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Marburger Zeitung. Nr. 135, Marburg, 12.11.1901.

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Marburger Zeitung.



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Erscheint jeden Dienstag, Donnerstag und
Samstag abends.

Sprechstunden des Schriftleiters an allen Wochentagen von
11--12 Uhr vorm. und von 5--6 Uhr nachm. Postgasse 4.

Die Verwaltung befindet sich: Postgasse 4. (Telephon-Nr. 24.)


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allen größeren Annoncen-Expeditionen entgegengenommen.
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Wiederholung bedeutender Nachlass. -- Schluss für Ein-
schaltungen Dienstag, Donnerstag und Samstag mittags.

Die Einzelnummer kostet 10 h.




Nr. 135 Dienstag, 12. November 1901 40. Jahrgang


[Spaltenumbruch]
Chamberlain.

Von Albions stolzer Krone träufelt Blut,
niederdeutsches Bauernblut; auch King Eduards
Finger sind geröthet mit dem rothen Lebenssafte.
Aber mit ganz besonders blutigem Scheine ist das
Haupt eines andern umgeben, der Schürer und
Führer dieses Krieges, seine Seele belastet mit den
Flüchen und Verwünschungen von Tausenden Er-
mordeter und Sterbender: Minister Johe Cham-
berlain.
Gott Mammon und der böse Loki un-
serer Väter, sie müssen am Herzen und am Hirne
dieses Mannes gleichermaßen gearbeitet haben, um
ein solches Scheufal, einen solchen kalten Schurken
zu schaffen, wie es Chamberlain ist, dem heute be-
reits von der gesammten gesitteten Welt das Brand-
mal der unauslöschlichen Schmach eines Bluthundes,
eines Henkers von Frauen und Kindern auf seine
ruchlose Stirne gedrückt wird. Vor einigen Tagen
schrieb über diese Geißel Südafrikas das "D. B.":

"Chumberlain belog nicht blos seine Kö-
nigin, als er den Krieg schürte, Chamberlain belog
nicht blos sein Volk, er belügt es jeden Tag
und möchte gerne, dass die außerenglische Welt
seinen Lügen glaubt. Wie oft war dieser Krieg
schon beendet! Dem "Rothen Kreuze" wehrt man
sein Liebeswerk, nimmt Aerzte gefangen,
Chamberlain erklärt, für ärztliche Pflege sei hin-
reichend gesorgt, alles stehe zum besten. In
den Concentrationslagern sterben
Kinder, Weiber und Greise. Die Sterb-
lichkeit steigt von 10 auf 24 von 100.

Burenfarmen werden grundlos verbrannt,
Chamberlain erklärt, noch nie sei ein Krieg so
human geführt worden! Albion hört es und
glaubt es."

Die Bibel erzählt uns, dass Herodes
einen grauenvollen Kindermord anbefahl, um auf
diese Weise auch das eine Kindlein aus der Welt
[Spaltenumbruch] zu schaffen, welches nach alter Weissagung einst
zum Könige über ganz Judäa bestimmt sei. Cham-
berlain
aber hat schon mehr Kinder morden
lassen, als Herodes in jener legendären Nacht!
Denn er treibt nicht blos Krieg mit den waffen-
fähigen und waffentragenden Männern von Oranje
und Transvaal, nein, sein Herodes-Ehrgeiz geht
dahin, das kaum geborene Kind zu erschlagen, um
auf diese Weise das Burenvolk in seinen Kindern,
in seinem Nachwuchse zu vernichten! Mit Grausen
und Entsetzen hören wir die Berichte einwandfreier
Zeugen, wie englische Söldner die Kleinen an den
Füßen packen und mit den Köpfen an die Pfosten
des Bauernhauses schlagen, dass das Gehirn um-
herspritzt und wie eine grausige Fackel leuchtet bald
darauf das in Brand gesteckte Heim in Glut und
Flammen! Und wo die Einzelermordung sich nicht
gut prakticieren lässt, dort werden die seelenstarken
Burenfrauen und ihre Kinder in die fürchterlichen
und berüchtigten "Concentrationslager" getrieben
und was dort nicht den Misshandlungen der bru-
talen Soldateska erliegt, das stirbt an Hunger und
an den von den Engländern planmäßig geförderten
entsetzlichen Krankheiten! Es ist der Krieg der Bestie
gegen die Menschheit und diese Bestie ist der eng-
lische Colonial-Minister Chamberlain!

