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[Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

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Bei schwachen Vergrößerungen bemerkt man eine auffallende Erscheinung auf dem
Monde, für welche wir noch keine genügende Erklärung haben. Vom Berge Tycho an-
fangend sieht man eine Menge von weißen Streifen, die wie Lichtfäden über Berg
und Thal gehen, ohne relief, und ohne Schatten zu werfen, als wenn große Strecken
Länder mit Banden von weißen Blüthen bedeckt wären. Bei stärkeren und den
stärksten Vergrößerungen nimmt das Phänomen an Deutlichkeit ab.

Die Berge des Mondes verhalten sich zu seinem Durchmesser wie 1/214 - während
die höchste Spitze des Himalaja nur 1/700 des Erdhalbmessers ausmacht. Die beiden
höchsten Punkte des Mondes Leibnitz und Dörfel erheben sich auf 24,900'. Eine Höhe
die, als der Chimborazo noch nicht entthront war, von diesem nicht erreicht, von dem
weißen Berge des indischen Gebirges, dem Dhawallagiri (26,000') übertroffen wird.
Die absolute Höhe ist bei dergleichen Nebeneinanderstellungen aber nicht entscheidend,
und das verschiedene Verhältniß der Durchmesser erschwert die Vergleichung.

Die Masse der einzelnen Mondberge ist so groß, daß ganzen Ländern vergleich-
bar, sie plateaux genannt werden müssen. So hat der Hipparch einen Durchmesser
von 20 Meilen, ist also ungefähr so groß als Böhmen. Die Mehrzahl der Berge auf
dem Monde haben ein vulkanisches Ansehen, und die Krater scheinen den unsrigen
sehr ähnlich. Oft findet man auf den Berg einen Aschenkegel aufgesetzt, wie beim
Vesuv, oft ist er auch an der Seite des Berges, wie bei einigen Vulkanen in Amerika.

Seit dem Jahre 1783 hat man von Ausbrüchen der Mondvulkane gesprochen, welche
an und für sich wohl möglich wären, obgleich wir dem Monde seine Atmosphäre abge-
sprochen haben: denn es ist nicht zu läugnen, daß es Feuererscheinungen ohne Luft giebt.
Herschel der in den Jahren 1788/90, mit dem Grafen Brühl in London fleißige Mondsbeo-

bachtungen

Bei schwachen Vergrößerungen bemerkt man eine auffallende Erscheinung auf dem
Monde, für welche wir noch keine genügende Erklärung haben. Vom Berge Tycho an-
fangend sieht man eine Menge von weißen Streifen, die wie Lichtfäden über Berg
und Thal gehen, ohne relief, und ohne Schatten zu werfen, als wenn große Strecken
Länder mit Banden von weißen Blüthen bedeckt wären. Bei stärkeren und den
stärksten Vergrößerungen nimmt das Phänomen an Deutlichkeit ab.

Die Berge des Mondes verhalten sich zu seinem Durchmesser wie 1/214 während
die höchste Spitze des Himalaja nur 1/700 des Erdhalbmessers ausmacht. Die beiden
höchsten Punkte des Mondes Leibnitz und Dörfel erheben sich auf 24,900′. Eine Höhe
die, als der Chimborazo noch nicht entthront war, von diesem nicht erreicht, von dem
weißen Berge des indischen Gebirges, dem Dhawallagiri (26,000′) übertroffen wird.
Die absolute Höhe ist bei dergleichen Nebeneinanderstellungen aber nicht entscheidend,
und das verschiedene Verhältniß der Durchmesser erschwert die Vergleichung.

Die Masse der einzelnen Mondberge ist so groß, daß ganzen Ländern vergleich-
bar, sie plateaux genannt werden müssen. So hat der Hipparch einen Durchmesser
von 20 Meilen, ist also ungefähr so groß als Böhmen. Die Mehrzahl der Berge auf
dem Monde haben ein vulkanisches Ansehen, und die Krater scheinen den unsrigen
sehr ähnlich. Oft findet man auf den Berg einen Aschenkegel aufgesetzt, wie beim
Vesuv, oft ist er auch an der Seite des Berges, wie bei einigen Vulkanen in Amerika.

Seit dem Jahre 1783 hat man von Ausbrüchen der Mondvulkane gesprochen, welche
an und für sich wohl möglich wären, obgleich wir dem Monde seine Atmosphäre abge-
sprochen haben: denn es ist nicht zu läugnen, daß es Feuererscheinungen ohne Luft giebt.
Herschel der in den Jahren 1788/90, mit dem Grafen Brühl in London fleißige Mondsbeo-

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[75v/0154] Bei schwachen Vergrößerungen bemerkt man eine auffallende Erscheinung auf dem Monde, für welche wir noch keine genügende Erklärung haben. Vom Berge Tycho an- fangend sieht man eine Menge von weißen Streifen, die wie Lichtfäden über Berg und Thal gehen, ohne relief, u. ohne Schatten zu werfen, als wenn große Strecken Länder mit Banden von weißen Blüthen bedeckt wären. Bei stärkeren u. den stärksten Vergrößerungen nimmt das Phänomen an Deutlichkeit ab. Die Berge des Mondes verhalten sich zu seinem Durchmesser wie 1/214 – während die höchste Spitze des Himmalaja nur 1/700 des Erdhalbmessers ausmacht. Die beiden höchsten Punkte des Mondes Leibnitz u. Dörfel erheben sich auf 24,900′. Eine Höhe die, als der Chimborazo noch nicht entthront war, von diesem nicht erreicht, von dem weißen Berge des indischen Gebirges, dem Dhawallagiri (26,000′) übertroffen wird. Die absolute Höhe ist bei dergleichen Nebeneinanderstellungen aber nicht entscheidend, und das verschiedene Verhältniß der Durchmesser erschwert die Vergleichung. Die Masse der einzelnen Mondberge ist so groß, daß ganzen Ländern vergleich- bar, sie plateaux genannt werden müssen. So hat der Hipparch einen Durchmesser von 20 Meilen, ist also ungefähr so groß als Böhmen. Die Mehrzahl der Berge auf dem Monde haben ein vulkanisches Ansehen, u. die Krater scheinen den unsrigen sehr ähnlich. Oft findet man auf den Berg einen Aschenkegel aufgesetzt, wie beim Vesuv, oft ist er auch an der Seite des Berges, wie bei einigen Vulkanen in Amerika. Seit dem Jahre 1783 hat man von Ausbrüchen der Mondvulkane gesprochen, welche an u. für sich wohl möglich wären, obgleich wir dem Monde seine Atmosphäre abge- sprochen haben: denn es ist nicht zu läugnen, daß es Feuererscheinungen ohne Luft giebt. Herschel der in den Jahren 1788/90, mit dem Grafen Brühl in London fleißige Mondsbeo- bachtungen

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung

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Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription in Hamel, Jürgen u. Klaus Harro Tiemann (Hg.) (1993): Alexander von Humboldt: Über das Universum. Die Kosmosvorträge 1827/28 in der Berliner Singakademie. Frankfurt a. M.: Insel. anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

Abweichungen dieser Druckedition von der Manuskriptvorlage werden im Text an der entsprechenden Stelle in editorischen Kommentaren ausgewiesen.

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Zitationshilfe: [Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 75v. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827/0154>, abgerufen am 16.04.2024.