[0571]
Beilage zu Nr. 114 der Neuen Rheinischen Zeitung.
Organ der Demokratie.
Donnerstag, 12. Oktober 1848.
[Deutschland]
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@facs0571
[Fortsetzung] Art. VIII. wird nach der Zählung mit 159 Stimmen gegen 185 Stimmen angenommen.
Er besorgt, daß diese Bestimmungen auch für die Beamten der Centralgewalt Geltung haben. ‒
Von allen Zusatzartikeln, welche verlangen, daß Untersuchung, Anklage und Strafe nur auf Antrag und Beschluß der Nationalversammlung resp. der betheiligten Mitglieder erhoben und dekretirt werden darf, wird nur ad VI. ein Zusatz von Dietsch aus Saarbrücken genehmigt. Derselbe lautet: „Wegen öffentlicher Beleidigungen wie ad VI. findet eine Verfolgung nur auf Antrag der Beleidigten statt.“
Als Zusatz wird ein Antrag von Mittermeier: „Das Reichsministerium aufzufordern, daß ungesäumt die Einleitung getroffen werde, daß wenigstens die im Artikel I., II., III., IV. bezeichneten Verbrechen auf den Grund der mündlichen öffentlichen Verhandlung durch Geschworene abgeurtheilt werden“, angenommen.
Bei den letzten Abstimmungen beobachtete die Linke die Taktik gar nicht mehr Antheil zu nehmen, und nur ihr Urtheil über die Abstimmung durch wiederholte höhnische Bravo's zu erkennen zu geben.
Die Humanität der Rechten mögen Sie und Ihre Leser daraus beurtheilen, daß dieselbe sogar gegen die Aburtheilung der resp. zu Bestrafenden durch Geschworenengerichte ‒ und bei dem Artikel über die Zusammenrottungen auch gegen alle vorherigen Warnungen stimmte. ‒
Auch der Mittermeier'sche Zusatz (S. unten) wurde nach der Meinung vieler Abgeordneten verworfen, und ich habe sagen gehört, daß er als angenommen vom Präsidenten wohl nur in Folge von leicht zu errathenden Gründen erklärt worden sei. ‒
Zimmermann von Stuttgart:Wir sind es unsern Wählern schuldig zu Protokoll eine Erklärung abzugeben, worin wir sagen, warum wir gegen den heut angenommenen Gesetzentwurf gestimmt haben. (Gelächter und Unruhe.)
Rösler: Im Verfolg der Erklärung des Herrn von Stavenhagen (S. oben) erkläre ich, daß ich die beleidigenden Worte gegen den Herrn Präsidenten (selbst frech!) in der Leidenschaft ausgestoßen, und daß es mir leid thut, sie gebraucht zu haben. (Bravo im Centrum und rechts.)
von Gagern macht eine dito rührende Erklärung, daß der nicht motivirte Ordnungsruf an Stavenhagen auch nur seiner durch die Unterbrechungen bei von Vinke's Rede erregten Leidenschaftlichkeit zuzuschreiben sei. (Bravo im Centrum.)
Beseler schlägt vor, den Antrag in der Injurien-Angelegenheit, eine Untersuchungscommission niederzusetzen, in Folge der ebengehörten Erklärungen zurückzunehmen.
Das Gesetz nach seinen bedeutenden Veränderungen zufolge der heutigen Abstimmung lautet also:
Gesetz betreffend den Schutz der konstituirenden Reichsversammlung und der Beamten der Centralgewalt. ‒ Der Reichsverweser in Ausführung des Beschlusses der Reichsversammlung vom 7. Oktober 1848 verkündet als Gesetz:
Art. I. Ein gewaltsamer Angriff auf die Reichsversammlung in der Absicht, dieselbe auseinanderzutreiben, oder Mitglieder aus ihr zu entfernen, oder die Versammlung zur Fassung oder Unterlassung eines Beschlusses zu zwingen, ist Hochverrath und wird mit Gefängnißstrafe und nach Verhältniß der Umstände mit Zuchthausstrafe bis zu 20 Jahren bestraft. Wer zu solchen Handlungen öffentlich auffordert, wird nach richterlichem Ermessen bestraft. ‒
Art. II Die Theilnahme an einer Zusammenrottung, welche während der zu einer Sitzung anberaumten Zeit in der Nähe des Sitzungslokales stattfindet und sich nicht auf dreimalige Aufforderung der zuständigen Behörde oder auf den Befehl des Vorsitzenden der Nationalversammlung auflößt, wird bei Anstiftern oder mit Waffen versehenen Theilnehmern mit Gefängniß bis zu einem Jahr, bei andern Theilnehmern bis zu drei Monaten bestraft. ‒ Die Aufforderung muß von allgemein wahrnehmbaren Zeichen, z. B. Aufpflanzung einer Fahne oder weißen Tuches, Trommelschlag oder dgl. begleitet sein.
Art. III. Es ist während der ganzen Dauer der Reichsversammlung verboten, eine Volksversammlung unter freiem Himmel innerhalb einer Entfernung von 5 Meilen von dem Sitze der Vetsammlung zu halten. Die öffentliche Anfforderung zur Abhaltung einer solchen Versammlung, die Führung des Vorsitzes oder das öffentliche Auftreten als Redner in derselben, wird mit Gefängniß bis zu 6 Monaten bestraft.
Art. IV. Ein gewaltsames Eindringen Nichtberechtigter in das Sitzungslokal der Reichsversammlung, oder thätliche Widersetzlichkeit gegen die mit Ausweisung dort befindlicher Personen Beauftragten, endlich eine im Sitzungslokal von Nichtmitgliedern der Versammlung ausgeübte Bedrohung oder Beleidigung der Versammlung, eines ihrer Mitglieder, Beamten oder Diener, wird mit Gefängniß bis zu 2 Jahren bestraft. Thätlichkeiten im Sitzungslokal an einem Mitgliede, Beamten oder Diener der Versammlung vrrübt, werden außer der gesetzlichen Bestrafung der Handlung an sich, mit Gefängniß bis zu 5 Jahren belegt.
Art. V. Oeffentliche Beleidigungen der Reichsversammlung, auch außerhalb des Sitzungslokales verübt, unterliegen einer Gefängnißstrafe bis zu zwei Jahren.