Doch was lümmern einen solchen ausge-
machten Schurken die Verwünschungen aus aller
Welt?! Aus dem Blute und aus dem Brande jen-
seits des Gleichers erwächst ihm ja reicher finan-
cieller Gewinn, denn die Familie Chamberlain be-
sitzt ja in Birmingham den größten Theil einer
Waffenfabrik, welcher die Lieferungen an
Kriegsmaterial übertragen wurden. Je länger der
Krieg dauert, desto mehr kann Chamberlain liefern
und desto mehr schwillt sein Millionen-
vermögen an!
Bei der vor wenigen Tagen
stattgefundenen Generalversammlung dieser Gesell-
schaft konnte Herb Chamberlain, welcher den Vorsitz
[Spaltenumbruch] führte, vergnügt und triumphierend den Actionären
mittheilen: "Unsere Geschäfte sind noch niemals
so blühend gewesen
und wir haben das Ver-
gnügen, eine Dividende von 25 v. H. nach
beträchtlicher Rücklage für den Reservefond anzu-
kündigen." -- Gibt es denn in England keinen
anständigen Menschen, welcher diesen cynischen
Schurken lyncht?!

Cynisch ist der Bursche und frech, das muss
man ihm lassen. Hatte doch er, der Ehrlose, um
seine Thaten zu beschönigen, den Muth, von an-
deren Nationen und Staaten in einer Rede zu
sagen, dass sie noch viel ärgere Blut- und Henkers-
arbeit geleistet hätten als er, der Ehren-Chamber-
lain. England werde, so sagte dieser Meister der
Lüge u. a., sich nie dem nähern, was Oester-
reich
in Bosnien und Deutschland im Kriege
1870 thaten! Zu dieser infamen Lüge des ehr-
losen Chamberlain bemerkten, so weit der Heuchler
das Deutschreich meinte, die wackeren "Leipziger
Neuesten Nachrichten":

"Gewiss, auch im Kriege gegen Frankreich
wurden Franzosen kriegsgerichtlich erschossen (Eng-
lands Verfassung kennt aber kein Kriegsrecht! Anm.
d. Schriftl.), aber nur, wenn sie Meuchelmörder
waren, wenn sie als Bürger oder Bauern verkleidet,
deutsche Truppen aus dem Hinterhalte überfielen.
Das ist anerkanntes Kriegsrecht! Und es wurden
auch Dörfer verbrannt, wenn sie den Mördern
Unterschlupf boten. Es haben Franzosen Hunger
gelitten, wenn sie in Festungen saßen, die man durch
diese Maßregel zur Uebergabe zwingen wollte. --
Wo sind denn die "Concentrationslager", in denen
man die ganze Jugend eines Volkes ermordete?
Wann haben wir einen Arzt, eine Pflegerin in
ihren werkthätigen Berufen gestört? Wir haben den
verwundeten Feind gepflegt und seine Wunden ver-
bunden, wir haben, wo wir Nahrung bedurften,
sie ehrlich gezahlt, und wo ein unredlicher Mann




[Spaltenumbruch]
(Nachdruck verboten.)
Ohne Liebe!
(11. Fortsetzung.)
XI.

Es war ruhig geworden im Hause. Die
Herren hatten sich noch hier kurze Zeit im Rauch-
zimmer niedergelassen, die Damen waren zu Bett
gegangen, wenigstens vermuthete man es von
ihnen.

Hanny schlüpft, nach leisem Anklopsen, noch
in Carrie's Zimmer und findet diese, welche den
Ballstatt ausgezogen und ein leichtes Hauskleid
übergeworfen, vor dem Spiegel sitzend, ihr langes,
schönes Haar bürstend.

"Mein Mann ist noch im Rauchzimmer mit
den andern Herren und wird wohl so bald nicht
erscheinen, da dachte ich, könnten wir auch noch
ein wenig plaudern, wenn Du nicht müde bist?"

"Oh nein", sagte Carrie.

Da klopft es wieder an die Thür und herein
tritt, noch im vollen Ballkostüm, Geraldine Anson.

"Du Geraldine", ruft Hanny "und noch in
voller Toilette."

"Ich suchte Dich, Hanny", antwortet diese,
"ich kann noch nicht zu Bette gehen, es ist zwar
schrecklich, es zu sagen, aber ich habe Hunger, einen
ganz gewöhnlichen Hunger!"

"Ah!" lacht Hanny, "wenn weiter nichts
ist, den verspüre ich auch, da können wir abhelfen!"

"Kinder! ich bin auch hungrig!" ruft Carrie,
[Spaltenumbruch] "ob wohl die Gänseleberpastete noch nicht ganz ver-
schwunden ist?"

"Oh Du Feinschmeckerin", sagt Hanny, "ich
will Euch was sagen. Geht Ihr beiden einmal
hinunter und sucht uns etwas zu essen. Recht was
Pikantes natürlich, ich bleibe hier, denn ich sitze so
bequem und überlasse alles Eurem guten Geschmack.
Nehmt lieber ein Licht, unten ist's gewiss schon
finster und dann beeilt Euch. Halt! Carrie, Dein
Haar." Und sie nimmt ein blaues Band und bin-
det das blonde Haar, welches weit über die Taille
hinab hängt, damit lose zusammen. "Du siehst aus
wie ein Baby!"

Damit schiebt sie die beiden Mädchen zur
Thür hinaus.

