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Mährisches Tagblatt. Nr. 201, Olmütz, 04.09.1893.

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Das
"Mährische Tagblatt"
ersche[i]nt mit Ausnahme der
Sonn- und Feiertage täglich.
[Aus]gabe 2 Uhr Nachmittag
[i]m Administrationslocale
Niederring Nr. 41 neu.
[A]bonnement für Olmütz:

Ganzjährig fl. 10
Halbjährig 5.--
Vierteljährig " 2.50
Monatlich " --.90
Zustellung ins Haus monat-
[l]ich 10 kr.
Auswärts durch die Post:
Ganzjährig fl. 14.--
Halbjährig " 7.--
Vierteljährig " 3.50
Einzelne Nummern 5 kr.



Telephon Nr. 9.


[Spaltenumbruch]
Mährisches
Tagblatt.

[Spaltenumbruch]

Insertionsgebühren
nach aufliegendem Tar[if.]



Außerhalb Olmütz [ü]ber[neh-]
men Insertions-Aufträger
Heinrich Schalek, Annon-
cen-Exped in Wien. I. Wo[ll-]
zeile Nr. 11, Haaserst[ein] &
Vogler,
in Wien. Bud[a-]
pest, Berlin, Frankfurt a. M.
Hamburg, Basel und Leipzig-
Alois Opeilik, in Wien. R[ud.]
Mosse,
in Wien, München [u.]
Berlin. M. Dukes, Wien, [ I. ]
Schulerstraße 8. G. L. Dau[be],
und Co.,
Frankfurt a. M.
Karoly u. Liebmann's [A]nnon-
[cen]b[u]rean in Hamburg, [sowie]
[säm]mtl. conc. Insertionsbu-
[reau]s des In- u. Auslandes.
M[an]uscripte werden nich
zurückgestellt.


Telephon Nr. 9.




Nr. 201. Olmütz, Montag den 4. September 1893. 14. Jahrgang.


[Spaltenumbruch]
Die Wacht des Weltfriedens.


Die deutsche Regierung beeilt sich, die Con-
sequenzen des unter so schweren inneren Stür-
men und Kämpfen zu Stande gebrachten Gesetzes
über die Friedensstärke des Heeres zu ziehen. Ob-
wohl dasselbe erst Anfangs October in Geltung
tritt, veröffentlicht das deutsche Armee-Verord-
nungsblatt schon jetzt die kaiserliche Entschließung
betreffend die in Folge der Heeresverstärkung noth-
wendigen Formationsänderungen. Die wichtigste
derselben ist wohl die Errichtung eines neuen
(vierten) Bataillons bei jedem der 173 Infante-
rie-Regimenter, welches, da es im Frieden nur
aus zwei Compagnien besteht, eigentlich ein Halb-
bataillon ist. Wir bemerken hiebei, daß der
Ausdruck "Infanterie" in Deutschland ein Sam-
melname ist, von der gleichen Bedeutung, wie
nach unserer Terminologie der Ausdruck "Fuß-
truppen". Wenn also nach dem neuen Gesetze
und der bezüglichen kaiserlichen Entschließung das
deutsche Heer vom October an 538 Bataillone
und 173 Halbbataillone zählen wird, so umfaßt
diese Zahl nicht nur die eigentlichen Infanterie-
Regimenter, sondern auch die Garde-, die Gre-
nadier- und die Füsilier-Regimenter, sowie die
Jäger- und die Schützenbataillone. Nach der
neuen Organisation bleibt mithin die Zahl der
Bataillone, die auch bisher 538 Bataillone be-
trug (133 preußische, 20 bairische, 3 sächsische,
8 württembergische Infanteri-Regimenter zu drei
Bataillonen, sowie 14 preußische, 2 bairische, 3
sächsische Jäger- [Schützen-]Bataillone) unverän-
[Spaltenumbruch] dert und nur die 173 Halbbataillone bilden die
eigentliche Neuerung, die auch ein beträchtliches
Avancement bis zur Majorscharge zur unmittel-
baren Folge haben wird. So gelangen z. B in
Preußen jetzt schon Hauptleute mit dem Patent
von Anfang 1883 zur Beförderung, während bei
uns erst die Hauptleute mit dem Range vom
Mai 1882 an der Reihe stehen. Die Durch-
schnittsstärke der Compagnien zu 147 Mann,
also des Bataillons zu 588 Mann -- ohne Offi-
ciere und Einjährig-Freiwillige -- bleibt unver-
ändert. Die Friedensstärke eines österreichisch-
ungarischen Infanterie-Bataillons beträgt 374,
jene eines Jägerbataillons 379 Unterofficiere und
Soldaten.

