[0403]
Neue Rheinische Zeitung.
Organ der Demokratie.
No 80. Köln, Samstag 19. August 1848.
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Uebersicht.
Deutschland. Köln. (Der Ausweisungsversuch gegen Schapper). Düsseldorf. (Stadtrathsbeschlüsse. ‒ Provokationen von Seiten der preußischen Soldateska). Hillesheim. (Preußische Humanität. Berlin. (Vereinbarungs-Debatten. ‒ Der Lindenklub am Untergehen. ‒ Der Beschluß gegen die reaktionairen Offiziere. Die „N. Pr. Ztg.“ ‒ Nachrichten aus Polen. ‒ Hansemanns Motive zur Aufhebung der Grundsteuer. ‒ Bericht der Central-Abtheilung über die Aufhebung des Zeitungsstempels. ‒ Gerichtsverhandlungen wegen Volksversammlung unter freiem Himmel). Kiel. (Die konstituirende Versammlung für Schleswig-Holstein. ‒ Eröffnung derselben). Wien. (Ansprache Ferdinands. ‒ Die Arbeiter. ‒ Das Wiener Pflaster ‒ Telegraphische Depesche aus Italien. ‒ Die Innsbrucker Emigration und die Studenten. ‒ Erzherzogin Sophie. ‒ Reaktionsgelüste).
Italien. Mailand. (Bedrohung der Ausgewanderten. ‒ Restauration der alten österreichischen Beamten. ‒ Der Waffenstillstandsvergleich).
Französische Republik. Paris. (Contre-Reaktion gegen die Reaktion. ‒ Louis Philippismus. ‒ Petition der Frauen an die Repräsentantenkammer. ‒ Republikanische Feier am 10. August. ‒ Bugéaud und Dudinot. ‒ National-Versammlung).
Belgien. Antwerpen. (Affaire Risquons-Tout).
Großbritannien. London. (Die dänische Blokade. ‒ Nachrichten aus Amerika. ‒ Verhaftungen in Irland. ‒ Irische Kartoffelernte. ‒ O'Gorman und die Insurgenten. ‒ Chartistenunruhen in Manchester, Oldham und Ashton. ‒ Parlament). Dublin. (Die neuesten Vorgänge und die englische Bourgeoispresse).
Handelsnachrichten
Deutschland.
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[ * ] Köln, 18. August.

Wir verlangen ein allgemeines deutsches Heimathsrecht und volle Freizügigkeit in dem gesammten deutschen Vaterland!
So spricht Se. Majestät Friedrich Wilhelm IV. in seinem Patent vom 18. März.
Aber der König denkt und Herr Geiger lenkt. Herr Geiger, der Komiss. Polizeidirektor von Köln, besteht darauf, Herrn Carl Schapper auszuweisen, unter dem Vorwand, Herr Schapper sei Nassauer und außerdem Deutscher in partibus infidelium.
Gestern drang ein Polizeisergent in das Schlafzimmer der Frau Schapper vor und legte daselbst nachfolgenden Brief nieder, den wir in unverfälschter Ursprünglichkeit mittheilen. Was als Inkorrecktheit erscheint ist vielleicht nur ein preußischer Protest gegen die deutsche Grammatik.
Herrn Schapper
Es mir der Auftrag ertheilt das ich Ihnen mit theilen soll, das der Herr Polizei Director darauf Bestehen bliebe das Sie die Stadt verlassen sollen, hätten Sie aber gegen die Gesetze was ein zu wenden so möchten Sie gleich bei den Herrn Polizei Commissair Recors ergreifen wollen gleich ihm zu zusenden.
Cöln 19/8.48.
Quetting
Policey-Sergant
Herr Schapper richtete darauf an den Polizeikommissair folgendes Schreiben:
Ew. Wohlgeboren
haben mir unterm 11. d. Mts. angezeigt, daß ich laut Beschluß des Hrn. Polizeidirektor Geiger binnen acht Tage die Stadt Köln zu verlassen habe. Ich habe bereits damals dagegen Protest eingelegt. Sie haben mir nun durch einen Polizeisergenten mittheilen lassen, daß es bei dem erwähnten Ausweisungsbefehl sein Bewenden haben müsse, ich aber Rekurs dagegen einlegen könne. Ich thue dies hiermit und berufe mich dabei auf folgende Gründe:
1) Bereits am Tage vor der Märzrevolution, am 18. März 1848, hat der König von Preußen ein Patent erlassen, wodurch allgemeines deutsches Heimathsrecht u. Freizügigkeit von allen deutschen Staaten gefordert wird. Was der König von Preußen für preußische Staatsbürger fordert, wird keine preußische Behörde den Bürgern anderer deutschen Staaten in Preußen verweigern dürfen. Das Patent vom 18. März hat entweder gar nichts zu bedeuten, oder es implicirt die Aufhebung aller früheren Ausweisungsbestimmungen gegen nicht preußische deutsche Staatsbürger.
2) Am 21. Juli d. J. hat die deutsche Nationalversammlung zu Frankfurt den §. 2, Art. 1 der deutschen Grundrechte in einer Fassung angenommen, welche alle Ausweisungen von Deutschen aus deutschen Städten u. Staaten ausdrücklich verbietet. Es heißt darin:
„Jeder Deutsche hat das Recht, an jedem Orte des Reichsgebietes seinen Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen, Liegenschaften zu erwerben etc. etc. … jeden Nahrungszweig zu betreiben …
Die Bedingungen für den Aufenthalt u. Wohnsitz werden durch ein Heimathsgesetz … für ganz Deutschland von der Reichsgewalt festgesetzt. Bis zur Erlassung dieser Reichsgesetze steht die Ausübung der gedachten Rechte jedem Deutschen in jedem Staate Deutschlands unter denselben Bedingungen wie den Angehörigen dieses Staates zu.
Kein deutscher Staat darf zwischen seinen Angehörigen und den Angehörigen eines andern deutschen Staates irgend einen Unterschied bezüglich des bürgerlichen, peinlichen oder Prozeßrechtes machen, wodurch Letztere als Ausländer zurückgesetzt werden.“
Nach diesem §. steht mir, bis zum Erlaß der betreffenden Reichsgesetze das Recht zu, in Köln, als einem Orte des deutschen Reichsgebietes, meinen Aufenthalt u. Wohnsitz zu nehmen und den Nahrungszweig als Correktor zu betreiben, unter denselben Bedingungen wie den Angehörigen des preußischen Staats. Ausgewiesen werden aber können preußische Staatsangehörige aus Köln, nach den bestehenden Gesetzen, nur dann, wenn sie keine Subsistenzmittel haben. Daß ich diese nicht hätte, ist mir bis jetzt nicht vorgeworfen worden und würde ich jeden Augenblick das Gegentheil beweisen können, da mein Gehalt als Korrektor der Neuen Rhein. Zeitung hinreicht, mich und meine Familie anständig zu ernähren.
Man wird mir nicht einwenden, daß der betreffende §. der Grundrechte noch nicht promulgirt sei. Es ist von jeher Praxis der Administrativbehörden in allen konstitutionellen Staaten gewesen, die Ausübung von solchen Bestimmungen wie das Ausweisungsrecht und sonstigen Beschränkungen der persönlichen Freiheit, zu suspendiren, wenn ein diese Bestimmungen aufhebender Beschluß von der zuständigen gesetzgebenden Versammlung gefaßt worden ist und nur noch auf die formelle Promulgation wartet.
Es liegen hier also vor ein Beschluß der Nationalversammlung welcher die Ausweisungsbefugniß aufhebt, und ein Königliches Patent welches diesen Beschluß im Voraus anerkennt. Ich glaube demnach vollständig in meinem Rechte zu sein, wenn ich erkläre:
daß ich gegen die mir gar nicht einmal schriftlich und ohne Angabe der Gründe mitgetheilte Ausweisungsordre als eine Ungesetzlichkeit protestire und nur der Gewalt weichen werde.
Ich ersuche Ew. Wohlgeboren diesen Protest gehörigen Orts gef. anbringen und mir den Bescheid bald zustellen zu wollen, da ich im Falle einer Nichtbeachtung sofort an den k. Regierungspräsidenten resp. das Ministerium des Innern und in letzter Instanz an die Berliner konstituirende Versammlung und die deutsche Nationalversammlung Rekurs ergreifen werde.
Köln, 17. Aug. 1848.
(gez.) Karl Schapper.
Der erste Baustein zum „Dom der deutschen Einheit“, worin unsere großen Staatsbaumeister ihre Festreden drei Tage nach einander auslaufen ließen, ist – die Ausweisung eines Nassauers aus Köln am Rheine.
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[ 121 ] Düsseldorf, 17. August.
Der gestern gegen Abend herabstürzende starke Regen war Schuld daran, daß die trotzdem die Straßen durchziehenden Trupps Soldaten, wenngleich sie es an Provocationen nicht fehlen ließen, nirgends Widerstand fanden; wenigstens habe ich von keiner Kollision erfahren. Der ängstliche Philister dankte dem Himmel für diese wässerige Intervention; wenn nun aber dieses Hinderniß nicht eingetreten und es abermals zu blutigen Auftritten gekommen wäre, wem wäre dann die Schuld beizumessen? Kann oder will die Militärbehörde es nicht verhindern, daß die Soldaten außer Dienst mit ihren Seitengewehren durch die Straßen streifen, daß sie sich gruppiren, daß sie mit dem Schlachtgesang: „Ich bin ein Preuße“ und mit königlichen Hurrah's die Massen aus den Häusern rufen? man sagt vielleicht, die Disziplin sei nicht aufrechtzuerhalten, ‒ aber man weiß sie doch in entgegengesetzten Fällen so prächtig zu handhaben? Der Soldat, der ohne Waffen ruhig die Straßen passirt, hat keinen scheelen Blick zu gewärtigen, aber ganze Trupps von Militärs, die unter lauten Provokationen umherschweifen, müssen allerdings Kollisionen hervorrufen und wenn daher diesem Treiben nicht Einhalt gethan wird, so fällt die Verantwortung späterer Ereignisse ganz der Militärbehörde zur Last.
Unser loyaler Stadtrath hat heute Beschlüsse publizirt, die die entschiedenste Mißbilligung verdienen, weil sie die Freiheit der an diesen Kollisionen unschuldigen Bürger beschränken. Es sollen nach 7 Uhr keine 5 Bürger auf der Straße beisammen sein, alle Demonstrationen, als mit Fahnen umherziehen und Schießen, sind untersagt, es soll die Polizeistunde genau eingehalten werden, die Meister sind für das Zuhausebleiben ihrer Lehrlinge verantwortlich u. s. w. Warum aber die Stadt in eine Art polizeilichen Belagerungszustand versetzen, wo doch die Verhinderung der Provokationen von Seiten der Militärs vollständig hinreicht und das einzige und einzig gerechte Mittel ist? Der Stadtrath muß die Militärbehörde verantwortlich erklären und nicht durch Beschränkung der bürgerlichen Freiheit die Frechheit der Soldateska stärken.
Die Rechte von der Bürgerwehr hat einen Sonderbund gebildet und gestern eine Versammlung gehalten: man will vermuthlich durch eine Erklärung die Schande der Unloyalität von sich wälzen.
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[ X ] Hillesheim, 16. August.
Auf dem Marsche von Halle in Westfalen nach Luxemburg starb hier ein Rekrut Namens Huhemann. Er war Tags zuvor in einem Dorfe bei Blankenheim erkrankt und hatte verlangt, daß er dort auf seine Kosten bleiben oder doch bis auf die nächste Station fahren dürfe; aber Beides wurde ihm abgeschlagen ‒ vielleicht weil man Verstellung vermuthete, Verstellung bei einem Unglücklichen, dem der Tod so nahe war! Noch 5 Stunden sollte er zu Fuße machen, er, in dessen Lunge und Gedärme eine fürchterliche Krankheit wüthete! aber sie wurde nicht erkannt, es war ja Verstellung, bei Rekruten so häufig. Zwei Kameraden nahmen den Armen zwischen sich, brachten ihn so halbtragend, halbschleppend bis 1 Stunde vor Hillesheim, da versagten auch ihnen die Kräfte; auf einem Karrn wurde er weiter geschafft. In Hillesheim angekommen wurde zum Militärarzte geschickt, der aber nicht zu finden war; erst Abends besuchte er den Kranken, es „war zu spät,“ Aderlaß und Calomel waren vergeblich ‒ der kräftige junge Mann starb. Die von 2 Civilärzten in Gegenwart des Militärarztes vorgenommene Sektion wies deutlich nach, daß der ganze obere Flügel der linken Lunge entzündet, verwachsen, brandig entartet war, daß ferner zwei große Stellen (1 von 18 Zoll Länge) in den dünnen Gedärmen entzündet, verdickt und verhärtet waren.
