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[N. N.]: Die physikalische Geographie von Herrn Alexander v. Humboldt, vorgetragen im Semestre 1827/28. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.]

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einer einzelnen, sondern es soll darin entwickelt
werden, wie die Völker im Allgemeinen zu den neuern
Naturansichten gekommen sind, und welche Begeben-
heiten darauf einwirkten.

Die Idee der Einheit der Natur ist bei den so genannten
Wilden nur ein dunkeles Vorgefühl, oder eine dunkele
Ahndung. Das durch die Cultur geweckte Denken leitet
zu Beobachtungen, die durch das dunkele oder undeutliche
Erkennen der Natureinheit zur Begeisterung führt.
Erst durch das gesteigerte Nachdenken erhält sie ihre
deutliche Erkennung. Die

erste Erkenntniß der Völker liegt im Dunkeln,
da selbst bei denen die wir Wilde nennen, und in ihrem
ersten Naturzustande zu leben scheinen, finden sich Reste
von Kenntnissen, die sie nicht durch sich selbst erlangt
haben können, sondern durch Traditionen erhielten,
und ich möchte mich zu der Meinung neigen, daß es
keine Urstämme mehr giebt, sondern alle die Wilden,
die noch von Reisenden gesehen wurden, Ueberreste
früherer cultivirter Nationen sind. So finden wir
z. B. bei den eben genannten Wilden, Ideen über
die Himmelskörper, selbst über Erscheinungen im Monde,
die erst in neuern Zeiten wieder entdeckt wurden,

einer einzelnen, ſondern es ſoll darin entwickelt
werden, wie die Völker im Allgemeinen zu den neuern
Naturanſichten gekommen ſind, und welche Begeben-
heiten darauf einwirkten.

Die Idee der Einheit der Natur iſt bei den ſo genannten
Wilden nur ein dunkeles Vorgefühl, oder eine dunkele
Ahndung. Das durch die Cultur geweckte Denken leitet
zu Beobachtungen, die durch das dunkele oder undeutliche
Erkennen der Natureinheit zur Begeiſterung führt.
Erſt durch das geſteigerte Nachdenken erhält ſie ihre
deutliche Erkennung. Die

erſte Erkenntniß der Völker liegt im Dunkeln,
da ſelbſt bei denen die wir Wilde nennen, und in ihrem
erſten Naturzuſtande zu leben ſcheinen, finden ſich Reſte
von Kenntniſſen, die ſie nicht durch ſich ſelbſt erlangt
haben können, ſondern durch Traditionen erhielten,
und ich möchte mich zu der Meinung neigen, daß es
keine Urſtämme mehr giebt, ſondern alle die Wilden,
die noch von Reiſenden geſehen wurden, Ueberreſte
früherer cultivirter Nationen ſind. So finden wir
z. B. bei den eben genannten Wilden, Ideen über
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[31./0037] einer einzelnen, ſondern es ſoll darin entwickelt werden, wie die Völker im Allgemeinen zu den neuern Naturanſichten gekommen ſind, und welche Begeben- heiten darauf einwirkten. Die Idee der Einheit der Natur iſt bei den ſo genannten Wilden nur ein dunkeles Vorgefühl, oder eine dunkele Ahndung. Das durch die Cultur geweckte Denken leitet zu Beobachtungen, die durch das dunkele oder undeutliche Erkennen der Natureinheit zur Begeiſterung führt. Erſt durch das geſteigerte Nachdenken erhält ſie ihre deutliche Erkennung. Die erſte Erkenntniß der Völker liegt im Dunkeln, da ſelbſt bei denen die wir Wilde nennen, und in ihrem erſten Naturzuſtande zu leben ſcheinen, finden ſich Reſte von Kenntniſſen, die ſie nicht durch ſich ſelbſt erlangt haben können, ſondern durch Traditionen erhielten, und ich möchte mich zu der Meinung neigen, daß es keine Urſtämme mehr giebt, ſondern alle die Wilden, die noch von Reiſenden geſehen wurden, Ueberreſte früherer cultivirter Nationen ſind. So finden wir z. B. bei den eben genannten Wilden, Ideen über die Himmelskörper, ſelbſt über Erſcheinungen im Monde, die erſt in neuern Zeiten wieder entdeckt wurden,

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Zitationshilfe: [N. N.]: Die physikalische Geographie von Herrn Alexander v. Humboldt, vorgetragen im Semestre 1827/28. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.], S. 31.. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_oktavgfeo79_1828/37>, abgerufen am 29.03.2024.