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[N. N.]: Die physikalische Geographie von Herrn Alexander v. Humboldt, vorgetragen im Semestre 1827/28. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.]

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er nimmt nämlich an, daß die Erde 4 verschiedene Pole,
2 in Norden und 2 in Süden, haben müsse, die alle beweglich
sind, und zwar so, daß denselben, jeder mit seiner eigen-
thümlichen sehr langsamen Bewegung, einen Kreis um die
Erdpole beschreiben. Tobias Meyer glaubte an einen
beweglichen Magnet im Innern der Erde; gleich wie Herr
Steiner eben dort einen Planeten annimmt, und ihn Minerva
nennt, nach andern heißt er Pluto! -

a. Die magnetische Abweichung. Eine Magnetnadel zeigt
nur selten den wahren Norden, da sie nach Westen
oder Norden abweicht. Die Griechen und Römer kannten
ihre Anziehungskraft, nicht aber ihre Richtung. Flavio
Gioja
der angebliche Erfinder des Compasses, soll auch
der Entdecker der Richtung der Magnetnadel gewesen sein,
allein der Dichter Provin nannte in dem Romane Dela Rosi
als solchen Marinette. Norwegische Seefahrer zeigten schon
im 12ten Jahrhundert, daß die Richtung des Magnets und
dessen Anwendung ihnen wohl bekannt war, durch die
Klage, daß sie beim Mangel eines Leitsteins sich der
Reben bedienen müßten, um das nächste Land aufzu-
finden. Bei den Chinesen und Arabern ist der Ge-
brauch des Compasses uralt; erstere hatten schon im
12ten Jahrhundert seine Abweichung gemessen. Columbus hat

er nimmt nämlich an, daß die Erde 4 verſchiedene Pole,
2 in Norden und 2 in Süden, haben müſſe, die alle beweglich
ſind, und zwar ſo, daß denſelben, jeder mit ſeiner eigen-
thümlichen ſehr langſamen Bewegung, einen Kreis um die
Erdpole beſchreiben. Tobias Meyer glaubte an einen
beweglichen Magnet im Innern der Erde; gleich wie Herr
Steiner eben dort einen Planeten annimmt, und ihn Minerva
nennt, nach andern heißt er Pluto! –

a. Die magnetiſche Abweichung. Eine Magnetnadel zeigt
nur ſelten den wahren Norden, da ſie nach Weſten
oder Norden abweicht. Die Griechen und Römer kannten
ihre Anziehungskraft, nicht aber ihre Richtung. Flavio
Gioja
der angebliche Erfinder des Compaſſes, ſoll auch
der Entdecker der Richtung der Magnetnadel geweſen ſein,
allein der Dichter Provin nannte in dem Romane Dela Roſi
als ſolchen Marinette. Norwegiſche Seefahrer zeigten ſchon
im 12ten Jahrhundert, daß die Richtung des Magnets und
deſſen Anwendung ihnen wohl bekannt war, durch die
Klage, daß ſie beim Mangel eines Leitſteins ſich der
Reben bedienen müßten, um das nächſte Land aufzu-
finden. Bei den Chineſen und Arabern iſt der Ge-
brauch des Compaſſes uralt; erſtere hatten ſchon im
12ten Jahrhundert ſeine Abweichung gemeſſen. Columbus hat

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[195./0201] er nimmt nämlich an, daß die Erde 4 verſchiedene Pole, 2 in Norden und 2 in Süden, haben müſſe, die alle beweglich ſind, und zwar ſo, daß denſelben, jeder mit ſeiner eigen- thümlichen ſehr langſamen Bewegung, einen Kreis um die Erdpole beſchreiben. Tobias Meyer glaubte an einen beweglichen Magnet im Innern der Erde; gleich wie H Steiner eben dort einen Planeten annimmt, und ihn Minerva nennt, nach andern heißt er Pluto! – a. Die magnetiſche Abweichung. Eine Magnetnadel zeigt nur ſelten den wahren Norden, da ſie nach Weſten oder Norden abweicht. Die Griechen und Römer kannten ihre Anziehungskraft, nicht aber ihre Richtung. Flavio Gioja der angebliche Erfinder des Compaſſes, ſoll auch der Entdecker der Richtung der Magnetnadel geweſen ſein, allein der Dichter Provin nannte in dem Romane Dela Roſi als ſolchen Marinette. Norwegiſche Seefahrer zeigten ſchon im 12t Jahrhundert, daß die Richtung des Magnets und deſſen Anwendung ihnen wohl bekannt war, durch die Klage, daß ſie beim Mangel eines Leitſteins ſich der Reben bedienen müßten, um das nächſte Land aufzu- finden. Bei den Chineſen und Arabern iſt der Ge- brauch des Compaſſes uralt; erſtere hatten ſchon im 12t Jahrhundert ſeine Abweichung gemeſſen. Columbus hat

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Zitationshilfe: [N. N.]: Die physikalische Geographie von Herrn Alexander v. Humboldt, vorgetragen im Semestre 1827/28. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.], S. 195.. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_oktavgfeo79_1828/0201>, abgerufen am 28.03.2024.