Wir sehen aus vorstehender wahrheitsgetreuer Erzählung, daß der Soldat auch jetzt noch unter der Knute steht und daß er weniger geachtet wird als ein Thier; wäre zu Mühlheim bei Blankenheim ein Offiziers-Pferd erkrankt, man hätte Boten nach Thierärzten gejagt; unser Rekrute klagt und flehet: „um Gotteswillen solle man ihn doch dort lassen, er wolle die Kosten tragen,“ ‒ „nichts da! der Kerl verstellt sich sich.“ Hätte einem Offiziers-Pferde ein Eisen gefehlt, es hätte Ruhetag bekommen, ‒ der auf den Tod kranke Rekrut darf nicht einmal auf seine Kosten fahren!!! Mittags um 2 Uhr kommt er in Hillesheim an, Abends um 7 ein halb Uhr stirbt er! ‒ War wirklich der den Zug begleitende Arzt nicht zu finden, warum schickten die Offiziere nicht zu den Civilärzten? Der Kranke war mit den Offizieren in einem Hause logirt und doch kümmert man sich nicht um ihn, ja als er den Geist aufgegeben, tröstet man sich: „er war ja noch nicht einexerzirt!!!“
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[ 103 ] Berlin, 16. Aug.
Sitzung der Vereinbarerversammlung. Tagesordnung: Bericht der Petitionskommission.
Es sind bis jetzt der Vereinbarer-Versammlung über 8000 Bittschriften eingereicht, von denen ein großer Theil viele Unterschriften trägt Seit dem die Fachkommissionen eingerichtet worden, sind denselben die ihr Fach betreffenden Petitionen übergeben worden, und nur über einzelne spezielle Gegenstände, die in 145 Nummern eingetheilt sind, liegt der heutige Bericht vor.
Die Proletarier der Städte und des platten Landes, und selbst die kleinen Grundbesitzer, äußern Wünsche und Verlangen, deren Erfüllung der Kommission fast unmöglich scheint, jedenfalls eine große Aufopferungsfähigkeit der besitzenden Klassen bedingen würde.
Es sind bereits von dem Ministerium des Handels und der Gewerbe im Monat Mai d. J. Kommissionen zur Vermittelung zwischen den Arbeitern und Lohnherren in den Handwerken und in der Fabrikation, namentlich für die Städte angebahnt. Ein gleiches Bedürfniß erscheint für die Bevölkerung des platten Landes als eben so nothwendig. Hier wird insbesondere Seitens der Kommunen und der Kreise vermittelnd eingegriffen werden müssen. Es wäre deshalb eine gründliche Erörterung der Verhältnisse der ländlichen Bevölkerung, sowohl derjenigen, welche von der Arbeit lebt, als der, welche Arbeit gibt, wünschenswerth. Diese Ermittelungen könnten in jedem Kreise von einer gemischten Kreiskommission, welche etwa aus 2 Gutsbesitzern, 2 Pächtern, 2 bäuerlichen Gutsbesitzern, 2 Häuslern, 2 Tagelöhnern, 1 Landgeistlichen, 1 Dorfschullehrer und einem Arzt, welcher Praxis auf dem Lande hat, vielleicht unter dem Vorsitz des Vorstehers eines landwirthschaftlichen Vereins, welche Mitglieder alle von den Wahlmännern des Kreises durch absolute Stimmenmehrheit zu wählen wären, bewirkt werden.
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Das Domfest von 1848.
(Fortsetzung.)
Es ist ein ergreifendes Schauspiel, wenn der Vesuv seine rothen Feuerblöcke in die tiefblaue See wirft; es ist ein erhabener Anblick, wenn die Lawine von den Alpen hinab in das Thal rollt und es muß großartig aussehn, wenn der Niagara seinem Bette entgegenschäumt ‒ aber noch viel ergreifender, erhabener und großartiger ist es, wenn auf dem Gürzenich-Saal der heiligen Stadt Köln Zwölfhundert hungrige Gäste zur Feier des Dombaus über einen Häringsalat herfallen. Ich habe in meinem Leben nichts Imposanteres gesehen. Unvergeßlich wird mir diese Scene bleiben. Als ein Mann, der den Dom und den Häringsalat liebt, hatte ich mir für mein schweres Geld auf dem Sekretariate des Central-Dombau-Vereins eine Festmahl-Karte gekauft. Ich habe nie eine Portion Häringsalat theurer und mit mehr Vergnügen bezahlt als dies Mal; ich bin sogar einen halben Tag dahinter her gelaufen und wäre Herr Schnitzler nicht ein so überaus artiger Mann, ich liefe noch ‒ und Alles um eine Portion Häringssalat! Man sollte sagen, daß ich den schrecklichsten Katzenjammer gehabt haben müßte.
Aber wie meine Leser wissen, war dem nicht so. Ich hatte den ganzen Morgen mit meinem beschränkten Unterthanen-Humor an den Pforten des Domes gestanden und mich mehr des wohlfeilen Regenwassers als des kostspieligern Weines erfreut.
Endlich war der Reichsverweser und der König erschienen, endlich hatte ich Beide bewundert und endlich konnte ich naß wie ein Pudel nach Hause gehen, um für das bevorstehende Diner Toilette zu machen.
Schön wie ein Gott und hungrig wie ein Wolf trat ich in den Saal. Schon auf der Schwelle hätte ich vor Erstaunen fast einen Purzelbaum geschlagen. War das der Gürzenich? O seltsame Aendrung!
Ach, ich kenne den Gürzenich aus meinen Jugendjahren, aus jener Zeit, wo ich noch in der Sternengasse, nicht weit von dem berühmten Hause wohnte, von dem mir einst ein todternster Kölner erzählte, daß der Herr Peter Paul Rubens darin geboren und daß die Medicäische Venus darin gestorben sei! ‒ Ach, damals hatte ich noch meine fünf Sinne beieinander und hielt es für meine Pflicht, jedes Mal um die Karnevalszeit Schulden zu machen und meine Uhr zu verkaufen, um hinter dem Rücken meiner alten grausamen Freunde die schönste Maske zu machen, welche je durch die Straßen der heiligen Stadt Köln sprang. Hab' ich nicht ein Mal den Don Quixote gespielt, in gelben Stiefeln, in schwarzer Trikko-Hose, den Panzer vor der Brust, den Spitzenkragen um den Hals, das Barbierbecken auf dem Kopfe und den fürchterlichen Speer in der Rechten?
Zog nicht mein Sancho hinter mir her, mit weltkugelrundem Bauche, in ländlicher Tracht, und forderte ich nicht auf dem Gürzenich wenigstens ein Schock der holdseligsten Dulcineen zum Tanze heraus, bis mir zuletzt die Beine unterm Leibe fortliefen und bis ich einer blassen Leiche ähnlich an die Brust meines mir ewig theuern und unvergeßlichen, damals als Bär verkleideten Freundes Klütsch sank?
O, wie hatte sich Alles geändert! In demselben Saale, in dem ich früher nur der heiligen Stadt Köln vortrefflichste Narren in buntem Gedränge durcheinander wogen sah, in demselben Freudensaale erblickte ich jetzt an unendlich langen Tischen, ach Gott, der Politik geweihte Köpfe, Deputirte aus Hessen, aus Oesterreich, aus Schwaben, aus Bayern, aus Ungarn, aus Oldenburg und mitten zwischen ihnen nichts als kohlschwarze Pastöre, Geheimräthe, Kaufleute und andre nützliche Mitglieder der menschlichen Gesellschaft ‒ ich glaubte weinen zu müssen.
Aus den Deckenfeldern des Saales, aus denen früher Rosen und Reben nickten, schauten jetzt grimmige schwarze Reichs-Adler; an den Säulen, die früher die ausgezeichnetsten Geckenköpfe schmückten, hingen jetzt die Wappenschilde der verschiedenen deutschen Staaten und an den Wänden des Saales hieß es statt: „Es leben alle Narren!“ „Ein einiges Deutschland!“ und statt: „Allen wohl und Keinem weh!“ „Eintracht und Ausdauer.“
Eine unendliche Wehmuth erfaßte mich; ich fühlte zum ersten Male, daß uns die leidige Revolution, und noch dazu eine Revolution, die die guten Kölner gar nicht einmal gemacht haben, um allen Spaß zu bringen droht. Durch die Reihen der Tische, an den unheimlich unverständlich redenden Volksvertretern schritt ich so traurig vorüber, wie vielleicht der Geist eines alten verkommenen Griechengottes an den glattgerittenen Bänken einer protestantischen Kirche vorüberspukt und ich konnte erst wieder recht herzlich lachen, als ich auf der Erhöhung des gewaltigen Raumes, an derselben Stelle, wo ich seiner Zeit als Don Quixote meiner Dulcinea nachjagte, den edlen Gagern hinter der deutschen Einheit herlaufen sah und den Sancho Soiron erblickte, wie er seinem berühmten Ritter im purzelnden Eselstrapp zu folgen strebte.
Das Spaßhafte dieser Erscheinung tröstete mich in etwa; ich überzeugte mich davon, daß wenigstens noch nicht aller Humor aus der Welt verschwunden ist und da gerade an die Stelle des Häringsalates einige höchst einladende Salme auf die Tafel schwammen, so bemächtigte ich mich, nicht ohne Lebensgefahr, eines Couvertes und drückte mich zwischen einige unbekannte Versammelte und stammelte mein Tischgebet. Wie immer, betete ich aus dem Homer, in Hexametern.
Und die ehrbare Schaffnerin kam, und tischte das Brod auf,
Und der Gerichte viel aus ihrem gesammelten Vorrath.
Und ich erhob die Hände zum leckerbereiteten Mahle.
Mit den Gerichten und dem leckerbereiteten Mahle muß ich indeß meine Leser erst noch genauer bekannt machen. Die Speisen sind keineswegs eine Nebensache bei einem Essen. Wie meine Leser wissen, folgte dem Häringssalat der Salm. Aber das war noch keineswegs Alles. Ich greife daher zu dem Küchenzettel, den jeder Gast in Großfolio-Format neben seinem Teller fand und den ich wohlweißlich mit nach Hause genommen habe um mich noch nachträglich davon zu überzeugen ob ich auch gewissenhaft das ganze Verzeichniß durchgekaut habe. Ich that dies zu meiner besonderen Beruhigung.
[0404]
[Deutschland]
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@facs0404
Baumstark spricht in einer sehr langen Rede über diesen Gegenstand und motivirt folgenden Antrag: „Daß der Antrag der Kommission auf Einsetzung gemischter Kreiskommissionen den Ministerien des Handels der Gewerbe und des Ackerbaues zur näheren Erwägung, resp. Ausführung in denjenigen Kreisen, in welchen sich das Bedürfniß zeigt, überwiesen werde.“ Uhlich will, daß etwas für die arbeitenden Dorfbewohner, die keinen Grundbesitz haben, geschähe, da dieselben bei den Gemeinheitstheilungen unberücksichtigt geblieben. Mätze trägt darauf an, daß Schiedskommissionen gebildet werden sollen, um die bei den Ablösungen und Gemeinheitstheilungen, sowie bei den Parzellirungen vorgekommenen Ungerechtigkeiten zu untersuchen und auszugleichen suchen.
Reichenbach erklärt sich gegen die Einsetzung von Kommissionen, da, wie der Minister selbst neulich sagte, von Kommissionen niemals etwas Ersprießliches erlangt wird. Der Grund der großen Noth der arbeitenden Klassen, besonders in Oberschlesien und Preußen liegt tiefer. Es sind die Robote und andere Lasten wodurch sie verhungern. Was nützt wenn Kommissionen niedergesetzt werden, da die Arbeiter eben durch die Robote gezwungen sind für einen Lohn zu arbeiten, von dem sie nicht leben können. So lange wir nicht dem Beispiele Oestreichs folgen, diese drückenden Lasten mit einem Schlage aufzuheben, und wenn auch mancher Gutsbesitzer dabei von seinem Vermögen verlieren sollte, werden wir nie die Noth dieser Bevölkerung genügend lindern können.
Minister Milde (vulgo Baumwoll-Milde): Das verehrte Mitglied aus Schlesien weiß es sehr wohl, daß Niemand an den Roboten verhungert ist, es war der Typhus, der die Bevölkerung in Oberschlesien hinraffte. (Also nicht der Hunger hat den Typhus, sondern der Typhus hat den Hunger hervorgebracht!!) Auch meine Ansicht ist es, daß etwas für die unterdrückte arbeitende Bevölkerung geschehen müsse, sie wird sowohl von Fabrikanten als von Gutsbesitzern auf alle mögliche Weise geplagt. Auch ich halte die Befreiung des Grundeigenthums von den Feudallasten für das zweckmäßigste soziale Mittel.
Reichenbach (eine thatsächliche Berichtigung): Wenn ich sagte: die Leute sind an den Roboten verhungert, so weiß ich wohl, daß Niemand an den Roboten selbst verhungern kann, aber in Folge des geringen Lohns, den er für dieselben erhält, welcher nicht hinreicht, um sich mit Brod davon zu sättigen.