Die 93 Cavllerie-Regimenter des deutschen
Heeres (73 preußische, 10 bairische, 6 sächsische
und 4 württembergische) zu je fünf Escadronen,
zusammen also 465 Escadronen, werden von den
Formationsänderungen ebensowenig berührt, wie
von dem neuen Gesetze selbst, denn die Mann-
schaften der Cavallerie und der reiten[d]en Feldar-
tillerie haben nach wie vor drei volle Jahre activ
zu dienen. Cavalleristen und reitende Artilleri-
sten sind so vielseitig auszubilden, sie haben prac-
tisch und theoretisch so viel zu lernen und zu
üben, daß es ein gewagtes Experiment wäre, die
zweijährige Dienstzeit auch auf diese zwei Was-
fengattungen zu erstrecken. Kein Staat hat noch
diesen Versuch gewagt, wenigstens nicht bei der
in erster Linie stehenden Feldcavallerie, die schon
am zweiten Tage nach dem Befehl zur Mobil-
machung marschbereit sein soll. Der russische
Cavallerist dient sogar fünf Jahre präsent; der
[Spaltenumbruch] Kosak, der vorher eine dreijährige Ausbildung zu
Fuß und zu Pferd in der Heimath durchgemacht,
dient sodann noch vier Jahre activ. Man
hat sich daher auch in Deutschland begreif-
licherweise nicht entschließen können, an dem drei-
jährigen Präsenzdienst der Cavallerie und reiten-
den Artillerie zu rütteln. Auch der Bestand der
Escadron zu 133 Mann -- ohne Officiere und
Einjährig-Freiwillige -- ist unverändert ge-
blieben; die österreichisch-ungarische Escadron ist
stärker, denn sie zählt 166 Unterofficiere und
Soldaten; überdies hat jedes Regiment bei uns
nicht fünf, sondern sechs Feldescadronen.

Dagegen ist die Verstärkung der Feldartil-
lerie eine sehr beträchtliche. Dieselbe zählte bisher
in Preußen 336, in Baiern 48, in Sachsen 30,
in Württemberg 20, zusammen also 434 Bat-
terien zu je 4 oder 6 Geschützen. Nun treten 60
neue Batterien hinzu, so daß das deutsche Heer
im Frieden 495 Feldbatterien zählen wird. Die
Mannschaften der fahrenden Batterien bleiben nur
zwei Jahre im Präsenzdienste. Auch werden 16
Abtheilungsstäbe (d. h. Batteriedivisions-Com-
manden) der fahrenden Feldartillerie, sowie ein
Abtheilungsstab und 3 Batterien als zweite Lehr-
abtheilung der Feldartillerie-Schießschule zu Jüter-
bog errichtet. -- Oesterreich-Ungarn zählt im
Frieden 243 Batterien zu je 4 oder 6 Geschützen;
außerdem 11 Gebirgsbatterien im Occupations-
gebiete.

Die Fußartillerie -- unsere Festungsartillerie
-- zählte bisher 24 preußische, 4 bairische, 2
sächsische und 1 württembergisches Bataillon,
zusammen 31 Bataillone zu 4 Compagnien, mit




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.



Aus alten Maculaturen.
Von Norbert Falck.

(Nachdruck verboten.)

Ich bin ein Freund von alten Papieren.
Damit meine ich nicht nur Bodencreditscheine
und Pilsener Bräuhausactien, sondern auch die
verschollenenen Folianten, Almanache, Legendarien
und Kalender, die auf Auctionen zu kaufen sind,
das Kilogramm um 7 Kreuzer. Es bietet einen
eigenen Reiz, aus den Bergen vergilbter Bücher,
aus diesen papierenen Gräbern eine verstorbene
Welt heraufzubeschwören, eine Welt der todten
Formen und verblichenen Farben, der unseren
nicht ähnlicher, als diese der kommenden. La-
vendel- und Moderduft umfangen die Sinne und
es thut wohl, sich hineinzuträumen in die ver-
rauschte Zeit, an Abenden, erhellt vom Kohlen-
feuer. -- Vor Kurzem war ein reicher Kauf-
mann gestorben, ein hagestolzer Sonderling, der
sein siebzigjähriges Leben im Laden verbracht
hatte, allen ein Räthsel. Aus seinem Nachlasse
hatte ich ein tüchtiges Quantum Maculatur an-
gekauft und eines recht schneereichen Winter-
abends rückte ich Tisch und Papierkorb an den
Ofen und begaun zu blättern ... Da gab es
Zeitschriften aus den Zwanziger-Jahren, in denen
über das neueste Werk des Herrn Goethe be-
richtet wurde, daneben ein unaufgeschnittenes
Exemplar der ersten Auflage von Heines Liedern;
unter revolutionären Flugschriften aus dem Vor-
[Spaltenumbruch] märz ein Theaterzettel des Kärntnerthortheaters;
dann wieder Facturen über Cichorien und Baumöl
und wieder Dumas Monte Christo und dann
einige Nummern des Gutzkow'schen "Gesell-
schafters". Nachdem ich einen Essay Gutzkows
durchgelesen hatte, stieß ich auf eine unaufge-
schnittene Nummer des "Grenzboten," die unbe-
rührt, wohlgefaltet und mit der Adreßschleife
versehen war. Als ich das Exemplar aufschnitt,
entfiel demselben ein gesiegeltes, uneröffnetes
Couvert, das auf der Adreßseite in verbleichten
Schnörkelzügen den Namen: "Wilhelm Max
Habinger" trug. Es war der Name des Kauf-
mannes, dem die Papiere ehedem gehörten.
Ueberrascht wandte ich das verschlossene Briefchen
hin und her. Es war alt, sehr alt und der
Neugier folgend riß ich das Couvert an der
Seite auf und entnahm demselben ein bläuliches,
stark angegilbtes Schreiben. Die Tinte war ver-
blaßt, die Schrift zart und fein. Ich durchlas
es, und was ich da gelesen hatte, gab mir lange
zu denken. Ich will das kurze Schreiben hieher-
setzen:

