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[Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

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alten Berggebäuden zurückgebliebene, oder in einer Incrustation eingehüllte
Cadaver. Dies gilt auch von den auf Guadeloupe entdeckten versteinerten
Menschengerippen, von denen Eines durch den Admiral Cochrane nach England
gebracht worden. Es ist dies ein ziemlich wohl erhaltenes Skelett, doch ohne
Kopf und rechten Arm; ohne Zweifel von einem Menschen. Dergleichen
Gerippe kommen auf Guadeloupe häufig vor, und werden von den Einwoh-
nern Galibi (wahrscheinlich eine Corruption von Caribi) genannt. Bemer-
kenswerth ist der Umstand, daß die Skelette alle in der Richtung von Ost
nach West liegen, was auf die Vermuthung führt, daß vielleicht ein alter
Caraibischer Kirchhoff zu Grunde liegen kann. Das Gestein in welchem diese
Reste vorkommen, ist ein Kalkstein-Conglommerat, mit vielen vom Meere
ausgeworfenen Lytophyten und Madreporen, durch einen kalkigen Cement
verbunden. Aehnliche Gebilde sind dem ganzen Archipel der Antillen ge-
mein, und den Negern auf Cuba unter dem Namen Maconne-bon Dieu
bekannt. Man findet darin, oft in 24 Fuß Tiefe, die Trümmer von Gefä-
ßen, sogar Mörser, Keulen, Aexte und andere Arbeiten von Menschen-
hand.

Bei den ungewissen Vermuthungen, welche selbst die uns bekannte, dünne,
äußere Erdschicht unseres Planeten, noch stets veranlaßt, sollten wir uns der Un-
tersuchungen über ihren Kern vielmehr ganz enthalten. Aber schon Montaigne
sagt: wir haben ein schwaches Gesicht, und viel Neugier, und es ist uns un-
möglich nicht in diese verschlossene Tiefe dringen zu wollen.

Die nach dem Innern der Erde zunehmende Temperatur, deren Annahme

nicht

alten Berggebäuden zurückgebliebene, oder in einer Incrustation eingehüllte
Cadaver. Dies gilt auch von den auf Guadeloupe entdeckten versteinerten
Menschengerippen, von denen Eines durch den Admiral Cochrane nach England
gebracht worden. Es ist dies ein ziemlich wohl erhaltenes Skelett, doch ohne
Kopf und rechten Arm; ohne Zweifel von einem Menschen. Dergleichen
Gerippe kommen auf Guadeloupe häufig vor, und werden von den Einwoh-
nern Galibi (wahrscheinlich eine Corruption von Caribi) genannt. Bemer-
kenswerth ist der Umstand, daß die Skelette alle in der Richtung von Ost
nach West liegen, was auf die Vermuthung führt, daß vielleicht ein alter
Caraïbischer Kirchhoff zu Grunde liegen kann. Das Gestein in welchem diese
Reste vorkommen, ist ein Kalkstein-Conglommerat, mit vielen vom Meere
ausgeworfenen Lytophyten und Madreporen, durch einen kalkigen Cement
verbunden. Aehnliche Gebilde sind dem ganzen Archipel der Antillen ge-
mein, und den Negern auf Cuba unter dem Namen Maçonne-bon Dieu
bekannt. Man findet darin, oft in 24 Fuß Tiefe, die Trümmer von Gefä-
ßen, sogar Mörser, Keulen, Aexte und andere Arbeiten von Menschen-
hand.

Bei den ungewissen Vermuthungen, welche selbst die uns bekannte, dünne,
äußere Erdschicht unseres Planeten, noch stets veranlaßt, sollten wir uns der Un-
tersuchungen über ihren Kern vielmehr ganz enthalten. Aber schon Montaigne
sagt: wir haben ein schwaches Gesicht, und viel Neugier, und es ist uns un-
möglich nicht in diese verschlossene Tiefe dringen zu wollen.

Die nach dem Innern der Erde zunehmende Temperatur, deren Annahme

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[12r/0027] alten Berggebäuden zurückgebliebene, oder in einer Incrustation eingehüllte Cadaver. Dies gilt auch von den auf Guadeloupe entdeckten versteinerten Menschengerippen, von denen Eines durch den Admiral Cochrane nach England gebracht worden. Es ist dies ein ziemlich wohl erhaltenes Skelett, doch ohne Kopf und rechten Arm; ohne Zweifel von einem Menschen. Dergleichen Gerippe kommen auf Guadeloupe häufig vor, und werden von den Einwoh- nern Galibi (wahrscheinlich eine Corruption von Caribi) genannt. Bemer- kenswerth ist der Umstand, daß die Skelette alle in der Richtung von Ost nach West liegen, was auf die Vermuthung führt, daß vielleicht ein alter Caraïbischer Kirchhoff zu Grunde liegen kann. Das Gestein in welchem diese Reste vorkommen, ist ein Kalkstein-Conglommerat, mit vielen vom Meere ausgeworfenen Lytophyten und Madreporen, durch einen kalkigen Cement verbunden. Aehnliche Gebilde sind dem ganzen Archipel der Antillen ge- mein, und den Negern auf Cuba unter dem Namen Maçonne-bon Dieu bekannt. Man findet darin, oft in 24 Fuß Tiefe, die Trümmer von Gefä- ßen, sogar Mörser, Keulen, Aexte und andere Arbeiten von Menschen- hand. Bei den ungewissen Vermuthungen, welche selbst die uns bekannte, dünne, äußere Erdschicht unseres Planeten, noch stets veranlaßt, solten wir uns der Un- tersuchungen über ihren Kern vielmehr ganz enthalten. Aber schon Montaigne sagt: wir haben ein schwaches Gesicht, und viel Neugier, und es ist uns un- möglich nicht in diese verschlossene Tiefe dringen zu wollen. Die nach dem Innern der Erde zunehmende Temperatur, deren Annahme nicht

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription in Hamel, Jürgen u. Klaus Harro Tiemann (Hg.) (1993): Alexander von Humboldt: Über das Universum. Die Kosmosvorträge 1827/28 in der Berliner Singakademie. Frankfurt a. M.: Insel. anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

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Zitationshilfe: [Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 12r. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827/27>, abgerufen am 18.04.2024.