Schramm stellt hierauf das Amendement: der Antrag der Petitions-Kommission solle von der Fach-Kommission für Handel und Gewerbe weiter regulirt werden und zwar mit Rücksicht auf den dieser Fach-Kommission überwiesenen, von ihm eingebrachten Antrag betreffend: die Verhältnisse der Arbeiter und Arbeitgeber.
Gedicke (aus Pommern) bemerkt, wie in seiner Gegend ein Tagelohn von 2 1/2-4 Sgr. ohne Essen gezahlt würde. Er will die Einsetzung eines allgemeinen Tagelohns von wenigstens 6 Sgr. Auch wegen Abhülfe eines anderen großen Uebelstandes will er eine Untersuchung eingeleitet sehen, daß nämlich die Gutsbesitzer, wenn sie die Kräfte eines Tagelöhners 20-30 Jahre benutzt haben, und derselbe arbeitsunfähig wird, ihn nicht ohne Weiteres fortschicken können.
Stupp bemerkt, daß er überzeugt sei, von der Noth in einem Theile des Staats, daß aber ein solcher Mißstand zwischen dem Gutsherrn und dem Arbeiter im Rheinlande nicht existire Dort gibts nur ein Vertrags- aber kein Abhängigkeitsverhältniß. Er ist entschieden gegen die von der Kommission vorgeschlagenen Kommissionen im Rheinlande, sie würden die Arbeiter, die jetzt mit ihrer Stellung zufrieden sind, nur aufhetzen, und sie an eine Noth glauben machen, die in Wahrheit nicht da ist.
D'Ester: Ich kann dem von einem früheren Redner ausgesprochenen Grundsatz nicht beistimmen, daß die Gutsbesitzer von den Arbeitern abhängig wären, indem letztere die ersteren jetzt zu manchen Nachgiebigkeiten gezwungen hätten. Die Rheinlande haben allerdings den großen Vorzug, daß es dort nicht möglich ist unter 6 Sgr. einen Tagelöhner zu bekommen; dies verdanken wir aber der Aufhebung der alten Feudalrechte und Roboten, die im Rheinlande mit einem Schlage fielen durch die französische Revolution. Die sociale Frage ist allerdings wichtiger als alle Verfassungsfragen, aber auf dem Wege einer gemischten Kommission, die aus Gutsbesitzern, Pächtern, Fabrikanten, Bauern, Geistlichen und Schullehrern zusammengesetzt ist, wird schon vermöge ihrer unnatürlichen klassenartigen Zusammensetzung nichts erreicht werden. Wozu auch eine solche Kommission? Geben Sie eine freisinnige Gemeindeverfassung, so ist die Gemeindebehörde die natürlichste Kommission zur Berathung über die Noth der arbeitenden Klassen, und sie wird suchen die Nothstände nach den örtlichen Verhältnissen zu lösen.
Es sprachen noch viele Redner, viele der Herren Abgeordneten aus dem Bauernstande lassen zum ersten Male ihr Rednertalent glänzen. Auch die Minister Milde und Gierke mischen sich oft in die Debatte. Als es zur Abstimmung kommt, werden alle gestellten Amendements verworfen und der von der Kommission befürwortete Antrag Baumstark's auf gemischte Kreis-Kommissionen mit 155 gegen 140 Stimmen angenommen.
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@facs0404
[ 15 ] Berlin, 16. August.
Unter den Linden wird es mit jedem Tage, oder vielmehr mit jedem Abend stiller und stiller; der souveraine Lindenklub, schon vorgestern auf einen jammervollen Ueberrest geschmolzen, war gestern Abend gar nicht vorhanden.
Der Beschluß der 180 gegen 179 unserer Vereinbarer über das Ausscheiden reaktionärer Offiziere aus dem Dienst, hat beispiellose Erbitterung unter denselben hervorgerufen. Die Vossische Zeitung ist nicht bloß in den Eingesandts, sondern auch in dem Redaktionstheil voll der gehässigsten Angriffe gegen die Versammlung; sie ruft ihnen täglich in die Ohren: Ihr seid nicht competent zu solchen Beschlüssen, ihr seid nur dazu da, um eine Verfassung zu vereinbaren.
Ueberhaupt lohnt es sich wohl der Mühe, die „gute“ Presse manchmal zu durchmustern. Die „Neue Preußische Zeitung“ mit ihrem Landwehrkreuz und dem Symbol: Mit Gott für König und Vaterland, wird nicht ohne Geschick redigirt. Die modernen Konstitutionsschöpfungen, die man auch bei uns einführen will, befeindet sie entschieden, sie sagt mit Kaiser Nikolaus, sie könne wohl eine absolute Monarchie oder eine Republik, aber nimmer eine konstitutionelle Verfassung begreifen. Gegen Hansemann und Consorten speit sie Feuer und Flammen, nicht minder gegen die Rechte im Frankfurter Parlament; bei der Linken findet sie noch Consequenz und Entschiedenheit, und belobt sie deshalb auf's Höchste. Der Reichsverweser ist ihr ein Dorn im Auge; in einem Artikel aus Naumberg, wo am 6. August eine Bürgerwehrparade stattfand, sagt sie ganz ernsthaft: „Ob in dem Akte der einem fremden Fürsten geleisteten Huldigung das Verbrechen des Landesverraths und der Versuch zum Hochverrath enthalten sei, wollen wir hier nicht untersuchen.“
Das 18. Infanterie-Regiment, welches seit 28 Jahren in Posen stand, hat nun dies Quartier verlassen müssen, um nach Preußen zu marschiren, und unter anderen Graudenz und Thorn zu besetzen; der Major Breetz erläßt in der Posener Zeitung eine Danksagung an die Behörde und Einwohner Posens, worin er denselben für das „herzlichste Einverständniß“, das zwischen ihnen und den Truppen fortwährend geherrscht, seinen Dank abstattet. Bekanntlich besteht dies Regiment zum Theil aus Polen; zwischen beiden Nationalitäten waren in der letzten Zeit häufige Reibungen ausgebrochen, und da man, falls erneute Unruhen ausbrachen, zu den Polen nicht eben großes Vertrauen hatte, so glaubte man am besten zu thun, wenn man das ganze Regiment versetzte. Zu den Zeiten der Insurrektion zwang man ohne weiteres polnische Soldaten, in preußischen Uniformen, gegen ihre Brüder zu kämpfen.
In Polen alles still und finster; von Zeit zu Zeit eine Confiskation, das ist alles, was man von dort hört. So ist erst neulich auf das sämmtliche bewegliche und unbewegliche Vermögen des Geistlichen Milanowski aus dem Gouvernement Augustowo und seiner Wirthin Bujniewiczewa, welche beide am 16. April über die Gränze geflohen waren, der Sequester gelegt worden.
Wie streng auch die polnischen Gränzen nach allen Seiten hin abgesperrt sind, so hat doch keine Gränzsperre verhindern können, daß ein sehr unangenehmer Gast das Königreich Polen betreten hat, nämlich die Cholera. Dieselbe ist, wie der Generallieutenant Fürst Gorczakow anzeigt, in der Stadt Krasnymstawa im Gouvernement Lublin am 6. August ausgebrochen und hat bereits 7 Einwohner und 3 Soldaten befallen.
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@facs0404
[ 103 ] Berlin, 16. August.
Der Finanzminister hat die Motive zu dem, die Aufhebung der Grundsteuer-Befreiung betreffenden Gesetz-Entwurfe dem Druck übergeben. In den Motiven und deren Anlagen wird nachgewiesen, daß es in den östlichen Provinzen nicht weniger als 120 verschiedene, 16 Hauptsteuersystemen angehörige Arten von Grundsteuern giebt, welche nach äußerst abweichenden Grundsätzen veranlagt und in weit auseinanderliegenden Zeiten entstanden sind. Nur in den beiden westlichen Provinzen ist der Ertrag des Grund und Bodens durchgängig nach denselben Prinzipien ermittelt und mit dem gleichen Prozentsatz zur Grundsteuer veranlagt. ‒ Die Mehreinnahme, welche Herr Hansemann aus dieser Maßregel für den Staat erwartet, nimmt er auf circa 1/2 Million an.
Die Central-Abtheilung zur Berathung des Gesetzes über den Zeitungs- und Gesuchsstempel hat heute ihren Bericht vertheilen lassen. Der Referent Abgeordneter D'Ester sagt darin unter Anderem:
Es ist keine Frage, daß der Zeitungsstempel eben so sehr die Presse beeinträchtigt, wie die Kautionen, ja noch in einem erhöhten Maaße. Diese Steuer ist schon grundsätzlich betrachtet eine Verbrauchssteuer auf die geistige Konsumtion und trägt daher den längst empfundenen Nachtheil aller Verbrauchssteuern an sich. Die großen, längst bestehenden Tagesblätter mit großer Auflage leiden freilich am wenigsten darunter, für sie ist die Abgabe keine fühlbare; die neu entstehenden Tagesblätter dagegen, welche ohnehin schon mit einem großen Kapital von mindestens 15,000 bis 20,000 Thaler ausgerüstet sein müssen, um die Konkurrenz der schon bestehenden aushalten zu können, werden durch die Stempelabgabe in ihrem Fortkommen so beengt, daß die allermeisten zu Grunde gehen müssen und nur sehr wenigen unter ganz glücklichen Verhältnissen wird es möglich, ihr Fortbestehen zu sichern.
Die Central-Abtheilung konnte es sich nicht verhehlen, daß im Augenblicke darauf Rücksicht zu nehmen ist, daß in den Einnahmen des Staats kein Ausfall entstehe, aber in Betracht der geringen Summe, (circa 80,000 Thlr. jährlich) welche durch den Zeitungsstempel einkommt, glaubt sie den großen Grundsatz der Preßfreiheit nicht opfern und unter das drückende Joch einer Finanzmaßregel beugen zu müssen.
Preußen hat den Umschwung seines Staatslebens dadurch gekrönt, daß es die Presse weder durch Konzessionen noch Kautionen beschränkte, es gilt nun die letzte Hand an das Werk zu legen, das letzte Hemmniß der Preßfreiheit, das ihr noch von Seiten des Staats geboten wird, zu entfernen. Preußen muß auch hier mit dem guten Beispiele vorangehen.
Die Central-Abtheilung schlägt nun folgendes Gesetz vor:
Artikel 1. Vom 1. Oktober dieses Jahres ab wird der Stempel für die innerhalb des Preußischen Staats erscheinenden Zeitungen aufgehoben.
Artikel 2. Für die außerhalb des Preußischen Staates erscheinenden politischen Zeitungen bleibt der nach dem Tarife zum Stempelsteuergesetz vom 7. März 1822 Einen Thaler Zehn Silbergroschen betragende Stempel nur in so weit bestehen, als die Zeitungen in Staaten erscheinen, welche eine Stempel-Abgabe von Preußischen Zeitungen erheben.
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@facs0404
Berlin, 16. August.
Ueber der öffentlichen Gerichtsverhandlung, betreffend die Berechtigung unseres Volks zu Versammlungen unter freiem Himmel, scheint ein eigenthümlicher Unstern zu schweben. Nachdem die Verhandlung schon am 12. d. M. hatte aufgeschoben werden müssen, weil die vorgeladenen Zeugen nicht erschienen waren, waren auch heut am 15. d. M. von den vier Angeklagten die Herrn Bauer, Löwinsohn und Schramm gar nicht erschienen; der vierte, Herr Eichler, war zwar gekommen, verweigerte aber jede Auslassung, weil das Polizei-Präsidium zu der vorliegenden Anklage gar nicht befugt erscheine. Als Polizeirichter fungirte Hr. Kriminalrath Friedrich, als Polizei-Anwalt Hr. Assessor Witte. Die Anklage dehnte sich zunächst um eine Versammlung, welche am 31. v. M. ohne Erlaubniß des Polizei-Präsidenten im Thiergarten abgehalten worden war. Drei Zeugen wurden vernommen: der Schneidermeister Kirchmann, Agent Schulz und der Graveur Straßburger. Alle drei erklärten, es wäre wohl im Thiergarten geredet worden, sie wüßten aber nicht, wer, und namentlich nicht, ob einer der Angeklagten gesprochen hätte. Als es zur Vereidung kommen sollte, leistete zwar der Zeuge Kirchmann den Eid, die Zeugen Schulz und Straßburger verweigerten aber denselben aufs Entschiedenste. Schulz gab als Grund an, daß er in politischen Untersuchungen keinen Eid leiste; Straßburger erklärte, er sei zwar von Geburt ein Jude, glaube aber nicht an Moses und die Propheten, sondern nur an Gott, ohne einer bestimmten Religions-Sekte anzugehören; er könne also den Eid weder nach jüdischem noch christlichem Ritus leisten. Alle Ermahnungen des Gerichts waren vergeblich. Da die anderen Zeugen gar nicht erschienen waren, so blieb unter diesen Umständen nichts übrig, als die Verhandlung aufzuheben und einen neuen Termin anzuberaumen.