Art. VI. Eine an einem Mitgliede der Reichsversammlung in Beziehung auf seine Eigenschaft oder sein Verhalten als Abgeordneter verubte Thätlichkeit wird, außer der gesetzlichen Strafe der Handlung, mit Gefängniß bis zu drei Jahren bestraft. Bei gefährlichen Bedrohungen oder öffentlichen Beleidigungen dieser Art, tritt eine Gefängnißstrafe bis zu sechs Monaten ein. Wegen solchen öffentlichen Beleidigungen findet eine Verfolgung nur auf Antrag der Beleidigten Statt.
Art. VII. Als eine öffentliche wird jede Beleidigung betrachtet, welche an öffentlichen Orten oder in öffentlichen Versammlungen stattgefunden hat, oder in gedruckten oder ungedruckten Schriften, welche verkauft, vertheilt oder umhergetragen, oder zur Ansicht des Publikums angeschlagen oder ausgestellt werden, enthalten ist.
Art. VIII. Die Bestimmungen des Art. IV. finden auch Anwendung auf Bedrohungen, Beleidigungen und Thätlichkeiten gegen Beamte der provisorischen Centralgewalt.
Art. IX. Vorstehendes Gesetz tritt in dem Gebiete der freien Stadt Frankfurt mit dem dritten Tage, im Churfürstenthum Hessen, in dem Großherzogthum Hessen, im Herzogthum Nassau, in der Landgrafschaft Hessen-Homburg, in dem Königlich Preußischen Kreise Wetzlar mit dem zehnten Tage, in allen übrigen Theilen Deutschlands mit dem zwanzigsten Tage nach dem Tage der Ausgabe des betreffenden Reichsgesetz-Blattes in Frankfurt, in Kraft.
Zusätzlicher genehmigter Antrag von Mittermaier:
Das Reichsministerium ist aufzufordern, daß ungesäumt die Einleitung getroffen werde, daß wenigstens die im Artikel I, II., III. und IV. bezeichneten Verbrechen auf den Grund der mündlichen öffentlichen Verhandlung durch Geschworenen abgeurtheilt werden.
(Schluß der Sitzung um 2 Uhr. Tagesordnung für Morgen: Grundrechte.)
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[ 45 ] Berlin, 9. Oktober.
Es kommt jetzt an's Licht, daß im Ministerium Hansemann verschiedene Abgeordnete von der Rechten ein neues „besoldetes Staatsamt“ bekleitet haben, daß sie nämlich gegen Diäten von 5, 6 und mehr Thaler täglich im Ministerium gearbeitet haben. Bei einigen soll dies Verhältniß auch im gegenwärtigen Ministerium noch stattfinden. Man wird diesen traurigen unerlaubten Mitteln, wodurch das Ministerium seine Absichten durchzusetzen versucht, näher nachforschen.
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[ 45 ] Berlin, 8 Oktober.
In einer gestrigen Conferenz der Abtheilungs-Dirigenten und der Präsidenten ist beschlossen worden, die National-Versammlung zur Beglückwünschung Sr. Majestät des Königs am 15. Oktober aufzufordern. Es soll dies unter den Vortritt des Präsidenten, von einer aus 24 Mitgliedern bestehenden Deputation geschehen, jedoch nur für den Fall, wenn der König an seinem Geburtstage anwesend sein würde. Wird dies beschlossen, so liegt darin indirekt der Ausdruck des Wunsches der Netional-Versammlung, der König möge seine Residenz wieder nach Berlin verlegen.
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Berlin, (National-Versammlung. Sitzung vom 10. Oktober.)
Die Sitzung, auf welche wir später zurückkommen werden, ist größtentheils mit der Berathung des Jagdgesetzes ausgefüllt. Von den ersten 11. §§. werden die §§. 1. 2. angenommen. Das Jagdrecht auf fremdem Grund und Boden ist darnach ohne Entschädigung abgeschafft. Die §§. 3. 4. 5. 6. 9. und 10. werden ersetzt durch das Amendement Bornemann, welches dem Eigenthümer auch die Jagdberechtigung auf seinem Eigenthum einräumt. Eine königliche Botschaft, betreffend die Abänderung der Gesetze über „die Verrbrechen der Erregung von Mißvergnügen gegen die Regierung“ geht an die Fachkommission, eben so ein Gesetzesvorschlag von Jakobi-Temme wegen Aufhebung der gesetzlichen Ehehindernisse welche auf Religions- und Standesverschiedenheit beruhen. Die schließliche Redaktion des Bürgerwehrgesetzes ruft eine unfruchtbare Debatte hervor. Vermuthlich wird das Gesetz ‒ wenn überhaupt ‒ doch nicht sobald zu Stande kommen.
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@facs0571
[ * ] Eisenach.
Hier werden fortwährend Truppen zusammengezogen, nach Weimar 1900, um Jena 2100. Die Führer der demokratischen Partei sind virhaftet oder flüchtig.
Ungarn.
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Pesth, 4. Oktbr.
Eine allgemeine Mißbilligung spricht sich hier gegen unsere Generale deshalb aus, daß sie den Jellachich entkommen ließen. Denn wenn es dem Jellachich gelänge, sich über Raab in die slowakischen Comitate zu werfen oder ins Oestreichische zu entkommen, so könnte der Krieg noch in die Länge gezogen werden, obgleich Ungarn in den letzten Tagen gezeigt hat, daß es auch dem furchtbarsten Feinde widerstehen kann und will. An 20,000 Mann, welche Jellachich in seinem Lager zurückgelassen, wollen kapituliren. Einzelne Transporte von Gefangenen, Geschütz und Munition werden hier stündlich eingebracht.
1 1/2 Uhr Nachmittag. Die heutige Mittagssitzung ward durch einen Kurier unterbrochen, welcher aus dem Lager eintraf. Wir erfahren aber, daß dieser Kurier die erfreuliche Nachricht von der gänzlichen Niederlage des feindlichen Heeres bei Stuhlweißenburg überbrachte. Heute werden 1500 Gefangene hier eingebracht, welche in der heutigen Schlacht gemacht worden. Der feindliche General Roth wird morgen in seinen Positionen angegriffen werden.
Belgien.
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[ * ] Brüssel, 8. Oktober.
