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Neue Rheinische Zeitung.
Organ der Demokratie.
No 72. Köln, Freitag 11. August 1848.
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Deutschland.
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Edition: [Friedrich Engels: Der dänische Waffenstillstand und Hansemann. In: MEGA2 I/7. S. 568.]
[ * ] Köln, 10. Aug.
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[ !!! ] Frankfurt, 8. August.
57. Sitzung der Nationalversammlung.
Präsident: von Soiron. (Gagern setzt sich auf von Soiron's Platz.) Beginn der Sitzung 1/210 Uhr.
Tagesordnung. Fortsetzung der gestrigen Debatte. Ferner die schon vor 2 Tagen erwähnten andern Ausschußberichte über Hecker etc. ‒ Die Galerien sind wieder gedrängt voll.
Ich schreibe ihnen die ersten Zeilen gleich um 10. Soiron beginnt mit großer komischer Würde: Meine Herren, ich wurde gestern verhindert, den Abgeordneten Brentano seine Worte wiederholen zu lassen. Heute habe ich mich aus den stenographischen Berichten überzeugt. Die Worte riefen einen Sturm hervor, den wir gewiß alle bedauern. Es sind mir bezüglich hierauf 3 Anträge zugekommen.
1. Antrag von Vinke und vielen Andern lautet: die Nationalversammlung, in Erwägung daß der Abg. Brentano durch seine Aeußerung einen deutschen Staat auf's gröblichste beleidigt, mißbilligt das Benehmen des Abgeordneten Brentano. Unter andern unterzeichnet von Künsberg, Beckerrath, Bassermann, Lychnowsky (Gelächter), Mylius, Arndt (das Kind), Jahn (der Deutsche), Jakob Grimm, Plathner, Simson und vielen Anderen.
2. Antrag, derselbe Qualm. Brentano habe einen deutschen Volksstamm, und durch diesen die Versammlung beleidigt; der Präsident solle ihn zur Ordnung rufen. Wernher v. Nierstein u. A.
3. Antrag, unterzeichnet von sehr vielen, wenigstens 70 Mitgliedern der Linken, lautet etwa: Der Abgeordnete Brentano wurde gestern gewaltsam verhindert durch viele Mitglieder der Rechten, Plathner, v. Vinke etc. Man ging sogar zu Thätlichkeiten über. Soweit ging man in der Versammlung, selbst Forderung zu Pistolenduellen einander zuzurufen. Die Linke versieht sich zum Präsidenten, er werde diesen Friedensbruch zu rügen, und die Ordnung herbeizuführen wissen.
Nach Verlesung dieser drei Adressen nimmt Soiron das Wort, und beginnt also: Meine Herren, der Abgeordnete Brentano meine Herren, (Gelächter) hat durch den Vergleich in seiner gestrigen Rede einen deutschen Volksstamm, und dadurch die ganze Versammlung beleidigt; aus diesen Gründen rufe ich ‒ ‒ (weiter kommt er nicht; ein donnernder Ausbruch erhebt sich links, unterstützt von den jauchzenden Gallerien. Man verlangt Diskussion über den beabsichtigten Ordnungsruf. Vogt schreit laut: Ehe die Sache nicht diskutirt ist, darf kein Ruf zur Ordnung ergehen. Schlöffel springt dem Soiron unter die Nase, und demonstrirt unter furchtbarem Beifall der Gallerien so lange, bis Soiron erbost schreit: ich rufe sie zur Ordnung, was mit Hohngelächter aufgenommen wird. Das Toben geht fort, Soiron kommt nur noch zum Wort um die Sitzung aufzuheben und bis um 11 Uhr zu vertagen. Einzelne Stimmen verlangten während des Sturmes, Gagern solle weiter präsidiren. Gagern sah dem Skandal mit ruhigem Hohne zu.
‒ Alle Abgeordneten bleiben inzwischen in einzelnen Gruppen tobend in der Kirche, ebenso alle Gallerien bleiben besetzt.
Um ungefähr 1/212 Uhr beginnt die Sitzung auf's neue.
Soiron: Meine Herren, Sie haben meinen Ordnungsruf gehört, (Unterbrechung und Getöse. ‒ Links: Sie sind nicht fähig zum Präsidenten, nieder mit Soiron.)
Soiron fährt fort: der Abgeordnete Brentano ist zur Ordnung gerufen, und ich nehme keinen Widerspruch dagegen, keinen dahin gehenden Antrag mehr an. Die Sache ist erledigt.
Furchtbares Getöse. Links: Sie mögen die Präsidentschaft niederlegen, Sie sind Partei. Sie waren gestern in der Sokratesloge. Gagern erhebt sich endlich und spricht von der Tribüne mit erhabener Würde: dergleichen Auftritte mögen nie wieder vorkommen. Sie erregen unseren gerechten Zorn. Es handelt sich hier um die Rechte des Präsidenten. Es ist nicht möglich, daß der motivirte Ordnungsruf des Präsidenten Gegenstand der Diskussion werde. Haben Sie etwas dagegen, so mögen sie ihren desfallsigen Antrag schriftlich bringen. (Bravo und Zischen. Der Lärm wird schwächer.)
v. Soiron: Der Abgeordnete Brentano hat das Wort zur Fortsetzung seiner Rede.
Links: Nein! Nein! Getöse. Verschiedene Redensarten.
Vogt: Der Vicepräsident hat nicht mehr Recht als jeder Abgeordnete. (Bravo der Gallerien).
v. Soiron: Brentano hat das Wort. Furchtbares Geschrei: Nein!
v. Soiron: Brentano hat das Wort, wenn er nicht spricht, kommt der nächste Redner! (Nein! Lärm!)
Brentano besteigt hierauf die Tribüne, aber es erhebt sich solcher furchtbarer Lärm auf den Gallerien und Widerspruch links, daß Soiron den Gallerien Räumung befiehlt. Auf wiederholten, durch Gagern unterstützten Ruf Soiron's deshalb, geht Niemand fort. Endlich gehen einige Damen. Jucho und viele Abgeordnete besteigen die Gallerien, und versuchen mit Hülfe der Konstabler der Versammlung die Gallerien zu räumen. Soiron droht mit bewaffneter Macht.
Der edle Gagern selbst geht als Konstabler, sowie Hr. Polizeidirektor Biedermann, auf die Gallerien, und hilft durch Rede und Hand die Gallerien räumen. Man weicht nach und nach. Die lärmende Unterbrechung dauert fort. Jucho schreit mit Marsstimme auf den Gallerien: Im Namen der Freiheit, folgen Sie mir. (Furchtbares Gelächter.) Die bewaffnete Macht erscheint an den Thüren des Heiligthums. Alle Zuschauer und auch die Zeitungskorrespondenten verlassen unter Widersprüchen komischer und ernster Art die Gallerien. Um die Kirche herum Aufregung und Getöse.
Nach einem Beschluß der Versammlung bei festgeschlossenen Thüren werden wir (Korrespondenten) endlich nach etwa einer 1/2 Stunde wieder zugelassen.
Die Linke hat verlangt, daß man namentlich darüber abstimme, ob die Zuhörer wieder zuzulassen sein? Nach heftiger aber kurzer Debatte wird die Abstimmung beschlossen.
v. Soiron: die Frage lautet, sollen die Zuhörer jetzt wieder zugelassen werden?
Namentliche Abstimmung.
Ergebniß: Gestimmt haben: 479.
Für Nein: 380.
Für Ja: 99. (Nur ein Theil der Linken.)
Der deutsche Jahn machte, als er mit Nein stimmte, die Bemerkung: Ich will die Kerle (d. h. das Publikum) nicht hier. (Um die Kirche hört man Getöse.)
Tagesordnung.
Brentano: Meine Herren, als ein ungehört Verurtheilter appellire ich an ihre Gerechtigkeit. Ich verlange das Wort zur Vertheidigung. Der Präsident hat es mir versprochen. Ein Ordnungsruf ist eine Strafe. (Getöse draußen.) Die Strafe kommt mir nicht zu. (Gebrüll draußen.) Um dieser Strafe vorzubeugen, ist mir das Wort nicht gegeben worden vorher; ich nehme es jetzt. (Unterbrechung.)
v. Soiron: Eine Erklärung ist erlaubt, vielleicht ist ein Irrthum vorgefallen.
Brentano: Was habe ich denn mit meinen gestrigen Worten verbrochen? Liegt eine Schmähung eines deutschen Staates drin? Die Freiheit der Rede lasse ich mir nicht nehmen; ob ich von einem Fürsten oder Privatmann spreche, ist mir gleichviel. Kürzlich über den König von Hannover, und gestern über den Großherzog von Baden, sind ähnliche und noch schlimmere Worte gefallen, der erstere ganz offen ein Rebell genannt worden. Es scheint also ein anderer Grund vorzuliegen, weshalb meine Worte einen solchen Sturm erregt. In Preußen, höre ich, besteht eine Partei, die den Prinzen von Preußen zur Regierung bringen will.
Soiron unterbricht ihn.
Brentano: Die Anträge, die heute früh gegen mich eingebracht, haben mein Staunen erregt. Einer von denen, die mich noch hintendrein zur Ordnung zu rufen beantragen, hat Hand an mich gelegt, an mich, einen Abgeordneten, (große Sensation, Hohngeschrei links. Rechts: Widerspruch. Links: ja Plathner.)
Soiron hat davon nichts bemerkt.
Brentano: Man hat es gewagt (Geschrei).
Soiron: Dies müßte nach Schluß der Sitzung gewesen sein. (Links nein.)
Brentano: Ich sage, man hat Hand an mich gelegt. (Rechts wer?)
Brentano: Der Abgeordnete Plathner aus Halberstadt. (Rechts nein.) Es hat mich mit größerem Erstaunen erfüllt, daß die Abgeordneten Plathner und Wardensleben mich auf Kugeln gefordert. (Geschrei links, Kinderstreiche.) [Anmerk. Man möge den Hrn. Plathner und Wardensleben Mirabeau's Rede verlesen, worin er in der französischen Nationalversammlung bei ähnlicher Gelegenheit sagte: „das Leben eines Volksvertreters ist mehr werth als das von 100 solcher Krautjunker. Die Nation würde mich verachten, wenn ich es ihr entzöge um es gegen sie aufs Spiel zu setzen.“] Mit Kugeln und Degenspitzen will man unsern Gründe entgegnen, und solche Leute wollen mich noch hinterdrein zur Ordnung rufen! Wenn der Präsident den Ordnungsruf nicht zurücknimmt, appellire ich an das deutsche Volk. Ueber die Amnestiefrage spreche ich nicht heute.
Soiron will die Debatte über die Amnestie weiter gehen lassen. Die Linke will erst die question personelle entscheiden. Man will über diese sprechen.
Soiron verweigert das Wort. Welcker soll sprechen. Venedey beantragt Vertagung; will die Amnestie in geheimer Sitzung nicht weiter besprechen.
Soiron mit seiner heiseren Bierstimme gebärdet sich schrecklich. Ob die Versammlung auf Venedey's Antrag eingehen wolle.