Pilsen in Böhmen, am dritten May 1841.

Lieber Wilhelm!

Du nennst Dein heutiges Schreiben Dein
letztes und siehst der sofortigen Antwort ent-
gegen. Ich lasse sie Dir auch augenblicklich zu-
kommen, weil ich nicht diejenige sein will, die
allein Schuld tragen soll. Was zwischen uns auch
vorgefallen sein mag, es sei vergessen! Ich
will Alles Deinem rauhen, innerlich aber
guten Naturell zuschreiben und Deiner Reue
[Spaltenumbruch] glauben. Ob wir uns Beide gleich stark lieben,
weiß ich nicht; aber daß Du mir theu[r]er bist,
als ich es Dir je gesagt habe, ist mein heutiges
Schreiben der beste Beweis. Ich würde Dich
lieben, auch wenn Du im Taglohn arbeiten
würdest und würde Dein Weib. Alles ist Dir
verziehen, denn, ich weiß es, wir Beide können
ohne einander ja nimmermehr leben. Ich er-
warte Dich zu Pfingsten, wie Du gesagt hast.
Sei vielmals geküßt von Deiner

Clara Stadtmüller.

Der Brief war also nicht an den Adressaten
gelangt und 50 Jahre lang zwischen den Seiten
einer gleichzeitig angekommenen Zeitschrift ge-
legen. Er mochte zufällig hineingerutscht sein,
denn nur so konnte ich es mir erklären. Ich
ward mir nun bewußt, daß ich den Schlüssel
zu dem Räthsel eines verbitterten, absonderlichen
Menschenlebens hatte. Also dieser alte, graue
weltscheue Krämer hatte auch lieben und leiden-
schaftlich sein können! Ich vermochte mir ihn
ganz gut als jungen Mann zu denken, wie
er täglich von der Post ein Briefchen erwartet,
das ihm die erflehte Verzeihung bringen soll
und es nie erhält. Wie er eines Tages Briefe
und Zeitungen übernimmt, nervös nach einem
kleinen Couvertchen sucht und weil er es nicht
findet, mißmuthig und erregt Alles zur Seite
schleudert, darunter auch die Zeitung mit dem
eingeschobenen Brief. Und wieder wartet er die
Poststunde ab und ein verdrossener Haß gegen
den Briefträger, der das ersehnte Briefchen nicht
bringen will, erglüht in ihm; doch er wartet
und wartet, aber er wartet umsonst, denn was


[Spaltenumbruch]

Das
„Mähriſche Tagblatt“
erſche[i]nt mit Ausnahme der
Sonn- und Feiertage täglich.
[Aus]gabe 2 Uhr Nachmittag
[i]m Adminiſtrationslocale
Niederring Nr. 41 neu.
[A]bonnement für Olmütz:

Ganzjährig fl. 10
Halbjährig 5.—
Vierteljährig „ 2.50
Monatlich „ —.90
Zuſtellung ins Haus monat-
[l]ich 10 kr.
Auswärts durch die Poſt:
Ganzjährig fl. 14.—
Halbjährig „ 7.—
Vierteljährig „ 3.50
Einzelne Nummern 5 kr.



Telephon Nr. 9.


[Spaltenumbruch]
Mähriſches
Tagblatt.

[Spaltenumbruch]

Inſertionsgebühren
nach aufliegendem Tar[if.]



Außerhalb Olmütz [ü]ber[neh-]
men Inſertions-Aufträger
Heinrich Schalek, Annon-
cen-Exped in Wien. I. Wo[ll-]
zeile Nr. 11, Haaserst[ein] &
Vogler,
in Wien. Bud[a-]
peſt, Berlin, Frankfurt a. M.
Hamburg, Baſel und Leipzig-
Alois Opeilik, in Wien. R[ud.]
Mosse,
in Wien, München [u.]
Berlin. M. Dukes, Wien, [ I. ]
Schulerſtraße 8. G. L. Dau[be],
und Co.,
Frankfurt a. M.
Karoly u. Liebmann’s [A]nnon-
[cen]b[u]rean in Hamburg, [ſowie]
[ſäm]mtl. conc. Inſertionsbu-
[reau]s des In- u. Auslandes.
M[an]uſcripte werden nich
zurückgeſtellt.