„La Nation“ beginnt ihre gestrige Nummer mit folgendem Artikel über zwei der Redakteure der „Neuen Rheinischen Zeitung,“ die Hrn. Fried. Engels und Ernst Dronke:
„Die Ausweisungen folgen einander und gleichen sich unglücklicherweise nur zu sehr. Während wir noch einige Worte der Aufklärung über die Ausweisung des Hrn. Adam erwarten trifft schon eine gleiche Maßregel zwei deutsche Bürger, die so thöricht gewesen sind, sich auf den Schutz zu verlassen, den die belgische Konstitution jedem Ausländer zuerkennt. Ja, dieser Schutz existirt in dem Text der Konstitution; er strahlte sogar noch vor wenigen Tagen von einer der Facaden jenes charmanten kleinen constitutionellen Monumentes, mit dem man den Hof des Palastes der Nation geschmückt hatte; aber so wie der Rausch der nationalen Feste vorüber ist, beeilen sich die uns regierenden Lieberalen, die Devise welche sie den Neugierigen der Stadt und der Provinz so galant aufgetischt hatten, auch schon wieder in die Tasche zu stecken. Brüssel ist zu seinem Normal-Zustand zurückgekehrt und die Polizei erfüllt ganz wie früher die schöne Mission, durch ihre brutalen Manieren die Generosität unsrer unklugen constitutionellen Theorien wieder gut zu machen.
Die Hrn. Engels und Dronke verweilten seit einigen Tagen in unsrer Stadt. Alle beide Redakteure eines demokratischen Journales, der „Neuen Rheinischen Zeitung“ verließen sie Köln um den Folgen von Verhaftsbefehlen zu entgehen, die einige bei öffentlichen Versammlungen gehaltenen Reden hervorgerufen hatten. Sie begaben sich nach Belgien, nicht um jene belgische Gastfreiheit, die der Seltenheit wegen werthvoll werden kann, zu mißbrauchen, nein, sondern nur um die nöthigen Gelder zur Fortsetzung ihrer Reise bis Paris abzuwarten. Die unglücklichen Ereignisse, die in Köln nach ihrer Reise vorfielen, bestärkten sie in ihrer Absicht. Das preußische Gouvernement hat Chance, seit es nach belgischem Beispiel den breiten constitutionellen Weg betreten hat ‒ ‒ nachdem es einen General fand, der den Belagerungszustand und die Suspension der Zeitungen à la Cavaignac dekretirte, konnte es auch einen Generalprokurator finden, der darauf einging die moralische Mitschuld à la Hébert und à la de Bavay anzuwenden. Aber die Hrn. Engels und Dronke hatten vergessen, daß die Polizei lenkt, wenn der Reisende denkt.
Kaum wurde vorgestern ihre Ankunft in Brüssel bekannt, als sich auch schon ein Kommissair mit seinem Gefolge in ihrem Hotel einfand. Sie waren gerade am Diner. Der Kommissair führt sie nach dem Stadthause und von da nach dem Gefängniß der Petits-Carmes, von wo man sie nach einigen Stunden in einem Zellenwagen nach der Süd-Station der Eisenbahn weiter befördert. Die Polizei hat hierdurch nur von ihrer Erlaubniß „Vagabunden“ gegenüber Gebrauch gemacht, und in der That waren unsre politischen Flüchtlinge auch nicht im Besitz von geregelten Papieren. Sie führten zwar eine Sicherheitskarte der kölnischen Behörden bei sich, welche darthat daß sie Mitglieder der Bürgerwehr jener Stadt seien; auch hatten sie durch ihren Aufenthalt in Brüssel, vor dem Monat März, Freunde die ihre Identität nachweisen konnten ‒ die Polizei, nur zu sehr über sie unterrichtet, zog es aber vor, sie als Vagabunden zu behandeln, ehe man sich die Beweise vom Gegentheile verschaffen konnte.
Wenn man dies Hartnäckigkeit nennen kann, so ist es wenigstens keine blinde Hartnäckigkeit.
Wie die Ausweisungen jetzt vor sich gehen, glauben wir, daß dieser Artikel wohl noch in den nächsten Nummern seine Fortsetzungen haben wird, wenn nicht die Freunde der Freiheit aller Länder sich davon überzeugen, daß es besser ist: „auf ihrem Zuge durch die Welt, lieber in keinem Falle bei uns vorzusprechen.“ ‒
Man sieht hieraus, wie das belgische Gouvernement seine Stellung immer mehr begreifen lernt. Die Belgier werden mit der Zeit die Polizeidiener ihrer sämmtlichen Nachbarn und frohlockend nehmen sie die Komplimente über ihre ruhige und devote Haltung entgegen. Der gute belgische Polizeidiener hat aber nichts desto weniger etwas sehr lächerliches. Selbst die ernste Times erkennt die belgische Gefälligkeit nur scherzhaft an. Neulich rieth sie der belgischen Nation, wenn sie alle Klubs abgeschafft habe, sich in einen einzigen großen Klub umzugestalten, und zwar mit der Devise: „Ne risquez rien!“
Es versteht sich von selbst, daß die offizielle belgische Presse diese Schmeichelei in ihrem Cretinismus ebenfalls wieder abdruckte und frohlockend begrüßte. Daß das belgische Gouvernement zwei Redakteure der Neuen Rheinischen Zeitung so brutal behandelte, läßt sich übrigens noch eher begreifen. a die N. R. Z. schon in ihrer ersten Nummer die Illusionen über den belgischen Musterstaat nach Verdienst ridikulisirte.
Wie das belgische Gouvernement diese Illusionen aber fortwährend aufrecht zu erhalten sucht, das zeigt uns die belgische Presse selbst. Der Messager de Gand berichtet nämlich das Folgende wörtlich:
„Wir wissen jetzt woraus dieses Deutschland besteht, welches so große Bewunderung für uns hegt. Dieses Deutschland besteht aus Herrn Wolfers von Louvain, den Herr Nogier bezahlt um belgischen Enthusiasmus in deutscher Sprache für die Kölnische Zeitung zu redigiren. Da man alle Mittel aufsucht, um Dekonomieen zu machen, so scheint es uns, daß wir das Budget der Bewunderung welches wir allen Journalisten Europas bezahlen, wohl abschaffen könnten. In Brüssel, in der Provinz, in Paris, in London, ja, bis nach Bucharest kaufen wir die Komplimente sehr theuer. Diese Dekonomieen könnten eine Summe ausmachen, welche nicht zu verschmähen wäre. So muß z. B. in London, der Belgier, der in der Times, im Neuen England, die Bewunderung für Belgien redigirt, von den 80,000 Franks unsrer Gesandschaft bezahlt werden. Sobald der Prince Ligne installirt ist, werden wir auch für die Bewunderung eines römischen Journalisten bezahlen müssen.“
Sind diese Eröffnungen nicht allerliebst? Aber ich bin noch nicht zu Ende. La Nation hat in ihrer Nummer vom 10. Oktober folgende kleine Notitz. „Wir haben häufig bemerkt, daß die „Privat-Korrespondenzen“ der Indépendance, datirt von Frankfurt und Berlin wie zwei schmutzige Tropfen Wasser den Artikeln der „Kölnischen Zeitung“ (Mitarbeiter Wolfers) ähnlich sehen. Besagte „Zeitung“ erscheint aber nicht am Sonntag; auch die Indépendance hat am Montag keine Privatkorrespondenzen.“ ‒
Wir brauchen nicht viel mehr hinzuzufügen. Zum Dank, daß die Indépendance ihre deutschen Nachrichten aus der Kölnischen Zeitung abschreibt, schöpft die Kölnische Zeitung ihre Ansichten über Belgien und Frankreich wieder aus den Indépendance.
