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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 240. Köln, 8. März 1849.

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wird die Runde durch ganz Lunigiana machen, vor seiner Rückkehr nach Florenz. Er ist begleitet vom General d'Apice.

Der Verräther Laugier hat wie ein Feigling die Gastfreundschaft des piemontesischen Generals Lamarmora zu Spezzia angefleht. Ehe er Massa verließ, ging er zum Delegirten und verlangte 8000 Francs von ihm, die der letztere energisch verweigerte. Dann stieg er zu Pferde, gefolgt von 8 Dragonern, seiner ganzen Armee, und ergriff feig die Flucht, die Verwünschungen aller guten Toskaner mit sich nehmend.

Die Soldaten, die sich betrogen sahen, wollten auf ihn schießen, aber das Volk, immer großmüthig, hat sie daran verhindert. Die Regierung läßt allen in ihrer Proklamation Verzeihung angedeihen. Sie ersucht die Soldaten unter die Fahnen zurückzukehren; sie läßt allen Offizieren, selbst den Schuldigsten, ihren Grad (sehr unzeitgemäße Großmuth!) und fordert sie auf, ihrem Lande, wo sie das Tageslicht erblickt, zu dienen, statt den Tyrannen. Die Offiziere kamen, ihre Unterwerfung anzuzeigen, Guerazzi richtete einige Worte an sie.

So ist alles beendet und der durch den infamen Verräther Laugier heraufbeschworne Bürgerkrieg hat sich aufgelös't in Feste und Tänze. Ueberall werden Freiheitsbäume aufgepflanzt. Alle Welt umarmt sich unter dem Rufe: "Krieg und Ausrottung den östreichischen Barbaren!"

Die toskanische Republik errichtet ein Lager bei Pistojo.

* Turin, 28. Februar.

Es ist jetzt erwiesen, daß das Projekt der piemontesischen Intervention kombinirt war mit dem Einrücken des neapolitanischen Bourbonen in die römischen Staaten, alles unter den Auspizien der englischen und französischen Diplomatie. Die Haltung der sardinischen Volksvertreter hat den feigen Verräther Karl Albert und den "modernen Jesuiten" Gioberti eingeschüchtert und die würdige englisch-französische Diplomatie hat das Zusehen.

Die Demokratie macht täglich neue Fortschritte in den sardinischen Staaten.

In der Sitzung der Turiner Deputirtenkammer vom 27. Febr. sucht der Deputirte Lauzza in einem längern geschriebenen Vortrage nachzuweisen: 1) daß die toskanische Republik ungesetzlich und gegen den Wunsch der Nation eingeführt worden ist durch Zerstörung des gesellschaftlichen Gebäudes; 2) daß Oestreich das Recht hat, in Toskana zu interveniren in Folge des ihm durch die Verträge von 1815 garantirten Wiederanheimfalles dieses Staates; 3) daß wenn man im Unabhängigkeitskriege das Recht hat, sich aller Mittel zu bedienen, selbst der nicht eingestehbaren, jeder italienische Staat auch das Recht hat, in dem andern zu interveniren, selbst mit bewaffneter Gewalt.

Diese Rede rief in der ganzen Versammlung und in den Tribünen einen allgemeinen Schrei der Entrüstung hervor. Die Deputirten Mellana, Scotto-Pintor, Ranco und andere widerlegen sie und sprechen ihr Erstaunen aus, daß in einer italienischen Kammer ein Deputirter die Unverschämtheit besaß, derartiges vorzutragen. Michellini führt aus, daß die italienischen Provinzen das Recht haben, sich zu konstituiren, wie ihnen gutdünkt, selbst ehe sie ihre Adhesion zu der Einheit gegeben haben.

In einer sehr lebhaften Diskussion, woran Josti und Lione Theil nahmen, werden die antinationalen Doktrinen gebrandmarkt. Der Präsident erklärt die Debatte über §. 6 für geschlossen und verliest das Amendement Bargagni's, worin dieses Mitglied vorschlägt, im Falle nicht unmittelbar der Krieg statt habe, Deputirte zur römischen Constituante zu schicken, mit dem bestimmten Mandat, sich über die Mittel der Kriegsführung zu verständigen. Der Deputirte Depreti bemerkt: der Wunsch der Kommission sei, alle nationalen Kräfte zu vereinigen, um die Sache der Unabhängigkeit triumphiren zu machen. Diese Kommission habe sich offen ausgesprochen für die unmittelbare Eröffnung des Kriegs. Das Amendement Bargagnis sei daher überflüssig. Es verstehe sich nach dem Sinne der ganzen Adresse von selbst.

Das besagte Amendement wird verworfen.

Noch einige Tage und Turin, Rom, Florenz werden gemeinschaftlich die italienische Unabhängigkeit erobern; Neapel, Mailand und Venedig werden sich ihnen anschließen.

* Genua.

Der hiesige britische Consul hat in allen Journalen die Erklärung veröffentlicht, daß Sir G. Hamilton Florenz nicht verlassen hat und daß weder er, noch eine andere der brittischen Gesandtschaft angehörige Person sich an die Grenzen begeben, um sich dem Einmarsch der piemontesischen Truppen zu widersetzen. - Am 28. Febr. wurde hier von den Franzosen in der Madonnenkirche ein Trauergottesdienst für die Gefallenen des 23. und 24. Febr. abgehalten. Unter den Beiwohnenden bemerkte man den Consul, den Viceconsul und den Generalstab der Kriegskorvette Comore, sowie eine große Menge anderer Franzosen. - Das neue sicilianische Ministerium ist zusammengesetzt wie folgt: Prinz v. Buttera, auswärtige Angelegenheiten und Handel; Major Poulet, Krieg und Marine; Advokat und Deputirter Mario, Kultus und Justizminister; Marquis Della Corda, Inneres; Baron Tunico Calorma, Unterricht und öffentliche Arbeiten.

* Mailand, 2. März.

Radetzky, seine Generale und die höheren östreichischen Beamten machen hier Privatprofite, die alle Schätzung übersteigen. Es herrscht unter ihnen eine wahre Concurrenz im Stehlen, und sie schicken ganze Lastwagen von Beute nach Deutschland und Kroatien. Am Tage, wo eine neue Erhebung der Lombardei die Barbaren aus Italien herausgepeitscht hat, werden die rückkehrenden Emigrirten ihre Häuser leer finden, ihre Landschaften verwüstet. Die Erbitterung hat ihren Culminationspunkt erreicht; aber die Mailänder scheinen ihre neue Erhebung für den Augenblick festgestellt zu haben, wo die Kanonen vom Tessin donnern. Ganz Italien ist entschlossen, ein für allemal mit den Barbaren ein Ende zu machen; die Streitkräfte organisiren sich zu Venedig und Piemont, in Toskana, zu Rom, in Sicilien: die schöne Jahreszeit wird nicht vorüber gehn, ohne einen neuen Feldzug zu sehn, und dießmal wird die Wuth der Insurrektion keine Grenzen kennen und kein Pardon geben.

* Neapel, 21. Febr.

Die beiden Kammern sind unter einander uneins geworden. Die Deputirtenkammer verweigert die Genehmigung eines die Steuern auf ein halbes Jahr verwilligenden Gesetzentwurfs, der von der Pairskammer angenommen worden. Es ist jetzt eine gemischte Kommission gebildet worden, die eine Ausgleichung versuchen soll. In Betreff der sizilischen Frage ist ein Adjudant des Admiral Baudin mit dem Ultimatum nach Palermo abgegangen, und man erwartet stündlich seine Rückkehr. Der König von Neapel besteht als auf einer conditio sine qua non, daß die Forts von Palermo durch neapolitanische Truppen besetzt werden sollen, wie auch, daß er allein die Offiziere zu ernennen habe. Es sollen hier ziemlich stürmische Kabinetssitzungen stattgefunden haben und man spricht wieder einmal von einem Ministerwechsel. Täglich gehen Truppen nach der römischen Grenze hinab; es muß dort schon ein ganz bedeutendes Korps versammelt sein.

Französische Republik.
12 Paris, 4. März.

Richtig! Wir sind wirklich wieder an den 22. Februar vorigen Jahres angelangt; dieselben Fragen tauchen wieder auf; dieselben Gesetze kommen wieder in Anregung. Wie im vorigen Jahre, so war es auch jetzt wieder Ledru-Rollin, der die Freiheit der Banketts und der Associationen vertheidigte; aber statt Guizot finden wir jetzt Barrot, der die Anwendung des Gesetzes von 1790 verlangt. Resumiren wir kurz den Thatbestand. Gegen 900 Studenten hatten sich am ersten März im Saal eines Restauranten vereinigt, um ein Bankett zu feiern. Während des Mahles, an dem derselbe Abgeordnete Bernard Theil nahm, welcher das Ministerium interpellirt, tritt ein Polizeikommissar hinein und behauptet das Recht zu haben, dem Feste beizuwohnen. Die Mitglieder des Banketts machen ihm dieses Recht streitig. Der Kommissar kommt mit 50 bis 60 Polizeiagenten zurück, dringt ohne weitere Formalitäten in den Saal ein, und läßt ihn räumen. Pierre Leroux, welcher das Bankett präsidirte, unterstützt die Interpellation seines Kollegen Bernard; er vertheidigt das Vereinigungsrecht, wie es im Februar errungen, gegen Barrot und Leon Faucher, die sich auf das Gesetz von 1790 berufen.

Die Frage, welche die Februar-Revolution hervorrief, wäre sonach in ihrer ursprünglichen Form wiedergekommen. Die Rechtsfrage, behauptet das Ministerium, ist keineswegs durch die Konstitution erledigt; das Gesetz von 1790 besteht in seiner ganzen Kraft. Wahrhaftig, das Journal des Debats hat Recht: Die heutige Sitzung der Kammer war ganz geeignet, die Flintenschüsse in Vergessenheit zu bringen, welche diese Frage auf der Straße gelöst haben, nachdem man in der Kammer vergebens darüber debattirt hatte. Aber nein! die Debatte vom vorigen Jahre sollte erneuert werden, der 22. Februar sollte abermals aufgeführt werden. Nur waren es nicht Guizot und Duchatel, welche das Recht der Regierung, dem Vereinigungsrecht gegenüber vertheidigten und das Gesetz von 1790 in Anspruch nahmen; es waren Barrot, Faucher und Grandin. Barrot stützte sich auf dieses Gesetz von 1790, als die einzige Garantie der öffentlichen Ordnung und Ruhe, und rief denselben Skandal hervor, wie damals Guizot und Hebert. Grandin unterstützt Barrot; Grandin ist ein junger Hebert; Grandin findet, daß Barrot und Faucher nicht energisch genug verfahren; er wirft dem Ministerium seine Nachsicht vor gegen die verderblichen Doktrinen, die in allen Banketts und sonstigen öffentlichen Versammlungen zu Tage gefördert würden.

Grandin ist Tuchfabrikant; er kennt die Lage der arbeitenden Klasse, er kennt ganz vortrefflich ihr Elend; er beschäftigt selbst eine Masse von Arbeitern, und gesteht ganz naiv, daß diese Unglücklichen, um ihren Hunger zu stillen, oder vielmehr zu täuschen, darauf angewiesen wären, rohe Kräuter zu essen. Und was ist Schuld an dem Elende des Volkes? Die Banketts, die Klubs: deshalb müssen sie geschlossen werden. Ganz die Sprache der alten Regierung gegen die alte Opposition. Ledru Rollin hebt dies auf eine treffende Weise hervor. Er führt die Worte Duvergier's und Malleville's wörtlich an, die damals sich auch rechtfertigen mußten, daß man ihnen die Störung in den Geschäften, das Eindringen der sogenannten anarchischen Ideen Schuld gab. Barrot ging noch weiter, als man im vorigen Jahre bei Gelegenheit der Banketts das vermeintliche Gesetz vom 1. Sept. in Anwendung bringen wollte. "Es ist unglaublich, sagte er, daß man nach 50 Jahren den Bürgern das heiligste aller Rechte verbieten will, das Recht der Vereinigung." Was antwortete damals Guizot? "Wenn Ihr in derselben Lage wäret, wie wir, wenn Ihr von denselben Anforderungen gedrängt würdet, wie wir, so würdet Ihr gerade so handeln, wie wir jetzt handeln." Dies war die Antwort, die Guizot damals dem Herrn Barrot ertheilte. Herr Barrot aber schrie damals: "Nein, nein! ich nehme die formelle Verpflichtung über mich, daß ich nicht so handeln werde; ich setze mein Wort ein!" "Ich nehme das Wort des Herrn Barrot nicht als eine Garantie an!" war die Antwort des Herrn Guizot.

Die Sitzung hätte beinahe geendet wie damals. Einige Freunde des Ministeriums trugen auf ein Satisfactions-Votum an, Das Ministerium begnügte sich mit der einfachen Tagesordnung, die auch wirklich von der Kammer angenommen wurde.

Trotz Barrot und Kammer und Polizei nehmen die demokratischen Banketts immer mehr zu; das Militär selbst nimmt Theil an denselben; sie verbreiten sich über ganz Frankreich, und die Reden, welche dort gehalten werden, zeigen klar, daß sie das durch Flintenschüsse eroberte Recht abermals mit Flintenschüsse zu erobern bereit sind.

* Paris, 5. März.