Leise gehen diese die Treppe hinunter, damit
man sie im Rauchzimmer nicht hört; haben aber
eben den ersten Absatz erreicht, als sie sich Lorenz
gegenübersehen.

"Ich glaube zwar nicht an Geister", ruft
der junge Mann, "aber Carrie, was thust Du hier?"

Voller Bewunderung hängen seine Augen
an ihr, für Fräulein Anson bleibt zu ihrem Aerger
kein Blick über.

"Ist es denn schon so spät?" fragt Fräulein
Anson und ergreift Carries Arm, als wollte sie
sie zurückziehen.

"Nicht viel später, als vor einigen Minuten",
bemerkt Carrie ebenso geistreich wie schnippisch "und
ich bin immer noch hungrig. Komm Lorenz, geh
mit' uns in das Speisezimmer und zünde uns die
Lampen an, Peter hat sie gewiss schon ausgelöscht,
ich will etwas essen."


[Spaltenumbruch]

"Ja, natürlich komme ich mit", sagt Lorenz,
"ich bin zu allen Schlechtigkeiten aufgelegt heute
abends."

Fräulein Anson folgt den beiden; da sie be-
merkt, dass ihre Sprödigkeit absolut keinen Eindruck
auf Lorenz macht, giebt sie ihre Zurückhaltung auf.

Lorenz brennt erst mit großem Geschick ein
Loch in Hannys schönsten, rosaseidenen Lampen-
schirm, dann zündet er eine Lampe an. Die beiden
Mädchen erklären, diese genüge vollständig und er
solle ihnen nun zu etwas Eßbarem verhelfen.

Zu Carries Entzücken findet sich wirklich noch
ein Rest Pateste; Lorenz hilft ihr sofort diese
vertilgen.

Fräulein Anson, um welche sich niemand
kümmert, nimmt sich einiges auf einen Teller und
geht damit aus dem Zimmer.

"Es ist wirklich schändlich", denkt sie unter-
wegs, "wie dieses kleine Mädchen mit Gerhard
kokettiert und dabei bis über beide Ohren in ihren
Vetter verliebt ist. Wie schade, dass Gerhard sie
nicht so sieht in dem halbdunklen Zimmer, allein
mit dem Vetter, lachend und plaudernd; seine Au-
gen würden ihm dann wohl endlich aufgehen! Wenn
doch jemand ihn -- -- --"

Da steht er vor ihr, wie gerufen! Ueber Geral-
dine Ansons Gesicht fliegt triumphierendes Lächeln.

"Hat der Schlaf noch keinen Reiz für Sie?"
fragt er höflich im Vorübergehen.

"Doch, aber mein Hunger noch mehr", ant-
wortet sie lachend.

"Fräulein More und ich giengen vor etwa
einer halben Stunde in den Esssaal, fanden dort


Marburger Zeitung.



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Der Preis des Blattes beträgt: Für Marburg:
Ganzjährig 12 K, halbjährig 6 K, vierteljährig 3 K, monat-
lich 1 K. Bei Zuſtellung ins Haus monatlich 20 h mehr.

Mit Poſtverſendung:
Ganzjährig 14 K, halbjährig 7 K, vierteljährig 3 K 50 h.
Das Abonnement dauert bis zur ſchriftlichen Abbeſtellung.


[Spaltenumbruch]

Erſcheint jeden Dienstag, Donnerstag und
Samstag abends.

Sprechſtunden des Schriftleiters an allen Wochentagen von
11—12 Uhr vorm. und von 5—6 Uhr nachm. Poſtgaſſe 4.

Die Verwaltung befindet ſich: Poſtgaſſe 4. (Telephon-Nr. 24.)


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Einſchaltungen werden im Verlage des Blattes und von
allen größeren Annoncen-Expeditionen entgegengenommen.
Inſeratenpreis: Für die 5mal geſpaltene Zeile 12 h, bei
Wiederholung bedeutender Nachlaſs. — Schluſs für Ein-
ſchaltungen Dienstag, Donnerstag und Samstag mittags.

Die Einzelnummer koſtet 10 h.




Nr. 135 Dienstag, 12. November 1901 40. Jahrgang


[Spaltenumbruch]
Chamberlain.