[(V. Z.)]
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@facs0404
Frankfurt.
Die Unterzeichneten haben gegen den Antrag, dem Präsidenten der Nationalversammlung zweitausend Gulden monatlich zu bewilligen, gestimmt, weil sie möglichste Sparsamkeit im Staatshaushalte wollen, und diese Bewilligung nach ihrer Ansicht ein gefährliches Beispiel für andere Beamtenbesoldungen im Reiche und in den Einzelstaaten abgeben wird. Sie thun dies hiermit ihren Wählern kund.
Schmidt aus Sachsen. Hensel I. Hensel II. Fehrenbach. Boczek aus Mähren. L. Förster. Wiesner. Pattay aus Steyermark. Christmann. W. Sachs. Fetzer. Brunck. Schmidt aus Schlesien. Rheinwald aus Stuttgart. Vogt aus Gießen. Reinhard aus Mecklenburg. Meyer aus Liegnitz. Hentges aus Heilbronn. Berger aus Wien. Heuber aus Freiberg. Hagen aus Heidelberg. Brentano. Nauwerk aus Berlin. Dewes aus Losheim. Junghanns. L. Bogen. Reinstein aus Naumburg. Kuenzer aus Konstanz. Rödinger aus Stuttgart. Mandrella. Minkus. Schmitt aus Kaiserslautern. Schüler aus Jena. G. Gulden. Fr. Wigard. Rob. Blum. Schlöffel. G. F. Kolb. Dietzsch aus Saarbrücken. Itzstein. Tafel aus Zweibrücken. v. Trützschler. Reichard aus Speier. Günther aus Leipzig. Dietsch aus Annaberg. C. Spatz aus Frankenthal. Dr. Mohr. Hoffbauer aus Nordhausen. Scharre aus Sachsen. Roßmäßler aus Tharand. Simon aus Trier. Martiny.
(Reichstagszeitung.)
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@facs0404
[ * ] Kiel, 14. Aug.
Die große Majorität der Mitglieder zur konstituirenden Versammlung befindet sich bereits hier. Es steht zu erwarten, daß sie bald nach Eröffnung sich in Bezug auf die Waffenstillstands- und Friedensbedingungen in dem nämlichen Sinne aussprechen wird, wie dies die aufgelösten Stände gethan.
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@facs0404
[ * ] Kiel, 15. Aug.
Die konstituirende Versammlung ist durch den Regierungspräsidenten Beseler heute eröffnet worden. Fünf von der Regierung ernannte Männer (alle zu Deputirten gewählt), haben einen Verfassungsentwurf ausgearbeitet, der der Versammlung vorgelegt wird, aber keineswegs den Charakter eines offiziellen Regierungsentwurfs hat. Zum Präsidenten wurde erwählt Adv. Borgum mit 84 Stimmen von 102, zum Vizepräsidenten Olshausen. Hr. Bremer ist Regierungskommissair.
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@facs0404
[ 61 ] Wien, 14. August.
Sicherem Vernehmen nach hat der Kaiser die Reichstagsdeputation nach Innsbruck mit der Frage empfangen: Sind die Studenten noch immer beisammen? Die Zerschmetterung Italiens und die Rückkehr des Hofes hat, das fühlt man schon, auf einmal auch das ganze Schwarzgelbthum wieder hierher gezaubert. Im Garten von Schönbrunn wimmelte es gestern von heimgekehrten, nur französisch redenden Kavalieren und statt des Volkes trieb sich der Unflath der Kamarilla darin umher. Mir wurde Angst und bange, denn der Refrain: „Sind die Studenten noch beisammen?“ lauerte verrätherisch auf den Lippen all dieser wieder herbeigeströmten Eulen. In der Stadt kriechen heute auch schon alle Schacherjuden und Schacherchristen wieder hervor und wie sie während der kaiser- und hoflosen Zeit, während der Ungewißheit des italienischen Kriegs, aus Furcht geschwiegen, so sangen sie nun im Sonnenschein des Hofs aus ihrem Sumpfe heraus um so stärker wieder zu quaken an: „Sind die Studenten noch immer beisammen?“
Die Listen, welche zur Auflösung der akademischen Legion auffordern und von den Spießbürgern kolportirt werden, sollen daher schon viele Unterschriften zählen. Gelingt der Schlag wider die Legion, und Sie wissen ja, daß dem Juden heutzutage Alles gelingt, was der Aristokratie fehlschlägt, so ist es um die Freiheit Oestreichs geschehen, denn sie hat dann kein mit eiserner Intelligenz bewaffnetes Haupt mehr.
Ich vergaß gestern zu bemerken, daß die Erzherzogin Sophie, als sie in den von Menschen überfüllten Empfangsaal trat, ganz stumm empfangen wurde und so eilig sie konnte, mit niedergeschlagenem Blick durch die sie angaffende Versammlung hindurch in die anstoßenden Räume verschwand. Der Kaiser sagte zu den Abgeordneten: „Er habe in einem Irrthum gelebt, nun aber eine andere Ueberzeugung von seinem Volke bekommen; darum wolle er jetzt für Deutschland, für Oestreich leben, er wolle das Vertrauen seines ganzen Volkes zu gewinnen suchen.“ Die gestrige ganz unkonstitutionelle Proklamation, die heute in den Straßen feil geboten wird, können Sie als den ersten Probeschuß der wieder angekommenen Ritter betrachten. Dennoch, glaube ich, wird [Fortsetzung?]
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@facs0404
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@facs0404
Der Speisezettel heißt aber treu kopirt wie folgt:
Festmahl der Dombau-Vereinsgenossen auf dem Saale Gürzenich, bei Gelegenheit der 6. Säkular-Feier der Domgrundsteinlegung. 15. August 1848.
Italiänischer Salade.
Rhein-Salm.
Westerwalder Ochsen-Rücken.
Festlied von Inckermann.
Westphälischer Schinken mit Saladbohnen.
Preiset die Reben etc.
Gefülltes Geflügel.
Wildpasteten.
Bekränzt mit Laub etc.
Süsse Speise. Nachtisch.
Zeltinger 10 Sgr. Moselblümchen 20 Sgr. Scharzhofberger 40 Sgr. Liebfrauenmilch 25 Sgr. Ahrbleichart 10 Sgr. Bordeaux 25 Sgr. Champagner Giessler-Mumm oder Loisson 2 Thaler.
Das Ganze ist umringt von Arabesken und alegorischen Figuren: ein Küser, ein unentzifferbares Wesen, ein Kerl mit einem höchst christlich-germanischen Gesichte mit dem Reichsadler und viertens ein ditto mit dem preußischen Adler.
Ich kann es mir nicht versagen, noch die Bemerkung hinzuzufügen, daß die Kölnische Zeitung in ihrem sonst so reichhaltigen und schön stylisirten Berichte über die Festlichkeiten, dieses Dokument nicht mit aufgeführt hat. Die Gründe zu dieser Weglassung habe ich beim besten Willen nicht ermitteln können, so viel ich aber höre soll keine böswillige Absicht dabei zum Grunde gelegen haben, was natürlich auch nicht anders zu erwarten war.
Nachdem ich den Speisezettel auf's sorgfältigste studirt und meinem Salm ‒ dem Fisch, nicht dem Fürsten Salm ‒ mit Messer und Gabel angekündigt hatte, daß seine letzte Stunde gekommen sei, schaute ich mich zum ersten Male nach meinen Nachbarn um. Lauter fremde Gesichter, alle in ihre Atzung vertieft. Es ist traurig, wenn man unter 1200 Menschen sitzt und sich mit Niemanden unterhalten soll. Man kommt sich wie ein Zellengefangener vor. Ich schüttete daher meinem Nebenmanne ein halbes Glas Champagner über den Arm um mich dann bei ihm auf's unterthänigste zu entschuldigen und auf diese Weise die Konversation zu beginnen.
Der gute Mann schien Lebensart zu haben, denn er ging in die Falle und theilte mir sofort mit, daß er ein Oesterreicher sei und der Frankfurter National-Versammlung angehöre. „Ich bin ganz entzückt darüber“ ‒ bemerkte er ‒ „daß Sie unsern Erzherzog so freundlich empfangen haben. Das hat mir in der Seele wohl gethan. Ich werde die Artigkeiten der Kölner nicht genug zu loben wissen. Einen solchen Enthusiasmus und ein solches Hurrahrufen habe ich selten gehört ‒ man empfing den Erzherzog-Reichsverweser fast günstiger wie Se. Majestät den König ‒“ Das Gespräch wurde mir zu ernsthaft: „Verzeihen Sie mein Herr ‒ Sie irren sich; der Luftschiffer Coxwell, der bei der Ankunft des Reichsverwesers über Köln emporstieg und der daher den ganzen Empfang aus der Vogelperspektive, oder so zu sagen von einem höhern Standpunkt aus betrachtete, hat mir versichert, daß die Feier viel zu wünschen übrig gelassen habe; die Sonne habe nicht einmal geschienen, es sei das häßlichste Regenwetter gewesen ‒“ der Oesterreicher sah mich verwundert an. „Aber jedenfalls“ ‒ fuhr ich fort ‒ „haben wir uns sehr über den Reichsverweser gefreut; wir glaubten eine Geissel Gottes zu bekommen und wir fanden einen alten freundlichen Mann, der im schäbigen Röckchen, mit weißer Weste und mit entblößtem Haupte in unsere Stadt einzog: ein trauliches Mährchen aus alter Zeit ‒ aber haben Sie Ihren Speisezettel schon einmal durchgesehen?“
Der Oesterreicher sah auf seine Großfolio-Liste: „Den italienischen Salat haben wir genossen.“ Allen Irrthümern vorzubeugen zog er indeß noch einen Bleistift aus der Westentasche und machte ein Kreuz vor die betreffende Speise. „Ist dieser Salat nicht so vortrefflich, als ob ihn Radetzky selbst angemengt hätte?“ Der Oesterreicher blickte mich zum zweiten Male sehr erstaunt an. „Den Salat ‒“ begann er aufs Neue, „und den Salm verstehe ich schon, auch der Westerwalder Ochsen Rücken ist mir bekannt, aber bitte, sagen Sie mir doch, was verstehen Sie unter dem Festlied von Inckermann ‒ es steht mitten unter den Speisen, es wird ein Gericht sein?“
„Allerdings! ein politisches Gericht, ein echt germanisches Ragout, in drei Versen oder Schüsseln.“ „Soll mich wundern,“ versetzte der wißbegierige Mann, „dann kommen westphälische Schinken und Salatbohnen; wiederum zwei unzweideutige Dinge; ferner aber: „Preiset die Reben?“
„Dies ist eine höchst poetische Ente mit einer Weinsauce und Trüffeln.“ „Was Sie sagen!“ rief der Oesterreicher und leckte die Finger. „Dann haben wir gefülltes Geflügel und Wildpasteten: darüber kann kein Zweifel sein; beides zwei auserlesene Sachen. Aber schließlich wieder: Bekränzt mit Laub ‒ was ist das?“ Ich schnitt ein Gesicht wie ein todtes Kameel. „Bekränzt mit Laub ist ein wahres National-Fressen. Die Studenten lieben es vor allen Dingen; bei jedem Kommers wird es aufgetischt und mit Bier angefeuchtet hinuntergeschluckt; außerdem findet man es im Munde aller fröhlichen Zecher; Harfenmädchen goutiren es ebenfalls. Wenn ich mich nicht sehr irre, so erfand es der alte Asmus, als er eines Abends mit der Frau vor der Hausthüre saß und die Sterne beschaute. Es scheint, der Central-Dombauverein hat dieses Gericht direkt durch den Wansbecker Boten kommen lassen.“ „Das ist sehr artig!“ meinte der Oesterreicher. Da überließ ich ihn den süßen Speisen, dem Nachtisch, der Weinkarte und für die Zukunft der Paulskirche.