Nachdem noch Jordan aus Berlin sich für Vertagung der Amnestiefrage ausgesprochen, frägt Soiron die Versammlung, ob man die Debatte über die Amnestie fortsetzen wolle? Man beschließt dies.
Welcker: Sein Gewissen verbietet ihm, seinen Landsleuten gegenüber, gegen die Amnestie zu sprechen, die er doch nicht mit seinen Grundsätzen vereinbaren könne. (Die Linke geht zum Theil fort, draußen Toben.) Vertheidigt sich gegen die Anschuldigungen Simons aus Trier, als hätte er zu Ficklers Verhaftung beigetragen. Diese Vertheidigung geht ohne Widerspruch vorüber, weil die Linke nicht anwesend ist. Nach einer Lobrede auf Mathy schließt Welcker, er könne nicht für die Amnestie stimmen, weil er davon Erneuerung des Aufstandes fürchte.
Vogt, der unterdessen wieder gekommen, frägt laut vom Platze, ob der Präsident Ordre gegeben die Paulskirche mit Truppen zu umstellen.
Soiron: Nein. Uebrigens (witzig) seien die Truppen nicht gegen die Versammlung gerichtet.
Michelsen, der jetzt in der Reihe der Redner kommt, bittet nur, man solle die Debatte schließen. (Schluß, Schluß!) Die Versammlung beschließt den Schluß.
Wiedenmann, der Berichterstatter soll jetzt sprechen. (Links schreit man Vertagung, draußen dumpfes Toben.)
Venedey will die Vertagung beantragen. (Nein, nein!) Er sagt, man solle diese Stimmung bei der Abstimmung über die Amnestie nicht mißbrauchen.
Noch ein zweiter beantragt Vertagung für die Abstimmung. Draußen Toben. Bürgerwehr und Militär marschirt draußen auf. Einzelne Soldaten stehen zwischen den Ausgangsthüren.
v. Stadenhagen: Man möge morgen abstimmen.
Saucken (ein Cato) will trotz der äußeren Aufregung abstimmen, gebärdet sich furchtbar kourageus. (Bravo, bravo!)
Knieriem (ein zweiter Cato): Bravo! Wir können nicht wegen Hecker und Konsorten unsere Angelegenheiten in die Länge ziehen.
Itzstein will sprechen. Man brüllt den alten Mann von der Tribüne herunter.
Präsident fragt die Versammlung, ob sie die Abstimmung noch heute vornehmen wolle? Ja.
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Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski.
(Fortsetzung.)
Treue Freunde des Ritters Schnapphahnski, bedauern wir mit ihm die harte Prüfung, die das Schicksal in Folge jenes bekannten Abenteuers mit der göttlichen Carlotta über ihn verhängte. Die Moral der Geschichte war, daß weder mit einem schönen Frauenzimmer noch mit einem Garde-Offizier zu spaßen ist, und daß man nicht den Wüstling und den Bramarbas herausbeißen soll, wenn man wirklich nur ein so unschädlich liebenswürdiger Mann wie der Ritter Schnapphahnski ist. Der Adonis Carlotten's, der Gardelieutenant v. W.-M., dessen tugendhafte Entrüstung wir nicht genug anerkennen können, war schuld daran, daß unser Ritter für einige Zeit die Einsamkeit suchte, um in stillen Betrachtungen jene Ruhe des Gemüthes wiederzufinden, die er auf so leichtsinnige Weise verscherzt hatte. Zu der Furcht vor den Lakaien aus O. und zu den unangenehmen Erinnerungen aus Troppau gesellte sich nun noch die Angst vor dem verhängnißvollen Dokumente der Berliner Offiziere, und wir brauchen wohl nicht zu versichern, daß das Eine oder das Andere manchmal sehr störend auf die Morgenträume unseres Helden einwirkte. Der jugendlich kühne Flug unseres Ritters war gelähmt; wie mancher andere ehrliche Mann fühlte er allmählig, daß er dem Straßenkothe näher war als den Sternen und daß der schöne schwarze Schnurrbart vielleicht das Beste an dem ganzen Menschen sei. Diese und ähnliche melancholische Gedanken waren indeß nur vorübergehend; der Ritter war von zu guter Klasse, als daß er das Leben nicht von der heitersten Seite aufgefaßt hatte.
Mag es Dir noch so schlecht gehen, sagte er oft zu sich selbst, zum allerwenigsten kannst Du doch noch immer ein ausgezeichneter Diplomat werden! Dies tröstete Hrn. v. Schnapphahnski.
Wir werden später sehen, wie unser Ritter diesen diplomatischen Gelüsten wirklich Luft machte. Ehe wir dazu übergehen, wollen wir ihm noch etwas durch die labyrinthischen Gänge seines Berliner Daseins folgen.
Wie gesagt, durchlebte der Ritter nach seiner letzten Prüfung eine Periode der Erniedrigung. Zuerst liebte er eine Gräfin, dann eine Carlotta, jetzt sollte er unter das Corps de Ballet gerathen ‒ ‒ zwei leidliche Beine hatten Eindruck auf unsern Ritter gemacht. Wie bitten unsere Leser wegen dieser ungemeinen Wahrheitsliebe aufs Demüthigste um Verzeihung.
Die Beine des Ballets waren damals in Berlin en vogue. Der höchste Geschmack hatte sich dazu herabgelassen und wir würden ein Verbrechen begehen, wenn wir nachträglich darüber spötteln wollten. Uebrigens schwärmen wir selbst für den Tanz. Gibt es etwas reizenderes als die süße Musik der Schenkel? Gibt es etwas berauschenderes, als wenn eine Fanny Elsner ihre Bachschen Fugen, eine Taglioni ihre Beethovenschen Symphonien, und eine Grisi ihre weichen, wollüstigen Donizettischen Arien tanzt? Jedesmal, wenn ich die Grisi sah, da war ich fest davon überzeugt, daß Gott den Menschen nur der Beine wegen geschaffen hat; gern hätte ich mich köpfen lassen; es wäre mir einerlei gewesen; ich hielt den Kopf für werthlos und ich begriff nicht, weshalb die Beine nicht die Ehre haben, oben zu stehen und weshalb der Kopf nicht nach unten geht ‒ mit einem Worte: die Beine hatten meinen Verstand auf den Kopf gestellt. Ist es die Kraft des kleinen Fußes, aus dem das Bein so schlank emporsteigt wie ein Lilienstiel aus der Wurzel, der den ganzen Leib so graziös zu tragen weiß wie der Stamm einer Fächerpalme seine prächtig harmonische Krone ‒ oder ist es der Schwung des ganzen Körpers, wenn er in sanften Wellenlinien melodisch dahinschaukelt und all' unsere Gedanken mit fortreißt in das wogende Meer der Sinnlichkeit ‒ was uns dem Tanz einer Grisi mit wahrhaft religiöser Andacht zuschauen läßt? Ich weiß es nicht, aber ich danke Dir Mutter Natur, daß Du nicht nur Deine Vulkane ihre Flammen gen Himmel schleudern und Deine tannenbewachsenen Felsen so herrlich mit blitzendem Schnee prangen läßt, sondern daß Du auch Rosen und Lilien geschaffen hast und ich liebe Dich, weil Du so graziös und so bezaubernd bist herab von den ewigen Sternen, dort oben in dem Blau der Unendlichkeit bis hinunter in die Fußspitze eines schönen Weibes.
Aehnliche, wohlfeile Betrachtungen durchfuhren auch den Ritter Schnapphahnski, als er nach einigen aufmerksamen Studien, zwar nicht Helenen in jedem Weibe und nicht die Grisi in jeder Korpsspringerin entdeckte, wohl aber die Bemerkung machte, daß auch in der untern Sphäre der menschlichen Gesellschaft für Geld und gute Worte des Süßen viel zu erwarten ist. Es rieselt uns kalt über den Rücken ‒ ‒ zum ersten Male müssen wir von Geld und zugleich von Liebe sprechen. Ja wahrhaftig, wir sehen unsern Ritter abermals eine Stufe hinabrutschen ‒ was ihm früher die Götter aus freien Händen gegeben: er kauft es!
Liebe kaufen! Gibt es etwas Gemeineres? Als einst am 1. Mai die Welt begann ‒ ich glaube nämlich, daß die Welt am 1. Mai ihren Anfang nahm und nicht am 1. Januar, wie man fälschlich vermuthen möchte, sintemalen die armen nackten Menschen, da sie nicht mit Stiefeln und Sporen auf die Welt kamen, ja im Januar sofort wieder erfroren wären ‒ als, wie gesagt, die Welt am 1. Mai ihren Anfang nahm und die goldne Sonne lachte und die Blumen dufteten und die Quellen rieselten, da sprach der Spatz zu der Spätzin: Spätzin, ich achte dich! Da sprach der Haifisch zu seines Gleichen: Fräulein Haifisch, ich verehre Sie! Da brüllte der Löwe zu der Löwin: Löwin, du gefällst mir! und der Mann sprach zum Weibe: Frau, ich liebe dich! Das war eine schöne Hochzeit. Man trank Burgunder und aß Austern nach Herzenslust. Menschen und Thiere saßen in bunter Reihe und als das Banquet vorüber war, da siedelten sich die Spatzen in den Lüften an, die Haifische im Wasser, die Löwen in der Wüste und die Menschen in Ninive, Babylon, Bagdad, Petersburg, Paris, Wien, Breslau u. s. w. Lange Zeit ging dies gut. Die Männer fanden stets ihre Frauen, und die Frauen ihre Männer, was die vielen artigen Buben und Mädchen bezeugen, die heuer in der Welt herumstrei- [0364] chen, und die Männer und die Frauen nahmen sich einander, wie es gerade kam, so und so.
Als dann aber mit der Zeit die Zahlen und das Geld erfunden wurden und das Wechselrecht und die politische Oekonomie und als die Menschen immer klüger und gescheidter wurden und folglich immer eitler und wählerischer, da hörten sie auch allmählig auf, sich so ohne weiteres zu lieben und Jeder trachtete nur darnach, sich eine solche Frau zu verschaffen, wie sie gerade für seinen Beutel, für seine Wechsel oder für seine Oekonomie paßte. Mit einem Worte: Es stellte sich eine durch Interessen geregelte Nachfrage nach Menschen ein, der durch eine angemessene Zufuhr begegnet wurde. Der Weltmarkt der Heirath begann, die Männer und die Frauen fingen an sich gegenseitig zu kaufen! ‒ Von diesem Augenblick an kann man alles Unglück datiren. Die Oekonomie war in die Liebe gefahren, der Mensch wurde ein Artikel, der nun hinfort von der Nachfrage und der Zufuhr abhing und alle Leiden der Ueberproduktion mit der Wolle, der Baumwolle, dem Flachs u. s. w. theilte. Wer nicht ein verheiratheter Gardemajor, ein Landgerichtsrath, ein Banquier, ein Bischof wurde, der sank zu einem Schneider, zu einem Steinklopfer, zu einem Tagelöhner oder dergleichen hinab und die lieblichen Weiber, die keine Gräfinnen, Hauptmänninnen, Kaufmannsfrauen oder sonst etwas wurden, die endeten als Gemüseweiber, Bajaderen und mitunter auch als Ballettänzerinnen.
