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[Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

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Winkel, und dieser Winkel wird größer, je nach dem das Thier sich mehr der mensch-
lichen Gestalt annähert, wie aus den Affenköpfen erhellt, von denen einige Ar-
ten einen Winkel von 42° beschreiben. Der Kopf eines Negers bildet einen
Winkel von 70°, der eines Europäers von 80-85°.

Cuvier stellt noch außer dieser Camperschen Gesichtslinie (Faciale) einen an-
dern Eintheilungsgrund auf, der in der Betrachtung der Profil- und Querdurchschnit-
te des Schedels von Innen begründet ist.

Die Analogie und Verschiedenheit der Sprachen ist schon von den ältesten
Völkern benutzt worden, um die Verschiedenheit der Stämme danach zu bestim-
men. Herodot erwähnt das sonderbare Criterium welches Psammitichus ange-
wendet habe, um den Streit zu schlichten, welches die älteste Sprache sey. Er ließ
2 Kinder bei einem Hirten erziehen, der sorgfältig darauf sehen mußte, daß
kein menschlicher Laut ihnen nahen durfte. Das erste Wort dieser Kinder
war: beccos - welches in phrygischer Sprache Brot bedeutet. Und somit
war denn entschieden, daß das Phrygische die Ursprache sey.

Die Sprachverschiedenheit der Völkerstämme scheint einen Eintheilungsgrund
abzugeben, der allerdings viel für sich hat. Meines Bruders W. v. Humboldt:
Philosophische Untersuchungen über die Vertheilung der Sprachen, auf der ganzen
Erde, beweisen jedoch, daß keinesweges Gleichheit der Sprache, auch Gleichheit der
Abstammung bedingt. Zwischen einer und derselben Race herrscht oft die
größte Sprachverschiedenheit, während in dem Idiom der entferntesten Völker
sich Analogien finden, die in Erstaunen setzen. So zum Beispiel bemerkt man eine Sprach-
ähnlichkeit zwischen den Kopten, den Bewohnern von Congo und den Baskischen Völkern.

Winkel, und dieser Winkel wird größer, je nach dem das Thier sich mehr der mensch-
lichen Gestalt annähert, wie aus den Affenköpfen erhellt, von denen einige Ar-
ten einen Winkel von 42° beschreiben. Der Kopf eines Negers bildet einen
Winkel von 70°, der eines Europäers von 80–85°.

Cuvier stellt noch außer dieser Camperschen Gesichtslinie (Faciale) einen an-
dern Eintheilungsgrund auf, der in der Betrachtung der Profil- und Querdurchschnit-
te des Schedels von Innen begründet ist.

Die Analogie und Verschiedenheit der Sprachen ist schon von den ältesten
Völkern benutzt worden, um die Verschiedenheit der Stämme danach zu bestim-
men. Herodot erwähnt das sonderbare Criterium welches Psammitichus ange-
wendet habe, um den Streit zu schlichten, welches die älteste Sprache sey. Er ließ
2 Kinder bei einem Hirten erziehen, der sorgfältig darauf sehen mußte, daß
kein menschlicher Laut ihnen nahen durfte. Das erste Wort dieser Kinder
war: beccos – welches in phrygischer Sprache Brot bedeutet. Und somit
war denn entschieden, daß das Phrygische die Ursprache sey.

Die Sprachverschiedenheit der Völkerstämme scheint einen Eintheilungsgrund
abzugeben, der allerdings viel für sich hat. Meines Bruders W. v. Humboldt:
Philosophische Untersuchungen über die Vertheilung der Sprachen, auf der ganzen
Erde, beweisen jedoch, daß keinesweges Gleichheit der Sprache, auch Gleichheit der
Abstammung bedingt. Zwischen einer und derselben Race herrscht oft die
größte Sprachverschiedenheit, während in dem Idiom der entferntesten Völker
sich Analogien finden, die in Erstaunen setzen. So zum Beispiel bemerkt man eine Sprach-
ähnlichkeit zwischen den Kopten, den Bewohnern von Congo und den Baskischen Völkern.

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[45v/0094] Winkel, und dieser Winkel wird größer, je nachdem das Thier sich mehr der mensch- lichen Gestalt annähert, wie aus den Affenköpfen erhellt, von denen einige Ar- ten einen Winkel von 42° beschreiben. Der Kopf eines Negers bildet einen Winkel von 70°, der eines Europäers von 80–85°. Cuvier stellt noch außer dieser Camperschen Gesichtslinie (Faciale) einen an- dern Eintheilungsgrund auf, der in der Betrachtung der Profil und Querdurchschnit- te des Schedels von Innen begründet ist. Die Analogie und Verschiedenheit der Sprachen ist schon von den ältesten Völkern benutzt worden, um die Verschiedenheit der Stämme danach zu bestim- men. Herodot erwähnt das sonderbare Criterium welches Psammitichus ange- wendet habe, um den Streit zu schlichten, welches die älteste Sprache sey. Er ließ 2 Kinder bei einem Hirten erziehen, der sorgfältig darauf sehen mußte, daß kein menschlicher Laut ihnen nahen durfte. Das erste Wort dieser Kinder war: beccos – welches in phrygischer Sprache Brot bedeutet. Und somit war denn entschieden, daß das Phrygische die Ursprache sey. Die Sprachverschiedenheit der Völkerstämme scheint einen Eintheilungsgrund abzugeben, der allerdings viel für sich hat. Meines Bruders W. v. Humboldt: Philosophische Untersuchungen über die Vertheilung der Sprachen, auf der ganzen Erde, beweisen jedoch, daß keinesweges Gleichheit der Sprache, auch Gleichheit der Abstammung bedingt. Zwischen einer und derselben Race herrscht oft die größte Sprachverschiedenheit, während in dem Idiom der entferntesten Völker sich Analogien finden, die in Erstaunen setzen. So z. B. bemerkt man eine Sprach- ähnlichkeit zwischen den Kopten, den Bewohnern von Congo u. den Baskischen Völkern.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription in Hamel, Jürgen u. Klaus Harro Tiemann (Hg.) (1993): Alexander von Humboldt: Über das Universum. Die Kosmosvorträge 1827/28 in der Berliner Singakademie. Frankfurt a. M.: Insel. anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

Abweichungen dieser Druckedition von der Manuskriptvorlage werden im Text an der entsprechenden Stelle in editorischen Kommentaren ausgewiesen.

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Zitationshilfe: [Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 45v. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827/0094>, abgerufen am 28.03.2024.