Telephon Nr. 9.




Nr. 201. Olmütz, Montag den 4. September 1893. 14. Jahrgang.


[Spaltenumbruch]
Die Wacht des Weltfriedens.


Die deutſche Regierung beeilt ſich, die Con-
ſequenzen des unter ſo ſchweren inneren Stür-
men und Kämpfen zu Stande gebrachten Geſetzes
über die Friedensſtärke des Heeres zu ziehen. Ob-
wohl dasſelbe erſt Anfangs October in Geltung
tritt, veröffentlicht das deutſche Armee-Verord-
nungsblatt ſchon jetzt die kaiſerliche Entſchließung
betreffend die in Folge der Heeresverſtärkung noth-
wendigen Formationsänderungen. Die wichtigſte
derſelben iſt wohl die Errichtung eines neuen
(vierten) Bataillons bei jedem der 173 Infante-
rie-Regimenter, welches, da es im Frieden nur
aus zwei Compagnien beſteht, eigentlich ein Halb-
bataillon iſt. Wir bemerken hiebei, daß der
Ausdruck „Infanterie“ in Deutſchland ein Sam-
melname iſt, von der gleichen Bedeutung, wie
nach unſerer Terminologie der Ausdruck „Fuß-
truppen“. Wenn alſo nach dem neuen Geſetze
und der bezüglichen kaiſerlichen Entſchließung das
deutſche Heer vom October an 538 Bataillone
und 173 Halbbataillone zählen wird, ſo umfaßt
dieſe Zahl nicht nur die eigentlichen Infanterie-
Regimenter, ſondern auch die Garde-, die Gre-
nadier- und die Füſilier-Regimenter, ſowie die
Jäger- und die Schützenbataillone. Nach der
neuen Organiſation bleibt mithin die Zahl der
Bataillone, die auch bisher 538 Bataillone be-
trug (133 preußiſche, 20 bairiſche, 3 ſächſiſche,
8 württembergiſche Infanteri-Regimenter zu drei
Bataillonen, ſowie 14 preußiſche, 2 bairiſche, 3
ſächſiſche Jäger- [Schützen-]Bataillone) unverän-
[Spaltenumbruch] dert und nur die 173 Halbbataillone bilden die
eigentliche Neuerung, die auch ein beträchtliches
Avancement bis zur Majorscharge zur unmittel-
baren Folge haben wird. So gelangen z. B in
Preußen jetzt ſchon Hauptleute mit dem Patent
von Anfang 1883 zur Beförderung, während bei
uns erſt die Hauptleute mit dem Range vom
Mai 1882 an der Reihe ſtehen. Die Durch-
ſchnittsſtärke der Compagnien zu 147 Mann,
alſo des Bataillons zu 588 Mann — ohne Offi-
ciere und Einjährig-Freiwillige — bleibt unver-
ändert. Die Friedensſtärke eines öſterreichiſch-
ungariſchen Infanterie-Bataillons beträgt 374,
jene eines Jägerbataillons 379 Unterofficiere und
Soldaten.

Die 93 Cavllerie-Regimenter des deutſchen
Heeres (73 preußiſche, 10 bairiſche, 6 ſächſiſche
und 4 württembergiſche) zu je fünf Escadronen,
zuſammen alſo 465 Escadronen, werden von den
Formationsänderungen ebenſowenig berührt, wie
von dem neuen Geſetze ſelbſt, denn die Mann-
ſchaften der Cavallerie und der reiten[d]en Feldar-
tillerie haben nach wie vor drei volle Jahre activ
zu dienen. Cavalleriſten und reitende Artilleri-
ſten ſind ſo vielſeitig auszubilden, ſie haben prac-
tiſch und theoretiſch ſo viel zu lernen und zu
üben, daß es ein gewagtes Experiment wäre, die
zweijährige Dienſtzeit auch auf dieſe zwei Waſ-
fengattungen zu erſtrecken. Kein Staat hat noch
dieſen Verſuch gewagt, wenigſtens nicht bei der
in erſter Linie ſtehenden Feldcavallerie, die ſchon
am zweiten Tage nach dem Befehl zur Mobil-
machung marſchbereit ſein ſoll. Der ruſſiſche
Cavalleriſt dient ſogar fünf Jahre präſent; der
[Spaltenumbruch] Koſak, der vorher eine dreijährige Ausbildung zu
Fuß und zu Pferd in der Heimath durchgemacht,
dient ſodann noch vier Jahre activ. Man
hat ſich daher auch in Deutſchland begreif-
licherweiſe nicht entſchließen können, an dem drei-
jährigen Präſenzdienſt der Cavallerie und reiten-
den Artillerie zu rütteln. Auch der Beſtand der
Escadron zu 133 Mann — ohne Officiere und
Einjährig-Freiwillige — iſt unverändert ge-
blieben; die öſterreichiſch-ungariſche Escadron iſt
ſtärker, denn ſie zählt 166 Unterofficiere und
Soldaten; überdies hat jedes Regiment bei uns
nicht fünf, ſondern ſechs Feldescadronen.