Von Albions ſtolzer Krone träufelt Blut,
niederdeutſches Bauernblut; auch King Eduards
Finger ſind geröthet mit dem rothen Lebensſafte.
Aber mit ganz beſonders blutigem Scheine iſt das
Haupt eines andern umgeben, der Schürer und
Führer dieſes Krieges, ſeine Seele belaſtet mit den
Flüchen und Verwünſchungen von Tauſenden Er-
mordeter und Sterbender: Miniſter Johë Cham-
berlain.
Gott Mammon und der böſe Loki un-
ſerer Väter, ſie müſſen am Herzen und am Hirne
dieſes Mannes gleichermaßen gearbeitet haben, um
ein ſolches Scheufal, einen ſolchen kalten Schurken
zu ſchaffen, wie es Chamberlain iſt, dem heute be-
reits von der geſammten geſitteten Welt das Brand-
mal der unauslöſchlichen Schmach eines Bluthundes,
eines Henkers von Frauen und Kindern auf ſeine
ruchloſe Stirne gedrückt wird. Vor einigen Tagen
ſchrieb über dieſe Geißel Südafrikas das „D. B.“:

„Chumberlain belog nicht blos ſeine Kö-
nigin, als er den Krieg ſchürte, Chamberlain belog
nicht blos ſein Volk, er belügt es jeden Tag
und möchte gerne, daſs die außerengliſche Welt
ſeinen Lügen glaubt. Wie oft war dieſer Krieg
ſchon beendet! Dem „Rothen Kreuze“ wehrt man
ſein Liebeswerk, nimmt Aerzte gefangen,
Chamberlain erklärt, für ärztliche Pflege ſei hin-
reichend geſorgt, alles ſtehe zum beſten. In
den Concentrationslagern ſterben
Kinder, Weiber und Greiſe. Die Sterb-
lichkeit ſteigt von 10 auf 24 von 100.

Burenfarmen werden grundlos verbrannt,
Chamberlain erklärt, noch nie ſei ein Krieg ſo
human geführt worden! Albion hört es und
glaubt es.“

Die Bibel erzählt uns, daſs Herodes
einen grauenvollen Kindermord anbefahl, um auf
dieſe Weiſe auch das eine Kindlein aus der Welt
[Spaltenumbruch] zu ſchaffen, welches nach alter Weisſagung einſt
zum Könige über ganz Judäa beſtimmt ſei. Cham-
berlain
aber hat ſchon mehr Kinder morden
laſſen, als Herodes in jener legendären Nacht!
Denn er treibt nicht blos Krieg mit den waffen-
fähigen und waffentragenden Männern von Oranje
und Transvaal, nein, ſein Herodes-Ehrgeiz geht
dahin, das kaum geborene Kind zu erſchlagen, um
auf dieſe Weiſe das Burenvolk in ſeinen Kindern,
in ſeinem Nachwuchſe zu vernichten! Mit Grauſen
und Entſetzen hören wir die Berichte einwandfreier
Zeugen, wie engliſche Söldner die Kleinen an den
Füßen packen und mit den Köpfen an die Pfoſten
des Bauernhauſes ſchlagen, daſs das Gehirn um-
herſpritzt und wie eine grauſige Fackel leuchtet bald
darauf das in Brand geſteckte Heim in Glut und
Flammen! Und wo die Einzelermordung ſich nicht
gut prakticieren läſst, dort werden die ſeelenſtarken
Burenfrauen und ihre Kinder in die fürchterlichen
und berüchtigten „Concentrationslager“ getrieben
und was dort nicht den Miſshandlungen der bru-
talen Soldateska erliegt, das ſtirbt an Hunger und
an den von den Engländern planmäßig geförderten
entſetzlichen Krankheiten! Es iſt der Krieg der Beſtie
gegen die Menſchheit und dieſe Beſtie iſt der eng-
liſche Colonial-Miniſter Chamberlain!

Doch was lümmern einen ſolchen ausge-
machten Schurken die Verwünſchungen aus aller
Welt?! Aus dem Blute und aus dem Brande jen-
ſeits des Gleichers erwächſt ihm ja reicher finan-
cieller Gewinn, denn die Familie Chamberlain be-
ſitzt ja in Birmingham den größten Theil einer
Waffenfabrik, welcher die Lieferungen an
Kriegsmaterial übertragen wurden. Je länger der
Krieg dauert, deſto mehr kann Chamberlain liefern
und deſto mehr ſchwillt ſein Millionen-
vermögen an!
Bei der vor wenigen Tagen
ſtattgefundenen Generalverſammlung dieſer Geſell-
ſchaft konnte Herb Chamberlain, welcher den Vorſitz
[Spaltenumbruch] führte, vergnügt und triumphierend den Actionären
mittheilen: „Unſere Geſchäfte ſind noch niemals
ſo blühend geweſen
und wir haben das Ver-
gnügen, eine Dividende von 25 v. H. nach
beträchtlicher Rücklage für den Reſervefond anzu-
kündigen.“ — Gibt es denn in England keinen
anſtändigen Menſchen, welcher dieſen cyniſchen
Schurken lyncht?!