Von meinem Nachbar zur Rechten wandte ich mich zu meinem Tischgenossen vis-á-vis, der sich durch seinen rein uckermärkischen Accent bereits als ein Stock-Preuße und durch verschiedene erhabene Festbemerkungen als ein Mann von ungewöhnlicher Bildung beurkundet hatte. Er war wiederum ein Nationalversammelter. Ich machte sofort die Honneurs und bot ihm das Salz meines Geistes und den Senf meiner Konversation an. Er behauptete aber, Rheinsalm schmecke besser mit Oel und Essig. „Sie essen selten einen Salm in Berlin?“ fragte ich ihn. „Selten!“ ‒ erwiederte er lakonisch, „aber wir essen viel Teltower Rüben ‒“ Es wurde mir traurig zu Muthe. Ich sah schon bei den ersten
[0405]
[Deutschland]
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@facs0405
man den Adel fallen lassen, um sich auf das Schacherthum zu stützen. Absolutismus, Spießbürger und Juden gehören heutzutage in einen Topf. Ganz richtig bemerkt daher die „Oesterreichisch Deutsche Zeitung“ vom 13. d., die aber ebenso, wie Löbensteins „Allgemeine Wiener Zeitung,“ obgleich sie zu den bessern demokratischen Blättern gehörten, aus Mangel an Abonnenten den Kampfplatz verlassen müssen: „So erwünscht die Rückkehr des Kaisers insofern ist, als sie die plumpsten Hoffnungen der Reaktion mit einem Schlage vernichtet, so sehr müssen sich doch alle wahren Freunde der Freiheit gefaßt halten, ihre Gegner jetzt ein anderes, kaum minder gefährliches Spiel beginnen zu sehen, denn es steht sehr zu befürchten, daß die Reaktion dasjenige, was sie durch eine drohende Haltung der Demokratie nicht abzutrotzen vermag, nunmehr durch eine einschmeichelnde Haltung derselben abzugewinnen versuchen wird. Sie wird weder Kosten noch Mühe sparen, die Opposition im Reichstage durch gemeine Bestechung zu gewinnen und dem arglosen Volksmanne gegenüber wird sie nicht unterlassen, die feinern Künste der Verführung in Anwendung zu bringen. Man wird glänzende Hoffeste veranstalten, durch liebenswürdige Herablassung alle Herzen entzücken. Die Mitglieder des hohen Adels werden sich an ausgesuchter Höflichkeit überbieten und die schlichten Männer, an deren Urtheil das Wohl und Wehe von Tausenden hängt, werden finden, daß der Teufel nicht so schwarz ist, als man ihn gemalt hat u. s. w.
Schon heute begegnete ich den thronfolgenden Erzherzogen in den Straßen; sie grüßten alle Welt, wenn auch alle nicht schwarz-gelbe Welt sie ungegrüßt ließ. Sie wissen aus der Bildung der Verfassungskommission, daß das deutsche Element dabei gesiegt hat; das deutsche Element ist aber kein anderes, als das Judenelement. Hätte das Slaventhum die Oberhand behalten, so würde wenigstens dieses Element unterlegen haben, weil die Slawen im Grunde doch nach einer bessern Freiheit streben, als die deutschen Schacherjuden.
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@facs0405
[ 61 ] Wien, 13. Aug.
So eben wird folgendes durch Maueranschlag veröffentlicht:
„An Meine getreuen Wiener!
Der gestrige Tag, an welchem Ich, in Eure Mitte zurückkehrend, die schönsten Beweise Eurer alten unveränderlichen Liebe erntete, wird Mir und allen Gliedern des kaiserlichen Hauses unvergeßlich bleiben.
Möge er als feierlicher Gedächtnißtag des neuen Bundes zwischen einem freien Volke und seinem konstitutionellen Kaiser in der Geschichte des Vaterlandes ewig glänzen; mögen auch fernerhin Friede, Eintracht, Ordnung und Gesetzmäßigkeit herrschen, damit unter ihrem Schirme der Aufbau unseres neuen verfassungsmäßigen Staats zum Heil und Segen aller Völker Oesterreichs gedeihe und sich kräftige.
Im Vereine mit den selbstgewählten Vertretern derselben und unterstützt von Meinen verantwortlichen Räthen hoffe Ich die schwere, von der Vorsehung Mir beschiedene Aufgabe, die neue Konstituirung des Vaterlandes, rühmlich zu Ende zu führen.
Ferdinand. Wien, 13. August 1848.“
Da kein Minister unterzeichnet steht, so hat diese Ansprache nur das Ansehen einer persönlichen Versicherung, nicht aber dasjenige eines konstitutionellen Aktes. Ob die Minister absichtlich vermieden worden sind, oder ob sie sich selber absichtlich vermieden haben, will ich vorläufig dahingestellt sein lassen. Es muß sich nun bald zeigen, ob die Minister im Stande sind, den Kaiser den Einflüssen des Hofs gänzlich zu entreißen; es muß sich zeigen, ob die demokratische Umgestaltung Oesterreichs durch den gegenwärtigen Reichstag entscheidend vor sich geht.
Die Arbeiter rühren sich immer mehr. Sie haben im Theater in der Josephstadt einen Verein gestiftet, der an social-demokratischer Richtung und an Zahl der Mitglieder alle andere Vereine hierselbst überbietet und sich bereits mit andern deutschen Vereinen in Verbindung gesetzt hat. Für heute waren alle Freunde der Arbeiter und Steuerbar-Unbemittelten zu einer Versammlung berufen, um wegen eines hier abzuhaltenden Arbeiter-Parlamentes Beschluß zu fassen. ‒ Die Arbeiter üben eine strenge Kontrolle gegen Bäcker, Fleischer und alle Viktualienverkäufer; sämmtliche Schacherer und Wucherer sind nebst Wohnung und Stand in Verzeichnisse gebracht, von denen bereits 4 gedruckt erschienen sind. Der Präsident des Arbeitervereins erhält, damit er mehr im Interesse des Vereins wirke, ein monatliches Gehalt von 25 Gulden C. M. und damit jeder Gelegenheit bekomme, sich und die Seinen zu bilden, werden Zeitungen gehalten und alle wichtigen Bücher angeschafft. Die akademische Legion, welche an 15,000 Bewaffnete zählt, und die Arbeiter haben Wiens Schicksal entschieden, sie scheinen berufen zu sein, auch ferner eine Rolle zu spielen. Es bedarf nur eines Rufs der akademischen Legion, so stehen alle Arbeiter und, was mehr ist, alle Bauern da, um nur diesem Ruf zu gehorchen. Das Ministerium beschäftigt zwar einen Theil der Arbeiter, (an 14,000 wöchentlich) aber es hat gar keinen moralischen Einfluß auf dieselben.
Gestern Morgen soll ein Arbeiter, der am Bründl eine republikanische Ansprache gehalten, verhaftet worden sein. ‒ Wie ich höre, will man das Pflaster der eigentlichen Stadt aufheben und ihre Straßen, statt mit Steinen, mit Asphalt pflastern. Die hiesige Pflastersteine sind eine furchtbare Waffen in den Händen des Volks und selbst Paris hat keine ähnlichen aufzuweisen. Bei dem außerordentlich massiven Bau der Stadt, bei ihren engen Straßen und himmelhohen Häusern ist sie im Falle eines Angriffs im Stande, mit den bloßen Pflastersteinen ohne Schuß jede eindringende Armee zu vernichten. Sie sehen, das Asphaltiren ist darum ein Gedanke, der den unglücklichen Volksfeinden Ehre macht und gewiß von einem Jellachich oder Windischgrätz ersonnen worden ist.
N. S. Telegraphische Depesche des Ministeriums:
Cilli, 12. August um 11 Uhr 10 Minuten Nachts.
„Sechswöchentlicher Waffenstillstand zum Behufe von Friedensunterhandlungen mit dem Könige von Sardinien abgeschlossen.
Peschiera, Rocca d'Arso, Oseppo haben sich unsern Truppen übergeben. Flotte und Landtruppen aus Venedig und seinen Häfen herausgezogen, und kehren in die sardinischen Staaten zurück.
Modena, Parma und die Festung Piacenza geräumt.“
Italien.
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@facs0405
Mailand.
Am 10. d. ist hier eine Ordonnanz erschienen, welche allen Ausgewanderten, die nicht innert 14 Tagen zurückkehren, mit Konfiskation droht. ‒ In Como sind die Oesterreicher am 10. d. eingerückt. Ueberall sollen die alten verhaßten österreichischen Beamten wieder einziehen, die man in den Märztagen verjagt hatte; so in Mailand der berüchtigte Pachta.
‒ Die „Gazetta di Milano“ vom 11. August bringt folgenden Waffenstillstandsvergleich zwischen der sardinischen und österreichischen Armee, als Präliminarien zu den Friedensverhandlungen: Art. 1. Die Gränzscheide zwischen beiden Armeen ist die Gränze zwischen beiden Staaten selbst. 2. Die Festungen Peschiera, Rocca d'Anso und Osoppo, wie auch die Stadt Brescia sollen von den sardinischen und verbündeten Truppen geräumt, und den Truppen Sr. k. k. Maj. übergeben werden, die Uebergabe eines jeden dieser Plätze soll statthaben drei Tage nach Bekanntmachung dieser Konvention. In den erwähnten Plätzen wird das Oesterreich zugehörende Ausrüstungsmaterial zurückgegeben. Die Truppen werden ihr eigenes Material, Waffen, Munition, Monturstücke mitnehmen, und in regelmäßigen Etappen auf dem kürzesten Wege nach den Staaten Sr. sardinischen Maj. zurückkehren. 3. Die Staaten von Modena, Parma und die Stadt Piacenza mit dem ihr als Waffenplatze angewiesenen Landbezirke werden von den Truppen Sr. Maj. des Königs von Sardinien drei Tage nach Bekanntmachung des Gegenwärtigen geräumt werden. 4. Diese Konvention betrifft auch die Stadt Venedig und das venetianische Festland, die sardinischen Streitkräfte zu Wasser und zu Land werden die Stadt, die Forts und die Häfen besagten Platzes räumen, um in die sardinischen Staaten zurückzukehren. Die Landtruppen können ihren Rückzug zu Land machen über einen noch zu bestimmenden Weg. 5. Personen und Eigenthum der benannten Ortschaften sind unter den Schutz der kaiserlichen Regierung gestellt. 6. Dieser Waffenstillstand wird sechs Wochen dauern, um Friedensverhandlungen stattfinden zu lassen, nach Abfluß dieses Termins wird er entweder in gemeinsamem Einverständniß verlängert, oder 8 Tage vor Wiederaufnahme der Feindseligkeiten gekündet werden. 7. Zu leichterer und freundlicherer Ausführung des Obigen werden beiderseits Kommissarien ernannt. ‒ Hauptquartier Mailand, 9. August 1848. Der Generallieutenant v. Heß, Generalquartiermeister der k. k. Armee. Der Generallieutenant Graf Salasco, Generalquartiermeister der sardinischen Armee.
Französische Republik.
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@facs0405
[ 17 ] Paris, 16. Aug.