Dagegen iſt die Verſtärkung der Feldartil-
lerie eine ſehr beträchtliche. Dieſelbe zählte bisher
in Preußen 336, in Baiern 48, in Sachſen 30,
in Württemberg 20, zuſammen alſo 434 Bat-
terien zu je 4 oder 6 Geſchützen. Nun treten 60
neue Batterien hinzu, ſo daß das deutſche Heer
im Frieden 495 Feldbatterien zählen wird. Die
Mannſchaften der fahrenden Batterien bleiben nur
zwei Jahre im Präſenzdienſte. Auch werden 16
Abtheilungsſtäbe (d. h. Batteriediviſions-Com-
manden) der fahrenden Feldartillerie, ſowie ein
Abtheilungsſtab und 3 Batterien als zweite Lehr-
abtheilung der Feldartillerie-Schießſchule zu Jüter-
bog errichtet. — Oeſterreich-Ungarn zählt im
Frieden 243 Batterien zu je 4 oder 6 Geſchützen;
außerdem 11 Gebirgsbatterien im Occupations-
gebiete.

Die Fußartillerie — unſere Feſtungsartillerie
— zählte bisher 24 preußiſche, 4 bairiſche, 2
ſächſiſche und 1 württembergiſches Bataillon,
zuſammen 31 Bataillone zu 4 Compagnien, mit




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.



Aus alten Maculaturen.
Von Norbert Falck.

(Nachdruck verboten.)

Ich bin ein Freund von alten Papieren.
Damit meine ich nicht nur Bodencreditſcheine
und Pilſener Bräuhausactien, ſondern auch die
verſchollenenen Folianten, Almanache, Legendarien
und Kalender, die auf Auctionen zu kaufen ſind,
das Kilogramm um 7 Kreuzer. Es bietet einen
eigenen Reiz, aus den Bergen vergilbter Bücher,
aus dieſen papierenen Gräbern eine verſtorbene
Welt heraufzubeſchwören, eine Welt der todten
Formen und verblichenen Farben, der unſeren
nicht ähnlicher, als dieſe der kommenden. La-
vendel- und Moderduft umfangen die Sinne und
es thut wohl, ſich hineinzuträumen in die ver-
rauſchte Zeit, an Abenden, erhellt vom Kohlen-
feuer. — Vor Kurzem war ein reicher Kauf-
mann geſtorben, ein hageſtolzer Sonderling, der
ſein ſiebzigjähriges Leben im Laden verbracht
hatte, allen ein Räthſel. Aus ſeinem Nachlaſſe
hatte ich ein tüchtiges Quantum Maculatur an-
gekauft und eines recht ſchneereichen Winter-
abends rückte ich Tiſch und Papierkorb an den
Ofen und begaun zu blättern ... Da gab es
Zeitſchriften aus den Zwanziger-Jahren, in denen
über das neueſte Werk des Herrn Goethe be-
richtet wurde, daneben ein unaufgeſchnittenes
Exemplar der erſten Auflage von Heines Liedern;
unter revolutionären Flugſchriften aus dem Vor-
[Spaltenumbruch] märz ein Theaterzettel des Kärntnerthortheaters;
dann wieder Facturen über Cichorien und Baumöl
und wieder Dumas Monte Chriſto und dann
einige Nummern des Gutzkow’ſchen „Geſell-
ſchafters“. Nachdem ich einen Eſſay Gutzkows
durchgeleſen hatte, ſtieß ich auf eine unaufge-
ſchnittene Nummer des „Grenzboten,“ die unbe-
rührt, wohlgefaltet und mit der Adreßſchleife
verſehen war. Als ich das Exemplar aufſchnitt,
entfiel demſelben ein geſiegeltes, uneröffnetes
Couvert, das auf der Adreßſeite in verbleichten
Schnörkelzügen den Namen: „Wilhelm Max
Habinger“ trug. Es war der Name des Kauf-
mannes, dem die Papiere ehedem gehörten.
Ueberraſcht wandte ich das verſchloſſene Briefchen
hin und her. Es war alt, ſehr alt und der
Neugier folgend riß ich das Couvert an der
Seite auf und entnahm demſelben ein bläuliches,
ſtark angegilbtes Schreiben. Die Tinte war ver-
blaßt, die Schrift zart und fein. Ich durchlas
es, und was ich da geleſen hatte, gab mir lange
zu denken. Ich will das kurze Schreiben hieher-
ſetzen:

Pilſen in Böhmen, am dritten May 1841.