Cyniſch iſt der Burſche und frech, das muſs
man ihm laſſen. Hatte doch er, der Ehrloſe, um
ſeine Thaten zu beſchönigen, den Muth, von an-
deren Nationen und Staaten in einer Rede zu
ſagen, daſs ſie noch viel ärgere Blut- und Henkers-
arbeit geleiſtet hätten als er, der Ehren-Chamber-
lain. England werde, ſo ſagte dieſer Meiſter der
Lüge u. a., ſich nie dem nähern, was Oeſter-
reich
in Bosnien und Deutſchland im Kriege
1870 thaten! Zu dieſer infamen Lüge des ehr-
loſen Chamberlain bemerkten, ſo weit der Heuchler
das Deutſchreich meinte, die wackeren „Leipziger
Neueſten Nachrichten“:

„Gewiſs, auch im Kriege gegen Frankreich
wurden Franzoſen kriegsgerichtlich erſchoſſen (Eng-
lands Verfaſſung kennt aber kein Kriegsrecht! Anm.
d. Schriftl.), aber nur, wenn ſie Meuchelmörder
waren, wenn ſie als Bürger oder Bauern verkleidet,
deutſche Truppen aus dem Hinterhalte überfielen.
Das iſt anerkanntes Kriegsrecht! Und es wurden
auch Dörfer verbrannt, wenn ſie den Mördern
Unterſchlupf boten. Es haben Franzoſen Hunger
gelitten, wenn ſie in Feſtungen ſaßen, die man durch
dieſe Maßregel zur Uebergabe zwingen wollte. —
Wo ſind denn die „Concentrationslager“, in denen
man die ganze Jugend eines Volkes ermordete?
Wann haben wir einen Arzt, eine Pflegerin in
ihren werkthätigen Berufen geſtört? Wir haben den
verwundeten Feind gepflegt und ſeine Wunden ver-
bunden, wir haben, wo wir Nahrung bedurften,
ſie ehrlich gezahlt, und wo ein unredlicher Mann




[Spaltenumbruch]
(Nachdruck verboten.)
Ohne Liebe!
(11. Fortſetzung.)
XI.

Es war ruhig geworden im Hauſe. Die
Herren hatten ſich noch hier kurze Zeit im Rauch-
zimmer niedergelaſſen, die Damen waren zu Bett
gegangen, wenigſtens vermuthete man es von
ihnen.

Hanny ſchlüpft, nach leiſem Anklopſen, noch
in Carrie’s Zimmer und findet dieſe, welche den
Ballſtatt ausgezogen und ein leichtes Hauskleid
übergeworfen, vor dem Spiegel ſitzend, ihr langes,
ſchönes Haar bürſtend.

„Mein Mann iſt noch im Rauchzimmer mit
den andern Herren und wird wohl ſo bald nicht
erſcheinen, da dachte ich, könnten wir auch noch
ein wenig plaudern, wenn Du nicht müde biſt?“

„Oh nein“, ſagte Carrie.

Da klopft es wieder an die Thür und herein
tritt, noch im vollen Ballkoſtüm, Geraldine Anſon.

„Du Geraldine“, ruft Hanny „und noch in
voller Toilette.“

„Ich ſuchte Dich, Hanny“, antwortet dieſe,
„ich kann noch nicht zu Bette gehen, es iſt zwar
ſchrecklich, es zu ſagen, aber ich habe Hunger, einen
ganz gewöhnlichen Hunger!“

„Ah!“ lacht Hanny, „wenn weiter nichts
iſt, den verſpüre ich auch, da können wir abhelfen!“

„Kinder! ich bin auch hungrig!“ ruft Carrie,
[Spaltenumbruch] „ob wohl die Gänſeleberpaſtete noch nicht ganz ver-
ſchwunden iſt?“

„Oh Du Feinſchmeckerin“, ſagt Hanny, „ich
will Euch was ſagen. Geht Ihr beiden einmal
hinunter und ſucht uns etwas zu eſſen. Recht was
Pikantes natürlich, ich bleibe hier, denn ich ſitze ſo
bequem und überlaſſe alles Eurem guten Geſchmack.
Nehmt lieber ein Licht, unten iſt’s gewiſs ſchon
finſter und dann beeilt Euch. Halt! Carrie, Dein
Haar.“ Und ſie nimmt ein blaues Band und bin-
det das blonde Haar, welches weit über die Taille
hinab hängt, damit loſe zuſammen. „Du ſiehſt aus
wie ein Baby!“

Damit ſchiebt ſie die beiden Mädchen zur
Thür hinaus.

Leiſe gehen dieſe die Treppe hinunter, damit
man ſie im Rauchzimmer nicht hört; haben aber
eben den erſten Abſatz erreicht, als ſie ſich Lorenz
gegenüberſehen.

„Ich glaube zwar nicht an Geiſter“, ruft
der junge Mann, „aber Carrie, was thuſt Du hier?“

Voller Bewunderung hängen ſeine Augen
an ihr, für Fräulein Anſon bleibt zu ihrem Aerger
kein Blick über.

„Iſt es denn ſchon ſo ſpät?“ fragt Fräulein
Anſon und ergreift Carries Arm, als wollte ſie
ſie zurückziehen.