Die Angeklagten vom 15. Mai sind heute aus dem Gefängnisse St. Vincennes nach der Eisenbahn transportirt worden, um von da weiter nach Bourges mit dem Zuge der Orleansbahn befördert zu werden. Im ersten Zellenwagen befanden sich Barbes, Albert, Blanqui, Larger, Raspail und Sobrier. Eine halbe Stunde nach dem Abgange des ersten Wagens von St. Vincennes, nahm ein zweiter vier andere Angeklagte auf: Courtais, Flotte, Barme und Quentin, die in der Conciergerie saßen; dann wurden die beiden letzten, Paul Degre und Thomas, ebenfalls in einem Zellenwagen aus dem Gefängnisse St. Pelagie abgeholt. Diese drei Wagen kamen fast zu gleicher Zeit unter starker Militärbedeckung in dem Bahnhof der Orleans-Eisenbahn an. Im Bahnhofe selbst befand sich der Polizeipräfekt, um die nöthigen Befehle zu geben. Die Zellenwagen, welche die Gefangenen aus ihren Gefängnissen hierhergebracht, wurden wie Waggons dem Zuge so zu sagen einverleibt, während die übrigen Waggons von 200 Gensd'armen und sonstigen Beamten besetzt wurden.

Man hatte außerordentliche Maßregeln zur Bewachung der Gefangenen gebraucht. Raspail war äußerst entrüstet über die Vorkehrungen, die man getroffen, und protestirte mit aller Energie gegen die Art des Transports. Sobrier fügte hinzu; "wie leicht wäre es mir gewesen, als ich Polizeipräfekt war, alle diese Bourgeois einstecken zu lassen. Ich säße jetzt nicht hier." - "Geduld, sagte sein Nachbar, ebenfalls ein Angeklagter; das wird schon wieder kommen, die Sache ist noch nicht zu Ende." Beim Abgange des Zuges schrien die Gefangenen: "Es lebe die soziale-demokratische Republik." Es waren im Ganzen 15 Waggons; ein Waggon zweiter Klasse enthielt nur Polizeiagenten; die Offiziere waren im ersten Waggon.

Auf den Schlage fünf Uhr wurde das Signal zur Abreise gegeben, und der Zug fuhr dahin mit vollem Dampfe.

In einem Zuge, der kurz nachher abfuhr, wurden die Ueberführungsstücke, wie Waffen, Dolche, welche man in der Wohnung Sobriers ergriffen, nach Bourges gebracht. Es befindet sich hierunter eine schwarze Tafel, worauf mit Kreide die Namen der Männer verzeichnet sind, welche die künftige provisorische Regierung bilden sollen. Wir bemerken unter ihnen Albert als Minister der öffentlichen Bauten, Hubert als Finanzminister.

Zu Bourges selbst sind die Vorkehrungen, die man getroffen, noch weit kolossaler. Der General Marey-Monge bereitet für den Tag, wo die Gefangenen ankommen, eine Revue der gesammten Truppen vor, die sich in der Stadt befinden. Man sollte jetzt schon glauben, man befände sich völlig in einer Kriegsstadt: die friedlichen Einwohner erinnern sich nicht, jemals Rüstungen der Art in den Mauern ihrer friedlichen Stadt gesehen zu haben. Alle Gasthäuser sind angefüllt mit Fremden. Um das Gefängniß herum, welches zur Aufnahme der Gefangenen bereitet ist, sind alle anliegenden Häuser in Wachtstuben umgewandelt worden.

X Bourges, 4. März.

Die Gefangenen von Vincennes sind hier angelangt. Schon vorher hatte eine Depesche ihre Abreise von Vincennes gemeldet, und sogleich setzte sich die bewaffnete Macht unserer Stadt in Bewegung. Die Straßen, die die Gefangnen, um zum Hotel genannt Jaques-Coeur zu gelangen, passiren mußten, waren mit Posten besetzt, die in lauter kleinen Entfernungen aufgestellt waren. Die Barriere St. Sulpice, sowie alle Thore von Bourges waren mit starken Truppenabtheilungen besetzt. Besonders große Vorkehrungen waren auf dem Bahnhof getroffen, wo die Gefangenen aus den Waggons stiegen. Gegen 12 Uhr wurde man den Zug gewahr. Auf den Waggons stand geschrieben: transport des prisonniers. Die Gensdarmen hielten das Gewehr schlagfertig. Madame Courtais begleitete ihren Mann; der General war im schwarzen Frack, Blanqui hatte eine Mütze auf.

Die angekündigte Revue hat wirklich heute Statt gefunden, und zwar zu gleicher Zeit, als die Neuangekommenen von Vincennes in Bourges eingekerkert wurden. Diese Maßregel konnte nur einigen friedfertigen Philistern in Bourges imponiren; das Militär selbst lachte zu dieser Revue. Ledru-Rollin hat Recht: Die Demokratie herrscht im Heere; die Gensd'armen allein sind dem alten Systeme getreu; die Gensd'armen werden besoldet von der Reaktion. Aber nachdem man die "getreue mobile Garde" so schmählich verabschiedet, nachdem man gesehen, welches Loos alle diejenigen erwartet, welche selbst gegen die "Anarchie" gekämpft, und wie die Bourgeoisie weiter nichts anerkennt, als die Herrschaft des Geldes, hat sich die Armee, die aus dem Volke stammt, wieder zum Volke, zu den Arbeitern gewandt, trotz Bugeaud, trotz Changarnier.

Paris, 5. März.

Das "Univers" bringt folgende Nachricht:

Gaeta, 24. Februar.

"Die Gesundheit des souveränen Pontifex ist stets vortrefflich. Vorgestern traf der Großherzog von Toscana mit seiner ganzen Familie am Bord eines englischen Dampfschiffes hier ein. Er begab sich sogleich zum souveränen Pontifex. Eine halbe Stunde später kehrte er zum Mole di Gaeta zurück. Das diplomatische Korps begleitete ihn bis hieher, hat aber sogleich wieder seinen Rückweg nach Livorno angetreten, mit Ausnahme des päbstlichen Nuntius, der in Gaeta geblieben ist."

- Aus Malta von 25. Februar gingen dagegen Depeschen nach London von hoher Wichtigkeit hier durch. Es heißt: Die Pforte habe das russische Gesuch, eine Flotte durch die Dardanellen zu lassen, abgeschlagen, Tittoff, darüber wüthend, habe erklärt: die russische Flotte werde den Durchgang erzwingen und so sei plötzliches Leben in jene Gegend gefahren. Das diplomatische Korps entwickele eine große Thätigkeit und stimme dem Divan bei.

- Aus Turin empfing der Konstitutionnell auf ausserordentlichem Wege den Schluß der Kammersitzung v. 27. Febr. Das Mißtrauens-Amendement Bargagni's: "Wenn das Ministerium nicht sofort den Feldzug gegen Oestreich eröffne, vier Gesandte nach Rom in die Konstituante zu schicken, um sich mit ihr wegen des Kriegs zu verständigen, wurde auf die wiederholten Erklärungen der Minister in ihre patriotischen Gesinnungen keinen Zweifel zu setzen, fast einstimmig verworfen. Somit rückte die Adressdiskussion um einen bedeutenden Schritt vorwärts. Am 28. Februar kam sie indessen noch nicht zu Ende.

- In Lyon herrscht eine große Verwirrung im Gemeinderathe. Wie uns die Blätter vom 3. März Abends melden, hat auch der Maire des Proletarier-Viertels Croix Rousse sein Amt nieder gelegt. Kein Mensch, scheint es, will die Ruthenstreiche der Hrn. Faucher und Bugeaud mit Langmuth ertragen.

- Aller Augen sind nach Bourges gerichtet. Unsere Morgenblätter bringen heute die ersten dramatischen Details über die von uns schon gemeldete nächtliche Abfahrt der Maiangeklagten aus Vincennes und anderen Stadtgefängnissen. Diesen Berichten zufolge ließ Raspail eine energische Protestation in dem Augenblicke erschallen, wo man ihn zwang den Zellenwagen zu besteigen, der ihn auf die Gerichtsstätte - das bürgerliche Golgatha - abführte. Die ausserordentlichen Vorsichtsmaßregeln, mit denen sich Herr Carlier und der Kassationshof umgaben, beweisen nur zu klar, wie schiffbrüchig der franz. Rechtsboden geworden.

- Die heilige Dreifaltigkeit der Rue de Poitiers (Mole, Thiers und Berryer wird morgen ihr Wahlmanifest vom Stapel laufen lassen.

- Es ist die Bildung eines Truppen-Korps von 3600 Mann beschlossen, das ausschließlich zur Beilegung der La Platanhändel verwandt werden soll. Bei der Masse brodloser junger Taugenichtse ist der Andrang zu den diesfälligen Anwerbungen sehr stark.

- Die Mordgeschichten und Liebesabentheuer in der Rue d'Anjou, auf die wir Sie vorgestern schon aufmerksam machten, locken viele Müssiggänger in jene Gegend, welche die Oertlichkeiten von Weitem angaffen. Madame Carabi, Veranlassung dieses Familiendrama's, ist gefänglich eingezogen worden und sitzt neben allerlei Lumpenpack in der Conciergerie. Sie war sieben Jahre mit dem transatlantischen Othello verheirathet, ist Mutter von vier Kindern und wie uns Jemand aus der Nachbarschaft versicherte, von bewundernswerther Schönheit. Ihr Familienname heißt Blanchard.

- Die "Revolution" behauptet: die Härte der Bankdirektion dem Kleinhandel gegenüber sowie die plötzliche Entziehung aller Brod- und Fleisch-Bons sei ein neues Mittel, das Proletariat zur Verzweiflung zu bringen und es zur Emeute zu fordern, um es zusammenzuschießen. So etwas sieht unseren Afrikanern allerdings ähnlich.

- Heute Abend 6tes großes Volks-Koncert im Fraternitätssaale a 25 Centimen.

- Zu den praktischen Maßregeln der demokratischen Partei neuester Zeit gehörte die Anlage zweier Propaganda-Bureau's, von denen sich das Eine "demokratisch-sozialistische Propaganda" nannte und sich ausschließlich mit Verbreitung demokratisch-sozialistischer Bücher und Broschüren beschäftigte; das Andere nannte sich "sozialistische Propaganda," raffte alle demokratischen alten Zeitungsblätter zusammen und schickte sie dem Landproletariat gratis zu. Grund genug, an die Zerstörung beider Anstalten zu denken. Wie wir hören, hat das Ministerium, auf Carlier'sche Berichte hin, sämmtliche Papiere gerichtlich unter der Angabe mit Beschlag belegen lassen, daß sie zu politischen Umtrieben dienten.

- Dem Ministerium ist die Nachricht aus Konstantinopel zugegangen, daß der russische Gesandte von der ottomannischen Pforte die Erlaubniß zur Durchfahrt einer russischen Flotte durch die Dardanellen verlangt und dabei erklärt hat, nöthigenfalls werde sich die Flotte den Durchgang erzwingen.

- National-Versammlung. Sitzung vom 5. März. Anfang 2 1/4 Uhr. Präsident Marrast: Die Sitzung beginnt so spät, weil die Erneuerungswahlen der sechs Vizepräsidenten und zweier Schreiber in den Sitzungssälen vorgenommen werden müssen. Außerdem waren mehrere Kommissionen für Prüfung des von uns vorgestern mitgetheilten Vervollständigungs-Paragraphen zu dem 1831ger Rheinschifffahrts-Vertrage mit Baden u. s. w. zu wählen.

Malbois verlangt gleich nach dem Protokoll das Wort, um seinen Antrag rücksichtlich größerer Strenge bei Urlauben übermorgen diskutirt zu sehen.

Die Versammlung entscheidet, daß dieser Punkt erst nach der dritten Debatte über das Wahlgesetz beginnt.

Mehrere Lokalgesetze (darunter eine größere Sicherung der Pulvermühlen in Toulouse) wurden erledigt.

Marrast theilt der Versammlung die Büreauwahlen mit.

Zu Vizepräsidenten wurden gewählt: 1) Lamoriciere mit 445, 2) Goudchaux mit 384, 3) Havin mit 379, 4) Billault mit 343, 5) Corbon mit 291 und 9) Grevy (!) mit 259 Stimmen.

Die Rue de Poitiers also vollständig geschlagen. Ihr Kandidat Bedeau erhielt nur 240 Stimmen.

Jules Richard und Laussedat werden zu Schreibern gewählt.

Die Versammlung nimmt hiernächst die Debatte auf, die sich auf Errichtung eines Sitzungslokals bezieht.

Die Meinungen sind getheilt. Die Einen möchten das Sitzungslokal in die Tuilerien verlegen, wo die alten Convente saßen. Die Tuilerien sind

wird die Runde durch ganz Lunigiana machen, vor seiner Rückkehr nach Florenz. Er ist begleitet vom General d'Apice.

Der Verräther Laugier hat wie ein Feigling die Gastfreundschaft des piemontesischen Generals Lamarmora zu Spezzia angefleht. Ehe er Massa verließ, ging er zum Delegirten und verlangte 8000 Francs von ihm, die der letztere energisch verweigerte. Dann stieg er zu Pferde, gefolgt von 8 Dragonern, seiner ganzen Armee, und ergriff feig die Flucht, die Verwünschungen aller guten Toskaner mit sich nehmend.