Lieber Wilhelm!

Du nennſt Dein heutiges Schreiben Dein
letztes und ſiehſt der ſofortigen Antwort ent-
gegen. Ich laſſe ſie Dir auch augenblicklich zu-
kommen, weil ich nicht diejenige ſein will, die
allein Schuld tragen ſoll. Was zwiſchen uns auch
vorgefallen ſein mag, es ſei vergeſſen! Ich
will Alles Deinem rauhen, innerlich aber
guten Naturell zuſchreiben und Deiner Reue
[Spaltenumbruch] glauben. Ob wir uns Beide gleich ſtark lieben,
weiß ich nicht; aber daß Du mir theu[r]er biſt,
als ich es Dir je geſagt habe, iſt mein heutiges
Schreiben der beſte Beweis. Ich würde Dich
lieben, auch wenn Du im Taglohn arbeiten
würdeſt und würde Dein Weib. Alles iſt Dir
verziehen, denn, ich weiß es, wir Beide können
ohne einander ja nimmermehr leben. Ich er-
warte Dich zu Pfingſten, wie Du geſagt haſt.
Sei vielmals geküßt von Deiner

Clara Stadtmüller.

Der Brief war alſo nicht an den Adreſſaten
gelangt und 50 Jahre lang zwiſchen den Seiten
einer gleichzeitig angekommenen Zeitſchrift ge-
legen. Er mochte zufällig hineingerutſcht ſein,
denn nur ſo konnte ich es mir erklären. Ich
ward mir nun bewußt, daß ich den Schlüſſel
zu dem Räthſel eines verbitterten, abſonderlichen
Menſchenlebens hatte. Alſo dieſer alte, graue
weltſcheue Krämer hatte auch lieben und leiden-
ſchaftlich ſein können! Ich vermochte mir ihn
ganz gut als jungen Mann zu denken, wie
er täglich von der Poſt ein Briefchen erwartet,
das ihm die erflehte Verzeihung bringen ſoll
und es nie erhält. Wie er eines Tages Briefe
und Zeitungen übernimmt, nervös nach einem
kleinen Couvertchen ſucht und weil er es nicht
findet, mißmuthig und erregt Alles zur Seite
ſchleudert, darunter auch die Zeitung mit dem
eingeſchobenen Brief. Und wieder wartet er die
Poſtſtunde ab und ein verdroſſener Haß gegen
den Briefträger, der das erſehnte Briefchen nicht
bringen will, erglüht in ihm; doch er wartet
und wartet, aber er wartet umſonſt, denn was