„Nicht viel ſpäter, als vor einigen Minuten“,
bemerkt Carrie ebenſo geiſtreich wie ſchnippiſch „und
ich bin immer noch hungrig. Komm Lorenz, geh
mit’ uns in das Speiſezimmer und zünde uns die
Lampen an, Peter hat ſie gewiſs ſchon ausgelöſcht,
ich will etwas eſſen.“


[Spaltenumbruch]

„Ja, natürlich komme ich mit“, ſagt Lorenz,
„ich bin zu allen Schlechtigkeiten aufgelegt heute
abends.“

Fräulein Anſon folgt den beiden; da ſie be-
merkt, daſs ihre Sprödigkeit abſolut keinen Eindruck
auf Lorenz macht, giebt ſie ihre Zurückhaltung auf.

Lorenz brennt erſt mit großem Geſchick ein
Loch in Hannys ſchönſten, roſaſeidenen Lampen-
ſchirm, dann zündet er eine Lampe an. Die beiden
Mädchen erklären, dieſe genüge vollſtändig und er
ſolle ihnen nun zu etwas Eßbarem verhelfen.

Zu Carries Entzücken findet ſich wirklich noch
ein Reſt Pateſte; Lorenz hilft ihr ſofort dieſe
vertilgen.

Fräulein Anſon, um welche ſich niemand
kümmert, nimmt ſich einiges auf einen Teller und
geht damit aus dem Zimmer.

„Es iſt wirklich ſchändlich“, denkt ſie unter-
wegs, „wie dieſes kleine Mädchen mit Gerhard
kokettiert und dabei bis über beide Ohren in ihren
Vetter verliebt iſt. Wie ſchade, daſs Gerhard ſie
nicht ſo ſieht in dem halbdunklen Zimmer, allein
mit dem Vetter, lachend und plaudernd; ſeine Au-
gen würden ihm dann wohl endlich aufgehen! Wenn
doch jemand ihn — — —“

Da ſteht er vor ihr, wie gerufen! Ueber Geral-
dine Anſons Geſicht fliegt triumphierendes Lächeln.

„Hat der Schlaf noch keinen Reiz für Sie?“
fragt er höflich im Vorübergehen.

„Doch, aber mein Hunger noch mehr“, ant-
wortet ſie lachend.

„Fräulein More und ich giengen vor etwa
einer halben Stunde in den Eſsſaal, fanden dort