Die Soldaten, die sich betrogen sahen, wollten auf ihn schießen, aber das Volk, immer großmüthig, hat sie daran verhindert. Die Regierung läßt allen in ihrer Proklamation Verzeihung angedeihen. Sie ersucht die Soldaten unter die Fahnen zurückzukehren; sie läßt allen Offizieren, selbst den Schuldigsten, ihren Grad (sehr unzeitgemäße Großmuth!) und fordert sie auf, ihrem Lande, wo sie das Tageslicht erblickt, zu dienen, statt den Tyrannen. Die Offiziere kamen, ihre Unterwerfung anzuzeigen, Guerazzi richtete einige Worte an sie.

So ist alles beendet und der durch den infamen Verräther Laugier heraufbeschworne Bürgerkrieg hat sich aufgelös't in Feste und Tänze. Ueberall werden Freiheitsbäume aufgepflanzt. Alle Welt umarmt sich unter dem Rufe: „Krieg und Ausrottung den östreichischen Barbaren!“

Die toskanische Republik errichtet ein Lager bei Pistojo.

* Turin, 28. Februar.

Es ist jetzt erwiesen, daß das Projekt der piemontesischen Intervention kombinirt war mit dem Einrücken des neapolitanischen Bourbonen in die römischen Staaten, alles unter den Auspizien der englischen und französischen Diplomatie. Die Haltung der sardinischen Volksvertreter hat den feigen Verräther Karl Albert und den „modernen Jesuiten“ Gioberti eingeschüchtert und die würdige englisch-französische Diplomatie hat das Zusehen.

Die Demokratie macht täglich neue Fortschritte in den sardinischen Staaten.

In der Sitzung der Turiner Deputirtenkammer vom 27. Febr. sucht der Deputirte Lauzza in einem längern geschriebenen Vortrage nachzuweisen: 1) daß die toskanische Republik ungesetzlich und gegen den Wunsch der Nation eingeführt worden ist durch Zerstörung des gesellschaftlichen Gebäudes; 2) daß Oestreich das Recht hat, in Toskana zu interveniren in Folge des ihm durch die Verträge von 1815 garantirten Wiederanheimfalles dieses Staates; 3) daß wenn man im Unabhängigkeitskriege das Recht hat, sich aller Mittel zu bedienen, selbst der nicht eingestehbaren, jeder italienische Staat auch das Recht hat, in dem andern zu interveniren, selbst mit bewaffneter Gewalt.

Diese Rede rief in der ganzen Versammlung und in den Tribünen einen allgemeinen Schrei der Entrüstung hervor. Die Deputirten Mellana, Scotto-Pintor, Ranco und andere widerlegen sie und sprechen ihr Erstaunen aus, daß in einer italienischen Kammer ein Deputirter die Unverschämtheit besaß, derartiges vorzutragen. Michellini führt aus, daß die italienischen Provinzen das Recht haben, sich zu konstituiren, wie ihnen gutdünkt, selbst ehe sie ihre Adhesion zu der Einheit gegeben haben.

In einer sehr lebhaften Diskussion, woran Josti und Lione Theil nahmen, werden die antinationalen Doktrinen gebrandmarkt. Der Präsident erklärt die Debatte über §. 6 für geschlossen und verliest das Amendement Bargagni's, worin dieses Mitglied vorschlägt, im Falle nicht unmittelbar der Krieg statt habe, Deputirte zur römischen Constituante zu schicken, mit dem bestimmten Mandat, sich über die Mittel der Kriegsführung zu verständigen. Der Deputirte Deprèti bemerkt: der Wunsch der Kommission sei, alle nationalen Kräfte zu vereinigen, um die Sache der Unabhängigkeit triumphiren zu machen. Diese Kommission habe sich offen ausgesprochen für die unmittelbare Eröffnung des Kriegs. Das Amendement Bargagnis sei daher überflüssig. Es verstehe sich nach dem Sinne der ganzen Adresse von selbst.

Das besagte Amendement wird verworfen.

Noch einige Tage und Turin, Rom, Florenz werden gemeinschaftlich die italienische Unabhängigkeit erobern; Neapel, Mailand und Venedig werden sich ihnen anschließen.

* Genua.

Der hiesige britische Consul hat in allen Journalen die Erklärung veröffentlicht, daß Sir G. Hamilton Florenz nicht verlassen hat und daß weder er, noch eine andere der brittischen Gesandtschaft angehörige Person sich an die Grenzen begeben, um sich dem Einmarsch der piemontesischen Truppen zu widersetzen. ‒ Am 28. Febr. wurde hier von den Franzosen in der Madonnenkirche ein Trauergottesdienst für die Gefallenen des 23. und 24. Febr. abgehalten. Unter den Beiwohnenden bemerkte man den Consul, den Viceconsul und den Generalstab der Kriegskorvette Comore, sowie eine große Menge anderer Franzosen. ‒ Das neue sicilianische Ministerium ist zusammengesetzt wie folgt: Prinz v. Buttera, auswärtige Angelegenheiten und Handel; Major Poulet, Krieg und Marine; Advokat und Deputirter Mario, Kultus und Justizminister; Marquis Della Corda, Inneres; Baron Tunico Calorma, Unterricht und öffentliche Arbeiten.

* Mailand, 2. März.

Radetzky, seine Generale und die höheren östreichischen Beamten machen hier Privatprofite, die alle Schätzung übersteigen. Es herrscht unter ihnen eine wahre Concurrenz im Stehlen, und sie schicken ganze Lastwagen von Beute nach Deutschland und Kroatien. Am Tage, wo eine neue Erhebung der Lombardei die Barbaren aus Italien herausgepeitscht hat, werden die rückkehrenden Emigrirten ihre Häuser leer finden, ihre Landschaften verwüstet. Die Erbitterung hat ihren Culminationspunkt erreicht; aber die Mailänder scheinen ihre neue Erhebung für den Augenblick festgestellt zu haben, wo die Kanonen vom Tessin donnern. Ganz Italien ist entschlossen, ein für allemal mit den Barbaren ein Ende zu machen; die Streitkräfte organisiren sich zu Venedig und Piemont, in Toskana, zu Rom, in Sicilien: die schöne Jahreszeit wird nicht vorüber gehn, ohne einen neuen Feldzug zu sehn, und dießmal wird die Wuth der Insurrektion keine Grenzen kennen und kein Pardon geben.

* Neapel, 21. Febr.

Die beiden Kammern sind unter einander uneins geworden. Die Deputirtenkammer verweigert die Genehmigung eines die Steuern auf ein halbes Jahr verwilligenden Gesetzentwurfs, der von der Pairskammer angenommen worden. Es ist jetzt eine gemischte Kommission gebildet worden, die eine Ausgleichung versuchen soll. In Betreff der sizilischen Frage ist ein Adjudant des Admiral Baudin mit dem Ultimatum nach Palermo abgegangen, und man erwartet stündlich seine Rückkehr. Der König von Neapel besteht als auf einer conditio sine qua non, daß die Forts von Palermo durch neapolitanische Truppen besetzt werden sollen, wie auch, daß er allein die Offiziere zu ernennen habe. Es sollen hier ziemlich stürmische Kabinetssitzungen stattgefunden haben und man spricht wieder einmal von einem Ministerwechsel. Täglich gehen Truppen nach der römischen Grenze hinab; es muß dort schon ein ganz bedeutendes Korps versammelt sein.

Französische Republik.
12 Paris, 4. März.

Richtig! Wir sind wirklich wieder an den 22. Februar vorigen Jahres angelangt; dieselben Fragen tauchen wieder auf; dieselben Gesetze kommen wieder in Anregung. Wie im vorigen Jahre, so war es auch jetzt wieder Ledru-Rollin, der die Freiheit der Banketts und der Associationen vertheidigte; aber statt Guizot finden wir jetzt Barrot, der die Anwendung des Gesetzes von 1790 verlangt. Resumiren wir kurz den Thatbestand. Gegen 900 Studenten hatten sich am ersten März im Saal eines Restauranten vereinigt, um ein Bankett zu feiern. Während des Mahles, an dem derselbe Abgeordnete Bernard Theil nahm, welcher das Ministerium interpellirt, tritt ein Polizeikommissar hinein und behauptet das Recht zu haben, dem Feste beizuwohnen. Die Mitglieder des Banketts machen ihm dieses Recht streitig. Der Kommissar kommt mit 50 bis 60 Polizeiagenten zurück, dringt ohne weitere Formalitäten in den Saal ein, und läßt ihn räumen. Pierre Leroux, welcher das Bankett präsidirte, unterstützt die Interpellation seines Kollegen Bernard; er vertheidigt das Vereinigungsrecht, wie es im Februar errungen, gegen Barrot und Leon Faucher, die sich auf das Gesetz von 1790 berufen.

Die Frage, welche die Februar-Revolution hervorrief, wäre sonach in ihrer ursprünglichen Form wiedergekommen. Die Rechtsfrage, behauptet das Ministerium, ist keineswegs durch die Konstitution erledigt; das Gesetz von 1790 besteht in seiner ganzen Kraft. Wahrhaftig, das Journal des Debats hat Recht: Die heutige Sitzung der Kammer war ganz geeignet, die Flintenschüsse in Vergessenheit zu bringen, welche diese Frage auf der Straße gelöst haben, nachdem man in der Kammer vergebens darüber debattirt hatte. Aber nein! die Debatte vom vorigen Jahre sollte erneuert werden, der 22. Februar sollte abermals aufgeführt werden. Nur waren es nicht Guizot und Duchatel, welche das Recht der Regierung, dem Vereinigungsrecht gegenüber vertheidigten und das Gesetz von 1790 in Anspruch nahmen; es waren Barrot, Faucher und Grandin. Barrot stützte sich auf dieses Gesetz von 1790, als die einzige Garantie der öffentlichen Ordnung und Ruhe, und rief denselben Skandal hervor, wie damals Guizot und Hebert. Grandin unterstützt Barrot; Grandin ist ein junger Hebert; Grandin findet, daß Barrot und Faucher nicht energisch genug verfahren; er wirft dem Ministerium seine Nachsicht vor gegen die verderblichen Doktrinen, die in allen Banketts und sonstigen öffentlichen Versammlungen zu Tage gefördert würden.

Grandin ist Tuchfabrikant; er kennt die Lage der arbeitenden Klasse, er kennt ganz vortrefflich ihr Elend; er beschäftigt selbst eine Masse von Arbeitern, und gesteht ganz naiv, daß diese Unglücklichen, um ihren Hunger zu stillen, oder vielmehr zu täuschen, darauf angewiesen wären, rohe Kräuter zu essen. Und was ist Schuld an dem Elende des Volkes? Die Banketts, die Klubs: deshalb müssen sie geschlossen werden. Ganz die Sprache der alten Regierung gegen die alte Opposition. Ledru Rollin hebt dies auf eine treffende Weise hervor. Er führt die Worte Duvergier's und Malleville's wörtlich an, die damals sich auch rechtfertigen mußten, daß man ihnen die Störung in den Geschäften, das Eindringen der sogenannten anarchischen Ideen Schuld gab. Barrot ging noch weiter, als man im vorigen Jahre bei Gelegenheit der Banketts das vermeintliche Gesetz vom 1. Sept. in Anwendung bringen wollte. „Es ist unglaublich, sagte er, daß man nach 50 Jahren den Bürgern das heiligste aller Rechte verbieten will, das Recht der Vereinigung.“ Was antwortete damals Guizot? „Wenn Ihr in derselben Lage wäret, wie wir, wenn Ihr von denselben Anforderungen gedrängt würdet, wie wir, so würdet Ihr gerade so handeln, wie wir jetzt handeln.“ Dies war die Antwort, die Guizot damals dem Herrn Barrot ertheilte. Herr Barrot aber schrie damals: „Nein, nein! ich nehme die formelle Verpflichtung über mich, daß ich nicht so handeln werde; ich setze mein Wort ein!“ „Ich nehme das Wort des Herrn Barrot nicht als eine Garantie an!“ war die Antwort des Herrn Guizot.

Die Sitzung hätte beinahe geendet wie damals. Einige Freunde des Ministeriums trugen auf ein Satisfactions-Votum an, Das Ministerium begnügte sich mit der einfachen Tagesordnung, die auch wirklich von der Kammer angenommen wurde.

Trotz Barrot und Kammer und Polizei nehmen die demokratischen Banketts immer mehr zu; das Militär selbst nimmt Theil an denselben; sie verbreiten sich über ganz Frankreich, und die Reden, welche dort gehalten werden, zeigen klar, daß sie das durch Flintenschüsse eroberte Recht abermals mit Flintenschüsse zu erobern bereit sind.

* Paris, 5. März.