Die Indépendance ist aber wie bekannt das Organ desselben Herr Rogier der Belgien für Geld bewundern die belgischen Patrioten von 1830, einen 80jährigen General Mellinet, zum Tode verurtheilen und politische Flüchtlinge in Zellenwagen über die Gränze schaffen läßt.
Französische Republik.
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[ * ] Paris, 9. Oktbr.
Unter der Ueberschrift: „Zwei neue Bülletins der Republik“ bringt die „Reforme“ folgende Zusammenstellung:
Erstes Bülletin. Die Salons des Herrn Armand Marrast haben sich gestern von Neuem einer zahlreichen Menge geöffnet. Ein doppelter Reiz lockte in die wollustathmenden Gemächer des Hrn. Marrast; die Einladungskarten besagten, daß ein Concert dem Balle vorangehen würde und die elegante Welt findet in diesem Augenblick zu wenig Gelegenheit, sich dem Vergnügen zu widmen, um lange einem Amphitryon zu grollen, der so delikat seine Feste ausstattet, wie Hr. Marrast. Die Litteratur, die Künste, der Adel schickten einen beträchtlichen Kontingent zum Feste des Präsidenten. Ein sorglich organisirtes Konzert, wo die ersten gegenwärtig in Paris befindlichen Künstler sich hören ließen, bereitete auf das angenehmste die Versammlung zu einem minder passiven Vergnügen vor. Nach Erschöpfung aller in dem Programme angezeigten Themate, eröffnete Hr. Armand Marrast den Ball mit Mad. Lamoriciere. Die Tänze verlängerten sich bis 3 Uhr des Morgens und die zahlreichen Besucher ließen Hrn. Marrast sich durch die nöthige Ruhe auf die heutige Sitzung vorbereiten. (Estafette.)
Zweites Bülletin. Der letzte Zug von Transportirten gab Veranlassung zu einer herzzerreißenden Episode, die uns von einem Augenzeugen berichtet wird und die wir hier wiedergeben. Peter B. wurde einige Tage nach den Juniereignissen verhaftet und mit mehren seiner Unglücksgefäheten in die Kasematten des Forts von Ivry eingesperrt. B. war seit Kurzem verheirathet und seine unglückliche junge Frau, in Folge einer sehr vorgeschrittenen Schwangerschaft unfähig, sich selbst zu ernähren, sah jeden Tag mit Schrecken den Termin mehr herannahen, wo ihr Gatte vielleicht für immer von ihr getrennt würde. Die physischen Schmerzen einer vorzeitigen Entbindung vermehrten noch die Verzweiflung, worin sie die Idee einer ewigen Trennung stürzte. Die Unglückliche erfuhr durch die Frau eines der Verhafteten, daß ein baldiger Transport Stattfinden würde; sie setzte alles ins Werk, um zu wissen, ob ihr Mann daran Theil nehmen würde; aber ihre Anstrengungen waren vergeblich und sie konnte nichts erfahren. Nach einer schmerzlichen Niederkunft kaum hergestellt, vertraut sie den Händen einer Freundin ihr Kind. Durch den Verkauf ihrer bescheidenen Möbel gelingt es ihr, sich eine Summe von 70 Fr. zu verschaffen. Nachdem sie sich Nachweisungen verschafft hatte über den Ort der Einschiffung der Verhafteten und nach zahllosen Anstrengungen gelangt sie zu Fuß zu Rouen an und fährt von da mit der Eisenbahn nach Havre. In dieser Stadt angelangt miethet die arme Frau eine Kammer, von deren Fenstern sie den Einschiffungsort der Deportirten sehen kann. Drei Tage vergehen, ohne daß ihre Hoffnung sich verwirklicht; endlich am Morgen des vierten Tages bedeckt eine ungewöhnliche Menge die Quais, eine beträchtliche Masse bewaffneter Macht beschützt mit ihren Bayonetten eine andere Masse, die langsam und mit gesenktem Haupt einherschreitet; es ist nicht einer unter denen, die sie bilden, über dessen Wangen nicht bittere Thränen rollten. Mitten in diese zahlreiche Versammlung schlägt plötzlich wie ein Blitz ein zerreißender Schrei, dem ein gellendes Lachen folgt. Die unglückliche B. hatte ihren Gatten herausgefunden; sie dringt ungestüm durch die dreifache Reihe von Soldaten, die sie von ihm trennen und stürzt zu seinen Füßen nieder. Man drängt sich um sie, man verschwendet jede Hülfsleistung an sie; aber zu bald bemerkt man an ihrem verirrten Blick und dem unaufhörlichen gellen Lachen, daß die Unglückliche dem Wahnsinn verfallen ist. (Courrier francais.)
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[ * ] Paris, 9. Oktober.
E. Girardin's Angriff auf Cavaignac in der „Presse“ vom 8. Oktober lautet im Wesentlichen also:
Am 22. Juni publizirte die Presse folgenden kurzen Dialog:
„Es muß noch schlechter werden.“ Warum? „Weil wir nur noch ein Mittel besitzen, die Macht zu behaupten, die uns zu entschlüpfen droht.“ Welches Mittel? „Die Diktatur des General Cavaignac nothwendig zu machen.“ Aber Cavaignac ist ein unentschiedener Charakter, ein schwacher Kopf. „Was liegt daran, man weiß es nicht, und diese Schwäche besitzt ein Korrektiv in den 60,000 Mann Truppen in Paris und seinen Umgebungen. Wir warten nur noch die Gelegenheit ab; sie wird nicht lange auf sich warten lassen.“
[0572]
Zwei Tage nachher war die Juni-Insurrektion ausgebrochen: der General Cavaignac war im Besitz der Diktatur und der Redakteur en chef der Presse büßte im Abgrund eines Gefängnisses der Conciergerie das unverzeihliche Unrecht das, was kam, vorhergesehen zu haben, zu einer Zeit, wo es noch möglich war, einem solchen Kampf zuvorzukommen.
