[0991]
Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 184. Köln, Montag den 1. Januar. 1849.
@typejExpedition
@facs0991
Bestellungen auf die „Neue Rheinische Zeitung“ für das nächste Quartal, Januar bis März 1849, wolle man baldigst machen und zwar in Köln bei der Expedition der Zeitung (unter Hutmacher Nr. 17), auswärts bei allen Postanstalten Deutschlands.
Für Frankreich übernimmt Abonnements Herr Dr. Ewerbeck, rue de l'Ulm 33 in Paris und das königl. Oberpostamt in Aachen, für Holland und Belgien: die belgischen Briefpostämter, für Großbrittanien: Mr. Thomas, Catherine Street-strand in London und das belgische Briefpostamt in Ostende.
Durch den Wegfall des Stempels wird der Abonnementspreis ermäßigt und beträgt von jetzt ab für Köln nur 1 Thlr. 7 Sgr. 6 Pf., bei allen preußischen Postanstalten, (das Porto einbegriffen) nur 1 Thlr. 17 Sgr. vierteljährlich; für Abonnenten im übrigen Deutschland tritt ein verhältnißmäßiger Postaufschlag hinzu.
Die Redaktion bleibt unverändert.
Die bisherigen Monatsgänge der „Neuen Rheinischen Zeitung“ sind ihr Programm. Durch ihre persönlichen Verbindungen mit den Chefs der demokratischen Partei in England, Frankreich, Italien, Belgien und Nordamerika ist die Redaktion in Stand gesetzt, ihren Lesern die politisch-soziale Bewegung des Auslandes richtiger und klarer abzuspiegeln, als irgend ein anderes Blatt. Die „N. Rh. Ztg.“ ist in dieser Beziehung nicht blos das Organ der deutschen, sondern der europäischen Demokratie.
Inserate: Die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf.
Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen unseres Blattes eine sehr weite Verbreitung. Die Gerantur der „Neuen Rheinischen Zeitung.“
Wegen des Neujahrsfestes fällt die Dienstag-Nummer aus.
@typecontents
@facs0991
Uebersicht.
Deutschland. Köln. (Die revolutionäre Bewegung. — Suspension des Pfarrers Schaffraneck. — Geiger). Wesselingen. (Der ruhige Schlaf des Hrn. v. Geyr). Münster. (Weitere Verhaftungen. — Das gerichtliche Verfahren). Berlin. (Ritter Vinke. — Preßprozesse. — Die Wahlbesprechungen. — Der Magistrat und Hr. Wrangel). Wien. (Verurtheilung. — Intervention im Kirchenstaat. — Preßburger Belagerungszustand. — Eine „finanzielle Uebersicht.“ — Fünftes Bülletin aus Ungarn). Aus dem Reich. (Neuestes). Schleswig. (Eröffnung der Landesversammlung. — Dänische Rüstungen).
Donaufürstenthümer. Bucharest. (Fortdauer der Verhaftungen. — Einsperrung eines Engländers. — Protest).
Italien Venedig. (Ein Liebesabentheuer). Mailand. (Ein Erlaß Wimpffens). Genua. (Adresse der zu Rom residirenden Franzosen). Rom. (Definitive Bildung der obersten Junta).
Franz. Republik. Paris. (Der hohe Rath der Bank. — Die National-Versammlung und das Ministerium. — Bilanz von Frankreich. — Vermischtes. — National-Versammlung. — Die Reduktion der Salzsteuer).
Spanien. Madrid. (Die Cortes. — Insurrektion in Sevilla mißglückt.)
Portugal. Lissabon. (Finanznoth. — Die Armee. — Costa Cabral. — Die Cortes.)
Belgien. Brüssel. (Die Flamänder bei den Franzosen.)
Großbritannien. London. (Die Polk'sche Botschaft über die Finanzen der Vereinigten Staaten. — Die neue Schnellpresse der Times. — Die Kirchhöfe in London. — Nachrichten vom Cap der guten Hoffnung.)
Amerika. Liverpool. (Das Goldland Californien. — Aus Mexico.) Philadelphia. (Die Präsidentenwahl. — Zusammensetzung des Kongresses.)
Ungarn. Pesth. (Provisorisches Reichssiegel. — Befestigungsarbeiten. — Vorsorge fur Bekleidung und Waffen. — Das Papiergeld). Kronstadt. (Kosaken in Obertömös).
Deutschland.
@xml:id#ar184_001_c
@typejArticle
@facs0991
Edition: [Karl Marx: Die revolutionäre Bewegung, vorgesehen für: MEGA2, I/8. ]
[ * ] Köln, 31. Dez.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
@xml:id#ar184_002
@typejArticle
@facs0991
[ * ] Köln, 31. Dezember.
Richter, Lehrer, Geistliche! An Alle kommt die Reihe. Mit der Purifikation, Suspension und Einsperrung der ihr mißliebigen Beamten des Richterstandes hat die gottbegnadete Contrerevolution im offiziellen Lager begonnen; das Ladenberg-Eichhornsche Rescript an die Lehrer mit der Weihnachtsbotschaft, daß die bisherigen „Disciplinar-Vorschriften“ wieder zur vollen Geltung kommen sollten, folgte und jetzt ist Brandenburg-Manteufel bereits bei der Geistlichkeit angelangt.
Herr Pfarrer Schaffraneck in Oberschlesien, linkes Mitglied der National-Versammlung, ist suspendirt, suspendirt durch den [Fortsetzung]
@typejFeuilleton
@facs0991
@xml:id#ar184_002a
@typejArticle
@facs0991
Ungarn.