Die Angeklagten vom 15. Mai sind heute aus dem Gefängnisse St. Vincennes nach der Eisenbahn transportirt worden, um von da weiter nach Bourges mit dem Zuge der Orleansbahn befördert zu werden. Im ersten Zellenwagen befanden sich Barbés, Albert, Blanqui, Larger, Raspail und Sobrier. Eine halbe Stunde nach dem Abgange des ersten Wagens von St. Vincennes, nahm ein zweiter vier andere Angeklagte auf: Courtais, Flotte, Barme und Quentin, die in der Conciergerie saßen; dann wurden die beiden letzten, Paul Degré und Thomas, ebenfalls in einem Zellenwagen aus dem Gefängnisse St. Pelagie abgeholt. Diese drei Wagen kamen fast zu gleicher Zeit unter starker Militärbedeckung in dem Bahnhof der Orleans-Eisenbahn an. Im Bahnhofe selbst befand sich der Polizeipräfekt, um die nöthigen Befehle zu geben. Die Zellenwagen, welche die Gefangenen aus ihren Gefängnissen hierhergebracht, wurden wie Waggons dem Zuge so zu sagen einverleibt, während die übrigen Waggons von 200 Gensd'armen und sonstigen Beamten besetzt wurden.

Man hatte außerordentliche Maßregeln zur Bewachung der Gefangenen gebraucht. Raspail war äußerst entrüstet über die Vorkehrungen, die man getroffen, und protestirte mit aller Energie gegen die Art des Transports. Sobrier fügte hinzu; „wie leicht wäre es mir gewesen, als ich Polizeipräfekt war, alle diese Bourgeois einstecken zu lassen. Ich säße jetzt nicht hier.“ ‒ „Geduld, sagte sein Nachbar, ebenfalls ein Angeklagter; das wird schon wieder kommen, die Sache ist noch nicht zu Ende.“ Beim Abgange des Zuges schrien die Gefangenen: „Es lebe die soziale-demokratische Republik.“ Es waren im Ganzen 15 Waggons; ein Waggon zweiter Klasse enthielt nur Polizeiagenten; die Offiziere waren im ersten Waggon.

Auf den Schlage fünf Uhr wurde das Signal zur Abreise gegeben, und der Zug fuhr dahin mit vollem Dampfe.

In einem Zuge, der kurz nachher abfuhr, wurden die Ueberführungsstücke, wie Waffen, Dolche, welche man in der Wohnung Sobriers ergriffen, nach Bourges gebracht. Es befindet sich hierunter eine schwarze Tafel, worauf mit Kreide die Namen der Männer verzeichnet sind, welche die künftige provisorische Regierung bilden sollen. Wir bemerken unter ihnen Albert als Minister der öffentlichen Bauten, Hubert als Finanzminister.

Zu Bourges selbst sind die Vorkehrungen, die man getroffen, noch weit kolossaler. Der General Marey-Monge bereitet für den Tag, wo die Gefangenen ankommen, eine Revue der gesammten Truppen vor, die sich in der Stadt befinden. Man sollte jetzt schon glauben, man befände sich völlig in einer Kriegsstadt: die friedlichen Einwohner erinnern sich nicht, jemals Rüstungen der Art in den Mauern ihrer friedlichen Stadt gesehen zu haben. Alle Gasthäuser sind angefüllt mit Fremden. Um das Gefängniß herum, welches zur Aufnahme der Gefangenen bereitet ist, sind alle anliegenden Häuser in Wachtstuben umgewandelt worden.

X Bourges, 4. März.

Die Gefangenen von Vincennes sind hier angelangt. Schon vorher hatte eine Depesche ihre Abreise von Vincennes gemeldet, und sogleich setzte sich die bewaffnete Macht unserer Stadt in Bewegung. Die Straßen, die die Gefangnen, um zum Hotel genannt Jaques-Coeur zu gelangen, passiren mußten, waren mit Posten besetzt, die in lauter kleinen Entfernungen aufgestellt waren. Die Barriere St. Sulpice, sowie alle Thore von Bourges waren mit starken Truppenabtheilungen besetzt. Besonders große Vorkehrungen waren auf dem Bahnhof getroffen, wo die Gefangenen aus den Waggons stiegen. Gegen 12 Uhr wurde man den Zug gewahr. Auf den Waggons stand geschrieben: transport des prisonniers. Die Gensdarmen hielten das Gewehr schlagfertig. Madame Courtais begleitete ihren Mann; der General war im schwarzen Frack, Blanqui hatte eine Mütze auf.

Die angekündigte Revue hat wirklich heute Statt gefunden, und zwar zu gleicher Zeit, als die Neuangekommenen von Vincennes in Bourges eingekerkert wurden. Diese Maßregel konnte nur einigen friedfertigen Philistern in Bourges imponiren; das Militär selbst lachte zu dieser Revue. Ledru-Rollin hat Recht: Die Demokratie herrscht im Heere; die Gensd'armen allein sind dem alten Systeme getreu; die Gensd'armen werden besoldet von der Reaktion. Aber nachdem man die „getreue mobile Garde“ so schmählich verabschiedet, nachdem man gesehen, welches Loos alle diejenigen erwartet, welche selbst gegen die „Anarchie“ gekämpft, und wie die Bourgeoisie weiter nichts anerkennt, als die Herrschaft des Geldes, hat sich die Armee, die aus dem Volke stammt, wieder zum Volke, zu den Arbeitern gewandt, trotz Bugeaud, trotz Changarnier.

Paris, 5. März.

Das „Univers“ bringt folgende Nachricht:

Gaëta, 24. Februar.

„Die Gesundheit des souveränen Pontifex ist stets vortrefflich. Vorgestern traf der Großherzog von Toscana mit seiner ganzen Familie am Bord eines englischen Dampfschiffes hier ein. Er begab sich sogleich zum souveränen Pontifex. Eine halbe Stunde später kehrte er zum Mole di Gaëta zurück. Das diplomatische Korps begleitete ihn bis hieher, hat aber sogleich wieder seinen Rückweg nach Livorno angetreten, mit Ausnahme des päbstlichen Nuntius, der in Gaëta geblieben ist.“

‒ Aus Malta von 25. Februar gingen dagegen Depeschen nach London von hoher Wichtigkeit hier durch. Es heißt: Die Pforte habe das russische Gesuch, eine Flotte durch die Dardanellen zu lassen, abgeschlagen, Tittoff, darüber wüthend, habe erklärt: die russische Flotte werde den Durchgang erzwingen und so sei plötzliches Leben in jene Gegend gefahren. Das diplomatische Korps entwickele eine große Thätigkeit und stimme dem Divan bei.

‒ Aus Turin empfing der Konstitutionnell auf ausserordentlichem Wege den Schluß der Kammersitzung v. 27. Febr. Das Mißtrauens-Amendement Bargagni's: „Wenn das Ministerium nicht sofort den Feldzug gegen Oestreich eröffne, vier Gesandte nach Rom in die Konstituante zu schicken, um sich mit ihr wegen des Kriegs zu verständigen, wurde auf die wiederholten Erklärungen der Minister in ihre patriotischen Gesinnungen keinen Zweifel zu setzen, fast einstimmig verworfen. Somit rückte die Adressdiskussion um einen bedeutenden Schritt vorwärts. Am 28. Februar kam sie indessen noch nicht zu Ende.

‒ In Lyon herrscht eine große Verwirrung im Gemeinderathe. Wie uns die Blätter vom 3. März Abends melden, hat auch der Maire des Proletarier-Viertels Croix Rousse sein Amt nieder gelegt. Kein Mensch, scheint es, will die Ruthenstreiche der Hrn. Faucher und Bugeaud mit Langmuth ertragen.

‒ Aller Augen sind nach Bourges gerichtet. Unsere Morgenblätter bringen heute die ersten dramatischen Details über die von uns schon gemeldete nächtliche Abfahrt der Maiangeklagten aus Vincennes und anderen Stadtgefängnissen. Diesen Berichten zufolge ließ Raspail eine energische Protestation in dem Augenblicke erschallen, wo man ihn zwang den Zellenwagen zu besteigen, der ihn auf die Gerichtsstätte ‒ das bürgerliche Golgatha ‒ abführte. Die ausserordentlichen Vorsichtsmaßregeln, mit denen sich Herr Carlier und der Kassationshof umgaben, beweisen nur zu klar, wie schiffbrüchig der franz. Rechtsboden geworden.

‒ Die heilige Dreifaltigkeit der Rue de Poitiers (Molé, Thiers und Berryer wird morgen ihr Wahlmanifest vom Stapel laufen lassen.

‒ Es ist die Bildung eines Truppen-Korps von 3600 Mann beschlossen, das ausschließlich zur Beilegung der La Platanhändel verwandt werden soll. Bei der Masse brodloser junger Taugenichtse ist der Andrang zu den diesfälligen Anwerbungen sehr stark.

‒ Die Mordgeschichten und Liebesabentheuer in der Rue d'Anjou, auf die wir Sie vorgestern schon aufmerksam machten, locken viele Müssiggänger in jene Gegend, welche die Oertlichkeiten von Weitem angaffen. Madame Carabi, Veranlassung dieses Familiendrama's, ist gefänglich eingezogen worden und sitzt neben allerlei Lumpenpack in der Conciergerie. Sie war sieben Jahre mit dem transatlantischen Othello verheirathet, ist Mutter von vier Kindern und wie uns Jemand aus der Nachbarschaft versicherte, von bewundernswerther Schönheit. Ihr Familienname heißt Blanchard.

‒ Die „Revolution“ behauptet: die Härte der Bankdirektion dem Kleinhandel gegenüber sowie die plötzliche Entziehung aller Brod- und Fleisch-Bons sei ein neues Mittel, das Proletariat zur Verzweiflung zu bringen und es zur Emeute zu fordern, um es zusammenzuschießen. So etwas sieht unseren Afrikanern allerdings ähnlich.

‒ Heute Abend 6tes großes Volks-Koncert im Fraternitätssaale à 25 Centimen.

‒ Zu den praktischen Maßregeln der demokratischen Partei neuester Zeit gehörte die Anlage zweier Propaganda-Bureau's, von denen sich das Eine „demokratisch-sozialistische Propaganda“ nannte und sich ausschließlich mit Verbreitung demokratisch-sozialistischer Bücher und Broschüren beschäftigte; das Andere nannte sich „sozialistische Propaganda,“ raffte alle demokratischen alten Zeitungsblätter zusammen und schickte sie dem Landproletariat gratis zu. Grund genug, an die Zerstörung beider Anstalten zu denken. Wie wir hören, hat das Ministerium, auf Carlier'sche Berichte hin, sämmtliche Papiere gerichtlich unter der Angabe mit Beschlag belegen lassen, daß sie zu politischen Umtrieben dienten.

‒ Dem Ministerium ist die Nachricht aus Konstantinopel zugegangen, daß der russische Gesandte von der ottomannischen Pforte die Erlaubniß zur Durchfahrt einer russischen Flotte durch die Dardanellen verlangt und dabei erklärt hat, nöthigenfalls werde sich die Flotte den Durchgang erzwingen.

National-Versammlung. Sitzung vom 5. März. Anfang 2 1/4 Uhr. Präsident Marrast: Die Sitzung beginnt so spät, weil die Erneuerungswahlen der sechs Vizepräsidenten und zweier Schreiber in den Sitzungssälen vorgenommen werden müssen. Außerdem waren mehrere Kommissionen für Prüfung des von uns vorgestern mitgetheilten Vervollständigungs-Paragraphen zu dem 1831ger Rheinschifffahrts-Vertrage mit Baden u. s. w. zu wählen.

Malbois verlangt gleich nach dem Protokoll das Wort, um seinen Antrag rücksichtlich größerer Strenge bei Urlauben übermorgen diskutirt zu sehen.

Die Versammlung entscheidet, daß dieser Punkt erst nach der dritten Debatte über das Wahlgesetz beginnt.

Mehrere Lokalgesetze (darunter eine größere Sicherung der Pulvermühlen in Toulouse) wurden erledigt.

Marrast theilt der Versammlung die Büreauwahlen mit.

Zu Vizepräsidenten wurden gewählt: 1) Lamoricière mit 445, 2) Goudchaux mit 384, 3) Havin mit 379, 4) Billault mit 343, 5) Corbon mit 291 und 9) Grevy (!) mit 259 Stimmen.

Die Rue de Poitiers also vollständig geschlagen. Ihr Kandidat Bedeau erhielt nur 240 Stimmen.

Jules Richard und Laussedat werden zu Schreibern gewählt.

Die Versammlung nimmt hiernächst die Debatte auf, die sich auf Errichtung eines Sitzungslokals bezieht.