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[[1]/0001] Das „Mähriſche Tagblatt“ erſcheint mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage täglich. Ausgabe 2 Uhr Nachmittag im Adminiſtrationslocale Niederring Nr. 41 neu. Abonnement für Olmütz: Ganzjährig fl. 10 Halbjährig 5.— Vierteljährig „ 2.50 Monatlich „ —.90 Zuſtellung ins Haus monat- lich 10 kr. Auswärts durch die Poſt: Ganzjährig fl. 14.— Halbjährig „ 7.— Vierteljährig „ 3.50 Einzelne Nummern 5 kr. Telephon Nr. 9. Mähriſches Tagblatt. Inſertionsgebühren nach aufliegendem Tarif. Außerhalb Olmütz überneh- men Inſertions-Aufträger Heinrich Schalek, Annon- cen-Exped in Wien. I. Woll- zeile Nr. 11, Haaserstein & Vogler, in Wien. Buda- peſt, Berlin, Frankfurt a. M. Hamburg, Baſel und Leipzig- Alois Opeilik, in Wien. Rud. Mosse, in Wien, München u. Berlin. M. Dukes, Wien, I. Schulerſtraße 8. G. L. Daube, und Co., Frankfurt a. M. Karoly u. Liebmann’s Annon- cenburean in Hamburg, ſowie ſämmtl. conc. Inſertionsbu- reaus des In- u. Auslandes. Manuſcripte werden nich zurückgeſtellt. Telephon Nr. 9. Nr. 201. Olmütz, Montag den 4. September 1893. 14. Jahrgang. Die Wacht des Weltfriedens. Olmütz, 4. September. Die deutſche Regierung beeilt ſich, die Con- ſequenzen des unter ſo ſchweren inneren Stür- men und Kämpfen zu Stande gebrachten Geſetzes über die Friedensſtärke des Heeres zu ziehen. Ob- wohl dasſelbe erſt Anfangs October in Geltung tritt, veröffentlicht das deutſche Armee-Verord- nungsblatt ſchon jetzt die kaiſerliche Entſchließung betreffend die in Folge der Heeresverſtärkung noth- wendigen Formationsänderungen. Die wichtigſte derſelben iſt wohl die Errichtung eines neuen (vierten) Bataillons bei jedem der 173 Infante- rie-Regimenter, welches, da es im Frieden nur aus zwei Compagnien beſteht, eigentlich ein Halb- bataillon iſt. Wir bemerken hiebei, daß der Ausdruck „Infanterie“ in Deutſchland ein Sam- melname iſt, von der gleichen Bedeutung, wie nach unſerer Terminologie der Ausdruck „Fuß- truppen“. Wenn alſo nach dem neuen Geſetze und der bezüglichen kaiſerlichen Entſchließung das deutſche Heer vom October an 538 Bataillone und 173 Halbbataillone zählen wird, ſo umfaßt dieſe Zahl nicht nur die eigentlichen Infanterie- Regimenter, ſondern auch die Garde-, die Gre- nadier- und die Füſilier-Regimenter, ſowie die Jäger- und die Schützenbataillone. Nach der neuen Organiſation bleibt mithin die Zahl der Bataillone, die auch bisher 538 Bataillone be- trug (133 preußiſche, 20 bairiſche, 3 ſächſiſche, 8 württembergiſche Infanteri-Regimenter zu drei Bataillonen, ſowie 14 preußiſche, 2 bairiſche, 3 ſächſiſche Jäger- [Schützen-]Bataillone) unverän- dert und nur die 173 Halbbataillone bilden die eigentliche Neuerung, die auch ein beträchtliches Avancement bis zur Majorscharge zur unmittel- baren Folge haben wird. So gelangen z. B in Preußen jetzt ſchon Hauptleute mit dem Patent von Anfang 1883 zur Beförderung, während bei uns erſt die Hauptleute mit dem Range vom Mai 1882 an der Reihe ſtehen. Die Durch- ſchnittsſtärke der Compagnien zu 147 Mann, alſo des Bataillons zu 588 Mann — ohne Offi- ciere und Einjährig-Freiwillige — bleibt unver- ändert. Die Friedensſtärke eines öſterreichiſch- ungariſchen Infanterie-Bataillons beträgt 374, jene eines Jägerbataillons 379 Unterofficiere und Soldaten. Die 93 Cavllerie-Regimenter des deutſchen Heeres (73 preußiſche, 10 bairiſche, 6 ſächſiſche und 4 württembergiſche) zu je fünf Escadronen, zuſammen alſo 465 Escadronen, werden von den Formationsänderungen ebenſowenig berührt, wie von dem neuen Geſetze ſelbſt, denn die Mann- ſchaften der Cavallerie und der reitenden Feldar- tillerie haben nach wie vor drei volle Jahre activ zu dienen. 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Auch der Beſtand der Escadron zu 133 Mann — ohne Officiere und Einjährig-Freiwillige — iſt unverändert ge- blieben; die öſterreichiſch-ungariſche Escadron iſt ſtärker, denn ſie zählt 166 Unterofficiere und Soldaten; überdies hat jedes Regiment bei uns nicht fünf, ſondern ſechs Feldescadronen. Dagegen iſt die Verſtärkung der Feldartil- lerie eine ſehr beträchtliche. Dieſelbe zählte bisher in Preußen 336, in Baiern 48, in Sachſen 30, in Württemberg 20, zuſammen alſo 434 Bat- terien zu je 4 oder 6 Geſchützen. Nun treten 60 neue Batterien hinzu, ſo daß das deutſche Heer im Frieden 495 Feldbatterien zählen wird. Die Mannſchaften der fahrenden Batterien bleiben nur zwei Jahre im Präſenzdienſte. Auch werden 16 Abtheilungsſtäbe (d. h. Batteriediviſions-Com- manden) der fahrenden Feldartillerie, ſowie ein Abtheilungsſtab und 3 Batterien als zweite Lehr- abtheilung der Feldartillerie-Schießſchule zu Jüter- bog errichtet. — Oeſterreich-Ungarn zählt im Frieden 243 Batterien zu