Eine solche, aus der Ueberproduktion hervorgegangene Ballettänzerin kaufte sich unser Schnapphahnski. Armes Kind! Wenn du getanzt hattest, so mußtest du lieben ‒ weder aus Liebe tanzen, noch aus Liebe lieben, sondern tanzen und lieben des lieben Brodes wegen ‒ den Brodtanz der Liebe!
Doch unser Ritter hatte ein ritterliches Herz. Eines Tages, als er die Reize seiner Schönen genugsam bewundert, als er ihren Fuß geküßt, ihre Taille umfangen und ihre schwarzen Flechten um die weiße patrizische Hand gewickelt hatte, da schwur er bei allem, was ihm heilig war, bei den Lakaien in O., bei dem Duell in Troppau und bei dem Hohnlächeln Carlotten's, daß er ihr, seiner Tänzerin, einen Schmuck kaufen wolle, reich wie ihre Haarwellen, funkelnd wie ihre Augen und ihre schneidigen Zähne.
Hat ein Schnapphahnski je sein Wort gebrochen? Zum nächsten Juwelier ging er und so wahr, wie er keine Friedrichsd'or in seiner Kriegskasse hatte, kaufte er einen Schmuck, der einer Gräfin S., einer Schwester des Grafen G. oder einer Carlotta würdig gewesen wäre. Schnapphahnski hatte Credit ‒ gerade so viel Credit wie ein Ritter ohne Furcht und ohne Tadel haben kann, ein Ritter, der noch einmal Deputirter, Diplomat oder noch etwas schlimmeres werden konnte …
Ueberglücklich war die Tänzerin ‒ bisher hatte sie sich nur das liebe Brod ertanzt, jetzt einen demantenen Schmuck erliebt! Der Name Schnapphahnski's stand leuchtend in ihrem Herzen angeschrieben.
Doch überlassen wir die Tänzerin ihrer Freude an den blitzenden Steinen und den Juwelier seiner bangen Erwartung einer baaren Zahlung. Wir müssen nämlich darauf zurückkommen, daß der edle Ritter, während er auf der einen Seite alle Seligkeiten kostete, die ein Engel des Himmels nach dem Schluß der Oper zu bieten im Stande ist, sich auf der andern ernstlich damit beschäftigte: einen Posten im diplomatischen Corps zu erobern. Der edle Ritter sah ein, daß man nicht allein von der Liebe leben kann, sondern daß die Liebe sogar sehr kostspielig ist; selbst wenn man bei seinem Juwelier die billigsten Zahlungsbedingungen hat. Herr von Schnapphahnski besann sich daher, ob er außer seinen gesunden Lenden und außer seinem bewunderungswürdigen Schnurrbart, nicht auch noch einige andere vortheilhafte Eigenschaften und namentlich so viel Grütze besäße, als man im schlimmsten Falle einem diplomatischen Kandidaten zutrauen möchte. Nachdem er sich mehrere Tage lang den Kopf darüber zerbrochen hatte, fand er endlich, daß die heilige Wissenschaft leider keinen besondern Stapelplatz für ihre Schätze darin angelegt hatte. Sein Schädel war klar und durchsichtig wie eine Flasche Wasser und auf der kahlen Lüneburger Haide seines Gedächtnisses tummelte sich freilich manche galante Erinnerung herum, aber leider nichts von alle dem, was die Natur dem Menschen zu erobern überlassen hat. Mit jener liebenswürdigen Frechheit, die einem Mann von Adel eigenthümlich ist, griff unser Ritter daher in den großen Haufen der bürgerlichen Kanaillen, in die Reihen jener Lastthiere der Kunst und der Wissenschaft, die die imaginären Goldklumpen ihres Geistes hin und wieder in das preußische Kurant der Wirklichkeit zu verwechseln pflegen. Mit einem Worte, der Studiosus Pl‒r war so gefällig, der unsterblichen Seele des Ritters mit einigen Probearbeiten zu Hülfe zu kommen, die sofort an den gehörigen Ort weiterbefördert wurden und natürlich für die ernormen Kenntnisse des Ritters den unzweideutigsten Beweis lieferten.
Wer weiß, zu welchem Posten man den gelehrten Ritter sofort befördert hätte, wenn nicht plötzlich die früheren Aventüren Sr. Hochwohlgeboren auf eine sehr schauerliche Weise bekannt geworden wären! Schon ging man mit dem Gedanken um, den Ritter der Weltgeschichte zu übergeben, da ragten mit einem Male die Stöcke der Bedienten aus O. in Schlesien in die Scene hinein, da erklang der Hohn des Grafen G. und das glückliche Lachen Carlottens und ach, die schöne Arbeit des Studenten Pl‒r hatte wieder allen Werth verloren und unser armer Ritter erhielt eine eben so zarte als demüthigend abgefaßte Zurückweisung.
Unser Ritter war jetzt wirklich ein „armer Ritter;“ wie eine Brodscheibe, geröstet, in verdrießlichen Runzeln aus der Pfanne kommt, so taumelte unser Schnapphahnski vom Unglück gebraten, höchst ärgerlichen Antlitzes zurück von dem Orte alles Heils, von dem Quell aller Aemter und Stellen. Finster schritt er nach Hause: er packte seinen Koffer und sieh', ehe die Morgenröthe kam, lag auch schon Berlin hinter ihm, mit seinen Kirchen und Palästen, mit seinen Geheimräthen und Eckenstehern, mit seinen Ballettänzerinnen und Juwelieren.
Auf den Juwelier Schnapphahnski's machte die Abreise des Ritters vor allen Andern den bedauerlichsten Eindruck.
Seine Leiden wurden stadtkundig; die Diamantengeschichte des
[Deutschland]
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[Fortsetzung] Also spricht der Berichterstatter. Wie er zu sprechen beginnt, geht die Linke mit Geräusch aus dem Saal. Vogt höhnisch: Meine Herren, wir empfehlen uns (die Rechte lacht und freut sich, daß die Opposition fortgeht, und man nun ruhig das Henkeramt an den zu Amnestirenden vornehmen kann.) Der Berichterstatter wirft den gestrigen Koth noch einmal auf Hecker und seine Genossen, und meint gegen das Ende 279 Gefangene hätte Baden schon entlassen, (nämlich in ihre Heimath an die Behörden abgeliefert.) Auch gehe es den Gefangenen in Bruchsal ganz nach Wunsch, (d. h. nach Herrn Wiedemann's Wunsch).
Roßmäsler trägt noch einmal auf Vertagung an. (Wird heruntergebrüllt)
Schodler (Edler von Stuttgart): Wenn wir jetzt vertagen, nachdem die Linke fort ist, blamiren wir uns vor einer kleinen Minorität. (Bravo!)
Ein Unbekannter von Links (halb heulend): Ein Theil von uns ist hier geblieben; wir wollen mit abstimmen. (Bravo!)
Soiron verliest mit zerknirschter Stimme die Anträge über deren Reihenfolge bei der Abstimmung Wiedemann, Schwerin, Jordan, Uhland, u. A. debattiren. Endlich wird abgestimmt, und zwar namentlich über den Antrag des Ausschusses: „Will die Nationalversammlung über die Amnestiefrage zur motivirten Tagesordnung übergehen?“ Diese Frage wird bejaht, und somit ist die Sache der armen Gefangenen und die Sache menschlicher Barmherzigkeit abgethan. Anwesend waren 416. Nicht mitgestimmt haben 9. Mit „ja“ 317. Mit „nein“ 90 Die Linke hatte, wie gesagt, den Saal verlassen.
Schüler, Wedekind, Schaffrath erklärten nicht zu stimmen in geheimer Versammlung. Mit dem „ja“ haben u. A. gestimmt: Saucken, Schmerling, Stenzel, Stedtmann, Wiedenbrugk, der alte v. Lindenau, Mittermayer, Arndt, Bassermann, Bekerrath(!), Bürgers und Kompes aus Köln, Dahlmann, Gieskra, Jahn (!), Jucho, Laube (ein unbekannter Schriftsteller), Lassaulx etc. Nach der Abstimmung werden einige Spezialerklärungen zu Protokoll gegeben. Hierauf berichtet Hormann einige Urlaube, welche genehmigt werden, und um 3 Uhr schließt Soiron die Sitzung. Morgen, Mittwoch, keine Sitzung. Tagesordnung für Donnerstag: die Hecker'sche Wahlangelegenheit u. s. w.
Als wir die Kirche verließen, passirten wir ein langes Spalier von Bürgerwachen. Das Volk war in die Straßen zurückgedrängt. Der Paulsplatz geräumt. Lichnowsky wurde mit Hohngelächter empfangen, er sagte zu einem neben ihm gehenden Freund: „Das bin ich, das bin ich!“ (Der edle Fürst koquettirt sogar mit der Verachtung des Volks.)
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[ 15 ] Frankfurt, 8 Aug.
Aus guter Quelle folgen einige Spezialia der gestrigen denkwürdigen Tribünenschlacht. Vincke stürzte zuerst vom Platz auf Hrn. Brentano los, um ihn mit den Worten: „Herunter Du Hundsfott!“ von der Tribüne zu reißen, wobei er ihn faktisch beim Arme faßte. Brentano blieb natürlich oben. Später stürzte v. Vincke noch einmal auf ihn los, um ihm eine Forderung zuzurufen, die Brentano mit folgenden Worten aufnahm: „Vor der Kirche mögen Sie mir sagen, was Sie Lust haben, hier lassen Sie mich sofort gehen, oder ich schlage ihnen in's Gesicht!“ Als v. Vincke hierauf noch mit einigen Hundsföttern die Linke haranguirte, schrie ihm Reichhard zu: „v. Vincke, Sie sind ja ein Sch…kerl!“ Mehrere Forderungen auch zwischen Bally und der Linken sollen ergangen sein. Viele von der Rechten wollen heute austreten, wenn Brentano nicht ausgestoßen wird. Brentano wird heute (um 9 Uhr ist Sitzung und Fortsetzung der Debatte) sogleich die Bühne wieder besteigen und seine Rede fortsetzen. Gestern brachte man Brentano ein Ständchen, wobei v. Itzstein, Simon (Trier) und Brentano zum Volk sprachen. Brentano sagte es selbst aus: „daß man Hand an ihn gelegt habe.“ Viele andere denkwürdige Anekdoten circuliren. Hr. Jahn (der Volksmann) war der erste, der gestern schrie, man solle die Gallerien räumen, als diese Theil zu nehmen begannen.
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[ 14 ] Berlin, 8. August.
Die Aufregung wächst und erfahrene Leute sagen, es sei gerade so wie vor dem 18. März! Am gestrigen Abend wurden durch Bürgerwehr und Konstabler 62 Personen verhaftet. Es gab Kolbenstöße, gefällte Bajonnett-Attaken, Steinregen etc. Einem ehrsamen Bürger wurde von 5‒6 Bürgerwehrmännern der Kopf mit dem Kuhfuß dermaßen zerschlagen, daß er wahrscheinlich sterben wird. Aus einigen Häusern soll man Steine auf Bürgerwehr und Konstabler geschleudert haben. Einige der ersteren wurden vom Volke entwaffnet. Wir waren Augenzeugen von dem brutalen Benehmen der Bürgerwehr des 30 Bezirks (Mittelstraße); da sollte man die Gensdarmen bitten, diese Helden abzulösen. Vor dem Hippelschen Lokal nahmen sie ohne allen Grund den beliebten Volksredner Müller gefangen, weil er allein da stand und nicht die Geschicklichkeit besaß auseinander zu gehen. Am heutigen Abend erwartet man noch größere Dinge.