Die Contrereaktion, die Reaktion gegen die Reaktion, ist im Aufgehen. Der Bruch dringt jetzt auch in die Bourgeoisklasse allmälich, wo bereits die wüthendsten Zwiste zwischen Freunden und Verwandten, Eltern und Kindern, ausbrechen; davon habe ich faktische Beweise. Gestern duellirten sich zwei Brüder wegen der Junitage, und der eine ist lebensgefährlich verwundet. Manche Familien brechen den Umgang miteinander ab. ‒ Die Proletarier können, wie schon längst gesagt, ruhig das Ding laufen lassen; es ist fast positiv, daß einst die Nationalgarden in Uniform aufeinander feuern werden. Schon kam es gestern beinah dazu, als die Deputation der 2. Legion nach Bourges fuhr, um den „Waffenbrüdern“ daselbst ein Juniandenken, eine sehr kostspielige Fahne mit dem Wappen von Bourges zu bringen; am hiesigen Bahnhof bemerkten einige Mitglieder auf derselben 14 eingestickte Lilien, angeblich getreu dem Wappen nachgebildet; andre schrieen über Karlismus, und ohne den Hrn. Maire wären die Honnetten Handgemein geworden; dies verdächtige Kunstwerk blieb in Paris und man rutschte ganz verboßt mit einer Trikolore à 10 Franken zu den „lieben Waffenbrüdern“ ab. Der Siecle heult über die „traurige Lage“ der 1500 verwahrlosten Kinder im Faubourg St. Marcel, wo auch 400 Mädchen aus Raummangel nicht in die Schule der barmherzigen Schwestern gehen können, obschon die „gute“ Stadt Paris seit 2 Jahren Miethe Pränumerando zahlt für ein großes Schulhaus, welches erst im Grundstein fertig ist (sic). Hr. Minister Vaulabelle und Hr. Dr. med. Trelat, derweilen Maire, dieser „kristallreine, kristallharte Republikaner von altem Korn“ (National) hat sich bisher nicht darum bekümmert. ‒ Der Siecle giebt den Brief eines Unteroffiziers der Linie als „Meisterstück gesunden Verstandes“, worin man belehrt wird, was ein Bourgeois sei, nämlich „alle Franzosen die keine Soldaten sind“ (eigentlich Pequins mit dem Spitznamen zu Napoleons Zeit); triumphirend ruft das Krämerblatt: „ah da habt Ihr's, Sozialaufwiegler, aus dem Munde des Volkes selber!“ Dasselbe geniale Blatt citirte die Attake Proudhons gegen Malthus und behauptete im selbigen Artikel, Malthus Standpunkt werde von Proudhon eingenommen. Der treffliche Constitutionnel „dessen Dummheit, Unwissenheit und Bosheit gleichviele Kubikfuß enthalten,“ (La Braie Republique) war so gütig uns zu belehren: wenn ein Proudhon in der Kammer sitzt, so kommt das lediglich von seinen Wählern her. Der National will witzeln über Proudhon's Drohung, die Wittwen und Waisen der niedergemetzelten und deportirten Blousenmänner könnten wohl einmal mit Trauerflor und schwarzer Fahne zur Rue Lepelletier ziehen; das sei „ein Aufruf an die bösesten Leidenschaften“ meint Armand Marrast's blasirtes Journal. Es schweigt tückisch über die niederträchtigen Verweigerungen von Besuchen bei den Gefangenen, desgleichen über die liebenswürdige Behandlung während 6 Wochen; das an die alte Vehm erinnerde Verpacken und Verschiffen der 800 Insurgenten ohne Abschied (um 5 Uhr waren die Frauen hinbestellt, um 3 Uhr ging aber die Reise schon los) findet er „vorsichtig“ und „thränensparend“. Letztres ist nicht ganz richtig, viele der getäuschten Angehörigen stürzten in Zuckungen zu Boden, zerrauften die Haare, und die wenig sentimentalen Soldaten Cavaignac's, die Wache standen, murrten sogar „sie wären's müde den Henkerknecht zu spielen.“
Ganz besonders Mode ist jetzt, jedem sozialistische Lektüre liebenden Arbeiter aufzukündigen, oder „fortjagen“ wie die Herren Industriellen sich heute auszudrücken unterstehen; ein Pumpenfabrikant erzählte mir, er habe 3 seiner Besten „fortgejagt“ weil sie zweimal aus dem Populaire Cabets und aus der Proudhon'schen Kammerrede den Mitgesellen vorgelesen; „ich will mir's Haus rein halten“ setzte er mit gewichtigem Kopfwerfen hinzu. ‒ In Chartres hat ein Dragoner-Regiment beim Einzug Vive le Roi geschrieen und der Maire schwenkte den Hut; das Journal de Debats findet darin „eine sehr rührende, wenngleich unüberlegte Aeußerung edler Privatgefühle“ und erklärt in zwei Leitartikeln: „Wir, Gottlob, haben keine Februarrevolution beabsichtigt, keine Republik gemacht noch machen helfen, jedoch da beides einmal da ist, so verneigen wir uns und erdulden es (subissons), denn Opposition wäre unzeitig.“ Der Constitutionnel lächelt verständnißinnig, nennt aber diese Phrase „etwas gar zu kühn.“
Dieser Ton sei widerlich, meint der National, aber er selbst, der Exvoltärianer, wird immer mehr ein Ignorantiner (barmherziger Bruder) und predigt Allianz mit Lord Russel. Proudhon ruft ihm zu: „Merkt auf, ihr Leute vom National, die ihr gestern schriebet, ich wolle die Liquidirung der menschlichen Gesellschaft machen: ob selbige vom Bürger Proudhon, oder vom Bürger Cabet geschehen wird, weiß ich noch nicht, aber klar ist, daß ihr mit aller Macht zur Deklarirung der Fallite treibt.“ ‒ Die Frauen zeichnen jetzt zu Tausenden eine Petition an die Kammer: „Bürger Repräsentanten! Der Straßenkrieg hat Paris in Trauer gestürzt, und nach der Hungerwuth wird die Wuth der Verzweiflung losbrechen, wenn die Erkorenen des Volks immerdar die ernsten Lehren der Vergangengenheit in den Wind schlagen. Im Namen des auf seine Gräber gebeugten Frankreich's, im Namen eurer Mütter, Wittwen und Waisen, Gattinnen und Töchter, beschwören wir euch: hört die Stimme der Frauen, seien sie reich und mächtig oder schwach und arm, sie alle sind Schwestern in der Liebe zum Vaterlande, welches sie noch retten möchten vor dem gräßlichen Unheil der Zukunft… Wie in den schwarzen Tagen von 1793 schwebt der Todesschrecken über Paris, die Justiz ist verschleiert, der Haß durchzuckt jedes Herz. Wollt ihr zwanzigtausend von euren Kartätschen dezimirte Familien im Exil sterben lassen? Gebt volle Amnestie!“ Die Bourgeois werden schwerlich darauf eingehen, da „die Brut des Sozialismus droht, und am Ende Malthus wohl nicht Unrecht hat, wenn er verlangt, keiner solle sich mit mehr Kindern, als er ernähren kann, umgeben“; für welches „erzvoltärianische Ketzerwort“ der Constitutionnel vom katholischen L'Univers geohrfeigt wird; letzeres verkündigt: „nur die heilige Kirche vermag Herrn Proudhon zu beurtheilen und zu besiegen, alle andre Parteien sind nothwendigerweise ohnmächtig gegen ihn und Herrn Cabet“; die Fourieristen ärgert es, nicht einmal erwähnt zu werden. ‒
Die Republikaner der Kammer feierten den 10. August als Jahrestag der Entthronung Louis XVI. im Palais National mit einem nicht sehr Spartanischen Zweckessen von hundert und einem Kouvert; sie wollen im September Lamartine zum Vorsitz der Kammer verhelfen. Wahrscheinlich rennt der kleine Thiers ihm den Rang ab, Herr Thiers, der 1842 auf der Tribüne schrie: „Ja, ich war und bin stets rein monarchisch, und will's auch bleiben; ich habe mich hineingelebt, hineingedacht, hineinstudiert in die koustitutionelle Monarchie, ohne die das Regiment an die unruhigen Klassen käme, der wahrhaft sittliche Erwerb und Verkehr gestört würde.… Ich bin ein Monarchist und, wißt es nur, ich will gradaus marschiren auf mein Ziel zu, und wäre ich auch endlich ganz allein.“ (La Braie Republique.) Mittlerweile wird Bugeaud wieder ein Kommando bekommen; das „der Freiheit bringenden“ Alpenarmee hat schon Marschall Oudinot, der unter dem blödsinnigen Sohne Karl's X. die spanischen Revolutionäre niederhieb und den Trokadero stürmte, wofür die Kamarilla Don Fernando's ihn zum „ersten Grenadier Frankreichs und Navarras“ ernennen ließ. Das Provisorium hatte an sechszig Generale als königlichgesinnt verabschiedet; das „Siecle kommt heute zum hundertsten Mal auf die „wünschenswerthe Einberufung dieser würdigen Helden“ zurück.
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@facs0405
Paris.
Nationalversammlung. Sitzung vom 16. August. ‒ In der Nähe des Sitzungssaales (Marsfeld) stehen etwa 10,000 Mann Truppen mit scharfen Patronen. Im Saale geht das Gerücht, die Polizei habe eine legitimistische Verschwörung entdeckt, deren Zweck nichts Geringeres gewesen, als den General Cavaignac zu entführen (!) und die Nationalversammlung zu sprengen. (!!) So abenteuerlich dies klingt, sprechen doch obige Militärmassen für die Thatsache. Präsident Marrast eröffnet die Sitzung um 1 1/2 Uhr. An der Tagesordnung sind der Rückkauf der Lyoner Eisenbahn und die berüchtigten Handelskonkordate.
Basse legt den Bericht des Justizausschusses über das Verlangen Lamennais, statt seines Geranten Lacroix wegen des Peuple constituant gerichtlich verfolgt zu werden.
Stimmen: Die Conclusionen!
Basse: Der Ausschuß verwirft den Antrag, die Versammlung stimmt bei und somit ist Lamennais abermals um sein Märtyrerthum geprellt. Man schreitet zum Rückkaufgesetz über die Lyoner Bahn.
Fourneyron und Deslongrais wollen die Diskussion verschoben wissen, da die Versammlung noch nicht gehörig über den Gegenstand informirt sein könne.
Goudchaux widersetzt sich jeder Vertagung und die allgemeine Berathung beginnt.
Journeyron hebt hervor, daß die Rückkaufsbedingungen für den Staat nachtheilig seien. Der Staat werde durch sie zur Uebernahme einer Menge von Bedingungen verpflichtet, für welche die Aktionaire einstehen müßten. Er bekämpft darum den Antrag.
Brunet unterstützt denselben.
Combarel de Leyval findet ihn dagegen mangelhaft. Der Minister hätte sämmtliche Aktionaire konsultiren sollen, um ihre Meinung zu hören, und ihre Rechte zu wahren. Die Bahn-Direktionen handelten zu eigensüchtig und prellten die Aktionaire um ihre Forderungen.
Wolowski, der Sozialistenfeind: Obgleich im Grunde jeder Eisenbahn-Expropriation durch den Staat entgegen, stimme er doch für Annahme des Entwurfs, weil ihm die ausnahmsweise (ruinirte) Stellung der Bahngesellschaft und der Ankauf zu 7 Fr. 60 Cent. Rente per Aktie à 250 (bezahlt) ein gutes Geschäft erscheint.
Deslongrais donnerte mit seiner bekannten Lebendigkeit gegen die Oberflächlichkeit dieser Auffassung. Ihr zahlt, wandte er sich an den Minister, 25 Prozent mehr für die Aktien als sie werth sind, d. h. an der Börse stehen. Als es sich um die Sparkassen-Pfänder-Einlösung handelte, [Fortsetzung]
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@facs0405
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@facs0405
[Fortsetzung] Versuchen, daß ich die unsterbliche Seele meines Preußen nicht ohne entsetzliche Anstrengung über den Horizont eines Rübenfeldes zu erheben vermochte. Ich griff daher zu einem Mittel, welches die Zeitverhältnisse zu dem stimulirensten der Gegenwart machen. „Der Erzherzog Reichsverweser ist wirklich bei weitem freudiger empfangen worden wie der König ‒“ rief ich nämlich dem Oesterreicher zu, und sagte es so laut, daß es ringsum verstanden wurde.
Dies wirkte. Der Preuße ließ Gabel und Messer sinken und: „Sie irren sich!“ rief er mit dem Ausdruck der tiefsten Entrüstung. Mein Plan war gelungen. Ich hatte den Schwarz-weißen und den Schwarz-roth-goldnen aneinandergesetzt.
Vergebens strengte sich jetzt der letztere an, unserm Teltower noch einmal alle Hochs und alle Hurrahs auf den alten Erzherzog in's Gedächtniß zurückzurufen: Der Schwarz-weiße wußte seine Stimme sofort zu einem solchen durchdringenden Diskant emporzuschrauben, daß er schnell den Oesterreicher übertönte und die Unterredung im Nu beherrschte.
„Sie irren sich! ‒“ begann er von Neuem; ‒ „erinnern Sie sich nicht des Anfangs jener serbischen Gesänge:
„Rollt der Donner oder bebt die Erde?
Nicht der Donner ist es noch die Erde:
Die Kanonen krachen in der Feste,
In der starken Feste Peterwardein.“
Fortwährend summten mir diese Worte durch den Kopf, als wir von Deutz nach Köln hinüberfuhren. War es nicht, als ob die ganze Stadt bis in ihre Grundtiefen zusammenschaudere, als ob der Dom ineinanderbrechen wollte? Nein, Se. Majestät war gerührt über diesen Empfang. Die Augen des Königs leuchteten Luft und Seligkeit. Etwas bleich und schüchtern hatte er die Eisenbahn verlassen, aber rosig und glücklich zog er ein in die donnernde Freudenstadt.“
Oesterreicher und Preuße schwiegen, denn an der andern Seite des Saales erhob sich plötzlich ein solcher Sturm des Begrüßens, des Trampelns und des Serviettenschwenkens, daß der alte Gürzenich in eine schwingende Bewegung gerieth und daß ich nicht anders meinte, als daß wir jeden Augenblick in den untern Raum des Gebäudes in die Syroptöpfe und in die Butterfässer des Kaufhauses hinabstürzen würden. ‒ ‒ Es war kein Zweifel mehr: eben erschien der König und der Reichsverweser.
(Fortsetzung folgt.)
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@typejArticle
@facs0405
Allen liebenswürdigen jungen Leuten, die gerne Mädchen entführen und allen artigen jungen Frauenzimmern, die sich gern entführen lassen, theilen wir hierdurch mit, daß dem berühmten alten Schmid in Gretna-Green durch Parlaments-Akt das Einsegnen der Heirathen für die Zukunft untersagt worden ist. Wir ersuchen daher alle Liebenden sich anderswohin wenden zu wollen. Sollten wir einen besonders günstigen neuen Heiraths-Ort entdecken, so werden wir natürlich sofort Mittheilung davon machen. Das erwähnte Verbot des Parlaments ist auch für alle Romanschreiber von enormer Wichtigkeit: es bringt sie um ihre Pointen. Die schlimmen Folgen der Maßregel sind noch nicht abzusehen.
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@facs0405
Nach Lesung der Bekanntmachung des Magistrats von Charlottenburg vom 7. d. Mts. muß jeder vernünftig denkende sich sagen, daß den Studenten die in Charlottenburg erhaltenen Prügel sehr dienlich gewesen sind ‒ und kann diesen jungen Leuten hiermit nur wiederholentlich der Rath ertheilt werden, ihre Nasen in die Bücher zu stecken, um etwas zu lernen, anstatt sich um Staats-Angelegenheiten zu kümmern.