je 4 oder 6 Geſchützen; außerdem 11 Gebirgsbatterien im Occupations- gebiete. Die Fußartillerie — unſere Feſtungsartillerie — zählte bisher 24 preußiſche, 4 bairiſche, 2 ſächſiſche und 1 württembergiſches Bataillon, zuſammen 31 Bataillone zu 4 Compagnien, mit Feuilleton. Aus alten Maculaturen. Von Norbert Falck. (Nachdruck verboten.) Ich bin ein Freund von alten Papieren. Damit meine ich nicht nur Bodencreditſcheine und Pilſener Bräuhausactien, ſondern auch die verſchollenenen Folianten, Almanache, Legendarien und Kalender, die auf Auctionen zu kaufen ſind, das Kilogramm um 7 Kreuzer. Es bietet einen eigenen Reiz, aus den Bergen vergilbter Bücher, aus dieſen papierenen Gräbern eine verſtorbene Welt heraufzubeſchwören, eine Welt der todten Formen und verblichenen Farben, der unſeren nicht ähnlicher, als dieſe der kommenden. La- vendel- und Moderduft umfangen die Sinne und es thut wohl, ſich hineinzuträumen in die ver- rauſchte Zeit, an Abenden, erhellt vom Kohlen- feuer. — Vor Kurzem war ein reicher Kauf- mann geſtorben, ein hageſtolzer Sonderling, der ſein ſiebzigjähriges Leben im Laden verbracht hatte, allen ein Räthſel. Aus ſeinem Nachlaſſe hatte ich ein tüchtiges Quantum Maculatur an- gekauft und eines recht ſchneereichen Winter- abends rückte ich Tiſch und Papierkorb an den Ofen und begaun zu blättern ... Da gab es Zeitſchriften aus den Zwanziger-Jahren, in denen über das neueſte Werk des Herrn Goethe be- richtet wurde, daneben ein unaufgeſchnittenes Exemplar der erſten Auflage von Heines Liedern; unter revolutionären Flugſchriften aus dem Vor- märz ein Theaterzettel des Kärntnerthortheaters; dann wieder Facturen über Cichorien und Baumöl und wieder Dumas Monte Chriſto und dann einige Nummern des Gutzkow’ſchen „Geſell- ſchafters“. Nachdem ich einen Eſſay Gutzkows durchgeleſen hatte, ſtieß ich auf eine unaufge- ſchnittene Nummer des „Grenzboten,“ die unbe- rührt, wohlgefaltet und mit der Adreßſchleife verſehen war. Als ich das Exemplar aufſchnitt, entfiel demſelben ein geſiegeltes, uneröffnetes Couvert, das auf der Adreßſeite in verbleichten Schnörkelzügen den Namen: „Wilhelm Max Habinger“ trug. Es war der Name des Kauf- mannes, dem die Papiere ehedem gehörten. Ueberraſcht wandte ich das verſchloſſene Briefchen hin und her. Es war alt, ſehr alt und der Neugier folgend riß ich das Couvert an der Seite auf und entnahm demſelben ein bläuliches, ſtark angegilbtes Schreiben. Die Tinte war ver- blaßt, die Schrift zart und fein. Ich durchlas es, und was ich da geleſen hatte, gab mir lange zu denken. Ich will das kurze Schreiben hieher- ſetzen: Pilſen in Böhmen, am dritten May 1841. Lieber Wilhelm! Du nennſt Dein heutiges Schreiben Dein letztes und ſiehſt der ſofortigen Antwort ent- gegen. Ich laſſe ſie Dir auch augenblicklich zu- kommen, weil ich nicht diejenige ſein will, die allein Schuld tragen ſoll. Was zwiſchen uns auch vorgefallen ſein mag, es ſei vergeſſen! Ich will Alles Deinem rauhen, innerlich aber guten Naturell zuſchreiben und Deiner Reue glauben. Ob wir uns Beide gleich ſtark lieben, weiß ich nicht; aber daß Du mir theurer biſt, als ich es Dir je geſagt habe, iſt mein heutiges Schreiben der beſte Beweis. Ich würde Dich lieben, auch wenn Du im Taglohn arbeiten würdeſt und würde Dein Weib. Alles iſt Dir verziehen, denn, ich weiß es, wir Beide können ohne einander ja nimmermehr leben. Ich er- warte Dich zu Pfingſten, wie Du geſagt haſt. Sei vielmals geküßt von Deiner Clara Stadtmüller. Der Brief war alſo nicht an den Adreſſaten gelangt und 50 Jahre lang zwiſchen den Seiten einer gleichzeitig angekommenen Zeitſchrift ge- legen. Er mochte zufällig hineingerutſcht ſein, denn nur ſo konnte ich es mir erklären. Ich ward mir nun bewußt, daß ich den Schlüſſel zu dem Räthſel eines verbitterten, abſonderlichen Menſchenlebens hatte. Alſo dieſer alte, graue weltſcheue Krämer hatte auch lieben und leiden- ſchaftlich ſein können! Ich vermochte mir ihn ganz gut als jungen Mann zu denken, wie er täglich von der Poſt ein Briefchen erwartet, das ihm die erflehte Verzeihung bringen ſoll und es nie erhält. Wie er eines Tages Briefe und Zeitungen übernimmt, nervös nach einem kleinen Couvertchen ſucht und weil er es nicht findet, mißmuthig und erregt Alles zur Seite ſchleudert, darunter auch die Zeitung mit dem eingeſchobenen Brief. Und wieder wartet er die Poſtſtunde ab und ein verdroſſener Haß gegen den Briefträger, der das erſehnte Briefchen nicht bringen will, erglüht in ihm; doch er wartet und wartet, aber er wartet umſonſt, denn was

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Zitationshilfe: Mährisches Tagblatt. Nr. 201, Olmütz, 04.09.1893, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maehrisches201_1893/1>, abgerufen am 29.03.2024.