Kaiser, Oberst der Schutzmannschaften, entschuldigt sich öffentlich. „Es sei noch nicht möglich gewesen, die Schutzmänner, größtentheils hiesige Bürger und Handwerker, schon zu ganz gewandten und umsichtigen Beamten auszubilden.“ Wir bestreiten dies. Gewandt sind die Kerle schon, sie schleichen sich unter die Massen und überfallen plötzlich rücklings die ihnen Mißliebigen, schleppen sie bis ans Eisengitter unter den Linden, lassen sie dort überkollern und bringen sie so in Sicherheit. Auch umsichtig sind sie: Helfershelfer machen den Demokraten Kreidestriche auf den Rücken, damit sie von ihnen erkannt werden etc. Hr. Kaiser sagt ferner: „Vorläufig sind die Schutzmänner angewiesen, vorzugsweise für Ordnung und Ruhe auf den Straßen zu sorgen und gegen Bettler, Vagabonden und liederliche Dirnen einzuschreiten.“
Spät am gestrigen Nachmittage wurde das Publikum durch einen Maueranschlag von Hrn. Rimpler benachrichtigt, daß heute Morgen 10 Uhr feierliche Parade der Bürgerwehr unter den Linden stattfinden solle zu öffentlicher Anerkennung der Vereinigung Deutschlands. Der Herr Minister-Präsident werde die Parade abhalten. Obwohl die Verstimmung gegen Rimpler durch das Aufschieben der Parade groß war, so mochte doch die letztere Anzeige Viele bewogen haben zu erscheinen. Der Zug war bedeutend. Herr Rimpler brachte der Einheit Deutschlands und dem Reichsverweser ein dreimaliges Hoch, in welches die Minister, Deputirten, Bürgerwehr und Umstehende mit donnerndem Rufe einstimmten. Dem Könige wurde kein Hoch gebracht, doch rumorte die Musik beim Zuge am Schlosse vorüber.
Entschuldigen Sie, daß ich Ihnen von der gestrigen Anwesenheit Sr. Majestät nichts berichtet habe. Dieses Ereigniß war nicht zu meiner Kenntniß gekommen. Wie ich aus hiesigen Zeitungen erfahre, hat Se. Maj. bei der hiesigen Schützengilde (dem alten Institut) eine Parade abgenommen und in dem darauf stattfindenden Königsschießen den Schuß als zweiter Ritter gethan. Wer der erste Ritter war, ist tiefes Geheimniß. ‒ Se. Königl. Hoheit der Prinz von Preußen soll verstimmt aus Pommern zurückgekehrt sein. Aus Pommern sogar. Wehe denen, die im April oder Mai sich mißliebig über die Person Sr. Königl. Hoheit geäußert haben.
Herr Held hat ein gutes Werk gethan. Seine neueste Lokomotive enthält die Liste aller Mitglieder des hiesigen Denunciantenklubs. Das Volk notirt sich fleißig die Hausnummern. Unter den Mitgliedern befinden sich auch einige Majore der Bürgerwehr und Hr. Dr. Hermes, früher Redakteur der Kölnischen Zeitung etc.
Wie sehr gesetzlich unsre Zustände sind, will ich Ihnen durch ein Pröbchen zeigen. Vor einigen Tagen hatte der speichelleckerische Hr. Merlmene ein serviles Plakat an die Straßenecken kleben lassen, zu dessen Widerlegung sich ein Fremder, Hr. Bernhard aus Spremberg (Niederlausitz), veranlaßt fand. Er that dies, indem er Hrn. Malmene einen Brief schrieb. Dieser Herr aber trägt den Brief aufs Polizei-Präsidium und Hr. Bernhard erhält heute, ohne angeklagt oder vernommen zu sein, einen Zwangspaß in seine Heimath. Herr Bernhard will Rekurs beim Minister des Innern einlegen.
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@facs0364
[ 103 ] Berlin, 8. Aug.
Morgensitzung der Vereinbarer-Versammlung; 81/2 Uhr. Nach Verlesung des Protokolls macht der Präsident Grabow die Anzeige, daß eine Einladung vom Kommando der Bürgerwehr an die Versammlung eingegangen, um an der Vormittags 10 Uhr stattfindenden Parade zur Feier der Vereinigung Deutschlands Theil zu nehmen. Die Herren Minister haben bereits dem Präsidium angezeigt, daß sie um 10 Uhr die Sitzung auf einige Stunden verlassen müßten, um die Parade abzunehmen. Er stellt nun der Versammlung anheim, welchen Beschluß sie fassen wolle.
Abg. Baumstark ist der Ansicht, daß die Einladung eines Theils zu spät eingegangen, andern Theils hat die Versammlung bereits in der bekannten Sitzung vom 4. Juli dem einigen Deutschland ein Lebehoch ausgebracht und ihre Gesinnung damit bekundet. Da aber die Minister jedenfalls die Sitzung auf 1‒2 Stunden verlassen müssen, möge die Versammlung ihre Sitzung einfach während der Dauer der Parade sistiren.
Abg. Stein von der Linken erklärt sich auch der Ansicht des vorigen Redners, aber aus andern Gründen. Nach einigen sanften Klagen, daß die Erwartungen (!) von dem Ministerium durch den Peucker'schen Erlaß getäuscht worden, bemerkt er „mit Bedauern“, daß heute endlich, gerade nicht an dem von der Centralgewalt offiziell anberaumten Tage, eine Parade abgehalten werde. Will gleichzeitig einen Antrag ankündigen, den er in den nächsten Tagen stellen werde, und welcher dahin geht:„Das Staats-Ministerium zu ersuchen, uns den Noten- und Schriftenwechsel zwischen ihm und der deutschen Centralgewalt offiziell mitzutheilen.“
Minister-Präsident Auerswald will, da der gemachte Antrag nicht angekündigt war, die weitere Diskussion durch ein Eingehen auf denselben nicht stören. Der Vorwurf, welcher dem Ministerium gemacht ist, als habe es in der deutschen Angelegenheit zurückhaltend verfahren, als habe es seine Verhandlungen umschleiert, sei jedoch nicht gerechtfertigt. Er berufe sich auf das Zeugniß der Versammlung.
Die Majorität beschließt hierauf die Parade in Corpore beizuwohnen, nach Beendigung derselben, Nachmittags die Sitzung wieder aufzunehmen und außerdem auf morgen früh 10 Uhr ausnahmsweise noch eine Sitzung anzuberaumen.
Der Präsident giebt Mittheilung über den Beschluß der Kommission zur Betheiligung an der Säkularfeier des Kölner Dombaues. Die Kommission schlägt vor eine Deputation aus drei Mitgliedern, bestehend aus den Abgeordneten: Philipps, v. Auerswald und Dr. Elsner zur Vertretung der Versammlung bei der Säkularfeier nach Köln zu senden, welches mit großer Majorität angenommen wird. ‒ Der Präsident wird der Deputation ein Legitimationsschreiben mitgeben. ‒ Vicepräsident v. Unruh macht noch den Vorschlag, daß es jedem Abgeordneten freistehen soll, sich der Deputation zur Dombaufeier anzuschließen, welcher ebenfalls angenommen wird.
Vicepräsident Kosch, als Vorsitzender der Kommission zur Berathung der Habeas-Corpus-Akte, kündigt an, daß wegen den vielen hinzugetretenen Schwierigkeiten, es der Central-Abtheilung trotz aller Anstrengungen nicht gelungen sei, nach dem vor 8 Tagen von der Versammlung gefaßten Beschluß, den Gesetz Entwurf heute vorzulegen. Besonders sind die Schwierigkeiten hervorgehoben worden, die einer Ausführung dieses Gesetzes in den altländischen Provinzen entgegenstehn, in denen eine vollständige Reorganisation der Gerichte vorhergehen müsse. Die Central-Abtheilung hat nun erst eine Kommission von drei ihrer Mitglieder, die Abgeordneten Waldeck, Simons und Wachsmuth ernannt, um einen neuen Gesetz Entwurf vorzulegen. Diese haben ihre Arbeit beendet und der erste Theil, von der Unverletzlichkeit der Person, ist bereits in der Abtheilung berathen und angenommen. In 8 Tagen, wird der Versammlung der vollkommene Gesetz-Entwurf zugehen können.
Esser II., als Vorsitzender der Fachkommission für Gemeinde-Verfassung macht auf Beschwerden, welche eingegangen sind aufmerksam; insbesondere auf eine, von der Stadtgemeinde zu Preußisch-Stargardt und vielen Landgemeinden dieses Kreises, wegen der am 6. April und 25. Juni stattgefundenen Neuwahl eines Landraths dieses Kreises. In Folge dieser Vorstellungen hat die Fach-Kommission beschlossen den Antrag zu stellen, das Ministerium zu ersuchen, die vorgenommene Wahl nicht zu bestätigen, und daß es überhaupt alle erledigten Landrathsstellen bis zur definitiven Erlassung der neuen Gemeindeordnung nur kommissarisch besetzen lasse.
Minister Kühlwetter. Ich sehe mich genöthigt auf zwei Gegenstände, die heute hier berührt worden sind, eine Erklärung abzugeben. Das Ministerium ist unablässig beschäftigt gewesen die Gemeinde-Ordnung auf das Sorgfältigste vorzubereiten und Deputirte aus allen Provinzen sind zu Rathe gezogen worden. Ein Entwurf, der vielfach verbessert worden ist, liegt bereits im Ministerium vor. Der Fall in Preußisch-Stargardt gehört wie Sie aus den Daten ersehen, einer frühern Zeit an, ehe ich ins Ministerium eintrat. Bei meinem Eintritt ins Ministerium habe ich, wie schon früher mitgetheilt ist, die Besetzung aller erledigten Bürgermeister- und Landrathsstellen sistiren lassen, ganz so wie der Antrag der Kommission verlangt, deshalb ist er ganz unnöthig.
Die Versammlung beschließt dennoch dem Antrag der Kommission beizustimmen. ‒ Hierauf geht man in der Abstimmung über das Gesetz, die Aufhebung der Todesstrafe weiter. ‒ Der Abgeordnete Reichensperger hat folgendes Amendement zum §. 1. gestellt: „Die Todesstrafe ist bei allen Verbrechen mit Ausnahme des Hochverraths und des Mordes mit Vorbedacht abgeschafft. ‒ Für Verbrechen, rücksichtlich deren in den Gesetzen für den Fall eines Kriegs- oder Belagerungszustandes Todesstrafe vorgeschrieben ist, verbleibt es bei derselben.“
Zuerst werden in Folge dieses Amendements, die Fragen zertheilt und die erste Frage: „Soll die Todesstrafe für das Verbrechen des Hochverraths aufgehoben werden?“ nach namentlicher Abstimmung mit 315 gegen 28 Stimmen bejaht. ‒ Der Minister-Präsident stimmte für Beibehaltung der Todesstrafe. ‒ Die Vereinbarer begaben sich hierauf sämmtlich gegen 101/2 Uhr zur Parade.