A. v. S. (aus Pommern).
(Voß'sche Zeitung.)
[0406]
[Französische Republik]
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@facs0406
[Fortsetzung] setztet Ihr den Cours der Fünfprozentigen selbst auf 80 Fr. pCt. fest. Das war nicht mehr als billig. Seitdem sind aber die 5 pCt. Renten fortwährend gefallen. Heute stehen sie etwa 70 (72) und Ihr zahlt für 250 Franken per Aktie 7 Fr. 60 Cent. in 5 pCt. Rente! Wenn Ihr so fortfahrt, werden Euch bald alle Bahndirektionen stürmen, sie ebenfalls ihrer süßen Bürde zu entledigen und Euch vorheulen, daß sie zahlungsunfähig sind. Er stimme darum gegen den Antrag.
Larabit stellte die Nothwendigkeit des Rückkaufs der Lyoner Bahn vom militärischen Standpunkte dar. Die Linie sei strategisch wichtig und müsse vollendet werden.
Goudchaux, den fatalen Eindruck sehend, den die Deslongrais'sche Freimüthigkeit auf die Versammlung hervorgebracht hatte, suchte sich von dem Vorwurfe zu reinigen, indem er die Geschichtserzählung des Gesetzentwurfs zum Besten gab, dessen Ursprung der vorigen Regierungsgewalt (Hr. Duclerc) zuzuscheiben. Das zog.
Die allgemeine Diskussion wurde als geschlossen erklärt und man schritt zur Berathung der einzelnen Artikel.
Kein Zweifel, daß der Entwurf mit gewohnter Mehrheit angenommen wird. Indessen nahm die Hartnäckigkeit, mit der er angegriffen worden, viel Zeit weg, und es ist schwerlich Hoffnung vorhanden, daß die Konkordate heute noch an die Ordnung kommen.
Artikel I zerfällt in 5 Abschnitte: a) Mit Veröffentlichung des Gesetzes tritt der Staat in den Besitz der Bahn von Paris nach Lyon. b) Demzufolge setzt der Staat durch den Staatsbautenminister die Arbeiten unverzüglich fort. c) Die Aktiengesellschaft übergibt sämmtliches Mobilar, Zeichnungen, Pläne etc. zu Händen des Staates.
Diese drei Abschnitte riefen wenig Widerspruch hervor. Aber der vierte wurde lebhaft besprochen. Er lautet: d) Der Staat übernimmt alle Verträge und die Verbindlichkeiten der Bahngesellschaft....
Mehrere Glieder stellten die Möglichkeit auf, daß Betrügereien verübt werden könnten. Die großen Hüttenbesitzer und sonstigen Materialienverkäufer seien oft Aktionär und Lieferant, mit andern Worten Richter und Partei in Einer Person.
Darum wurden dem Abschnitte die Worte: „.... die vor Veröffentlichung des Gesetzes geschlossen wurden,“ angehangen.
Artikel 2, von Entschädigungen u. s. w. handelt, wurde ohne Weiteres angenommen.
Artikel 3 gab dagegen zu einer interessanten Finanzdiskussion Veranlassung. Er bestimmt den Aktienpreis auf 7 Fr. 60 Cent. und wurde von Fourneyron stark angefochten, der auf Herabsetzung dieses Preises von 7. 60 auf 6 Fr. 9 Cent. drang, weil 7. 60 kein Durchschnittspreis wäre. Einen Durchschnittspreis dadurch ermitteln zu wollen, daß man den höchsten und niedrigsten Börsencours dividire, sei falsch. Man müsse den Cours aller Tage berücksichtigen und dann den Quotienten finden. Dies sei gerecht.
Goudchaux erwiederte, daß 7. 60 keine Moyenne sei, sondern eine Zahl, welche den früheren Verträgen entsprungen.
Der Artikel 3 wurde angenommen, und die Fortsetzung der Debatte auf morgen verschoben. Die Versammlung ging um 6 1/4 Uhr auseinander.
Belgien.
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@facs0406
[ S ] Antwerpen, 16. August.
Ich bedauere die Franzosen, die bei dem Risquons-Tout-Prozesse gegenwärtig sind. Ich bedaure die armen Belgier, die den Franzosen eine so erbärmliche Idee über unser flämisches Wesen und Treiben geben müssen. Der Prozeß „schleppt sich“ auf eine klägliche Weise weiter. Zeugen sagen aus, daß sie den General Mellinet und den Advokaten Tedesco in dem Estaminet „Union“ gesehen, wie sie vertraulich miteinander plauderten. Beide wären mit „Bürger“ (Citoyen) angeredet worden, und in Belgien heißt Citoyen soviel wie Jacobiner. Der Kutscher, welcher Mathieu am Tage seiner Ankunft in Brüssel gefahren hat, wird sorgfältig ausgehört, ob er nicht bei Jottrand, Mellinet u. s. w. vorgefahren sei; und da es Mode geworden, seit Juni „Insurgenten“ mit Geld zu beladen, so fragt man, ob der Kutscher nicht ein außergewöhnlich großes Trinkgeld empfangen habe. Der Generalprokurator Bavay ist wirklich blamirt, mit einer solchen Affenrevolution zu thun zu haben und bei dem Zeugenvernehmen die „französischen Phrasen“ auf dieses Possenspiel anwenden zu müssen. Der arme Prokurator ist gewiß nie in Paris gewesen; wenn von dem belgischen Klub „Rue Menilmontant“ gesprochen wird, so glaubt er immer eine unterirdische Höhle mit Verschwörern vor sich zu sehen, und er dringt in die Zeugen, doch von den „fürchterlichen Reden“ zu sprechen, die dort gehalten worden.
Unter andern Zeugen wurde eine gewisse Frau vorgeladen, weil der Advokat Picard, der in demselben Hause wohnt, zu ihr gesagt habe, sich nicht zu erschrecken wenn Unruhen ausbrechen sollten. Der General-Prokurator wollte in dieser Aeußerung wieder das System einer vorbereiteten Revolution erblicken. Aber er muß von den Advokaten Laider und Gladebien hören, daß er, der General-Prokurator Bavay, wahrscheinlich diesen Schrecken mit der Frau gemein gehabt hätte, ohne erst von Herrn Picard vermahnt zu werden, sich gefaßt zu halten. Wie gesagt, der ganze Prozeß gilt den wenigen Leuten, die in Belgien eine Revolution hätten machen können. Der größte Verdruß besteht darin, daß man nicht auch Jottrand verhaftet hat, Jottrand, das ehemalige Mitglied der provisorischen belgischen Regierung, und den der König schon als seinen gesetzmäßigen Nachfolger betrachtete, aus dem einfachen Grunde, weil er sein Vorgänger gewesen.
Großbritannien.
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@facs0406
[ * ] London, 16. August.
Der Umstand, daß der dänische Gesandte gestern dem Gouvernement die offizielle Mittheilung des Wiederbeginns der deutschen Blokade machte, hat die Handelswelt in großes Erstaunen gesetzt. Noch vor einigen Tagen war man allgemein davon überzeugt, daß Preußen der Fortsetzung der Streitigkeiten durchaus abgeneigt und mit einem Waffenstillstande einverstanden sei und es galt daher für abgemacht, daß die angekündigte Blokade in keinem Fall in Ausführung kommen werde. Alle diese Hoffnungen scheinen nun vereitelt zu sein und der Handelsstand wird auf's Neue, von den namentlich um diese Jahreszeit sehr verderblichen Folgen des Krieges zu leiden haben.
Die mit der Hibernia aus den Vereinigten Staaten eingetroffenen Nachrichten werden weder in kommerzieller noch in politischer Beziehung für bedeutend gehalten. Der Handel hatte sich seit den letzten Mittheilungen wenig geändert. Britische Manufaktur-Waaren verkaufte man fortwährend so billig, daß die amerikanischen Produzenten total aus dem Markt geschlagen wurden und es konnte daher nicht fehlen, daß man diesen Umstand zu einem allgemeinen Schrei gegen den jüngst ermäßigten Zolltarif machte.
‒ Von Irland hörte man heute, daß auch der Bruder des Hrn. Martin, des Eigenthümers des „Felon“, in Edenderry arretirt worden sei. Wegen der Affaire bei Ballingarry fanden außerdem noch 7 andre Verhaftungen statt. Uebrigens erregten diese Vorfälle nur wenig Aufsehen, da die Gemüther mehr und mehr durch die immer schlimmer werdenden Nachrichten in Betreff der Kartoffel-Aernte in Anspruch genommen sind. Auch über die bisher für so vortrefflich gehaltene Waizenärlen lauten die Berichte aus vielen Distrikten ziemlich ungünstig.
‒ Das Wichtigste der irischen Post bleibt indeß für den Augenblick noch eine Mittheilung aus Abbeyfeale in Limerick, wonach O'Gorman an der Spitze von 700 bis 800 Insurgenten stehen soll. O'Gorman's Leute hatten außer dem Angriff auf den Wagen von Tralee, drei Menschen erschlagen und die nach dem Insurgenten Lager führenden Straßen verbarrikadirt, so daß sie sich also mit den auf sie losrückenden königlichen Truppen messen zu wollen scheinen.
In unsern Fabrikdistrikten ist es wieder etwas unruhiger. In Manchester ging das Gerücht, daß die Chartisten und die irischen Konföderirten einen Schlag vorbereiteten, und die Behörden waren in großer Thätigkeit um jeder Ruhestörung vorzubeugen. In Oldham hatten einige Aufläufe statt. In Asthon kam es gar zu einem ernstlichen Zusammentreffen, wobei der Polizeikonstabler James Bright erschossen wurde, wie man sagt, um die Gefangennehmung des Chartistenführers Dr. McDouall zu rächen.
‒ Die gestrigen Parlamentsverhandlungen waren ohne Interesse. Da die nöthige Anzahl gegenwärtiger Mitglieder fehlte, so wurde die Sitzung früh geschlossen.
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@facs0406
[ * ] Dublin, 14. Aug.
Viele schmähen die O'Connell's. Welche Thorheit! Wenn gleich John O'Connell alles Mögliche that, um die irische Bewegung todt zu machen, so ist er doch nicht Schuld an der Niederlage, und war außer Stande, diese Niederlage zu bewirken. Welcher Kämpfer würde wohl auf den Schwätzer aus der „Versöhnungshalle“ gehört haben? In ganz Münster nicht ein Einziger. Im gleichen Irrthum befangen sind die, welche dem katholischen Klerus die Niederlage beimessen. Allerdings spritzten die Geistlichen eine Menge kalten Wassers über die Begeisterung hin; sie sprachen Viel und zur Unzeit gegen die Bewegung; doch hätten sie niemals den Sieg Irlands aufzuhalten vermocht. Wären die Chefs klug und vorsichtig, treu und todesmuthig gewesen: so hätte John O'Connell und der Klerus eben so gut den Stürmen von Slievenamon, oder den Wogen des unteren Shannon, wie den schwarzbrauigen Kohlenarbeitern von Kilkeney oder den schlanken Bergbewohnern von Typperary und Limerick Ruhe predigen können. Viele tadeln Smith O'Brien's Unbesonnenheit, sich ruhig den Häschern überliefert zu haben. Was konnte er thun? Er sah, daß die Sache ruinirt war; er sah das Spiel gänzlich verloren. Der Preis auf seinen Kopf, der Erlaß der Regierung, daß Jeder, der ihn aufnehme, beherberge oder irgendwie unterstütze, als Hochverräther zu behandeln sei: mußten für S. O'Brien entscheidend sein. Er wollte Niemanden in's Unglück stürzen. Deshalb machte er sich auf den Weg nach seinem Landgut und wurde unterwegs verhaftet.