Die Meinungen sind getheilt. Die Einen möchten das Sitzungslokal in die Tuilerien verlegen, wo die alten Convente saßen. Die Tuilerien sind

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          <p><pb facs="#f0003" n="1327"/>
wird die Runde durch ganz Lunigiana machen, vor seiner Rückkehr nach Florenz. Er ist begleitet vom General d'Apice.</p>
          <p>Der Verräther Laugier hat wie ein Feigling die Gastfreundschaft des piemontesischen Generals Lamarmora zu Spezzia angefleht. Ehe er Massa verließ, ging er zum Delegirten und verlangte 8000 Francs von ihm, die der letztere energisch verweigerte. Dann stieg er zu Pferde, gefolgt von 8 Dragonern, seiner ganzen Armee, und ergriff feig die Flucht, die Verwünschungen aller guten Toskaner mit sich nehmend.</p>
          <p>Die Soldaten, die sich betrogen sahen, wollten auf ihn schießen, aber das Volk, immer großmüthig, hat sie daran verhindert. Die Regierung läßt allen in ihrer Proklamation Verzeihung angedeihen. Sie ersucht die Soldaten unter die Fahnen zurückzukehren; sie läßt allen Offizieren, selbst den Schuldigsten, ihren Grad (sehr unzeitgemäße Großmuth!) und fordert sie auf, ihrem Lande, wo sie das Tageslicht erblickt, zu dienen, statt den Tyrannen. Die Offiziere kamen, ihre Unterwerfung anzuzeigen, Guerazzi richtete einige Worte an sie.</p>
          <p>So ist alles beendet und der durch den infamen Verräther Laugier heraufbeschworne Bürgerkrieg hat sich aufgelös't in Feste und Tänze. Ueberall werden Freiheitsbäume aufgepflanzt. Alle Welt umarmt sich unter dem Rufe: &#x201E;Krieg und Ausrottung den östreichischen Barbaren!&#x201C;</p>
          <p>Die toskanische Republik errichtet ein Lager bei Pistojo.</p>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Turin, 28. Februar.</head>
          <p>Es ist jetzt erwiesen, daß das Projekt der <hi rendition="#g">piemontesischen Intervention</hi> kombinirt war mit dem <hi rendition="#g">Einrücken des neapolitanischen Bourbonen in die römischen Staaten,</hi> alles unter den Auspizien der <hi rendition="#g">englischen</hi> und <hi rendition="#g">französischen Diplomatie.</hi> Die Haltung der sardinischen Volksvertreter hat den feigen Verräther Karl Albert und den &#x201E;modernen Jesuiten&#x201C; Gioberti eingeschüchtert und die würdige englisch-französische Diplomatie hat das Zusehen.</p>
          <p>Die Demokratie macht täglich neue Fortschritte in den sardinischen Staaten.</p>
          <p>In der Sitzung der Turiner Deputirtenkammer vom 27. Febr. sucht der Deputirte <hi rendition="#g">Lauzza</hi> in einem längern geschriebenen Vortrage nachzuweisen: 1) daß die toskanische Republik ungesetzlich und gegen den Wunsch der Nation eingeführt worden ist durch Zerstörung des gesellschaftlichen Gebäudes; 2) daß Oestreich das Recht hat, in Toskana zu interveniren in Folge des ihm durch die Verträge von 1815 garantirten Wiederanheimfalles dieses Staates; 3) daß wenn man im Unabhängigkeitskriege das Recht hat, sich aller Mittel zu bedienen, selbst der nicht eingestehbaren, jeder italienische Staat auch das Recht hat, in dem andern zu interveniren, selbst mit bewaffneter Gewalt.</p>
          <p>Diese Rede rief in der ganzen Versammlung und in den Tribünen einen allgemeinen Schrei der Entrüstung hervor. Die Deputirten Mellana, Scotto-Pintor, Ranco und andere widerlegen sie und sprechen ihr Erstaunen aus, daß in einer italienischen Kammer ein Deputirter die Unverschämtheit besaß, derartiges vorzutragen. Michellini führt aus, daß die italienischen Provinzen das Recht haben, sich zu konstituiren, wie ihnen gutdünkt, selbst ehe sie ihre Adhesion zu der Einheit gegeben haben.</p>
          <p>In einer sehr lebhaften Diskussion, woran Josti und Lione Theil nahmen, werden die antinationalen Doktrinen gebrandmarkt. Der Präsident erklärt die Debatte über §. 6 für geschlossen und verliest das Amendement <hi rendition="#g">Bargagni's,</hi> worin dieses Mitglied vorschlägt, im Falle nicht unmittelbar der Krieg statt habe, Deputirte zur römischen Constituante zu schicken, mit dem bestimmten Mandat, sich über die Mittel der Kriegsführung zu verständigen. Der Deputirte <hi rendition="#g">Deprèti</hi> bemerkt: der Wunsch der Kommission sei, alle nationalen Kräfte zu vereinigen, um die Sache der Unabhängigkeit triumphiren zu machen. Diese Kommission habe sich offen ausgesprochen für die unmittelbare Eröffnung des Kriegs. Das Amendement Bargagnis sei daher überflüssig. Es verstehe sich nach dem Sinne der ganzen Adresse von selbst.</p>
          <p>Das besagte Amendement wird verworfen.</p>
          <p>Noch einige Tage und Turin, Rom, Florenz werden gemeinschaftlich die italienische Unabhängigkeit erobern; Neapel, Mailand und Venedig werden sich ihnen anschließen.</p>
        </div>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Genua.</head>
          <p>Der hiesige britische Consul hat in allen Journalen die Erklärung veröffentlicht, daß Sir G. Hamilton Florenz nicht verlassen hat und daß weder er, noch eine andere der brittischen Gesandtschaft angehörige Person sich an die Grenzen begeben, um sich dem Einmarsch der piemontesischen Truppen zu widersetzen. &#x2012; Am 28. Febr. wurde hier von den Franzosen in der Madonnenkirche ein Trauergottesdienst für die Gefallenen des 23. und 24. Febr. abgehalten. Unter den Beiwohnenden bemerkte man den Consul, den Viceconsul und den Generalstab der Kriegskorvette <hi rendition="#g">Comore,</hi> sowie eine große Menge anderer Franzosen. &#x2012; Das <hi rendition="#g">neue sicilianische Ministerium</hi> ist zusammengesetzt wie folgt: Prinz v. Buttera, auswärtige Angelegenheiten und Handel; Major Poulet, Krieg und Marine; Advokat und Deputirter Mario, Kultus und Justizminister; Marquis Della Corda, Inneres; Baron Tunico Calorma, Unterricht und öffentliche Arbeiten.</p>
        </div>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Mailand, 2. März.</head>
          <p>Radetzky, seine Generale und die höheren östreichischen Beamten machen hier Privatprofite, die alle Schätzung übersteigen. Es herrscht unter ihnen eine wahre Concurrenz im Stehlen, und sie schicken ganze Lastwagen von Beute nach Deutschland und Kroatien. Am Tage, wo eine neue Erhebung der Lombardei die Barbaren aus Italien herausgepeitscht hat, werden die rückkehrenden Emigrirten ihre Häuser leer finden, ihre Landschaften verwüstet. Die Erbitterung hat ihren Culminationspunkt erreicht; aber die Mailänder scheinen ihre neue Erhebung für den Augenblick festgestellt zu haben, wo die Kanonen vom Tessin donnern. Ganz Italien ist entschlossen, ein für allemal mit den Barbaren ein Ende zu machen; die Streitkräfte organisiren sich zu Venedig und Piemont, in Toskana, zu Rom, in Sicilien: die schöne Jahreszeit wird nicht vorüber gehn, ohne einen neuen Feldzug zu sehn, und dießmal wird die Wuth der Insurrektion keine Grenzen kennen und kein Pardon geben.</p>
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        <div xml:id="ar240_019" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Neapel, 21. Febr.</head>
          <p>Die beiden Kammern sind unter einander uneins geworden. Die Deputirtenkammer verweigert die Genehmigung eines die Steuern auf ein halbes Jahr verwilligenden Gesetzentwurfs, der von der Pairskammer angenommen worden. Es ist jetzt eine gemischte Kommission gebildet worden, die eine Ausgleichung versuchen soll. In Betreff der sizilischen Frage ist ein Adjudant des Admiral Baudin mit dem Ultimatum nach Palermo abgegangen, und man erwartet stündlich seine Rückkehr. Der König von Neapel besteht als auf einer conditio sine qua non, daß die Forts von Palermo durch neapolitanische Truppen besetzt werden sollen, wie auch, daß er allein die Offiziere zu ernennen habe. Es sollen hier ziemlich stürmische Kabinetssitzungen stattgefunden haben und man spricht wieder einmal von einem Ministerwechsel. Täglich gehen Truppen nach der römischen Grenze hinab; es muß dort schon ein ganz bedeutendes Korps versammelt sein.</p>
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        <head>Französische Republik.</head>
        <div xml:id="ar240_020" type="jArticle">
          <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 4. März.</head>
          <p>Richtig! Wir sind wirklich wieder an den 22. Februar vorigen Jahres angelangt; dieselben Fragen tauchen wieder auf; dieselben Gesetze kommen wieder in Anregung. Wie im vorigen Jahre, so war es auch jetzt wieder Ledru-Rollin, der die Freiheit der Banketts und der Associationen vertheidigte; aber statt Guizot finden wir jetzt Barrot, der die Anwendung des Gesetzes von 1790 verlangt. Resumiren wir kurz den Thatbestand. Gegen 900 Studenten hatten sich am ersten März im Saal eines Restauranten vereinigt, um ein Bankett zu feiern. Während des Mahles, an dem derselbe Abgeordnete Bernard Theil nahm, welcher das Ministerium interpellirt, tritt ein Polizeikommissar hinein und behauptet das Recht zu haben, dem Feste beizuwohnen. Die Mitglieder des Banketts machen ihm dieses Recht streitig. Der Kommissar kommt mit 50 bis 60 Polizeiagenten zurück, dringt ohne weitere Formalitäten in den Saal ein, und läßt ihn räumen. Pierre Leroux, welcher das Bankett präsidirte, unterstützt die Interpellation seines Kollegen Bernard; er vertheidigt das Vereinigungsrecht, wie es im Februar errungen, gegen Barrot und Leon Faucher, die sich auf das Gesetz von 1790 berufen.</p>
          <p>Die Frage, welche die Februar-Revolution hervorrief, wäre sonach in ihrer ursprünglichen Form wiedergekommen. Die Rechtsfrage, behauptet das Ministerium, ist keineswegs durch die Konstitution erledigt; das Gesetz von 1790 besteht in seiner ganzen Kraft. Wahrhaftig, das Journal des Debats hat Recht: Die heutige Sitzung der Kammer war ganz geeignet, die Flintenschüsse in Vergessenheit zu bringen, welche diese Frage auf der Straße gelöst haben, nachdem man in der Kammer vergebens darüber debattirt hatte. Aber nein! die Debatte vom vorigen Jahre sollte erneuert werden, der 22. Februar sollte abermals aufgeführt werden. Nur waren es nicht Guizot und Duchatel, welche das Recht der Regierung, dem Vereinigungsrecht gegenüber vertheidigten und das Gesetz von 1790 in Anspruch nahmen; es waren Barrot, Faucher und Grandin. Barrot stützte sich auf dieses Gesetz von 1790, als die einzige Garantie der öffentlichen Ordnung und Ruhe, und rief denselben Skandal hervor, wie damals Guizot und Hebert. Grandin unterstützt Barrot; Grandin ist ein junger Hebert; Grandin findet, daß Barrot und Faucher nicht energisch genug verfahren; er wirft dem Ministerium seine Nachsicht vor gegen die verderblichen Doktrinen, die in allen Banketts und sonstigen öffentlichen Versammlungen zu Tage gefördert würden.</p>
          <p>Grandin ist Tuchfabrikant; er kennt die Lage der arbeitenden Klasse, er kennt ganz vortrefflich ihr Elend; er beschäftigt selbst eine Masse von Arbeitern, und gesteht ganz naiv, daß diese Unglücklichen, um ihren Hunger zu stillen, oder vielmehr zu täuschen, darauf angewiesen wären, rohe Kräuter zu essen. Und was ist Schuld an dem Elende des Volkes? Die Banketts, die Klubs: deshalb müssen sie geschlossen werden. Ganz die Sprache der alten Regierung gegen die alte Opposition. Ledru Rollin hebt dies auf eine treffende Weise hervor. Er führt die Worte Duvergier's und Malleville's wörtlich an, die damals sich auch rechtfertigen mußten, daß man ihnen die Störung in den Geschäften, das Eindringen der sogenannten anarchischen Ideen Schuld gab. Barrot ging noch weiter, als man im vorigen Jahre bei Gelegenheit der Banketts das vermeintliche Gesetz vom 1. Sept. in Anwendung bringen wollte. &#x201E;Es ist unglaublich, sagte er, daß man nach 50 Jahren den Bürgern das heiligste aller Rechte verbieten will, das Recht der Vereinigung.&#x201C; Was antwortete damals Guizot? &#x201E;Wenn Ihr in derselben Lage wäret, wie wir, wenn Ihr von denselben Anforderungen gedrängt würdet, wie wir, so würdet Ihr gerade so handeln, wie wir jetzt handeln.&#x201C; Dies war die Antwort, die Guizot damals dem Herrn Barrot ertheilte. Herr Barrot aber schrie damals: &#x201E;Nein, nein! ich nehme die formelle Verpflichtung über mich, daß ich nicht so handeln werde; ich setze mein Wort ein!&#x201C; &#x201E;Ich nehme das Wort des Herrn Barrot nicht als eine Garantie an!&#x201C; war die Antwort des Herrn Guizot.</p>