Nachmittags Sitzung.
Nach Beendigung der Parade versammeln sich die Vereinbarer von Neuem und die Sitzung wird gegen 1 Uhr eröffnet. ‒ Die zweite Frage lautet:
„Soll die Todesstrafe für das Verbrechen des Mordes mit Vorbedacht aufgehoben werden?“
Diese Frage wird ebenfalls, wie die erste in der Morgensitzung nach namentlichem Aufruf mit 248 gegen 80 Stimmen bejaht. Der Minister-Präsident und viele Mitglieder der Rechten mit Reichensperger, Baumstark, Riedel, v. Daniels und Professor Niemeyer an der Spitze stimmten für Beibehaltung der Todesstrafe in beiden Fragen. ‒ Nun kommt die Abstimmung über das Amendement des Abgeordneten Ludwig: „Für den Fall eines Krieges oder Belagerungszustandes verbleibt es jedoch bei der in den Gesetzen angedrohten Todesstrafe“ welches nach namentlicher Abstimmung mit 173 gegen 166 Stimmen verworfen wird.
Hierauf wird über den letzten Theil des Reichensperger'schen Amendements, welches mit dem zweiten Theil des §. 1. des Gesetz-Entwurfs gleichlautend ist abgestimmt:
„Für Verbrechen, rücksichtlich deren in den Gesetzen für den Fall eines Kriegs- oder Belagerungszustandes Todesstrafe vorgeschrieben ist, verbleibt es bei denselben.“
Dieser Theil wird mit 166 gegen 160 Stimmen angenommen; demnach ist die Todesstrafe in Kriegszeiten beibehalten. ‒ Alsdann kommt der Zusatz des Abg. Weichsel zu obigem Theil zur Abstimmung und wird mit großer Majorität angenommen; er lautet: „sie (die Todesstrafe) fällt aber weg, sobald als sie noch nicht vor Beendigung des Kriegs- oder Belagerungszustandes vollstreckt ist.“
Endlich wird auch der dritte Theil des §. 1. mit großer Majorität angenommen, welcher lautet: „Unter welchen Umständen, mit welchen Formen und Wirkungen ein Belagerungszustand ausgesprochen werden darf, bleibt einem besondern Gesetze vorbehalten.“
Alsdann kommt der §. 2. zur Berathung, welcher lautet:
„An die Stelle der Todesstrafe tritt im Bezirke des Rheinisches Appellations-Gerichtshofes die lebenswierige Zwangsarbeitsstrafe, in den übrigen Landestheilen lebenswierige Zuchthaus- oder Festungsstrafe.“
Der Abg. Kühnemann hat dafür folgende Fassung vorge- [0365] schlagen:
„An die Stelle der Todesstrafe tritt zehnjährige bis lebenswierige Zwangsarbeit, Zuchthaus oder Festungsstrafe.“
Der Justiz-Minister erklärt sich gegen dies Amendement, da es dadurch vorkommen würde, daß ein zum Tode verurtheilter nur zu zehnjähriger Strafe verurtheilt wird, während ein anderer Verbrecher, der nach bisherigen Gesetzen nur zu lebenswieriger Zuchthausstrafe verurtheilt worden, härter behandelt würde. Es wird aber gegenwärtig die Umarbeitung des Strafgesetzbuchs vorbereitet und dabei alles berücksichtigt werden, bei Festsetzung der Strafen über die verschiedenen Verbrechen, damit sie im Verhältniß zu einander stehen.
Abg. Jung erklärt sich für das Amendement, da die Rheinprovinz durch den Gesetz-Entwurf benachtheiligt ist, indem nach demselben dort nur auf Zwangsarbeit erkannt werden muß, während dem Richter in den andern Provinzen die Wahl zwischen Zuchthaus- und Festungsstrafe gelassen wird, welches bei politischen Vergehen, als Hochverrath etc. besonders zu berücksichtigen ist.
Nachdem noch mehrere Redner wie v. Daniels und Tamnau gegen das Amendement gesprochen haben, wird es verworfen und der §. 2. in seiner ursprünglichen Fassung angenommen.
§. 3. lautet: „Die Verwandlung schon erkannter Todesstrafen erfolgt durch die zuständigen Gerichte“ und wird ohne Debatte angenommen.
Ueber das ganze Gesetz wird in der Freitagssitzung abgestimmt werden.
Der Abg. Köhler hat schon vor 8 Tagen den Antrag gestellt, „die Versammlung wolle beschließen: die Satzung: das Leben des Menschen ist unverletzlich: die Todesstrafe ist abgeschafft“, werde in die Verfassungs-Urkunde aufgenommen.“
Es hatten sich aber schon zu viel Mitglieder entfernt, um einen so wichtigen Theil der Verfassungs-Urkunde zu berathen; wie sich der Abg. v. Auerswald ausdrückte, deshalb wurde auch der Antrag verworfen, nicht des Prinzips halber, da man doch für Aufhebung der Todesstrafe gestimmt hat.
Die Kommission für Berg- und Hüttenwesen hat so eben ihren Bericht, die Anträge der Abgeordneten Harkort, Hambloch, Schadt, Krackrügge und Müller (aus Brieg), betreffend: über die Regulirung und Gleichstellung der Bergwerks-Abgaben, den Mitgliedern der Vereinbarungs-Versammlung überreichen lassen. Nachdem die Kommission alle ihre Gründe auseinandergesetzt und alle Einwendungen widerlegt hat, schlägt sie im Einverständniß mit den Antragstellern, folgenden Gesetzentwurf vor:
§ 1. Vom 1. September 1848 ab sollen die dem Staat gebührenden Bergwerksabgaben im ganzen Königreich nach gleichem Maßstab erhoben werden.
§ 2. Sie zerfallen:a) in eine fixe Steuer von 2 Thlr. 20 Sgr. (10 Francs) von 381 Morgen (1 Quadrat Kilometer);
b) in eine proportionelle Steuer, welche 5 pCt. des Reinertrags nicht übersteigen darf;
c) in einen Beschlag von 10 pCt. der fixen Steuer als Fond für Steuernachlässe zu Gunsten solcher Bergwerks-Eigenthümer, welche Verluste oder Unglücksfälle erlitten haben.
Alle übrigen bisher an den Staat entrichteten Bergwerksabgaben sind mit dem 1. September 1848 aufgehoben.
§ 3. Bis zum Erlaß eines neuen Berggesetzes kommen für die Ermittelung und die Erhebung die für das linke Rheinufer geltenden gesetzlichen Bestimmungen (Dekret vom 6. Mai 1811; K. O. vom 30. August 1820) zur Anwendung.
§ 4. Die Entrichtung der den Standesherren oder anderen Privaten gebührenden Zehnten übernimmt der Staat. Den Betrag der auf diese Art entrichteten Zehnten zieht er verhältnißmäßig von sämmtlichen gleichartigen Gruben der Landestheile rechts des Rheines wieder ein.
§ 5. Das gegenwärtige Gesetz bezieht sich nicht auf solche Abgaben, welche sonst noch an Korporationen, Institute und Privaten (Kirche, Schule, Knappschaftskasse etc.) zu entrichten sind.
Die dem Berichte angehängte, vergleichende Zusammenstellung der im Jahre 1847 im ganzen preußischen Staate aufgekommenen Bergwerkssteuern an Zehnt etc. ergibt folgendes Resultat:Geldwerth der gewonnenen Produkte Thlr. 7,642,788 11 Sg. 9 Pf.
Ausbeute aller Bergwerke Thlr. 1,575,983 8 Sg. 4 Pf.
Zubuße mehrerer Bergwerke Thlr. 813,747 5 Sg. 5 Pf.
An Gefällen und Sporteln sind zu der landesherrl. Kasse geflossen Thlr. 688,090 18 Sg. 5 Pf.
Eine Steuer zu 5 pCt. von der reinen Ausbeute würde betragen haben Thlr. 38,111 24 Sg. - Pf.
Der Abgeordnete Pohle hat eine schleunige Interpellation an das Kriegsministerium gerichtet: 1) ob das Kriegsministerium nicht geneigt sei, die, in der an des Königs Majestät gerichteten und durch Allerhöchste Kabinets-Ordre vom 10. Juni c. genehmigte Proposition des Staatsministerii vom 31. Mai c., betreffend die Festsetzung eines Maximums des pensionsberechtigenden Einkommens der Civilbeamten etc., enthaltene Zusage:daß das Kriegsministerium einen gleichen Vorschlag hinsichtlich der Pensionen für das stehende Heer unverweilt vorlegen werde,
nunmehr sofort in Erfüllung gehen zu lassen?
2) Durch Allerhöchste Kabinets-Ordre vom 10. Juni c. sind die Reisekosten-Vergütungen für Civilbeamte etc. auf billige Pauschquanta reducirt worden. Diese Kabinets-Ordre gründet sich auf einen Vorschlag des Staatsministeriums vom 29. Mai c., welcher eine anderweitige Vorlage in nahe Aussicht stellt, wodurch die Vergütung der Reisekosten der zum stehenden Heere gehörenden Personen nach denselben Maßgaben regulirt werden soll. ‒ Ich erlaube mir zu fragen:
Wann diese Ersparnißmaßregel in Bezug auf das stehende Heer nunmehr zu erwarten steht?
Die Abgeordneten Teichmann und Hepche beantragen folgende höchst schleunige Interpellation an das königl. Staats-Ministerium, betreffend die in Schweidnitz (Provinz Schlesien) am 31. v. M. Statt gefundenen blutigen Ereignisse.
1) Sind Einem hohen Staatsministerium die blutigen Ereignisse bekannt, welche am 31. v. und 1. d. M. zu Schweidnitz Statt gefunden haben, und durch den dortigen Kommandanten veranlaßt sind?
2) Was ist event. wegen Untersuchung dieser unglücklichen Vorfälle geschehen?
3) Welche Maßregeln gedenkt Ein hohes Staatsministerium zu ergreifen, um das Land vor dem Wiedervorkommen solcher Ereignisse zu sichern?
Diese Interpellation nebst der des Abgeordneten Elsner, welcher die Zurückziehung des Militärs aus Hirschberg will, ferner die wegen der Konstabler von Rodbertus und v. Berg und eine so eben angekündigte des Abgeordneten Klingenberg über die Zerwürfnisse im Löbauer Kreise, haben die Priorität auf der zu morgen angesetzten Sitzung.