Möge England aber ja nicht glauben, daß Hunger und Armuth, wenn auch für einen Augenblick zum Schweigen gebracht, lange in ruhiger Unterwerfung verharren werden. Wie Hobhouse im Jahre 1822 sagte: „Und wenn jeder irische Bauer einen Strick um seinen Nacken oder ein Bajonnett in seinem Rücken hätte: die Rebellion kann nicht eher bezwungen werden, als bis dem hungernden Volke Gerechtigkeit zu Theil geworden.“ Für England lößt sich die irische Frage in eine Geldfrage, in eine von Pfunden, Schillingen und Pence auf. Es steht sehr zu zweifeln, ob der englische Handels- und Gewerbsmann, ja selbst der englische Gutsbesitzer jene Kolonie für den Preis einer jährlichen Ausgabe von mehreren Millionen noch lange in der jetzigen Abhängigkeit forterhalten wollen. Sollte dies Jahr die Kartoffelkrankheit abermals über Irland hereinbrechen, so würde die gesammte Truppenmacht, welche England zur Verfügung hat, und alles Geld im englischen Staatsschatze und der ganze Einfluß der Geistlichkeit nicht im Stande sein, das Mißvergnügen und die Erbitterung des Volkes niederzuhalten. Keinesfalls sind aber die Journale der englischen Bourgeoisie (Times, Chronicle, Daily News etc.) mit ihren wuthgespickten Artikeln, mit ihren von Haß, Rache und Hohn gegen Irland diktirten Berichten zur Beruhigung Irland's geeignet. „Wir müssen“, sagt der „Herald“, „ein schärferes, ein härteres System annehmen; wir müssen den irischen Bauernkerls Zügel und Gebiß zwischen die Kinnladen zwängen, sie zahm und gelehrig machen und ihnen Folgsamkeit gegen Zügel und Gebiß beibringen!“ Diese Hoffnung hegen allerdings die irischen Gutsbesitzer; dahin geht ihr Streben. Allein gerade ihr Verfahren ist ganz geeignet, um das entgegengesetzte Resultat hervorzurufen. Erst kürzlich wurden in der Nähe des fashionablen Badeortes Kilkea an 300 menschliche Wesen auf Befehl des Gutsherren aus ihren Hütten vertrieben. In einem Theil der Grafschaft Clare ließ ein anderer Gutsherr 136 Häuser ‒ Hütten ‒ der Erde gleich machen. Mehr als 500 menschliche Wesen kamen dadurch um ihr Obdach; viele starben in den Gräben der Landstraße. Hr. Walsh in Mayo ließ bekanntlich ein Dorf ganz und ein anderes zu zwei drittel (insgesammt 140 Häuser) niederreißen. Das geschah im verflossenen Winter. Hunger und Kälte rafften eine Menge der Vertriebenen hin. Auf den Gütern des Lord Lucan in Mayo sind vor kurzem 240, und auf Lord Ventry's Gütern in der Grafschaft Kerry 200 Familien von Haus und Pachtland vertrieben worden. Major Mahon jagte von seinem Gut in Roscommon 600 Familien fort. Eine Masse ähnlicher Fälle, wie andererseits Weigerung der Gutsherrn, ihre Armensteuern zu zahlen, sind offiziell aus den Armenkirchspielen von Carrick-on-Shannon, Galway, Swinford, Castlebar etc. berichtet worden. Der Earl of Ellenborough hatte also nicht so völlig Unrecht, als er vor einigen Tagen im Oberhause erklärte: „Der Zustand von Irland ist ein Skandal für dieses Land (für England) und ein Skandal für unser Zeitalter!“
Donaufürstenthümer.
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@facs0406
Bucharest, 25. Juli.
In der Wallachei gab es bis jetzt keinen Mittelstand im eigentlichen Sinne des Wortes; jetzt aber hat sich plötzlich aus allen Ständen nur ein Mittelstand gebildet. Die Bauern bekamen Rechte, welcher sie bis jetzt beraubt waren, die Bojaren verloren ihre Privilegien, die Gewerbs- und Handelsleute, besonders die jungen, vermengt mit den jungen Bojaren und den studirenden und ausstudirten Söhnen der Landleute, stellten sich an die Spitze der Bewegung, leiteten die Revolution, unterdrückten die Reaktionen der alten Bojaren, bildeten muthige Nationalgarden, unterstützten die nun einmal proklamirte Konstitution und werden sie mit ihrem Blute vertheidigen. Die Bucharester Bürger sind in einem Monate zu einer Reife gediehen, die man sich vor vier Wochen kaum hätte träumen können. Die Stadt Bucharest zählt schon jetzt gegen 4000 Nationalgarden. Aus Mangel an hinlänglichen Feuergewehren sind sie größtentheils mit Lanzen und Piken bewaffnet. In den Distrikten haben sich Dorybanten-Corps zu einer förmlichen Landwehr gebildet. Alle diese sind gut bewaffnet mit Gewehren, Pistolen und Yataganen. Ihre Zahl beläuft sich auf 5-6000 M. In der kleinen Wallachei bildet sich jetzt eben ein Corps Panduren (eine Art Freiwilliger) nach dem alten Gebrauche. Geht man fleißig zu Werke, so können ihrer in kurzer Zeit mehr als 6000 zusammengebracht werden.
[(Sieb. B.)]
Nachtrag.
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@facs0406
Frankfurt, 17. Aug.
In der heutigen 61. Sitzung der verfassunggebenden Reichsversammlung stattete Präsident v. Gagern im Namen der zu den Festlichkeiten in Köln entsendeten Deputation Bericht über deren Sendung ab. Sodann ging man zur weitern Berathung des Art. II. der Grundrechte über, und zwar zuerst zu §. 8: „Die Wohnung ist unverletzlich. Eine Haussuchung darf nur auf Grund eines richterlichen Befehls vorgenommen werden. Dieser Befehl muß sofort oder spätestens innerhalb der nächsten 24 Stunden dem Betheiligten vorgewiesen werden. Für die Verhaftung in einer Wohnung finden keine besonderen Beschränkungen statt.“
Der Paragraph wurde nach mehrstündiger Debatte in folgender Fassung angenommen: Die Wohnung ist unverletzlich. Eine Haussuchung darf, außer dem Fall der Verfolgung eines Verbrechers auf frischer That, nur auf Grund eines richterlichen Befehls vorgenommen werden, und muß, wenn thunlich, mit Zuziehung von Hausgenossen erfolgen. Dieser Befehl muß sofort oder spätestens innerhalb der nächsten 24 Stunden dem Betheiligten vorgewiesen werden. ‒ Schluß der Sitzung: 1 ein halb Uhr.
[(Fr. J.)]
Handels-Nachrichten.
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@facs0406
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@facs0406
Schiffahrts-Anzeige. Köln, 18. August 1848.
Abgefahren: H. Klee nach Kannstadt.
In Ladung: Nach Ruhrort bis Emmerich Joh. Linkewitz; nach Düsseldorf bis Mühlheim an der Ruhr A. Meyer; nach Andernach und Neuwied Pet Gies, M. Wiebel und M. Pera; nach Bingen J. B. Mundschenk; nach Koblenz, der Mosel und Saar P. G. Schlaegel nach der Mosel, Trier und der Saar Frdr. Deiß nach Mainz Joh. Kiefer; nach dem Niedermain C. Nees; nach dem Mittel- und Obermain C. Schleicher; nach Heilbronn C. Heuß; nach Kannstadt und Stuttgart L. Klee; nach Worms und Mannheim Seb. Stehlin.
Ferner: Nach Rotterdam Kapt. Breynks Köln Nr. 21
Ferner: Nach Amsterdam Kapt. Wilson Köln Nr. 1
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@facs0406
Wasserstand.
Köln, am 18 August. Rheinhöhe 6′ 7″
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@facs0406
Civilstand der Stadt Köln.
Geburten.
12. August. Peter Gottlob, S. v. Johann Gottlob Michaelis, Taglöhner, Thieboldsgasse. ‒ Joh, S. v. Wilh. Tiwy, Maurer, Josephstraße. ‒ Friedr. Wilh., S. v. Gottfr. Leichenich, Anstreicher, Kaygasse. ‒ Klara Cäcilie, T. v. Jak. Zaun, Tischlermeister, Kaygasse. ‒ Ein unehelicher Knabe.
13. August. Anna Marg. Hubert., T. v. Hermann Raumann. Steuermann, Bollwerk. ‒ Heinr. Herm., S. v. Friedr. Herm. Wehrland, Kfm., Schildergasse. ‒ Elis., T. v. Pet. Hilgers, Anstreicher, unter Gottesgnaden. ‒ Laurenz Wilh., S. v. Corn. Math. Weber, Fuhrmann, Follerstraße. ‒ Andr., S. v. Martin Müller, Dachdeckergeselle, Enggasse. ‒ Sib, T. v. Paul Bender, Barbier, Straßburgergasse. ‒ Margaretha, T. v. Wilh. Danz, Taglöhner, Löhrgasse. ‒ Jos., S. v. Pet. Völker, Steinhauer, Löhrgasse. ‒ Drei unehel. Knaben.
Sterbefälle.
12. August. Math. Peiffhoven, Krahnenmeister, 63 J. alt, unter Goldschmid. ‒ Rik. Sev. Dick, 14 J. alt, Marzellenstraße. ‒ Gerh. Jakob Hennekens, Rentner, 87 J. alt, Wwr., Breitstraße. ‒ Franz Lesweng, 2 J. 7 M. alt, Entenpfuhl. ‒ Elis. Schröder, 27 J. alt, unverh., Minoritenstraße.
13. August. Konrad Lust, 11 M. alt, Severinstraße. ‒ Elis. Kühne, geb. Bosen, 35 J. alt, Hahnenstraße. ‒ Anna Maria Steinbüchel, 19 Tage alt, Mühlenbach.
Heirathen.
12. August. Karl Wilhelm Heinrich Julius Horn, Maurer und Zimmermeister, von Wetzlar, und Anna Gert. Fonk, v. Mühlheim. ‒ Heinr. Krebs, Taglöhner, von hier, und Anna Kath. Brenig, von Godesberg ‒ Anton Sturm, Wwr., Handschuhmacher, von hier, und Anna Barbara Decker, von Remagen.
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Laute Anfrage!
Wir ersuchen die geehrte Redaktion der „Neuen Rheinischen Zeitung,“ da sie die politischen Verhältnisse genauer kennt als wir, uns Aufschluß darüber zu geben, daß Herr v Gagern in seinem Absteigelokal bei Herrn Advokat-Anwalt Vorst sich mit folgenden Herren umgab: Esser I., Esser II., v. Seckendorf, v. Grote, Zanoli, Präsident Schwarz, Dr. Canettà, Zimmermann, v. Ammon, Appellations-Gerichtsrath, Zurhoven, Hellweg, Appellations-Gerichtsrath, Felten, Baumeister, Simon Oppenheim!!! Bilden diese Herren einen Kölnischen Sicherheitsausschuß nach Analogie des glorreich berühmten Wiener Ausschusses? Sind sie nicht vielmehr die Quintessenz aller unpopulären Größen in Köln? Wollte Herr v. Gagern dem Kölnischen Volke trotzen oder hat Herr Vorst ihn über die Qualitäten dieser Crême der hiesigen Reaktion getäuscht?
Viele Ihrer Abonnenten.
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In der Destillation des J. Drucker in Koblenz kann ein erfahrener Destillateur anhaltende Beschäftigung finden. Briefe werden franco erbeten.
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Ein schönes Tafelklavier steht billig zu verkaufen. Hafenstraße Nro. 35.
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Glacé-Handschuh eigener Fabrik empfiehlt Peter Leurs Sohn, Schildergasse Nro. 14.
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Ein in allen häuslichen Arbeiten erfahrenes Mädchen kann bei einer stillen Familie gleich in Dienst treten. Zu erfragen Filzengraben Nro. 20.
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Ein junger Mann (Handlungsdiener) sucht eine Stelle in einem kaufmännischen Etablissement: Fabrik u. dergl., wo möglich auf dem Lande. Er kann die besten Zeugnisse beibringen. Auskunft ertheilt die Expedition auf Anfragen unter der Chiffre P. H.
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Eine große Fournaise mit fünf Löchern und eine Drechselbank sehr billig zu verkaufen bei J. Pet. Godenau, Ehrenstraße Nr 37.
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Feinster Punsch-Syrup;
Jamaica-Rum;
alter Cognac;
Batavia Arrac;
holländische Liqueure etc.
Sternengasse Nro. 9 und 11.
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Ein kräftiger Mann sucht während des Morgens Beschäftigung, gleich viel, welche. Bescheid Josephplatz Nro. 2.
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In den Festtagen ist ein Siegelring mit einem Amandis, worin eine Harfa nebst den Buchstaben F. H. H., verloren gegangen. Der redliche Finder, der ihn auf die Expedition zurückbringt, erhält einen Thaler Belohnung.
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Das auf dem Waidmarkt Nro. 9 gelegene Haus steht ganz oder theilweise zu vermiethen.
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Weberstraße Nro. 18-, sind Zimmer zu vermiethen.
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Alle Sorten Havanna-, Bremer- und Hamburger Cigarren, abgelagerter Roll-Varinas, so wie Liqueure und Limonade gazeuse in bester Qualität empfiehlt Franz Carl Mainone, Obenmarspforten Nr. 20.
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Frische Rheinfische sind zu den billigsten Preisen zu haben bei Joh. Lülsdorff, Lindgasse 21.
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C. N. Das Fest war ohne Charakter. Viel Arbeit vorgefunden. Siehe die Anzeige vom 17. Der Besuch hat den Muth gestählt. Tausend Grüße.
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(Verspätet).
Sibilla an den Dominikanern lebe hoch!
I. N.
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Theater.
Sonntag, den 20. August: Der Templer und die Jüdin, große Oper in 3 Akten von Marschner.
@typeimprint
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Der Gerant, Korff.
Druck von W. Clouth, St. Agatha Nro. 12.