          <p>Die Sitzung hätte beinahe geendet wie damals. Einige Freunde des Ministeriums trugen auf ein Satisfactions-Votum an, Das Ministerium begnügte sich mit der einfachen Tagesordnung, die auch wirklich von der Kammer angenommen wurde.</p>
          <p>Trotz Barrot und Kammer und Polizei nehmen die demokratischen Banketts immer mehr zu; das Militär selbst nimmt Theil an denselben; sie verbreiten sich über ganz Frankreich, und die Reden, welche dort gehalten werden, zeigen klar, daß sie das durch Flintenschüsse eroberte Recht abermals mit Flintenschüsse zu erobern bereit sind.</p>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Paris, 5. März.</head>
          <p>Die Angeklagten vom 15. Mai sind heute aus dem Gefängnisse St. Vincennes nach der Eisenbahn transportirt worden, um von da weiter nach Bourges mit dem Zuge der Orleansbahn befördert zu werden. Im ersten Zellenwagen befanden sich Barbés, Albert, Blanqui, Larger, Raspail und Sobrier. Eine halbe Stunde nach dem Abgange des ersten Wagens von St. Vincennes, nahm ein zweiter vier andere Angeklagte auf: Courtais, Flotte, Barme und Quentin, die in der Conciergerie saßen; dann wurden die beiden letzten, Paul Degré und Thomas, ebenfalls in einem Zellenwagen aus dem Gefängnisse St. Pelagie abgeholt. Diese drei Wagen kamen fast zu gleicher Zeit unter starker Militärbedeckung in dem Bahnhof der Orleans-Eisenbahn an. Im Bahnhofe selbst befand sich der Polizeipräfekt, um die nöthigen Befehle zu geben. Die Zellenwagen, welche die Gefangenen aus ihren Gefängnissen hierhergebracht, wurden wie Waggons dem Zuge so zu sagen einverleibt, während die übrigen Waggons von 200 Gensd'armen und sonstigen Beamten besetzt wurden.</p>
          <p>Man hatte außerordentliche Maßregeln zur Bewachung der Gefangenen gebraucht. Raspail war äußerst entrüstet über die Vorkehrungen, die man getroffen, und protestirte mit aller Energie gegen die Art des Transports. Sobrier fügte hinzu; &#x201E;wie leicht wäre es mir gewesen, als ich Polizeipräfekt war, alle diese Bourgeois einstecken zu lassen. Ich säße jetzt nicht hier.&#x201C; &#x2012; &#x201E;Geduld, sagte sein Nachbar, ebenfalls ein Angeklagter; das wird schon wieder kommen, die Sache ist noch nicht zu Ende.&#x201C; Beim Abgange des Zuges schrien die Gefangenen: &#x201E;Es lebe die soziale-demokratische Republik.&#x201C; Es waren im Ganzen 15 Waggons; ein Waggon zweiter Klasse enthielt nur Polizeiagenten; die Offiziere waren im ersten Waggon.</p>
          <p>Auf den Schlage fünf Uhr wurde das Signal zur Abreise gegeben, und der Zug fuhr dahin mit vollem Dampfe.</p>
          <p>In einem Zuge, der kurz nachher abfuhr, wurden die Ueberführungsstücke, wie Waffen, Dolche, welche man in der Wohnung Sobriers ergriffen, nach Bourges gebracht. Es befindet sich hierunter eine schwarze Tafel, worauf mit Kreide die Namen der Männer verzeichnet sind, welche die künftige provisorische Regierung bilden sollen. Wir bemerken unter ihnen Albert als Minister der öffentlichen Bauten, Hubert als Finanzminister.</p>
          <p>Zu Bourges selbst sind die Vorkehrungen, die man getroffen, noch weit kolossaler. Der General Marey-Monge bereitet für den Tag, wo die Gefangenen ankommen, eine Revue der gesammten Truppen vor, die sich in der Stadt befinden. Man sollte jetzt schon glauben, man befände sich völlig in einer Kriegsstadt: die friedlichen Einwohner erinnern sich nicht, jemals Rüstungen der Art in den Mauern ihrer friedlichen Stadt gesehen zu haben. Alle Gasthäuser sind angefüllt mit Fremden. Um das Gefängniß herum, welches zur Aufnahme der Gefangenen bereitet ist, sind alle anliegenden Häuser in Wachtstuben umgewandelt worden.</p>
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          <head><bibl><author>X</author></bibl> Bourges, 4. März.</head>
          <p>Die Gefangenen von Vincennes sind hier angelangt. Schon vorher hatte eine Depesche ihre Abreise von Vincennes gemeldet, und sogleich setzte sich die bewaffnete Macht unserer Stadt in Bewegung. Die Straßen, die die Gefangnen, um zum Hotel genannt Jaques-Coeur zu gelangen, passiren mußten, waren mit Posten besetzt, die in lauter kleinen Entfernungen aufgestellt waren. Die Barriere St. Sulpice, sowie alle Thore von Bourges waren mit starken Truppenabtheilungen besetzt. Besonders große Vorkehrungen waren auf dem Bahnhof getroffen, wo die Gefangenen aus den Waggons stiegen. Gegen 12 Uhr wurde man den Zug gewahr. Auf den Waggons stand geschrieben: transport des prisonniers. Die Gensdarmen hielten das Gewehr schlagfertig. Madame Courtais begleitete ihren Mann; der General war im schwarzen Frack, Blanqui hatte eine Mütze auf.</p>
          <p>Die angekündigte Revue hat wirklich heute Statt gefunden, und zwar zu gleicher Zeit, als die Neuangekommenen von Vincennes in Bourges eingekerkert wurden. Diese Maßregel konnte nur einigen friedfertigen Philistern in Bourges imponiren; das Militär selbst lachte zu dieser Revue. Ledru-Rollin hat Recht: Die Demokratie herrscht im Heere; die Gensd'armen allein sind dem alten Systeme getreu; die Gensd'armen werden besoldet von der Reaktion. Aber nachdem man die &#x201E;getreue mobile Garde&#x201C; so schmählich verabschiedet, nachdem man gesehen, welches Loos alle diejenigen erwartet, welche selbst gegen die &#x201E;Anarchie&#x201C; gekämpft, und wie die Bourgeoisie weiter nichts anerkennt, als die Herrschaft des Geldes, hat sich die Armee, die aus dem Volke stammt, wieder zum Volke, zu den Arbeitern gewandt, trotz Bugeaud, trotz Changarnier.</p>
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          <head>Paris, 5. März.</head>
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          <p>&#x201E;Die Gesundheit des souveränen Pontifex ist stets vortrefflich. Vorgestern traf der Großherzog von Toscana mit seiner ganzen Familie am Bord eines englischen Dampfschiffes hier ein. Er begab sich sogleich zum souveränen Pontifex. Eine halbe Stunde später kehrte er zum Mole di Gaëta zurück. Das diplomatische Korps begleitete ihn bis hieher, hat aber sogleich wieder seinen Rückweg nach Livorno angetreten, mit Ausnahme des päbstlichen Nuntius, der in Gaëta geblieben ist.&#x201C;</p>
          <p>&#x2012; Aus Malta von 25. Februar gingen dagegen Depeschen nach London von hoher Wichtigkeit hier durch. Es heißt: Die Pforte habe das russische Gesuch, eine Flotte durch die Dardanellen zu lassen, abgeschlagen, Tittoff, darüber wüthend, habe erklärt: die russische Flotte werde den Durchgang erzwingen und so sei plötzliches Leben in jene Gegend gefahren. Das diplomatische Korps entwickele eine große Thätigkeit und stimme dem Divan bei.</p>
          <p>&#x2012; Aus Turin empfing der Konstitutionnell auf ausserordentlichem Wege den Schluß der Kammersitzung v. 27. Febr. Das Mißtrauens-Amendement Bargagni's: &#x201E;Wenn das Ministerium nicht sofort den Feldzug gegen Oestreich eröffne, vier Gesandte nach Rom in die Konstituante zu schicken, um sich mit ihr wegen des Kriegs zu verständigen, wurde auf die wiederholten Erklärungen der Minister in ihre patriotischen Gesinnungen keinen Zweifel zu setzen, fast einstimmig verworfen. Somit rückte die Adressdiskussion um einen bedeutenden Schritt vorwärts. Am 28. Februar kam sie indessen noch nicht zu Ende.</p>
          <p>&#x2012; In Lyon herrscht eine große Verwirrung im Gemeinderathe. Wie uns die Blätter vom 3. März Abends melden, hat auch der Maire des Proletarier-Viertels Croix Rousse sein Amt nieder gelegt. Kein Mensch, scheint es, will die Ruthenstreiche der Hrn. Faucher und Bugeaud mit Langmuth ertragen.</p>
          <p>&#x2012; Aller Augen sind nach Bourges gerichtet. Unsere Morgenblätter bringen heute die ersten dramatischen Details über die von uns schon gemeldete nächtliche Abfahrt der Maiangeklagten aus Vincennes und anderen Stadtgefängnissen. Diesen Berichten zufolge ließ Raspail eine energische Protestation in dem Augenblicke erschallen, wo man ihn zwang den Zellenwagen zu besteigen, der ihn auf die Gerichtsstätte &#x2012; das bürgerliche Golgatha &#x2012; abführte. Die ausserordentlichen Vorsichtsmaßregeln, mit denen sich Herr Carlier und der Kassationshof umgaben, beweisen nur zu klar, wie schiffbrüchig der franz. Rechtsboden geworden.</p>
          <p>&#x2012; Die heilige Dreifaltigkeit der Rue de Poitiers (Molé, Thiers und Berryer wird morgen ihr Wahlmanifest vom Stapel laufen lassen.</p>
          <p>&#x2012; Es ist die Bildung eines Truppen-Korps von 3600 Mann beschlossen, das ausschließlich zur Beilegung der La Platanhändel verwandt werden soll. Bei der Masse brodloser junger Taugenichtse ist der Andrang zu den diesfälligen Anwerbungen sehr stark.</p>
          <p>&#x2012; Die Mordgeschichten und Liebesabentheuer in der Rue d'Anjou, auf die wir Sie vorgestern schon aufmerksam machten, locken viele Müssiggänger in jene Gegend, welche die Oertlichkeiten von Weitem angaffen. Madame Carabi, Veranlassung dieses Familiendrama's, ist gefänglich eingezogen worden und sitzt neben allerlei Lumpenpack in der Conciergerie. Sie war sieben Jahre mit dem transatlantischen Othello verheirathet, ist Mutter von vier Kindern und wie uns Jemand aus der Nachbarschaft versicherte, von bewundernswerther Schönheit. Ihr Familienname heißt Blanchard.</p>
          <p>&#x2012; Die &#x201E;Revolution&#x201C; behauptet: die Härte der Bankdirektion dem Kleinhandel gegenüber sowie die plötzliche Entziehung aller Brod- und Fleisch-Bons sei ein neues Mittel, das Proletariat zur Verzweiflung zu bringen und es zur Emeute zu fordern, um es zusammenzuschießen. So etwas sieht unseren Afrikanern allerdings ähnlich.</p>
          <p>&#x2012; Heute Abend 6tes großes Volks-Koncert im Fraternitätssaale à 25 Centimen.</p>
          <p>&#x2012; Zu den praktischen Maßregeln der demokratischen Partei neuester Zeit gehörte die Anlage zweier Propaganda-Bureau's, von denen sich das Eine &#x201E;demokratisch-sozialistische Propaganda&#x201C; nannte und sich ausschließlich mit Verbreitung demokratisch-sozialistischer Bücher und Broschüren beschäftigte; das Andere nannte sich &#x201E;sozialistische Propaganda,&#x201C; raffte alle demokratischen alten Zeitungsblätter zusammen und schickte sie dem Landproletariat gratis zu. Grund genug, an die Zerstörung beider Anstalten zu denken. Wie wir hören, hat das Ministerium, auf Carlier'sche Berichte hin, sämmtliche Papiere gerichtlich unter der Angabe mit Beschlag belegen lassen, daß sie zu politischen Umtrieben dienten.</p>
          <p>&#x2012; Dem Ministerium ist die Nachricht aus Konstantinopel zugegangen, daß der russische Gesandte von der ottomannischen Pforte die Erlaubniß zur Durchfahrt einer russischen Flotte durch die Dardanellen verlangt und dabei erklärt hat, nöthigenfalls werde sich die Flotte den Durchgang erzwingen.</p>
          <p>&#x2012; <hi rendition="#g">National-Versammlung.</hi> Sitzung vom 5. März. Anfang 2 1/4 Uhr. Präsident Marrast: Die Sitzung beginnt so spät, weil die Erneuerungswahlen der sechs Vizepräsidenten und zweier Schreiber in den Sitzungssälen vorgenommen werden müssen. Außerdem waren mehrere Kommissionen für Prüfung des von uns vorgestern mitgetheilten Vervollständigungs-Paragraphen zu dem 1831ger Rheinschifffahrts-Vertrage mit Baden u. s. w. zu wählen.</p>