Wer war Kriegsminister den 22. Juni? Der General Cavaignac. Also eins von beiden. Am 22. Juni bestand die Pariser Garison aus 25,392 Mann, entsprechend den offiziellen Ausweisungen, die der Untersuchungskommission übergeben wurden, oder diese offiziellen Ausweisungen waren Lügen. Mit 25,000 Mann Linientruppen nebst der Mobilgarde, nebst der Nationalgarde, ‒ wie konnte General Cavaignac ohne Widerstand die Barrikaden am 23. Juni aufwerfen lassen?
Die Wahrheit muß endlich ans Tageslicht. Die Zeit ist gekommen. Von Seiten des Generals Cavaignac fand entweder schuldvolle Nachlässigkeit Statt oder aber noch schuldvollere Berechnung. Es ist gewiß, daß man am 23. Juni die Insurrektion verhindern konnte durch Entfaltung einer imposanten Militärmacht am 21. oder 22. Juni. Es ist gewiß, daß man ruhig der Organisation und Ausbreitung der Insurrektion zuschaute. Es ist gewiß, daß wenn man die Insurrektion begünstigen wollte, um so die Diktatur nöthig zu machen, man nicht anders noch besser verfahren konnte. Es ist gewiß, daß der Vorschlag, Paris in Belagerungszustand zu erklären und die Diktatur dem General Cavaignac anzuvertrauen, von Pascal Duprat ausging, der der Bediente Cavaignac's war und zum Lohn eine diplomatische Mission nach Oestreich erhielt. Es ist gewiß, daß das Votum der Nationalversammlung von Bastide erschlichen wurde, dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten, der sich also ausdrückte: „Bürger, im Namen des Vaterlandes, ich flehe euch an, eure Berathungen zu beendigen und sobald als möglich zu stimmen; in einer Stunde vielleicht wird das Hotel de Ville genommen sein. Man zeigt es mir in diesem Augenblicke an.“
Es ist gewiß, daß der erste Angriff auf die Insurgenten nicht von den unter das Kommando des General Cavaignac gestellten Truppen ausging, sondern von der Nationalgarde. Es ist gewiß, daß in diesen blutigen Tagen General Cavaignac nicht der war, der am meisten mit seiner Person zahlte. Es ist gewiß, daß der erste Akt des General Cavaignac, nachdem man ihn mit der Diktatur bekleidet, darin bestand, die individuelle Freiheit und die Preßfreiheit tödtlich zu schlagen. Es ist gewiß, daß nach Vorlage zweier Dekrete, das eine über die Kaution der Journale, das andere über die Preßvergehen, ‒ Dekrete, die am 21. August votirt wurden ‒ man gar keine Rücksicht auf diese Dekrete nahm. Journale wurden ungesetzlich, willkürlich unterdrückt, ohne Rücksicht auf die Würde der Nationalversammlung, auf die Freiheit der Presse, auf die legitimsten Eigenthumsrechte.
Endlich kann nicht bestritten werden, daß der General Cavaignac am 2. September sich folgendermaßen ausdrückte vor der Nationalversammlung: „Ich rufe der Versammlung ins Gedächtniß, daß mein Vater im Convent saß und daß ich glücklich und stolz bin, der Sohn eines solchen Mannes zu sein.“ Was nicht geläugnet worden ist, was nicht geläugnet werden kann, ist, daß der Mann des Convents, dessen Sohn zu sein Cavaignac sich rühmt, folgende Briefe geschrieben hat:
Montadour, 14. April 1794. Wir haben ungefähr 80 ehemalige Adlige oder Seigneurs verhaften lassen: wir werden die Verhaftungen fortsetzen bis der letzte dieser unversöhnlichen Feinde der Freiheit in Ketten liegt. Die außerordentliche Kommission, die wir zu Bayonne geschaffen haben, ist uns Schritt für Schritt gefolgt; eine Guillotine wurde mitgeführt und sofort aufgestellt; schon haben 6 Anführer mit ihren Köpfen bezahlt. Die bekannten Aristokraten sind verfolgt, verhaftet und ihre Güter confiscirt. Jeder Tag sieht einige ihrer Köpfe vom Schaffot niederrollen. Wir wiederholen es, es ist Zeit die Verhaftung aller Exadeligen, aller Exseigneurs, aller fanatischen Priester zu verordnen. So lange noch Einer von ihnen auf dem Lande der Freiheit bleiben wird, wird er gegen es conspiriren.“
Bagul, 29. April 1794. „DieUngeheuer! Sie alle werden untergehen, und bald wird das Land der Freiheit von den Sklaven gereinigt sein, die Könige verlangen.“
Nun wohl! Wir fragen ganz Frankreich, welche Garantieen bietet General Cavaignac, sobald er zum Präsidenten der Republik erwählt ist, daß er nicht in dieselbe Excesse fallen wird, die es unklug wäre, nicht vorher zu sehen!
Welche Garantien hat er der Ordnung geboten? Kriegsminister hat er den Junisturm unter seinen Augen sich bilden lassen, bis ein Meer von Blut ihm die Diktatur entgegen trug. Welche Garantien hat er der Freiheit geboten? Diktator behandelte er sie als rebellische Sklavin. Welche Garantien hat er dem Eigenthum geboten? Ueber alle Gesetze sich erhebend, hat er es mit Füßen getreten. Welche Garantien hat er Frankreich gegeben? Durch die Wahl seiner traurigen Minister hat er gezeigt, was von seinem Takt und seinem politischen Urtheil zu erwarten ist. Welche Garantien hat er der Arbeit gegeben? Durch die Verlängerung des Belagerungszustandes, dieses doppelten Geständnisses der Schwäche der Regierung und der unterirdischen Gefahren der Gesellschaft, unterhält er die öffentliche Wirrniß, verhindert er den Kredit wiederzuerstehn und folglich die Arbeit sich wieder zu beleben. Die Verlängerung des Belagerungszustandes über den Kriegszustand hinaus, die Aufrechterhaltung dieses außerordentlichen Regimes während der Diskussion und des Votums der Konstitution, sind Thatsachen, welche einen genauen Maßstab für die Wurfweite des Geistes des Generals Cavaignac geben.