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@facs0365
[ * ]
‒ Die Bürgerwehr Berlins hat an die Schweidnitzer folgende Adresse erlassen:
„Kameraden! Den zu einem, die Kräftigung und Einigung unseres deutschen Vaterlandes bezweckenden Beschlusse versammelten Abgeordneten der Berliner Bürgerwehr ward die schreckliche Kunde dessen, was sich vor drei Tagen innerhalb der Mauern unserer deutschen Bruderstadt Schweidnitz begeben hat. Entsetzen und Entrüstung durchdrangen unsere Seele, als wir vernahmen, welche theuern Opfer dort dem blinden Götzen des alten Soldatenthums gefallen sind. Seid überzeugt Kameraden, daß Euer Schmerz auch der unsre ist und daß wir entschieden in den Kampf treten werden, wenn und wo es gilt, diesem überwunden geglaubten Terrorismus mit aller Kraft zu begegnen. Möge aus der Asche Eurer geliebten Todten eine neue Blume für den Straus der Freiheit und Gesetzlichkeit erblühen! Euch aber, Kameraden, die Versicherung, daß die Berliner Bürgerwehr die tiefe Trauer theilt, die Euch in diesem Augenblick erfüllt.“
@typejFeuilleton
@facs0365
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@facs0365
Ritters Schnapphahnski machte die Runde in den höchsten Kreisen. Die ewigen Götter zürnten erschrecklich. Zeus Kronion drohte mit Donner und Blitz, mit Magdeburg und Spandau, und wäre die arme Ballettänzerin, der verrauschten Liebe gedenkend, nicht so artig gewesen, den verhängnißvollen Schmuck, aus übertriebener, künstlerischer Hochherzigkeit, freiwillig zurückzuerstatten, so hätte ihn leicht das Geschick auf der Flucht erreichen können und ach, seines Bleibens wäre vielleicht gewesen, wo da ist Heulen und Zähnklappen, Hafergrütze, Brod und Wasser.
Die Franzosen würden in Betreff dieses Diamanten-Abenteuers sagen: „Monsieur le Chavalier de Schnapphahnski avait frisé le eode pénal.“
(Fortsetzung folgt.)
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@facs0365
[(Neue Königsberger Zeitung.)]
Wie wir hören, haben wir vom konstitutionellen Preußenverein folgende Erlasse zu erwarten: 1) Die deutsche Sprache ist in Preußen abgeschafft. Fortan muß Jeder preußisch sprechen. 2) Die deutschen Eigennamen, wie Fischer, Müller, Schulz u. a. werden abgelegt. An ihre Stelle treten urpreußische, als da sind Perkunos, Potrimpos, Waidewut, Samo u. a. 3) Die deutsche Kultur wird verbannt. Die Einwohner Preußens dürfen fortan nur noch Bernsteinhandel, Fischerei und Hirschjagd treiben. Jeder Preuße trinkt nicht mehr Rheinwein und Bairisches Bier, sondern ‒ Meth. 4) Um Preußen vor dem Untergang in Deutschland zu bewahren, wird eine russische Gränzsperre an der Weichsel eingerichtet.
[Deutschland]
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@facs0365
Schwerin, 2. August.
Am 31. Juli fanden in Kraase und Groß-Dratow bei Waren Tumultscenen Statt. Nachdem nämlich die schiedskommissarischen Verhandlungen über die Verhältnisse der Taglöhner auf den genannten Gütern kein den Anforderungen der Letztern entsprechendes Resultat gehabt, verbreiteten sich Gerüchte von einem, von den Taglöhnern zu Kraase und andern Ortschaften der Umgegend beabsichtigten Angriff auf das dort stationirte Militär, in Folge dessen letzteres von Waren aus Verstärkung erhielt. Am 31. Juli gegen Abend erschienen sämmtliche Taglöhner in Groß-Dratow auf dem Hofe und verlangten von dem Gutsherrn, mit ihnen nach Kraase zu ziehen und die Entfernung des Militärs zu bewirken; der Aufforderung, den Hof zu verlassen, leisteten sie keine Folge, und konnten, bei fortdauernder Widersetzlichkeit, erst durch flaches Einhauen des Militärs zur Ordnung gebracht werden. Die kraaser Leute setzten die Erntearbeit ruhig fort, als von Möllenhagen ein mit Sensen, Heugabeln etc. bewaffneter Haufe von 60‒70 Taglöhnern anrückte und das ihm entgegengeschickte Militär mit größter Heftigkeit angriff. Scharfes Einhauen der Kavallerie hatte nur einen neuen, verstärkten Angriff zur Folge, sodaß endlich vom Feuergewehre Gebrauch gemacht werden mußte, wobei einer der Taglöhner getödtet, drei andere stark und drei leicht verwundet wurden. 39 Leute wurden mit den Waffen in der Hand zur Haft gebracht, die übrigen auseinandergesprengt. Sämmtliche Gefangene, Verwundete und der Gebliebene gehörten nach Möllenhagen.
[(H. C.)]
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@facs0365
Nordhausen, 3. Aug.
Hier sind gestern ernsthafte Ruhestörungen vorgefallen und mußte Generalmarsch geschlagen werden; Verwundungen kamen vor und es fielen einige Schüsse, ohne jedoch zu verletzen. In Folge dessen hat heute der Stadtrath strenge Ordnungsmaßregeln angeordnet.
[(Berl. Z.)]
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@facs0365
Aus Bayern, im August.
Die preußische Regierung hat an sämmtliche deutsche Höfe einen Vorschlag ergehen lassen zu einer Vereinbarung wegen Ausführung des Beschlusses der deutschen Nationalversammlung vom 28. Juni 1848 in Betreff der am Sitze der provisorischen Centralgewalt für Deutschland von den Landesregierungen zu be[#]iellenden Bevollmächtigten. In dem Collegium dieser Bevollmächtigten sollen diesem Gutachten zufolge als Einheiten vertreten werden: 1) Oestreich, 2) Preußen, 3) Bayern, 4) Königreich Sachsen mit Sachsen-Weimar, sowie mit den herzoglich sächsischen, fürstlich schwarzburgischen und fürstlich reuß'schen Landen, 5) Würtemberg und Baden mit den fürstlich hohenzollern'schen Landen, 6) Hannover mit Oldenburg, Mecklenburg, Braunschweig, Holstein und Lauenburg, Schaumburg, Lippe und den freien Hansestädten, 7) die beiden hessischen Hauptstaaten mit Hessen-Homburg, Nassau und Frankfurt. Die Vertreter der gedachten sieben Einheiten sollen einen Rath bilden, der über die gemeinsamen mit der pro. Centralgewalt zu verhandelnden Angelegenheiten der von ihnen vertretenen Regierungen nach Stimmenmehrheit Beschlüsse faßt. Bei dergleichen Beschlußfassungen sollen Oesterreich und Preußen jedes für sich drei Stimmen abzugeben haben, und können sich, wenn sie es für nöthig finden, durch eben so viele Bevollmächtigte im Rathe vertreten lassen. Jede von den übrigen Kurien soll eine Stimme führen.
[(N. C.)]
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@facs0365
[ 15 ] Wien, 5. August.
In der heutigen Sitzung des konstituirenden Reichstages ward eine der wichtigsten Fragen, vielleicht die Lebensfrage der Monarchie, zum ersten Male beregt. Finanzminister Kraus sprach über den Zustand der Finanzen, schon früher die Achillesferse der Staatsgewalt, die nun ebenfalls gefeit werden soll. Kraus gestand offen in seinem Vortrage den schlimmen, ja gefahrdrohenden Zustand der Finanzen, die namentlich durch den mehrmonatlichen Revolutionszustand, den italiänischen Krieg und den unregelmäßigen und verminderten Eingang der indirekten Abgaben in so bedeutendem Grade herabgedrückt würden, daß nur die enormen, trotz dem organisirten Aussaugesystem der frühern Verwaltung noch reich sprudelnden Hilfsquellen und die aufopfernde Vaterlandsliebe der Völker die Heraufführung einer glücklichen Aera möglich machen. Die Grundzüge des Finanzplanes, dessen numerische Einzelheiten nächster Tage der Reichsversammlung vorgelegt werden sollen, lassen uns der Versicherung des Ministeriums, daß es auf die ausgedehnteste Uebertragung der freisinnigsten Ideen auch in diesen Zweig der Verwaltung redlich hinarbeiten wolle, Glauben schenken und können ungefähr in Folgendem zusammengefaßt werden: ein verhältnißmäßiges Besteuerungssystem, mithin eine Einkommensteuer; die Last des Haushaltes soll fortan nicht mehr fast ausschließlich den Armen drücken und die Schultern der Privilegirten nur leichthin streifen. Modifikation der Zölle behufs der Ermöglichung und Erleichterung des Anschlusses an Deutschland. Die Linke begrüßte diesen Punkt mit lebhaftem Beifall, während das, freilich ministerielle, Centrum sich ganz theilnahmslos verhielt und die Herren der Rechten eo ipso nicht sonderlichen Geschmack daran fanden. Herabsetzung des Salzpreises, Aufhebung der Judensteuer; ein Tribut, der nicht schwer fallen kann, da Ungarn und Böhmen diese schmachvolle Bürde bereits faktisch abgeschüttelt, die deutschen Erbstaaten eine höchst schwache jüdische Bevölkerung besitzen. Modifikation des Stempelwesens, das in seinen frühern Verhältnissen die schmächlichste Bevorzugung des Reichen, eine der drückendsten Bürden des Armen enthielt. Aufhebung des Lotto, Herabsetzung des Posttarifes, Reduktion des Militärs, sobald es die Weltlage gestattet, Vereinfachung des Geschäftsganges, namentlich durch eine neu zu organisirende Municipalverfassung, mithin Verminderung des Beamtenheeres, das wie ein Alp erstickend auf Oesterreich gelegen. ‒ Aus Pesth läuft so eben die höchst wichtige Nachricht ein, daß die ungarische Nationalversammlung am 3. d. die Allianz mit Deutschland einstimmig ausgesprochen. Auch Kossuth sprach in längerer Rede zu Gunsten der Motion und scheint daher die falsche Stellung, in welche er in letzterer Zeit Ungarn gegenüber Oesterreich und Deutschland gebracht, zu begreifen und aufgeben zu wollen. Nyiry, der heldenmüthige Führer der äußersten Linken setzte überdies das Amendement durch, daß „Ungarn im Falle eines Krieges Oesterreichs mit Deutschland gegen Deutschland niemals Hilfe leisten werde“. ‒ Morgen feiert die akademische Legion die Wiedergeburt Deutschlands.
Für morgen sieht man der definitiven Entscheidung entgegen, welche die Reichstagsdeputation über die Rückkehr des Kaisers bringen wird und die Nachricht dürfte entscheidend sein für das Schicksal Oesterreichs, entscheidend für die Dynastie, die ihrem Sturze nie so nahe war, die ihm sicher nicht entgeht, wenn wir auch diesmal durch leere Versprechungen genarrt werden, die man in Innsbruck eben so leicht giebt, als man sie vergißt. Ahnte der Hof die Gefahr, die dem Throne droht, die ihn in Innsbruck unvermeidlich erreichen muß, er würde mit derselben Hast, mit welcher er sie verlassen, zurückeilen in die Burg seiner Ahnen. Mit solch eiserner Konsequenz fortgesetzte Kränkung und Verhöhnung kann und wird jedoch das Volk nicht verzeihen und das verhängnißvolle „zu spät“ dürfte noch einmal im Donnerrufe der Millionen durch die Lüfte brausen, daß selbst die ewig festen Alpen Tyrols darob in ihren Grundvesten erbebten.