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[[1]/0001] Marburger Zeitung. Der Preis des Blattes beträgt: Für Marburg: Ganzjährig 12 K, halbjährig 6 K, vierteljährig 3 K, monat- lich 1 K. Bei Zuſtellung ins Haus monatlich 20 h mehr. Mit Poſtverſendung: Ganzjährig 14 K, halbjährig 7 K, vierteljährig 3 K 50 h. Das Abonnement dauert bis zur ſchriftlichen Abbeſtellung. Erſcheint jeden Dienstag, Donnerstag und Samstag abends. Sprechſtunden des Schriftleiters an allen Wochentagen von 11—12 Uhr vorm. und von 5—6 Uhr nachm. Poſtgaſſe 4. Die Verwaltung befindet ſich: Poſtgaſſe 4. (Telephon-Nr. 24.) Einſchaltungen werden im Verlage des Blattes und von allen größeren Annoncen-Expeditionen entgegengenommen. Inſeratenpreis: Für die 5mal geſpaltene Zeile 12 h, bei Wiederholung bedeutender Nachlaſs. — Schluſs für Ein- ſchaltungen Dienstag, Donnerstag und Samstag mittags. Die Einzelnummer koſtet 10 h. Nr. 135 Dienstag, 12. November 1901 40. Jahrgang Chamberlain. Von Albions ſtolzer Krone träufelt Blut, niederdeutſches Bauernblut; auch King Eduards Finger ſind geröthet mit dem rothen Lebensſafte. Aber mit ganz beſonders blutigem Scheine iſt das Haupt eines andern umgeben, der Schürer und Führer dieſes Krieges, ſeine Seele belaſtet mit den Flüchen und Verwünſchungen von Tauſenden Er- mordeter und Sterbender: Miniſter Johë Cham- berlain. Gott Mammon und der böſe Loki un- ſerer Väter, ſie müſſen am Herzen und am Hirne dieſes Mannes gleichermaßen gearbeitet haben, um ein ſolches Scheufal, einen ſolchen kalten Schurken zu ſchaffen, wie es Chamberlain iſt, dem heute be- reits von der geſammten geſitteten Welt das Brand- mal der unauslöſchlichen Schmach eines Bluthundes, eines Henkers von Frauen und Kindern auf ſeine ruchloſe Stirne gedrückt wird. Vor einigen Tagen ſchrieb über dieſe Geißel Südafrikas das „D. 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Denn er treibt nicht blos Krieg mit den waffen- fähigen und waffentragenden Männern von Oranje und Transvaal, nein, ſein Herodes-Ehrgeiz geht dahin, das kaum geborene Kind zu erſchlagen, um auf dieſe Weiſe das Burenvolk in ſeinen Kindern, in ſeinem Nachwuchſe zu vernichten! Mit Grauſen und Entſetzen hören wir die Berichte einwandfreier Zeugen, wie engliſche Söldner die Kleinen an den Füßen packen und mit den Köpfen an die Pfoſten des Bauernhauſes ſchlagen, daſs das Gehirn um- herſpritzt und wie eine grauſige Fackel leuchtet bald darauf das in Brand geſteckte Heim in Glut und Flammen! Und wo die Einzelermordung ſich nicht gut prakticieren läſst, dort werden die ſeelenſtarken Burenfrauen und ihre Kinder in die fürchterlichen und berüchtigten „Concentrationslager“ getrieben und was dort nicht den Miſshandlungen der bru- talen Soldateska erliegt, das ſtirbt an Hunger und an den von den Engländern planmäßig geförderten entſetzlichen Krankheiten! Es iſt der Krieg der Beſtie gegen die Menſchheit und dieſe Beſtie iſt der eng- liſche Colonial-Miniſter Chamberlain! Doch was lümmern einen ſolchen ausge- machten Schurken die Verwünſchungen aus aller Welt?! Aus dem Blute und aus dem Brande jen- ſeits des Gleichers erwächſt ihm ja reicher finan- cieller Gewinn, denn die Familie Chamberlain be- ſitzt ja in Birmingham den größten Theil einer Waffenfabrik, welcher die Lieferungen an Kriegsmaterial übertragen wurden. Je länger der Krieg dauert, deſto mehr kann Chamberlain liefern und deſto mehr ſchwillt ſein Millionen- vermögen an! Bei der vor wenigen Tagen ſtattgefundenen Generalverſammlung dieſer Geſell- ſchaft konnte Herb Chamberlain, welcher den Vorſitz führte, vergnügt und triumphierend den Actionären mittheilen: „Unſere Geſchäfte ſind noch niemals ſo blühend geweſen und wir haben das Ver- gnügen, eine Dividende von 25 v. H. nach beträchtlicher Rücklage für den Reſervefond anzu- kündigen.“ — Gibt es denn in England keinen anſtändigen Menſchen, welcher dieſen cyniſchen Schurken lyncht?! Cyniſch iſt der Burſche und frech, das muſs man ihm laſſen. Hatte doch er, der Ehrloſe, um ſeine Thaten zu beſchönigen, den Muth, von an- deren Nationen und Staaten in einer Rede zu ſagen, daſs ſie noch viel ärgere Blut- und Henkers- arbeit geleiſtet hätten als er, der Ehren-Chamber- lain. England werde, ſo ſagte dieſer Meiſter der Lüge u. a., ſich nie dem nähern, was Oeſter- reich in Bosnien und Deutſchland im Kriege 1870 thaten! Zu dieſer infamen Lüge des ehr- loſen Chamberlain bemerkten, ſo weit der Heuchler das Deutſchreich meinte, die wackeren „Leipziger Neueſten Nachrichten“: „Gewiſs, auch im Kriege gegen Frankreich wurden Franzoſen kriegsgerichtlich erſchoſſen (Eng- lands Verfaſſung kennt aber kein Kriegsrecht! Anm. d. Schriftl.), aber nur, wenn ſie Meuchelmörder waren, wenn ſie als Bürger oder Bauern verkleidet, deutſche Truppen aus dem Hinterhalte überfielen. Das iſt anerkanntes Kriegsrecht! Und es wurden auch Dörfer verbrannt, wenn