Wen will der in den Herren Marrast und Bastide inkorporirte „National“ durchaus zum Präsidenten der Republik für 4 Jahre machen? Wen? Einen General, der für die Ordnung und Sicherheit in Paris nur unter folgenden Bedingungen haften will: Belagerungszustand für ewige Zeiten; 80,000 Mann Truppen, bivouakirend wie in Algier; Batterien, die bereit sind, überall loszufeuern; permanente Kriegsgerichte; Transportation vertheidigungsloser Bürger, die jeder richterlichen Garantie entbehren; Unterdrückung der Preßfreiheit; Verachtung der individuellen Freiheit; Vertagung aller Lebensfragen und Verletzung aller Prinzipien.
Wenn Cavaignac sich so aufgeführt hat, ehe er zum Präsidenten der Republik ernannt war, was hätte er nicht gethan, wäre er zum Präsidenten ernannt gewesen? Welchen Exzeß hätte man nicht zu befürchten gehabt? Wo ist der Akt der Willkühr, wovor er sich gescheut hätte?“
Vergleicht man mit diesem Artikel der „Presse“ das Votum der Nationalversammlung, die wider Cavaignac's Willen die Ernennung des Präsidenten der Republik durch die Nation, statt durch sich selbst beschlossen hat, so begreift man, daß Cavaignac den Anhängern der rothen Republik sich in die Arme werfen oder zum bewaffneten Lakaien von Thiers herabsinken muß. Aber auch der Sieg der rothen Republik wird seinen Sturz herbeiführen. Die ganze nüchterne Mittelmäßigkeit der Bourgoisie ist in ihrem Helden Cavaignac verkörpert, und mittelmäßig, wie seine Diktatur wird sein Untergang sein.
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@facs0572
Paris, 9. Oktbr.
Der Abendmoniteur erklärt das von mehren Journalen verbreitete Gerücht für erlogen, daß die Regierung sechs in Folge der Frankfurter Ereignisse nach Straßburg geflüchtete Deutsche ihren respektiven Behörden ausgeliefert habe.
Nationalversammlung. Sitzung vom 9. Oktober. Anfang 12 1/2 Uhr. Präsident Marrast. Die Bänke recht zahlreich besetzt.
Clement Thomas, vor der Tagesordnung, beklagt sich daß ihn Taschereau, Herausgeber der berüchtigten Revue Retrospektiv, am Sonnabend ungebührlich unterbrochen und unter Anderm gesagt habe: Antwortet doch nicht auf solche Ausfälle und Grobheiten!
Tascherau verweist den ehemaligen Generalissimus der hiesigen Bürgerwehr auf den Moniteur und gesteht nur zu, gerufen zu haben: Antwortet doch nicht auf dergleichen Anschuldigungen.
Das Protokoll wird angenommen und man schreitet zur Tagesordnung, Kapitel V der Verfassungsdebatte.
Marrast Präsident: die Versammlung verwarf in ihrer letzten Sitzung den Grundsatz der Anträge, den Präsidenten der Republik durch die Nationalversammlung wählen zu lassen. Wir können also zu einer andern Reihe von Anträgen übergehen, welche verlangen, daß der Präsident zwar durch's Volk, aber im zweiten Grade gewählt werde.
Mastimer-Ternaux und Lacrosse wünschen zu diesem Zweck den Artikel 43 der Verfassung dahin geändert:
„Der Präsident der Republik wird durch geheime Abstimmung von Wahlversammlungen in den Departementshauptstädten gewählt, welche aus Abgeordneten der Urwahlzirkel (auf 2000 Einwohner ein Abgeordneter) zu bilden sind. Die Abgeordneten sind nach Artikel 30 der gegenwärtigen Verfassung zu bestimmen. Sie können kein Imperativmandat erhalten und empfangen dieselben Taggelder wie die Jury.
Der Antrag wird verworfen.
Paul Sevaistre schlagt vor, der Präsident der Republik solle aus einer Liste von 10 Kandidaten, welche die meisten Stimmen vom Volk erhalten, dann von der Nationalversammlung mit absolutem Mehr gewählt werden.
Verworfen.
Larabit verlangt, daß der Präsident der Republik vom Volk mit 2/3 statt aus absolutem Stimmenmehr gewählt werde. Verworfen.
Marrast: Somit bringe ich den Artikel 43 zur Abstimmung, wie ihn der Verfassungsausschuß entworfen. Hiernach lautet er:
„Der Präsident der Republik ist durch geheime Abstimmung und mit absolutem Mehr aller Wähler der französischen Departements und Algeriens zu wählen.“
Die Linke schreit mit Macht: Zettelabstimmung! Dies geschieht. Es stimmen 757 Glieder. Dafür, 627 dagegen 130. (Sensation.)
Artikel 44 § 1 von Spedition der Wahlprotokolle handelnd und von keinem Nebenantrage beschwert, wird ohne weiteres angenommen. Der zweite Absatz (§ 2) der also lautet: „Vereinigt kein Kandidat mehr als die Hälfte oder sind die im Artikel 42 festgestellten Bedingungen nicht erfüllt, so wählt dier Nationalversammlung den Präsident unter denjenigen 5 Kandidaten, die die meisten Stimmen zählen.“ Mehrere Glieder schlagen den Zusatz vor „und wenigstens 3 (andere 2) Millionen Stimmen zählen.“
Wird verworfen und die Ausschußfassung angenommen.
Artikel 42 (welcher reservirt worden war) kam nun zur Berathung. Er lautet: „Der Präsident muß Franzose, 30 Jahre alt sein und darf nie die Eigenschaft eines Franzosen verloren haben.“
Hierüber entspinnt sich eine sehr stürmische Debatte. Deville trägt auf Ausschluß aller Sprösslinge früherer französischer Herrscher an. (4 Uhr.)
Nationalversammlung, Sitzung vom 9. Oktober (Schluß).
Sein (Deville's) Antrag lautet: „Die Präsidentschaft darf keinem Oberoffizier, noch einnm direkten oder kollateralen Gliede der Familien verliehen werden, die über Frankreich regierten.“ Deville ist ein alter Haudegen und erheiterte die Versammlung schon häufig durch seine brüske und freie Rede. Ein gebildetes Volk, sagt er, darf sich von keinem Soldaten beherrschen lassen. Die Geschichte unterstütze seinen Antrag auf jeder Seite. Ehrgeiz, Zuchtliebe und hierarchischer Geschmack (Tumult) seien Eigenschaften, die sich mit einem weisen Staatsoberhaupt schlecht vertrugen. Frankreich hätte schon einmal eine rothe Republik gehabt, seit 35 Jahren besitze es aber eine weiße, die in den letzten Zugen liege, und die der rothen Republik, welche aus 35 Millionen Franzosen bestehe, den Todeskampf liefern wolle. (G.lächter) Keine Säbelherrschaft, kein ewiges Belagerungsgesetz, keine ewigen Preßfesseln (Unterbrechungen). Ich weiß wohl, daß wir keine 26-jährigen Journale an der Spitze haben, aber es wäre unvorsichtig, einen andern jungen Mann zum Präsidenten zu wählen. (Stimme: Man wird Sie an die Spitze des Staats stellen!) Dieser Hieb traf mich nicht! (Gelächter). Der Redner warnt vor der rothen Republik; die nicht so krank sei als man glaube und sieht große Katastrophen in nächster Zukunft (Lärm).