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@facs0365
[ 61 ] Wien, 6. August.
Wer die deutsche Bewegungsposse in imponiremdem Sonntagskleide sehen will, der komme hieher. Nirgendwo gibt es eine so zahlreiche, so prächtige und wohleinexerzirte Nationalgarde und Bürgerwehr, nirgendwo eine akademische Legion von so mächtigem Ansehen, nirgendwo gibt es so viele und so schöne deutsche Fahnen und Fackelzüge, kurz nirgendwo sieht Deutschland so glänzend aus, als hier. Kein Wunder also, daß ein deutsches Gemüth à la Heckscher vor Entzücken außer sich gerathen mußte; hat Wien in seiner Herrlichkeit doch mich selber bestochen. So eben hat unter prächtigem Sonnenschein die Huldigung statt gefunden. Etwa 100,000 geputzte Menschen, Nationalgarden und Legionäre mögen auf dem Glacis versammelt gewesen sein. Auch ein Häuflein Militär, Infanterie und Dragoner, war des Erzherzogs wegen auf Befehl des östreichischen Kriegsministers Latour, der sich um die Befehle eines Peuker wenig scheeren mag, ausgerückt. An seiner schwarzgelben Fahne entdeckte ich mit Staunen einen höchst unsichtbaren schwarz-gold-rothen Bandstreifen. Seiner gestern berichteten Aeußerung getreu hatte Latour dem übrigen sehr zahlreichen Militär erlaubt, in den Kasernen zu bleiben und sich dort, je nach Gefallen, zu belustigen. Morgen aber muß sämmtliches Militär auf dem Glacis stehen, um zu Ehren der italienischen Armee bei einem Gottesdienste zu trauern. Da die Italiener durchaus Oestreicher bleiben müssen und niemals Italiener werden dürfen, so schließt sich dieser Soldatendemonstration natürlich sämmtlicher revolutionärer Verstand von Wien an, nämlich die Nationalgarde, die Legion, alle Klubs und die ganze radikale Presse.
Das Ministerium beschäftigt sich damit, einige Preßprozesse wider solche einzuleiten, die wie der Studentenkurier Nr. 36 und 38 den Krieg in Italien als einen freiheitsmörderischen bezeichneten. Auch hat es drei Juden, die zur Camarilla Rothschilds gehören, bereits zu Unterstaatssekretären in verschiedenen Ministerien ernannt, worauf sogleich gestern eine Erklärung des Finanzministers über den betrübten Stand der Finanzen im Reichstag erfolgte. Rothschild und seine Camarilla besitzen nämlich noch gar viel östreichisches Papier, welches sie dem armen Volke gern gegen klingende Münze, die man demselben schon fast ganz abgenommen hat, eintauschen möchten. Unterdessen bietet die Innsbrucker Camarilla seit einigen Tagen Alles auf, einen Sturm heraufzubeschwören; sie ließ zu dem Ende eine Menge Katzenmusiken aufführen, die Arbeiter bestechen und das Gerücht verbreiten, die Aula würde, Füster an der Spitze, heute die Republik proklamiren. In Folge dieser Manöver, die kein Resultat hervorzubringen vermochten, waren die Straßenecken gestern mit beschwichtigenden Plakaten bedeckt, in welchen die Bevölkerung angegangen wird, sich, was auch kommen möge, ruhig zu verhalten und dem Reichstag zu vertrauen. Gleichwohl liegt über Wien eine drückende Gewitterschwüle. Die an den Kaiser gesendete Reichstagsdeputation wird morgen zurückerwartet und man weiß, daß der Kaiser nicht kommen wird, da die Camarilla als Bedingung seiner Rückkehr die Auflösung der akademischen Legion und Modifizirung der Nationalgarde, die Auflösung des Sicherheitsausschusses und ein Ministerium Stadion verlangt hat.
Die hiesige demokratische Presse fährt fort über Italien eine Meinung zu haben, die sie der Demokratie unwürdig macht. So sagt die Konstitution von gestern, deren Redakteur hier für einen Republikaner gilt: „Wenn Radetzky unter dem alten Knutensystem die Knechtung Italiens mit eiserner Hand vollführen geholfen, wenn er auch in neuerer Zeit vielleicht einige unzeitgemäße Maßregeln getroffen ‒ so war sein Auftreten eine Konsequenz seines Eides ‒ eine Reihe von Thaten des militärischen Gehorsams. Radetzky's Laufbahn ist von Heldenthaten bezeichnet.“ Selbst Windischgrätz findet Gnade: „Wenn der aristokratische Windischgrätz als Haudegen, vielleicht als Tyrann den Prager Aufstand bekämpft, so hat er, da das Militär noch immer nicht die neue Verfassung beschworen, vielleicht nicht gesetzwidrig gehandelt.“ ‒ Was denken Sie von dem demokratischen Verstande eines Blattes, das die Leute mit der Konsequenz des Eides zusammenschießen läßt?
Der berüchtigte Bandit Metternichs, der Bauer Szela, wollte durchaus zum Abgeordneten in den Reichstag gewählt werden! fiel aber durch, indem an seiner Statt ein anderer Namens Kobinlica gewählt wurde. Darüber erbost schrieb Szela einen vehementen Brief an den Minister des Innern, in welchem auch folgende Stelle vorkommt: „Habe ich denn keine Auszeichnung verdient? ich war ja im Jahre 1846 zum Bauernkönig erhoben worden, wurde gefürchtet und verehrt; habe ich denn damals dem höchsten Schatze nicht genug Ausgaben gespart? habe ich nicht die Revolution in Galizien erdrückt? damals hat man mich gebraucht, jetzt vergißt man mich, besonders jetzt bei den Wahlen zum Deputirten. Wäre ich gewählt, so hätte ich mir aus den 302 fl. Reisegeldern und den 200 fl. Monatgeldern etwas ersparen können, und auf dem Reichstag könnte ich bequem sitzen, hingegen der aus dem Bezirke Kimpolnez gewählte Lukian Kobinlica, ist nichts als ein gemeiner Bauer, der im Jahre 1846 die Einwohner desselben Ortes anfiel, ihnen den Mund verstopfte, sie kreu- [0366] zigte, knebelte und ihnen siedendes Wasser auf's Haupt goß, wofür er auch zum schweren Kerker und zu 50 Stockstreichen verurtheilt wurde. So einen Menschen hat man zum Deputirten gewählt. Ich werde mir diesen Deputirten des konstituirenden Reichstags morgen näher betrachten.
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@facs0366
Innsbruck, 5. August.
Folgendes ist die wörtliche Antwort, die der Kaiser unserer Deputation gab: „Ich freue mich die Herren Abgeordneten des konstituirenden Reichstags bei mir zu empfangen. Stets nur das Beste meiner Staaten wollend, werde ich unter den dargestellten Verhältnissen dem Wunsche Ihrer Kommittenten gerne entsprechen und mich in Ihre Mitte begeben. Trotz meiner noch nicht befestigten Gesundheit gedenke ich meine Rückreise nach Wien ‒ zu meinen getreuen Oestreichern ‒ in durch mein gegenwärtiges Befinden bedingten kleineren Tagreisen am 8. d. M. anzutreten. Den Ausdruck der loyalen Gesinnungen nehme ich mit Wohlgefallen auf.“
[(A. Z.)]
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@facs0366
[ * ] Wien, 6. Aug.
Aus Italien langte gestern Abend die offizielle telegraphische Nachricht hier an, daß sich Karl Albert nach Pavia zurückgezogen.
Italien.
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@facs0366
Edition: [Friedrich Engels: Italien. 11. August 1848. In: MEGA2 I/7. S. 569.]
[ * ]
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@facs0366
Edition: [Friedrich Engels: Italien. 11. August 1848. In: MEGA2 I/7. S. 569.]
Bern, 7. Aug.
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@facs0366
Edition: [Friedrich Engels: Italien. 11. August 1848. In: MEGA2 I/7. S. 569.]
[ * ] Florenz, 1. August.
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Ungarn.
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@facs0366
[ * ] Pesth, 3. Aug.
Die heutige Sitzung der Repäsentantenkammer war höchst interessant; es handelte sich das um das Verhältniß Ungarns zu Deutschland. Ein Deputirter von der ministeriellen Seite schloß seine Rede, in welcher er unter Anderm gesagt: „Deutschland halte ich für die Fackel (!) im Herzen Europa's, Ungarn wird die Rolle des Fackelträgers übernehmen müssen“, mit folgenden Worten:
„Ich will das Haus bloß einfach auffordern, daß selbes billigend die bisher in dieser Angelegenheit geschehenen Schritte unseres Ministeriums sich feierlichst für einen auf Grundlage der gegenseitigen Interessen Ungarns und Deutschlands als zweier selbstständiger Reiche zu schließenden Bund erkläre.“ (Beifall und Zuruf.)
Graf Teleky (äußere Linke) unterstützt, was der vorige Redner gesagt und fordert die Versammlung auf, gleich wie es in Frankfurt geschehen, ihre Bereitwilligkeit zum Bunde mit Deutschland durch Aufstehen zu erkennen zu geben. (Sämmtliche Deputirte erheben sich von den Sitzen). Er schließt: „Ich erkläre es daher nochmals, daß ich als Ungar, als freier Mensch, als Freund der Civilisation mich darob freue, daß die Morgenröthe der deutschen Freiheit herannaht; und erkläre Alle als Veräther, welche dagegen zu handeln wagten, mögen es Ungarn oder Deutsche sein.“ (Zuruf: Wir auch, wir auch, Beifall!) In einer wahrhaft begeisterten Rede folgt diesem ein anderes Mitglied der äußersten Linken und Nyary, der Chef der Linken beantragt folgendes Amendement: „Die ungarische Nation erklärt ferner, daß, wenn das östr. Ministerium oder die östreich. Regierung gegen die Einheit Deutschlands sich in einen Krieg verwickelte, sie auf Ungarns Hilfe niemals rechnen dürfen.“ (Zuruf. ‒ Beifall.) Die Politik des Ministeriums in Betreff Deutschlands und sämmtliche Amendements werden unter lautem Jubel angenommen.
Dänemark.
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Edition: [Friedrich Engels: Geschichte des Waffenstillstandes. In: MEGA2 I/7. S. 571.]
[ 7 ] Kopenhagen, 5. August.
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Französische Republik.
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[ 16 ] Paris, 8. August.