          <p>Malbois verlangt gleich nach dem Protokoll das Wort, um seinen Antrag rücksichtlich größerer Strenge bei Urlauben übermorgen diskutirt zu sehen.</p>
          <p>Die Versammlung entscheidet, daß dieser Punkt erst nach der dritten Debatte über das Wahlgesetz beginnt.</p>
          <p>Mehrere Lokalgesetze (darunter eine größere Sicherung der Pulvermühlen in Toulouse) wurden erledigt.</p>
          <p>Marrast theilt der Versammlung die Büreauwahlen mit.</p>
          <p>Zu Vizepräsidenten wurden gewählt: 1) Lamoricière mit 445, 2) Goudchaux mit 384, 3) Havin mit 379, 4) Billault mit 343, 5) Corbon mit 291 und 9) Grevy (!) mit 259 Stimmen.</p>
          <p>Die Rue de Poitiers also vollständig geschlagen. Ihr Kandidat Bedeau erhielt nur 240 Stimmen.</p>
          <p>Jules Richard und Laussedat werden zu Schreibern gewählt.</p>
          <p>Die Versammlung nimmt hiernächst die Debatte auf, die sich auf Errichtung eines Sitzungslokals bezieht.</p>
          <p>Die Meinungen sind getheilt. Die Einen möchten das Sitzungslokal in die Tuilerien verlegen, wo die alten Convente saßen. Die Tuilerien sind
</p>
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[1327/0003] wird die Runde durch ganz Lunigiana machen, vor seiner Rückkehr nach Florenz. Er ist begleitet vom General d'Apice. Der Verräther Laugier hat wie ein Feigling die Gastfreundschaft des piemontesischen Generals Lamarmora zu Spezzia angefleht. Ehe er Massa verließ, ging er zum Delegirten und verlangte 8000 Francs von ihm, die der letztere energisch verweigerte. Dann stieg er zu Pferde, gefolgt von 8 Dragonern, seiner ganzen Armee, und ergriff feig die Flucht, die Verwünschungen aller guten Toskaner mit sich nehmend. Die Soldaten, die sich betrogen sahen, wollten auf ihn schießen, aber das Volk, immer großmüthig, hat sie daran verhindert. Die Regierung läßt allen in ihrer Proklamation Verzeihung angedeihen. Sie ersucht die Soldaten unter die Fahnen zurückzukehren; sie läßt allen Offizieren, selbst den Schuldigsten, ihren Grad (sehr unzeitgemäße Großmuth!) und fordert sie auf, ihrem Lande, wo sie das Tageslicht erblickt, zu dienen, statt den Tyrannen. Die Offiziere kamen, ihre Unterwerfung anzuzeigen, Guerazzi richtete einige Worte an sie. So ist alles beendet und der durch den infamen Verräther Laugier heraufbeschworne Bürgerkrieg hat sich aufgelös't in Feste und Tänze. Ueberall werden Freiheitsbäume aufgepflanzt. Alle Welt umarmt sich unter dem Rufe: „Krieg und Ausrottung den östreichischen Barbaren!“ Die toskanische Republik errichtet ein Lager bei Pistojo. * Turin, 28. Februar. Es ist jetzt erwiesen, daß das Projekt der piemontesischen Intervention kombinirt war mit dem Einrücken des neapolitanischen Bourbonen in die römischen Staaten, alles unter den Auspizien der englischen und französischen Diplomatie. Die Haltung der sardinischen Volksvertreter hat den feigen Verräther Karl Albert und den „modernen Jesuiten“ Gioberti eingeschüchtert und die würdige englisch-französische Diplomatie hat das Zusehen. Die Demokratie macht täglich neue Fortschritte in den sardinischen Staaten. In der Sitzung der Turiner Deputirtenkammer vom 27. Febr. sucht der Deputirte Lauzza in einem längern geschriebenen Vortrage nachzuweisen: 1) daß die toskanische Republik ungesetzlich und gegen den Wunsch der Nation eingeführt worden ist durch Zerstörung des gesellschaftlichen Gebäudes; 2) daß Oestreich das Recht hat, in Toskana zu interveniren in Folge des ihm durch die Verträge von 1815 garantirten Wiederanheimfalles dieses Staates; 3) daß wenn man im Unabhängigkeitskriege das Recht hat, sich aller Mittel zu bedienen, selbst der nicht eingestehbaren, jeder italienische Staat auch das Recht hat, in dem andern zu interveniren, selbst mit bewaffneter Gewalt. Diese Rede rief in der ganzen Versammlung und in den Tribünen einen allgemeinen Schrei der Entrüstung hervor. Die Deputirten Mellana, Scotto-Pintor, Ranco und andere widerlegen sie und sprechen ihr Erstaunen aus, daß in einer italienischen Kammer ein Deputirter die Unverschämtheit besaß, derartiges vorzutragen. Michellini führt aus, daß die italienischen Provinzen das Recht haben, sich zu konstituiren, wie ihnen gutdünkt, selbst ehe sie ihre Adhesion zu der Einheit gegeben haben. In einer sehr lebhaften Diskussion, woran Josti und Lione Theil nahmen, werden die antinationalen Doktrinen gebrandmarkt. Der Präsident erklärt die Debatte über §. 6 für geschlossen und verliest das Amendement Bargagni's, worin dieses Mitglied vorschlägt, im Falle nicht unmittelbar der Krieg statt habe, Deputirte zur römischen Constituante zu schicken, mit dem bestimmten Mandat, sich über die Mittel der Kriegsführung zu verständigen. Der Deputirte Deprèti bemerkt: der Wunsch der Kommission sei, alle nationalen Kräfte zu vereinigen, um die Sache der Unabhängigkeit triumphiren zu machen. Diese Kommission habe sich offen ausgesprochen für die unmittelbare Eröffnung des Kriegs. Das Amendement Bargagnis sei daher überflüssig. Es verstehe sich nach dem Sinne der ganzen Adresse von selbst. Das besagte Amendement wird verworfen. Noch einige Tage und Turin, Rom, Florenz werden gemeinschaftlich die italienische Unabhängigkeit erobern; Neapel, Mailand und Venedig werden sich ihnen anschließen. * Genua. Der hiesige britische Consul hat in allen Journalen die Erklärung veröffentlicht, daß Sir G. Hamilton Florenz nicht verlassen hat und daß weder er, noch eine andere der brittischen Gesandtschaft angehörige Person sich an die Grenzen begeben, um sich dem Einmarsch der piemontesischen Truppen zu widersetzen. ‒ Am 28. Febr. wurde hier von den Franzosen in der Madonnenkirche ein Trauergottesdienst für die Gefallenen des 23. und 24. Febr. abgehalten. Unter den Beiwohnenden bemerkte man den Consul, den Viceconsul und den Generalstab der Kriegskorvette Comore, sowie eine große Menge anderer Franzosen. ‒ Das neue sicilianische Ministerium ist zusammengesetzt wie folgt: Prinz v. Buttera, auswärtige Angelegenheiten und Handel; Major Poulet, Krieg und Marine; Advokat und Deputirter Mario, Kultus und Justizminister; Marquis Della Corda, Inneres; Baron Tunico Calorma, Unterricht und öffentliche Arbeiten. * Mailand, 2. März. Radetzky, seine Generale und die höheren östreichischen Beamten machen hier Privatprofite, die alle Schätzung übersteigen. Es herrscht unter ihnen eine wahre Concurrenz im Stehlen, und sie schicken ganze Lastwagen von Beute nach Deutschland und Kroatien. Am Tage, wo eine neue Erhebung der Lombardei die Barbaren aus Italien herausgepeitscht hat, werden die rückkehrenden Emigrirten ihre Häuser leer finden, ihre Landschaften verwüstet. Die Erbitterung hat ihren Culminationspunkt erreicht; aber die Mailänder scheinen ihre neue Erhebung für den Augenblick festgestellt zu haben, wo die Kanonen vom Tessin donnern. Ganz Italien ist entschlossen, ein für allemal mit den Barbaren ein Ende zu machen; die Streitkräfte organisiren sich zu Venedig und Piemont, in Toskana, zu Rom, in Sicilien: die schöne Jahreszeit wird nicht vorüber gehn, ohne einen neuen Feldzug zu sehn, und dießmal wird die Wuth der Insurrektion keine Grenzen kennen und kein Pardon geben. * Neapel, 21. Febr. Die beiden Kammern sind unter einander uneins geworden. Die Deputirtenkammer verweigert die Genehmigung eines die Steuern auf ein halbes Jahr verwilligenden Gesetzentwurfs, der von der Pairskammer angenommen worden. Es ist jetzt eine gemischte Kommission gebildet worden, die eine Ausgleichung versuchen soll. In Betreff der sizilischen Frage ist ein Adjudant des Admiral Baudin mit dem Ultimatum nach Palermo abgegangen, und man erwartet stündlich seine Rückkehr. Der König von Neapel besteht als auf einer conditio sine qua non, daß die Forts von Palermo durch neapolitanische Truppen besetzt werden sollen, wie auch, daß er allein die Offiziere zu ernennen habe. Es sollen hier ziemlich stürmische Kabinetssitzungen stattgefunden haben und man spricht wieder einmal von einem Ministerwechsel. Täglich gehen Truppen nach der römischen Grenze hinab; es muß dort schon ein ganz bedeutendes Korps versammelt sein. Französische Republik. 12 Paris, 4. März. Richtig! Wir sind wirklich wieder an den 22. Februar vorigen Jahres angelangt; dieselben Fragen tauchen wieder auf; dieselben Gesetze kommen wieder in Anregung. Wie im vorigen Jahre, so war es auch jetzt wieder Ledru-Rollin, der die Freiheit der Banketts und der Associationen vertheidigte; aber statt Guizot finden wir jetzt Barrot, der die Anwendung des Gesetzes von 1790 verlangt. Resumiren wir kurz den Thatbestand. Gegen 900 Studenten hatten sich am ersten März im Saal eines Restauranten vereinigt, um ein Bankett zu feiern. Während des Mahles, an dem derselbe Abgeordnete Bernard Theil nahm, welcher das Ministerium interpellirt, tritt ein Polizeikommissar hinein und behauptet das Recht zu haben, dem Feste beizuwohnen. Die Mitglieder des Banketts machen ihm dieses Recht streitig. Der Kommissar kommt mit 50 bis 60 Polizeiagenten zurück, dringt ohne weitere Formalitäten in den Saal ein, und läßt ihn räumen. Pierre Leroux, welcher das Bankett präsidirte, unterstützt die Interpellation seines Kollegen Bernard; er vertheidigt das Vereinigungsrecht, wie es im Februar errungen, gegen Barrot und Leon Faucher, die sich auf das Gesetz von 1790 berufen. Die Frage, welche die Februar-Revolution hervorrief, wäre sonach in ihrer ursprünglichen Form wiedergekommen. Die Rechtsfrage, behauptet das Ministerium, ist keineswegs durch die Konstitution erledigt; das Gesetz von 1790 besteht in seiner ganzen Kraft. Wahrhaftig, das Journal des Debats hat Recht: Die heutige Sitzung der Kammer war ganz geeignet, die Flintenschüsse in Vergessenheit zu bringen, welche diese Frage auf der Straße gelöst haben, nachdem man in der Kammer vergebens darüber debattirt hatte. Aber nein! die Debatte vom vorigen Jahre sollte erneuert werden, der 22. Februar sollte abermals aufgeführt werden. Nur waren es nicht Guizot und Duchatel, welche das Recht der Regierung, dem Vereinigungsrecht gegenüber vertheidigten und das Gesetz von 1790 in Anspruch nahmen; es waren Barrot, Faucher und Grandin. Barrot stützte sich auf dieses Gesetz von 1790, als die einzige Garantie der öffentlichen Ordnung und Ruhe, und rief denselben Skandal hervor, wie damals Guizot und Hebert. Grandin unterstützt Barrot; Grandin ist ein junger Hebert; Grandin findet, daß Barrot und Faucher nicht energisch genug verfahren; er wirft dem Ministerium seine Nachsicht vor gegen die verderblichen Doktrinen, die in allen Banketts und sonstigen öffentlichen Versammlungen zu Tage gefördert würden. Grandin ist Tuchfabrikant; er kennt die Lage der arbeitenden Klasse, er kennt ganz vortrefflich ihr Elend; er beschäftigt selbst eine Masse von Arbeitern, und gesteht ganz naiv, daß diese Unglücklichen, um ihren Hunger zu stillen, oder vielmehr zu täuschen, darauf angewiesen wären, rohe Kräuter zu essen. Und was ist Schuld an dem Elende des Volkes? Die Banketts, die Klubs: deshalb müssen sie geschlossen werden. Ganz die Sprache der alten Regierung gegen die alte Opposition. Ledru Rollin hebt dies auf eine treffende Weise hervor. Er führt die Worte Duvergier's und Malleville's wörtlich an, die damals sich auch rechtfertigen mußten, daß man ihnen die Störung in den Geschäften, das Eindringen der sogenannten anarchischen Ideen Schuld gab. Barrot ging noch weiter, als man im vorigen Jahre bei Gelegenheit der Banketts das vermeintliche Gesetz vom 1. Sept. in Anwendung bringen wollte. „Es ist unglaublich, sagte er, daß man nach 50 Jahren den Bürgern das heiligste aller Rechte verbieten will, das Recht der Vereinigung.“ Was antwortete damals Guizot? „Wenn Ihr in derselben Lage wäret, wie wir, wenn Ihr von denselben Anforderungen gedrängt würdet, wie wir, so würdet Ihr gerade so handeln, wie wir jetzt handeln.