Degoussée protestirt in einigen Worten gegen die barocken Vergleiche zwischen rother und weißer Republik.
Antony Thowat trägt an „kein Glied irgend einer Familie, die über Frankreich herrschte, kann zum Präsidenten der Republik erwählt werden.“
Napoleon Bonaparte (Jerome's Sohn) sagt: Ich hatte die Absicht, einige Worte gegen das Amendement zu sprechen. Da ich jedoch erfuhr, daß die Kommission oder der Verfassungsausschuß schon den Antrag verworfen, so überlasse ich es ihren Gliedern, unsere Vertheidigung zu übernehmen.
Woirhaye, Glied des Verfassungsausschusses, erhebt sich in der That und spricht zu Gunsten der Napoleoniden. Eine königliche Geburt sei in der That eine schlechte republikanische Erziehung. Doch mit dem Namen Napoleon sei dieß eine andere Sache. Napoleon sei ein Volksmann, er gelte beim Volk als Vertreter seiner Interessen und es sei unvorsichtig, einen Bannfluch gegen dessen Sprößling rücksichtlich der Präsidentenwahl auszusprechen etc.
Lacaze,Legitimist, hält eine lange Leichenrede gegen das Amendement Ein Ausschluß der Bonapartisten wurde ihm nur zum Fußschemel (Piedestal) neuer Herrschergerüste dienen. Man müsse sich auf den gesunden Sinn des Volkes verlassen.
Cocquerel, (Pfarrer), spricht in demselben Sinne. (Man ruft von allen Seiten: Zum Schluß!)
Louis Napoleon Bonaparte steigt von seinem Platze, dem Berge links, und begibt sich auf die Bühne.
Bürger! beginnt er unter allgemeinem Stillschweigen, Ich trete nicht auf, um das Amendement zu bekämpfen. Ich fühle mich schon glücklich genug, in der Mitte meiner Mitbürger zu sein, um einen anderen Ehrgeiz zu besitzen. In meinem Namen will ich daher nicht gegen die Verleumdungen reklamiren, sowie gegen den Titel eines Pratendenten, den man mir fortwährend vorwirft (contre toutes la calomnies et les titres de prétendant qui ma sont sans cesse opposée) Aber ich nehme im Namen von 400,000 Wahlbürgern das Wort, die mir die Ehre erwiesen, mich zu erwählen, um die Benennung eines Prätendenten hiermit zu verleugnen (desavouer). (Stimmen: Sehr gut. Sehr gut. Große Aufregung im ganzen Saale.
Antony Thouret will seinen Antrag retten. Wird aber kaum gehört.
Der Antrag wird verworfen. Ebenso alle übrigen Anträge derselben Gattung.
Art. 42 ist somit endlich angenommen.
Art. 45 (Art. 44 ist bereits erledigt) handelt von der Dauer des Amts des Präsidenten und stellt dieselbe auf 4 Jahre fest.
Kerdrel trägt darauf an, daß man ihn zwei Mal hintereinander wählen könne. Er wird aber nicht gehört und endlich von der Bühne getrommelt. Er ist sehr ärgerlich und protestirt durch den Tumult.
Art. 45 wird angenommen und die Sitzung um 6 Uhr geschlossen.
Großbritannien.
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[ * ] London, 9. Oktober.
Wir erhalten aus sehr guter Quelle die Nachricht, daß die Feindseligkeiten in Nord-Italien wieder beginnen werden. Wir hören, daß ein Agent des Königs von Sardinien von einigen Tagen hier anlangte, um 100,000 Gewehre zu kaufen, und zwar Perkussions-Gewehre, wenn das Quantum gleich geliefert werden kann.
Wenn die gewünschte Anzahl nicht in Birmingham vorräthig ist, so nimmt man an, daß Lord Palmerston das Fehlende aus den Vorräthen des Tower ersetzen wird.
[(The Standard.)]
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[ * ] Clonmel. Irland 7. Oktober.
Smith O'Brien, das Haupt der letzten irischen Insurrektion, ist von der Jury für schuldig erkannt worden und zwar in fünf Punkten der Anklage. Von dem sechsten sprach man ihn frei. Die Jury gab dieses Verdikt mit der ausdrücklichen Bemerkung, daß man das Leben des Gefangenen schonen möge.
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@facs0572
[ * ] London, 9. October.
Lord Brougham scheint der Meinung zu sein, daß die jetzige Stimmung in England einige Aehnlichkeit mit der von 1789 und 1793 hat. Der edle Lord fand diese Aehnlichkeit in manchen Punkten, aber er fand, daß die jetzige Zeit noch keinen Burke besitzt und da entschloß sich Lord Brougham der Burke des neunzehnten Jahrhunderts zu werden und Lord Henry schrieb einen Brief über die französische Revolution. ‒ ‒
Der Standard, der spezielle Freund Sr. Lordschaft, begrüßt diesen Brief natürlich mit wahrem Frohlocken und behauptet, daß der Burke'sche Brief höchstens den Vorzug der Originalität vor dem Briefe Lord Henry's habe.
Wir müssen gestehen, wir dachten, der alte Standard würde vorsichtiger mit seinen Schmeicheleien sein. Jeder weiß zwar, daß der edle Lord beim Schreiben seiner Epistel im Stillen an seinen berühmten Vorgänger dachte, ‒ aber dies mit aller Naivetät öffentlich auszuplündern: nein, das ist beleidigend, das ist verletzend.
Lord Brougham machte es sich von jeher zur Pflicht, originell zu sein. Ging er nicht zuerst mit einer graumelirten Hose in's Parlament? Hat er nicht die schönste Nase in ganz England? Hielt er nicht eine siebenstündige Rede? Wollte er nicht neulich noch französischer Citoyen werden?
Wenn Lord Brougham kein Original ist, so ist es Niemand.