Gestern Nacht zog der Dampfwagen die ersten 800 zur Deportation (wie der heuchlerische Siècle sagt: „Zu milder Transportation“) nach Havre; alte Minizipalgardisten in der neuen Uniform der „republikanischen Garde“ begleiteten sie. Daß die frühern Schergen andere Namen bekommen, die Personen aber dieselbe bleiben, findet Le Commerce ebenso natürlich als heilsam.“ Man riskirte nicht diese Märtyrer der Arbeit in Paris aufsteigen lassen, sondern erst in Antieres, wo der Polizeipräfekt, der Herr Eisenbahndirektor, ein Ingenieur, sogar ein Herr Volksrepräsendant bereitstanden die Opfer unter Bedeckung von Kavalerie und Kanonen in Empfang zu nehmen. Täglich wird denunzirt, und die Gendarmen in Batignolles z. B. laufen Tag und Nacht herum, die Taschen voll Mandate. Ich sprach einen dieser Gendarmen, und es wäre kein Wunder würden auch unter diesem Korps Verhaftungen geschehen, wie unter den Polizisten von Paris. ‒ Viele Gefangene sind durch die Kerkerpein verrückt geworden und im Irrenhause. Der „Corsaire“ macht die zarte Bemerkung: sie verstellten sich. Er hält bereits die Arrestation L. Blancs und Caussidiéres für bald bevorstehend. ‒ Alexander Dumas der Hofnarr des Herzogs Montpensier und ehemaliger Marquis de la Patlleterie predigt in einem wohlbezahlten Artikel das Lob des Herrn Thiers in Victor Hugo's Zeitung „L'Evenement“, worin er so gütig ist Proudhon's System in 150 Jahren für realisirbar zu erklären. Ernsthafter ist seine Prophezeiung, die nächste Repräsentanten-Kammer werde noch weit weniger Republikaner de la veille erhalten als die jetzige. Diese zwei reactionären Bühnendichter rufen im Feuilleton: 1789 war die Revolution des Geistes, wie schlimm wenn man sagen müßte, die von 1848 war die des Magens; der Expair und der Exmarquis haben allerdings bisher nur an überfülltem Magen gelitten, bemerkt La Republique, und als Gegenstück zu diesem „parfümirten Moder“ berichtet sie wieder mehrere Heldenzüge der unbezähmbaren Gefangnen, wie z. B. die denkwürdige, echt spartanische Antwort eines derselben auf die schmunzelnde Frage des Inquisionsrichters: wieviel Patronen er verschossen und ob er wirklich meine mit jeder getroffen zu haben? „Ich hatte acht Patronen, rief er, und kann freudig betheuern daß sieben sieben Feinde niederstreckten; von der letzten weiß ichs leider nicht genau, dann da haben meine Nebenmänner zugleich auf denselben gefeuert, aber gefallen ist er.“ Diese Antwort ist historisch genau, sie ward mir auch von einem Ohrenzeugen erzählt. ‒ Ein Bursche von 14 Jahren, dem die Mobilen fast alle Haare ausgerauft und die Zähne eingeschlagen hatten, sagte dem Inquisitor: „ich kann nicht geläufig reden, nehmen Sie meinen Fluch anstatt aller weitern Antworten.“ Sehr häufig begnügten sie sich auf jede Frage zu erwiedern: „Gebt uns Brod oder Blei.“ Ein Weib antwortete höhnisch lachend: „ich bin aus Rouen wo das Bauermädchen Jeanne d'Arc von den englischen Lords und Pfaffen lebendig verbrannt ward; die französischen Bourgeois sind heute lauter Engländer geworden, aber die Rolle wird sich bald umkehren, meine Töchter und Schwestern werden Euch den Scheiterhaufen und nicht länger das Kamin anzünden. Ich habe zwei verrätherische Mobilen, zwei Neffen, mit eigener Hand erschlagen; es lebe das Volk!“ ‒ Mehrere Proletarierinnen, angeklagt an einem Mobilen, der vorher sich der gräulichsten Ausschweifungen gegen gefangene Frauen schuldig gemacht, die summarische Strafoperation des Abälard vollstreckt zu haben, antworteten kalt: „Wir rächten die Ehre unsres Proletariats, vivent les femmes du peuple!“ Ein hinkender Greis hatte 24 Stunden lang Kugeln gegossen; der Inquisitor wollte ihn gern losgeben und sprach ihm vom ewigen Leben: „Ha, ich danke für Ihre Predigt,“ rief der Alte, „schade daß keine meiner Pillen in Ihren Mund geflogen ist; vivat Barbes und Raspail der Arzt der Proletarier!“ Diese und ähnliche lakonische Züge kursiren unter dem Volke; wenn ein Bourgeois sie hört, spuckt er aus und ächzt: oh mon Dieu! cette canaille! ‒ Die Kanaille hat, wie man versichert, im ganzen Lande beschlossen nicht mehr zu votiren um das Ding schneller zum Bruch zu treiben; darüber großes Lamento im National, der noch immer den Unterschied zwischen Volk und Bourgeoisie zu leugnen wagt. ‒ La Reforme und Peuple constituant werden dieser Tage die Reihe der Preßprozesse eröffnen; La Presse ist wieder erschienen, ganz im alten Marktschreierstyl. Le Siècle und Konstitutionnel lächeln süß nach Potsdam hinüber „wo ein hohes erleuchtetes Ministerium das Beste der Polen wolle und durch ihren schwarzen Undank herbe Kränkung, ja Verleumdung erfahren habe“; nebenbei ein grimmiger Seitenblick auf die Berliner Nachahmer des pariser Sanscülotismus, die im Stande seien Europa's Ruhe und friedlichen Erwerb noch einmal zu stören.“ Daran wird eine rührende Lobrede auf Dänemark geknüpft, und auf das „gesetzmäßig sich entfaltende“ Belgien. ‒ In der Provinz sind die „guten“ Leute bis zu dem Grade gegen die „schlechten“ aufgeregt, daß ein Journal der Gironde naiv vorschlägt, Namenslisten der letztern in jedem Ort zu verfertigen und nach Paris zu schicken. „Die Deutschen, schließt es, sind jetzt sehr hitzig, viel zu hitzig geworden; die Umtriebe der Wiener, die dem konstitutionellen Monarchen fast drohend entgegentreten, die Berliner die eine Art Ochlokratie, wir meinen Proletarierherrschaft (!) anstreben, die Badener, die eine dem soliden Zustande unsres Welttheils nur unerwünscht sein könnende Demokratie wollen, das Alles zusammen trägt dazu bei daß Deutschland in diesem Augen keinen angenehmen Eindruck auf das Gemüth (ame!) seiner auf bürgerlichen Verkehr bedachten Nachbaren und Geschäftsfreunde machen kann; möge es unsern sanften Rath befolgen und einlenken,“ u. s. w. ‒ Die Nationalversammlung findet daß die Zeit zu lang und ihre Arbeit zu kurz ist, und wird Ferien nehmen, wie es heißt.
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Paris, 7. Aug.
(Verspätet.) Der Moniteur bringt diesen Morgen folgendes Dekret:
„Französische Republik. Freiheit, Gleichheit, Bruderschaft!“
Der mit Ausübung der Staatsgewalt beauftragte Konseilpräsident beschließt:
Art. I. Die mittelst Beschlusses vom 28. Juni 1848 ausgesprochene Suspension der Journale: La Revolution, La vraie Republique, L'Organisation du Travail, La Presse, L'Assemblee Nationale, Le Napoleon republicain, Le Journal de la Canaille, Le Pére Duchène, Le Pilori, La Liberté und Le Lampion hört von heute an gerechnet auf.
Art. II. Die Siegel, welche kraft obigen Beschlusses auf die Pressen dieser Journale gelegt wurden, sind durch dieselben Beamten zu lösen, welche sie anlegten.
Das Druckverbot, so wie alle von den Druckern rücksichtlich des Verbots jener Journale unterzeichneten Verpflichtungen sind als nicht geschehen zu betrachten.
Art. III. Dem Polizeipräfekten ist die Ausführung dieses Beschlusses übertragen.
Paris, 6. August 1848.
(gez.) E. Cavaignac.
Vorstehendes Dekret wurde gestern Abend den betreffenden Blättern zugestellt von denen La Presse, L'Assemblée nationale, La Liberté, diesen Morgen bereits erschienen sind. Man vermisst darunter mit Erstaunen Proudhon's Représentant du Peuple. Ist denn dieses Blatt der Republik gefährlicher als die anderen?
‒ Die demokratischen Klubs von Bordeaux haben folgende Adresse an die Juni-Insurgenten erlassen:
Brüder!
Mit einem Gefühl zugleich der Bewunderung und der Trauer haben wir aus der Entfernung dem Kampf beigewohnt, den ihr so eben bestanden habt. Unsere Wünsche, ihr zweifelt nicht daran, waren vollständig für euch; sie beschworen den Triumph der socialen Demokratie herbei und tief war unser Schmerz, als wir sahen, daß der Erfolg euere Anstrengungen nicht krönte. Ja, ihr habt heldenmüthig die Ehre der einzigen Partei in Europa behauptet, die zu kämpfen und für ihre Meinungen zu sterben weiß. Ja, ihr habt diese Ehre noch vergrößert durch einen Riesenkampf, wie er ohne Beispiel in der Geschichte ist. Der Welt habt ihr das unglaubliche Schauspiel gezeigt, von Bürgern, die meist waffenlos während fünf Tagen eine regelmäßig bewaffnete Bürgergarde im Schach hielten und mehr als 100,000 regelmäßige Truppen, die mit einer furchtbaren Artillerie versehen waren und über Zerstörungsmittel aller Art verfügten. Vor diesen Thatsachen wird die Geschichte nur Ein Urtheil fällen: Schmach den Siegern, ewige Ehre den Besiegten! Aber neben diesen Enthusiasmus, womit uns euer Benehmen erfüllt, stellen wir hier den Ausdruck des Kummers, der uns durchdringt, indem wir dem Leichenzug der Opfer der Reaktion folgen. Seid überzeugt, Brüder, daß unser Herz für sie alle Trauer trägt und daß wir nur den einen Wunsch hegen, sie eines Tages rächen zu können. Möge all ihr Blut, vergossen für die Sache des Vaterlandes, zurückfallen auf diese infame Rotte von Verräthern und Royalisten, die man Nationalversammlung nennt; sie sei für immer verflucht und verwünscht; mögen die Namen derer, die sie bilden, an den Pranger der Infamie geschlagen werden und alle Patrioten überzeugt sein, daß nur mehr ein Mittel gegen diese elenden Deputirten anzuzuwenden ist: die Vernichtung.
‒ Das Journal des Debats sagt: Der Marquis Brignole-Sale, sardinischer Gesandter zu Paris und der Marquis A. Ricci wurden am 7. vom General Cavaignac empfangen. Man versichert, daß in dieser Zusammenkunft die sardinischen Gesandten vom Chef der exekutiven Gewalt die unmittelbare Intervention der französischen Armee in Italien offiziell verlangt haben. Auf diese Forderung soll General Cavaignac geantwortet haben, die Regierung habe diese Eventualität vorhergesehen und über diesen Gegenstand mit England Unterhandlungen eröffnet, deren sehr nahes Resultat das Anerbieten einer Vermittlung an die beiden kriegführenden Mächte in Italien sein werde. Man versichert diesen Abend, die Grundlagen dieser Vermittlung seien schon beschlossen zwischen den zwei Kabinetten, und sie seien so abgefaßt, um Europa das Unglück eines allgemeinen Kriegs zu ersparen.
(Hierzu eine Beilage.)
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Der Gerant, Korff.
Druck von W. Clouth, St. Agatha Nro. 12.