst gegen beträchtlich ge-
steigerte Bezahlung, dieselben übernehmen würde. Einer Wider-
legung bedarf diese Behauptung gewiß nicht; dagegen hat sie die
auch bei anderen Stellen des Werks in uns aufgetauchte Ver-
muthung bei uns erregt, daß der Verf. da, wo er von Aus-
wanderern im Allgemeinen spricht, fast ausschließlich die übersiedelten
Jrländer und Schotten in's Auge faßte. „Nehmen wir an,“ sagt
der Verf. weiter, ohne anzugeben, was ihn zu dieser ganz falschen
Angabe berechtigt, „nehmen wir an, daß anstatt 7 unter 12 Schotten
und 4 unter 12 Jrländern, die zusammen mindestens 4 / 5 der ganzen
britischen Auswanderermenge ( 45,000 ) bilden, etwa die Hälfte
der gesammten Einwanderer einen guten Erfolg erzielen, so haben
wir das beklagenswerthe Factum ( soll wohl „Facit“ heißen, denn
„Factum“ ist es nicht ) vor uns, wie 20,000 unglückliche und
getäuschte Wesen alljährlich die Stätte der Heimath aufgeben
und der amerikanischen Bevölkerung hülflos in die Arme geworfen
werden“ u. s. w. Wenn man von falschen Prämissen ausgeht,
so muß man nothwendig zu falschen Schlüssen gelangen; so er-
geht es hier auch dem Verf., der, gleich nachdem er gefunden
haben will, daß 20,000 Schotten und Jrländer alljährlich den
Vereinigten Staaten zur Last fallen, dessenungeachtet die Amerikaner
tadelt, daß sie darauf hinarbeiten, sich gegen den Zufluß ganz und
gar hilfloser Einwanderer in etwas sicher zu stellen; eine Logik,
der wir nicht zu folgen vermögen, der wir aber in fast allen Ur-
theilen des Vf. begegnen. Was mag Herr Francis Wyse wohl
zu der schon zur dritten Lesung gekommenen englischen Fremden-
bill sagen? --

Daß die Rechtspflege der Tadelsucht des Hrn. Verf. ein
weites Terrain bietet, wird hiernach Niemanden überraschen; dennoch
frappirte es uns, als wir unter den Gründen, welche er für die
Schlechtigkeit der Local = Regierungen anführt, den fanden, daß die
Mitglieder des Hauses der Abgeordneten der größern Anzahl
nach aus Leuten ohne Rang und Reichthum zu bestehen pflegen,
die, wie er fast in nackten Worten sagt, keine Jntelligenz besitzen

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Friedrichsburg hatte Besuch von 2 Par- teien Comanches gehabt, die, scheinbar feindselig und Alles im Stich lassend, sich bei dunkler Nacht auf nackten Pferden davon gemacht hatten. Weitere Ergebnisse werde ich mit nächster Ge- legenheit mittheilen und meine Meinung über Ansiedelung im Vereinslande allgemein darzustellen versuchen. Die Häuserzahl in Friedrichsburg war in dem kurzen Zeitraume von nicht 4 Wochen aufs Doppelte gestiegen, von 60 auf etwa 120, zum Theil gute solide Häuser, und zahlreiche Zäune sind theils vollendet, theils begonnen. Literatur. Die Vereinigten Staaten von Nord - Ame- rika. Von Francis Wyse. Für Deutsche be- arbeitet von Eduard Amthor, Dr. phil. und Mit- glied der asiatischen Gesellschaft zu Paris. 3 Bände. Leipzig 1846. Renger -sche Buchhandlung. Preis 2 1 / 2 Rl. 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Wer den Umfang der Vereinigten Staaten, die Verschieden- heit des Charakters ihrer Bewohner, -- man vergleiche nur den berechnenden Bewohner der Neu = England = Staaten mit dem chevaleresken Südländer, oder diesen mit dem derben, aber biedern Kentuckyer --, und die aus dieser wie aus der Verschiedenheit des Klimas hervorgehende Abweichung in Sitten und Gebräuchen und Lebensweife erwägt; wer da weiß, daß jeder einzelne Staat der Union, außer dem allgemeinen Bundesgesetze, von den Nach- barstaaten mehr oder minder stark abweichende, locale Gesetze hat, der wird leicht ermessen können, daß die Arbeit des Verfassers eine höchst schwierige war. 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Zur Begründung dieses Ausspruchs mag es genügen, wenn wir anführen, daß der Verf. sagt, dem Eingewanderten würden in Amerika nur außer = häusliche Arbeiten geboten, welche lediglich für Neger, Auswanderer und Fremde aufgespart werden, weil kein eingeborener, weißer Amerikaner, selbst gegen beträchtlich ge- steigerte Bezahlung, dieselben übernehmen würde. Einer Wider- legung bedarf diese Behauptung gewiß nicht; dagegen hat sie die auch bei anderen Stellen des Werks in uns aufgetauchte Ver- muthung bei uns erregt, daß der Verf. da, wo er von Aus- wanderern im Allgemeinen spricht, fast ausschließlich die übersiedelten Jrländer und Schotten in's Auge faßte. „Nehmen wir an,“ sagt der Verf. weiter, ohne anzugeben, was ihn zu dieser ganz falschen Angabe berechtigt, „nehmen wir an, daß anstatt 7 unter 12 Schotten und 4 unter 12 Jrländern, die zusammen mindestens 4 / 5 der ganzen britischen Auswanderermenge ( 45,000 ) bilden, etwa die Hälfte der gesammten Einwanderer einen guten Erfolg erzielen, so haben wir das beklagenswerthe Factum ( soll wohl „Facit“ heißen, denn „Factum“ ist es nicht ) vor uns, wie 20,000 unglückliche und getäuschte Wesen alljährlich die Stätte der Heimath aufgeben und der amerikanischen Bevölkerung hülflos in die Arme geworfen werden“ u. s. w. Wenn man von falschen Prämissen ausgeht, so muß man nothwendig zu falschen Schlüssen gelangen; so er- geht es hier auch dem Verf., der, gleich nachdem er gefunden haben will, daß 20,000 Schotten und Jrländer alljährlich den Vereinigten Staaten zur Last fallen, dessenungeachtet die Amerikaner tadelt, daß sie darauf hinarbeiten, sich gegen den Zufluß ganz und gar hilfloser Einwanderer in etwas sicher zu stellen; eine Logik, der wir nicht zu folgen vermögen, der wir aber in fast allen Ur- theilen des Vf. begegnen. Was mag Herr Francis Wyse wohl zu der schon zur dritten Lesung gekommenen englischen Fremden- bill sagen? -- Daß die Rechtspflege der Tadelsucht des Hrn. Verf. ein weites Terrain bietet, wird hiernach Niemanden überraschen; dennoch frappirte es uns, als wir unter den Gründen, welche er für die Schlechtigkeit der Local = Regierungen anführt, den fanden, daß die Mitglieder des Hauses der Abgeordneten der größern Anzahl nach aus Leuten ohne Rang und Reichthum zu bestehen pflegen, die, wie er fast in nackten Worten sagt, keine Jntelligenz besitzen

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Zitationshilfe: Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 23. Rudolstadt, 5. Juni 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_auswanderer23_1848/5>, abgerufen am 19.04.2024.