Mit dem Briefe über die Revolution hat Se. Lordschaft aber, wie gesagt, dies Mal fehl geschossen. Der Zufall hat es gewollt, daß sogar die besten Freunde schon auf den ersten Blick die Copie herausfanden; der Brougham'sche Brief ist kein Burke'scher.
Der edle Lord wird sagen, daß er eine verkannte schöne Seele ist; vor allen Dingen wird er sich aber jetzt einzureden suchen, daß die heutigen Zustände Englands doch in etwa von denen von 1790 verschieden sind ‒ und in dem letztern Punkte könnte Lord Henry Recht haben.
Damals ein William Pitt, heute ein Lord John Russell! William Pitt, der Sohn des Earl von Chatham, im zwei und zwanzigsten Jahre Premier von England, bewundert von aller Welt, rasch, energisch, thatenlustig, kühn und vor allen Dingen verschwenderisch ‒ und Lord John Russell dagegen: ein kleiner verschlissener Mann; Premier, weil es die Laune der Partei so will; mehr verachtet als gefürchtet, langsam, vorsichtig und vor allen Dingen im höchsten Grade genirt in allen seinen Depensen.
Damals, im Parlament zwei streng geschiedene Parteien; stark die eine durch ihre Zahl; größer vielleicht die andere durch ihre Talente. Auf der einen Seite Pitt mit dem Troß seiner Anhänger, die ihm auf Kommando gehorchten und auf der andern For, Sheridan und eben Burke bis zu dem Augenblick, wo er sich unter Thränen von seiner Partei trennte. ‒ Heute dagegen ein Oberhaus, welches kaum mehr der Rede werth ist und ein Unterhaus, in dem die Parteien so sehr zersplittert sind, daß wir Whigs mit Tory's und Tory's mit Whigs stimmen sehen, wie es gerade die Umstände des Augenblicks mit sich bringen.
Damals eine Aristokratie, die in der fernern Entwicklung der französischen Revolution ihren eigenen Sturz sah und heute ein Adel, der sich längst dabei beruhigt hat, daß er gestürzt ist und dem es gar nicht mehr auffällt, wenn man den Sohn eines Baumwollspinners von Rom herüberholt, damit er dem Vaterlande ein Ministerium gebe.
Damals endlich eine Mittelklasse, die im Besitz jener großen Erfindungen eines Natt, eines Arkwright, eines Cartwright, zuerst mit tausend Verhältnissen der letzten Vergangenheit bricht, um unter dem Schutz der Kanonen der englischen Marine, die Märkte der halben Welt zu einem Tummelplatz ihrer industriellen Bestrebungen zu erobern und heute eine Bourgeoisie, die Alles erreicht hat, was sie erreichen wollte und die nur darüber aus ist, das zu conserviren, das zusammen zu halten, was ihr bei dem geringsten Tumult in den nächsten Ländern Europas oder in den fernsten Strecken asiatischer Besitzungen gefährdet und verloren scheinen muß.
Wahrlich, ein Burke traf ein interessanteres Publikum, er traf erregbare Gemüther, als er mit seinen Briefen und Reden, das Land zu einem Kriege mit der jungen französischen Republik zu entflammen suchte; er traf eine glücklichere Zeit als der originelle Brougham, der eine heruntergekommene Aristokratie und eine satte furchtsame Mittelklasse findet, die sich wenig um die schönen Worte eines edlen Lords kümmert, wenn sie nicht von dem allernächsten, praktischen Nutzen sind.
Die einzige Klasse, die Lord Henry so ziemlich in derselben Lage findet wie einst Burke, es ist die Klasse der Arbeiter, die, trotzdem daß sie heute tausendmal entwickelter und kompakter ist als damals, doch in diesem Augenblicke gerade so zu Boden geschmettert ist, wie einst zu den Zeiten Pitt's.
Unstät wie damals ein Major Cartwright von Ort zu Ort irrte und ein Reformer nach dem andern das Land seiner Heimath für immer zu verlassen gezwungen war, so füllen auch jetzt die verurtheilten Chartisten die Kerker Londons oder schwanken zu Schiffe dem fernen Australien zu. Doch was liegt ihnen an den stylistischen Uebungen eines Lord Brougham? Sie wissen trotz ihrer momentanen Niederlage, daß ein Brougham einem Burke folgen konnte, daß aber mit einem Lord Henry auch jene Race ausstirbt, die sich vergebens gegen jene Umwälzungen sträubt, die so sicher über England hereinbrechen werden, wie sie eben erst den Kontinent von Grund aus emporwühlten.
Handels-Nachrichten.
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Anzeigen.
Schifffahrts-Anzeige.
Köln, 11. Oktober 1848.
Angekommen: Kapt. Berns von Amsterdam mit 4140 Ctr. Kapt. Schneider von Rotterdam mit 4262 Ctr. Kapt. Kamps von Rotterdam mit 4630 Ctr.
In Ladung: Nach Ruhrort bis Emmerich W. Pesch. Nach Düsseldorf bis Mülheim an der Ruhr C. Königsfeld. Nach Andernach und Neuwied A. Boecking und M. Pera. Nach Koblenz, der Mosel und Saar. L. Tillmann. Nach der Mosel, nach Trier und der Saar A. Castor. Nach Mainz A. Dorweiler. Nach dem Niedermain Fr. Gerling. Nach dem Mittel- und Obermain Seb. Seelig. Nach Worms und Mannheim Wwe. C. Müller. Nach Heilbronn G. A. Klee. Nach Kannstadt und Stuttgart L. Hermann.
Ferner nach Rotterdam Kapt. Coesen Köln Nr. 15.
nach Amsterdam Kapt. Kalfs Köln Nr. 2.
Rheinhöhe am 11. Okt. 4′ 9″.
Zur Anfertigung der Auszüge liegt offen die Deklaration des Schiffers Brögmann
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Gebrauchte Dachziegeln und Laien werden zu kaufen gesucht, die Expedition sagt wo.
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Mit dem ersten Oktober begann das neue Quartal von der Porta-Westphalica.
Ein Blatt für Wahrheit, Recht und Gemeinwohl. Nebst einer Zugabe „Volks-Zeitung.“
Was die Zeitungen auf der breitesten Grundlage besprechen, wird in unserer „Volks-Zeitung“ nach Art der bekannten Hildburghauser Dorfzeitung „kurz und bündig“, mitgetheilt.
Bestellungen werden von den Postämtern angenommen.
Der Preis ist pro Quartal nur 15 Sgr.
Minden im September 1848.
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Der Verleger F. Eßmann.
Der Gerant: Korff.
Druck von J. W. Dietz, unter Hutmacher 17.