ſie den Mördern Unterſchlupf boten. Es haben Franzoſen Hunger gelitten, wenn ſie in Feſtungen ſaßen, die man durch dieſe Maßregel zur Uebergabe zwingen wollte. — Wo ſind denn die „Concentrationslager“, in denen man die ganze Jugend eines Volkes ermordete? Wann haben wir einen Arzt, eine Pflegerin in ihren werkthätigen Berufen geſtört? Wir haben den verwundeten Feind gepflegt und ſeine Wunden ver- bunden, wir haben, wo wir Nahrung bedurften, ſie ehrlich gezahlt, und wo ein unredlicher Mann (Nachdruck verboten.) Ohne Liebe! Eine Novelle von Mrs. Hungerford. (11. Fortſetzung.) XI. Es war ruhig geworden im Hauſe. Die Herren hatten ſich noch hier kurze Zeit im Rauch- zimmer niedergelaſſen, die Damen waren zu Bett gegangen, wenigſtens vermuthete man es von ihnen. Hanny ſchlüpft, nach leiſem Anklopſen, noch in Carrie’s Zimmer und findet dieſe, welche den Ballſtatt ausgezogen und ein leichtes Hauskleid übergeworfen, vor dem Spiegel ſitzend, ihr langes, ſchönes Haar bürſtend. „Mein Mann iſt noch im Rauchzimmer mit den andern Herren und wird wohl ſo bald nicht erſcheinen, da dachte ich, könnten wir auch noch ein wenig plaudern, wenn Du nicht müde biſt?“ „Oh nein“, ſagte Carrie. Da klopft es wieder an die Thür und herein tritt, noch im vollen Ballkoſtüm, Geraldine Anſon. „Du Geraldine“, ruft Hanny „und noch in voller Toilette.“ „Ich ſuchte Dich, Hanny“, antwortet dieſe, „ich kann noch nicht zu Bette gehen, es iſt zwar ſchrecklich, es zu ſagen, aber ich habe Hunger, einen ganz gewöhnlichen Hunger!“ „Ah!“ lacht Hanny, „wenn weiter nichts iſt, den verſpüre ich auch, da können wir abhelfen!“ „Kinder! ich bin auch hungrig!“ ruft Carrie, „ob wohl die Gänſeleberpaſtete noch nicht ganz ver- ſchwunden iſt?“ „Oh Du Feinſchmeckerin“, ſagt Hanny, „ich will Euch was ſagen. Geht Ihr beiden einmal hinunter und ſucht uns etwas zu eſſen. Recht was Pikantes natürlich, ich bleibe hier, denn ich ſitze ſo bequem und überlaſſe alles Eurem guten Geſchmack. Nehmt lieber ein Licht, unten iſt’s gewiſs ſchon finſter und dann beeilt Euch. Halt! Carrie, Dein Haar.“ Und ſie nimmt ein blaues Band und bin- det das blonde Haar, welches weit über die Taille hinab hängt, damit loſe zuſammen. „Du ſiehſt aus wie ein Baby!“ Damit ſchiebt ſie die beiden Mädchen zur Thür hinaus. Leiſe gehen dieſe die Treppe hinunter, damit man ſie im Rauchzimmer nicht hört; haben aber eben den erſten Abſatz erreicht, als ſie ſich Lorenz gegenüberſehen. „Ich glaube zwar nicht an Geiſter“, ruft der junge Mann, „aber Carrie, was thuſt Du hier?“ Voller Bewunderung hängen ſeine Augen an ihr, für Fräulein Anſon bleibt zu ihrem Aerger kein Blick über. „Iſt es denn ſchon ſo ſpät?“ fragt Fräulein Anſon und ergreift Carries Arm, als wollte ſie ſie zurückziehen. „Nicht viel ſpäter, als vor einigen Minuten“, bemerkt Carrie ebenſo geiſtreich wie ſchnippiſch „und ich bin immer noch hungrig. Komm Lorenz, geh mit’ uns in das Speiſezimmer und zünde uns die Lampen an, Peter hat ſie gewiſs ſchon ausgelöſcht, ich will etwas eſſen.“ „Ja, natürlich komme ich mit“, ſagt Lorenz, „ich bin zu allen Schlechtigkeiten aufgelegt heute abends.“ Fräulein Anſon folgt den beiden; da ſie be- merkt, daſs ihre Sprödigkeit abſolut keinen Eindruck auf Lorenz macht, giebt ſie ihre Zurückhaltung auf. Lorenz brennt erſt mit großem Geſchick ein Loch in Hannys ſchönſten, roſaſeidenen Lampen- ſchirm, dann zündet er eine Lampe an. Die beiden Mädchen erklären, dieſe genüge vollſtändig und er ſolle ihnen nun zu etwas Eßbarem verhelfen. Zu Carries Entzücken findet ſich wirklich noch ein Reſt Pateſte; Lorenz hilft ihr ſofort dieſe vertilgen. Fräulein Anſon, um welche ſich niemand kümmert, nimmt ſich einiges auf einen Teller und geht damit aus dem Zimmer. „Es iſt wirklich ſchändlich“, denkt ſie unter- wegs, „wie dieſes kleine Mädchen mit Gerhard kokettiert und dabei bis über beide Ohren in ihren Vetter verliebt iſt. Wie ſchade, daſs Gerhard ſie nicht ſo ſieht in dem halbdunklen Zimmer, allein mit dem Vetter, lachend und plaudernd; ſeine Au- gen würden ihm dann wohl endlich aufgehen! Wenn doch jemand ihn — — —“ Da ſteht er vor ihr, wie gerufen! Ueber Geral- dine Anſons Geſicht fliegt triumphierendes Lächeln. „Hat der Schlaf noch keinen Reiz für Sie?“ fragt er höflich im Vorübergehen. „Doch, aber mein Hunger noch mehr“, ant- wortet ſie lachend. „Fräulein More und ich giengen vor etwa einer halben Stunde in den Eſsſaal, fanden dort

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Benjamin Fiechter, Susanne Haaf: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat). (2018-01-26T13:38:42Z)
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z)

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Zitationshilfe: Marburger Zeitung. Nr. 135, Marburg, 12.11.1901, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_marburger135_1901/1>, abgerufen am 28.03.2024.