“ Dies war die Antwort, die Guizot damals dem Herrn Barrot ertheilte. Herr Barrot aber schrie damals: „Nein, nein! ich nehme die formelle Verpflichtung über mich, daß ich nicht so handeln werde; ich setze mein Wort ein!“ „Ich nehme das Wort des Herrn Barrot nicht als eine Garantie an!“ war die Antwort des Herrn Guizot. Die Sitzung hätte beinahe geendet wie damals. Einige Freunde des Ministeriums trugen auf ein Satisfactions-Votum an, Das Ministerium begnügte sich mit der einfachen Tagesordnung, die auch wirklich von der Kammer angenommen wurde. Trotz Barrot und Kammer und Polizei nehmen die demokratischen Banketts immer mehr zu; das Militär selbst nimmt Theil an denselben; sie verbreiten sich über ganz Frankreich, und die Reden, welche dort gehalten werden, zeigen klar, daß sie das durch Flintenschüsse eroberte Recht abermals mit Flintenschüsse zu erobern bereit sind. * Paris, 5. März. Die Angeklagten vom 15. Mai sind heute aus dem Gefängnisse St. Vincennes nach der Eisenbahn transportirt worden, um von da weiter nach Bourges mit dem Zuge der Orleansbahn befördert zu werden. Im ersten Zellenwagen befanden sich Barbés, Albert, Blanqui, Larger, Raspail und Sobrier. Eine halbe Stunde nach dem Abgange des ersten Wagens von St. Vincennes, nahm ein zweiter vier andere Angeklagte auf: Courtais, Flotte, Barme und Quentin, die in der Conciergerie saßen; dann wurden die beiden letzten, Paul Degré und Thomas, ebenfalls in einem Zellenwagen aus dem Gefängnisse St. Pelagie abgeholt. Diese drei Wagen kamen fast zu gleicher Zeit unter starker Militärbedeckung in dem Bahnhof der Orleans-Eisenbahn an. Im Bahnhofe selbst befand sich der Polizeipräfekt, um die nöthigen Befehle zu geben. Die Zellenwagen, welche die Gefangenen aus ihren Gefängnissen hierhergebracht, wurden wie Waggons dem Zuge so zu sagen einverleibt, während die übrigen Waggons von 200 Gensd'armen und sonstigen Beamten besetzt wurden. Man hatte außerordentliche Maßregeln zur Bewachung der Gefangenen gebraucht. Raspail war äußerst entrüstet über die Vorkehrungen, die man getroffen, und protestirte mit aller Energie gegen die Art des Transports. Sobrier fügte hinzu; „wie leicht wäre es mir gewesen, als ich Polizeipräfekt war, alle diese Bourgeois einstecken zu lassen. Ich säße jetzt nicht hier.“ ‒ „Geduld, sagte sein Nachbar, ebenfalls ein Angeklagter; das wird schon wieder kommen, die Sache ist noch nicht zu Ende.“ Beim Abgange des Zuges schrien die Gefangenen: „Es lebe die soziale-demokratische Republik.“ Es waren im Ganzen 15 Waggons; ein Waggon zweiter Klasse enthielt nur Polizeiagenten; die Offiziere waren im ersten Waggon. Auf den Schlage fünf Uhr wurde das Signal zur Abreise gegeben, und der Zug fuhr dahin mit vollem Dampfe. In einem Zuge, der kurz nachher abfuhr, wurden die Ueberführungsstücke, wie Waffen, Dolche, welche man in der Wohnung Sobriers ergriffen, nach Bourges gebracht. Es befindet sich hierunter eine schwarze Tafel, worauf mit Kreide die Namen der Männer verzeichnet sind, welche die künftige provisorische Regierung bilden sollen. Wir bemerken unter ihnen Albert als Minister der öffentlichen Bauten, Hubert als Finanzminister. Zu Bourges selbst sind die Vorkehrungen, die man getroffen, noch weit kolossaler. Der General Marey-Monge bereitet für den Tag, wo die Gefangenen ankommen, eine Revue der gesammten Truppen vor, die sich in der Stadt befinden. Man sollte jetzt schon glauben, man befände sich völlig in einer Kriegsstadt: die friedlichen Einwohner erinnern sich nicht, jemals Rüstungen der Art in den Mauern ihrer friedlichen Stadt gesehen zu haben. Alle Gasthäuser sind angefüllt mit Fremden. Um das Gefängniß herum, welches zur Aufnahme der Gefangenen bereitet ist, sind alle anliegenden Häuser in Wachtstuben umgewandelt worden. X Bourges, 4. März. Die Gefangenen von Vincennes sind hier angelangt. Schon vorher hatte eine Depesche ihre Abreise von Vincennes gemeldet, und sogleich setzte sich die bewaffnete Macht unserer Stadt in Bewegung. Die Straßen, die die Gefangnen, um zum Hotel genannt Jaques-Coeur zu gelangen, passiren mußten, waren mit Posten besetzt, die in lauter kleinen Entfernungen aufgestellt waren. Die Barriere St. Sulpice, sowie alle Thore von Bourges waren mit starken Truppenabtheilungen besetzt. Besonders große Vorkehrungen waren auf dem Bahnhof getroffen, wo die Gefangenen aus den Waggons stiegen. Gegen 12 Uhr wurde man den Zug gewahr. Auf den Waggons stand geschrieben: transport des prisonniers. Die Gensdarmen hielten das Gewehr schlagfertig. Madame Courtais begleitete ihren Mann; der General war im schwarzen Frack, Blanqui hatte eine Mütze auf. Die angekündigte Revue hat wirklich heute Statt gefunden, und zwar zu gleicher Zeit, als die Neuangekommenen von Vincennes in Bourges eingekerkert wurden. Diese Maßregel konnte nur einigen friedfertigen Philistern in Bourges imponiren; das Militär selbst lachte zu dieser Revue. Ledru-Rollin hat Recht: Die Demokratie herrscht im Heere; die Gensd'armen allein sind dem alten Systeme getreu; die Gensd'armen werden besoldet von der Reaktion. Aber nachdem man die „getreue mobile Garde“ so schmählich verabschiedet, nachdem man gesehen, welches Loos alle diejenigen erwartet, welche selbst gegen die „Anarchie“ gekämpft, und wie die Bourgeoisie weiter nichts anerkennt, als die Herrschaft des Geldes, hat sich die Armee, die aus dem Volke stammt, wieder zum Volke, zu den Arbeitern gewandt, trotz Bugeaud, trotz Changarnier. Paris, 5. März. Das „Univers“ bringt folgende Nachricht: Gaëta, 24. Februar. „Die Gesundheit des souveränen Pontifex ist stets vortrefflich. Vorgestern traf der Großherzog von Toscana mit seiner ganzen Familie am Bord eines englischen Dampfschiffes hier ein. Er begab sich sogleich zum souveränen Pontifex. Eine halbe Stunde später kehrte er zum Mole di Gaëta zurück. Das diplomatische Korps begleitete ihn bis hieher, hat aber sogleich wieder seinen Rückweg nach Livorno angetreten, mit Ausnahme des päbstlichen Nuntius, der in Gaëta geblieben ist.“ ‒ Aus Malta von 25. Februar gingen dagegen Depeschen nach London von hoher Wichtigkeit hier durch. Es heißt: Die Pforte habe das russische Gesuch, eine Flotte durch die Dardanellen zu lassen, abgeschlagen, Tittoff, darüber wüthend, habe erklärt: die russische Flotte werde den Durchgang erzwingen und so sei plötzliches Leben in jene Gegend gefahren. Das diplomatische Korps entwickele eine große Thätigkeit und stimme dem Divan bei. ‒ Aus Turin empfing der Konstitutionnell auf ausserordentlichem Wege den Schluß der Kammersitzung v. 27. Febr. Das Mißtrauens-Amendement Bargagni's: „Wenn das Ministerium nicht sofort den Feldzug gegen Oestreich eröffne, vier Gesandte nach Rom in die Konstituante zu schicken, um sich mit ihr wegen des Kriegs zu verständigen, wurde auf die wiederholten Erklärungen der Minister in ihre patriotischen Gesinnungen keinen Zweifel zu setzen, fast einstimmig verworfen. Somit rückte die Adressdiskussion um einen bedeutenden Schritt vorwärts. Am 28. Februar kam sie indessen noch nicht zu Ende. ‒ In Lyon herrscht eine große Verwirrung im Gemeinderathe. Wie uns die Blätter vom 3. März Abends melden, hat auch der Maire des Proletarier-Viertels Croix Rousse sein Amt nieder gelegt. Kein Mensch, scheint es, will die Ruthenstreiche der Hrn. Faucher und Bugeaud mit Langmuth ertragen. ‒ Aller Augen sind nach Bourges gerichtet. Unsere Morgenblätter bringen heute die ersten dramatischen Details über die von uns schon gemeldete nächtliche Abfahrt der Maiangeklagten aus Vincennes und anderen Stadtgefängnissen. Diesen Berichten zufolge ließ Raspail eine energische Protestation in dem Augenblicke erschallen, wo man ihn zwang den Zellenwagen zu besteigen, der ihn auf die Gerichtsstätte ‒ das bürgerliche Golgatha ‒ abführte. Die ausserordentlichen Vorsichtsmaßregeln, mit denen sich Herr Carlier und der Kassationshof umgaben, beweisen nur zu klar, wie schiffbrüchig der franz. Rechtsboden geworden. ‒ Die heilige Dreifaltigkeit der Rue de Poitiers (Molé, Thiers und Berryer wird morgen ihr Wahlmanifest vom Stapel laufen lassen. ‒ Es ist die Bildung eines Truppen-Korps von 3600 Mann beschlossen, das ausschließlich zur Beilegung der La Platanhändel verwandt werden soll. Bei der Masse brodloser junger Taugenichtse ist der Andrang zu den diesfälligen Anwerbungen sehr stark. ‒ Die Mordgeschichten und Liebesabentheuer in der Rue d'Anjou, auf die wir Sie vorgestern schon aufmerksam machten, locken viele Müssiggänger in jene Gegend, welche die Oertlichkeiten von Weitem angaffen. Madame Carabi, Veranlassung dieses Familiendrama's, ist gefänglich eingezogen worden und sitzt neben allerlei Lumpenpack in der Conciergerie. Sie war sieben Jahre mit dem transatlantischen Othello verheirathet, ist Mutter von vier Kindern und wie uns Jemand aus der Nachbarschaft versicherte, von bewundernswerther Schönheit. Ihr Familienname heißt Blanchard. ‒ Die „Revolution“ behauptet: die Härte der Bankdirektion dem Kleinhandel gegenüber sowie die plötzliche Entziehung aller Brod- und Fleisch-Bons sei ein neues Mittel, das Proletariat zur Verzweiflung zu bringen und es zur Emeute zu fordern, um es zusammenzuschießen. So etwas sieht unseren Afrikanern allerdings ähnlich. ‒ Heute Abend 6tes großes Volks-Koncert im Fraternitätssaale à 25 Centimen. ‒ Zu den praktischen Maßregeln der demokratischen Partei neuester Zeit gehörte die Anlage zweier Propaganda-Bureau's, von denen sich das Eine „demokratisch-sozialistische Propaganda“ nannte und sich ausschließlich mit Verbreitung demokratisch-sozialistischer Bücher und Broschüren beschäftigte; das Andere nannte sich „sozialistische Propaganda,“ raffte alle demokratischen alten Zeitungsblätter zusammen und schickte sie dem Landproletariat gratis zu. Grund genug, an die Zerstörung beider Anstalten zu denken. Wie wir hören, hat das Ministerium, auf Carlier'sche Berichte hin, sämmtliche Papiere gerichtlich unter der Angabe mit Beschlag belegen lassen, daß sie zu politischen Umtrieben dienten. ‒ Dem Ministerium ist die Nachricht aus Konstantinopel zugegangen, daß der russische Gesandte von der ottomannischen Pforte die Erlaubniß zur Durchfahrt einer russischen Flotte durch die Dardanellen verlangt und dabei erklärt hat, nöthigenfalls werde sich die Flotte den Durchgang erzwingen. ‒ National-Versammlung. Sitzung vom 5. März. Anfang 2 1/4 Uhr. Präsident Marrast: Die Sitzung beginnt so spät, weil die Erneuerungswahlen der sechs Vizepräsidenten und zweier Schreiber in den Sitzungssälen vorgenommen werden müssen. Außerdem waren mehrere Kommissionen für Prüfung des von uns vorgestern mitgetheilten Vervollständigungs-Paragraphen zu dem 1831ger Rheinschifffahrts-Vertrage mit Baden u. s. w. zu wählen. Malbois verlangt gleich nach dem Protokoll das Wort, um seinen Antrag rücksichtlich größerer Strenge bei Urlauben übermorgen diskutirt zu sehen. Die Versammlung entscheidet, daß dieser Punkt erst nach der dritten Debatte über das Wahlgesetz beginnt. Mehrere Lokalgesetze (darunter eine größere Sicherung der Pulvermühlen in Toulouse) wurden erledigt. Marrast theilt der Versammlung die Büreauwahlen mit. Zu Vizepräsidenten wurden gewählt: 1) Lamoricière mit 445, 2) Goudchaux mit 384, 3) Havin mit 379, 4) Billault mit 343, 5) Corbon mit 291 und 9) Grevy (!) mit 259 Stimmen. Die Rue de Poitiers also vollständig geschlagen. Ihr Kandidat Bedeau erhielt nur 240 Stimmen. Jules Richard und Laussedat werden zu Schreibern gewählt. Die Versammlung nimmt hiernächst die Debatte auf, die sich auf Errichtung eines Sitzungslokals bezieht. Die Meinungen sind getheilt. Die Einen möchten das Sitzungslokal in die Tuilerien verlegen, wo die alten Convente saßen. Die Tuilerien sind

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 240. Köln, 8. März 1849, S. 1327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz240_1849/3>, abgerufen am 25.04.2024.