Nun flackert durch die Haide
Der Lagerfeuer Brand;
Nun blitzt die krumme Schneide
In des Magyaren Hand;
Nun läßt er seine Heerde,
Nun schwingt er sich zu Pferde,
Nun lehnt er am Verhau;
Und vor dem Eisensporn'gen
Aufrauscht das Lied der zorn'gen
Donau, der Haidefrau.
Sie jauchzt in ihren Borden,
Sie schwillt vor Stolz und Wuth:
„Glück auf, ihr braunen Horden,
Du heißes Ungarblut!
Ihr Hirten und ihr Jäger,
Ihr wilden Zimbalschläger,
Ihr Geiger unverzagt!
Ihr, die ihr als die Letzten
Zur Schlacht mit dem zerfetzten
Panier der Freiheit jagt!
„Verrathen allenthalben,
Verrathen und schimpfirt,
Habt ihr es auf die Falben
Und Rappen euch salvirt!
Vom Roß emporgehalten,
Bluteis in seinen Falten,
So trägt es der Magyar;
So läßt er breit es fliegen,
So läßt er es mit Siegen
Einweihn das neue Jahr!
„Seht her doch, ihr nach Westen!
Ein Volk noch in der Welt,
Das trotzig mit der festen
Stahlhand am Aufruhr hält!
Im fernen wüsten Osten
Der Freiheit Außenposten,
Die schlagen jetzt die Schlacht,
Die, heiß zurück sich wälzend,
Jedwede Kette schmelzend,
Auch euch zu Freien macht!
„Hört ihr der Hörner Gellen,
Hört ihr der Rosse Trab,
Seht ihr die blut'gen Wellen? —
Das ist der Kampf bei Raab!
Vorwärts ihr zottigen Reiter!
Vorwärts Kossuth, mein Streiter!“ —
So klingt der Donau Schrei;
So wälzt sie sich mit Grollen
Hinab durch ihre Schollen
Zur schläfrigen Türkei.
Sylvester 1848.

[0992]
[Deutschland]
@xml:id#ar184_003
@typejArticle
@facs0992
[Fortsetzung] Fürstbischof in Breslau, der sich durch seinen bekannten Hirtenbrief gleich von vornherein für die Sache der potsdamer Camarilla erklärte: Daß die Regierung diese Suspension hervorrief, ist dem Kurzsichtigsten klar; daß der erste Racheschritt der gottbegnadeten Regierung grade gegen einen katholischen Geistlichen gerichtet worden, darf nicht verwundern. Gegen protestantische Geistliche, wie Hrn. Rehfeld und die übrige „schwarz-weiß-kuttige“ Schaar bedarf es keines Einschreitens. Sie haben sich stets als die besten himmlisch-irdischen Gensdarmen des preußischen Absolutismus erwiesen. Man braucht sich nur an die christlich-germanischen Synoden und General-Synoden zu erinnern.
Die Suspension Schaffraneck's ist das würdige Seitenstück zu Temme's Einsperrung. Die Nachricht von diesem neuen Gewaltstreich der Contrerevolution geht wie ein Lauffeuer durch Oberschlesien und laut spricht sich der Unwille und die Erbitterung des Volks über solches Verfahren gegen einen Mann aus, dessen ganzes Verbrechen in der pflichtgetreuen Erfüllung seines vom Volke ihm übertragenen Mandats besteht.
@xml:id#ar184_004
@typejArticle
@facs0992
Köln, 31. Dez.
Im Regierungsbezirk Köln sind die Wahlorte der beiden Wahlbezirke zu der ersten Kammer: 1) Deutz für die Kreise Mühlheim, Wipperfürth, Gummersbach, Waldbröl, Sieg. 2) Köln für die Stadt Köln, den Landkreis Köln, die Kreise Bonn, Rheinbach, Euskirchen, Bergheim. Die Wahlorte der 5 Wahlbezirke zur zweiten Kammer sind: 1) Köln für die Stadt Köln. 2) Deutz für den Landkreis Köln und Kr. Mühlheim. 3) Lechenich für den Kreis Bergheim, Euskirchen, Rheinbach. 4) Bonn für den Kreis Bonn und Sieg. 5) Gummersbach für den Kreis Waldbröl, Gummersbach, Wipperfürth.
@xml:id#ar184_005
@typejArticle
@facs0992
[ * ] Köln, 31. Dez.
Der bisherige kommissarische Polizeidirektor, Hr. Geiger, ist zur Belohnung seiner Dienste um „Gott, König und Vaterland“ vom Könige von Preußen zum Polizeidirektor hiesiger Stadt ernannt worden.
@xml:id#ar184_006
@typejArticle
@facs0992
[ 73 ] Wesselingen, 29. Dez.
Es ist wohl kein Stand, kein Amt und Fach, daß dieses Jahr nicht erschüttert worden in seinen Grundfesten. Throne und Kronen wankten, Monarchieen stürzten, Prinzen flohen verbannt, Minister wurden gehängt, Volksvertreter erschossen, und selbst der Vater der Christenheit hat keine sichere Wohnstätte mehr, und irrt auf flüchtigem Fuße.
Doch, ob auch die Elemente selbst sich verschwören, — Einer lebt, dem die Ruhe gesichert, um den sich für Krieg und Frieden Behörden und Heere schaaren, — dieser eine Einzige — einzig Eine — Freiherr Max von Geyr von und zur Schweppenburg, Seiner Gnaden Euer gnädigster Bürgermeister ist's!
Uns andern Dorfbewohnern sollte vor 4 Wochen mal „eine Aufregung“ angewandelt sein; — zur Abhaltung solcher epidemischen Pest von der Person und dem Eigenthume des „Meisters“ wurden dem Dorfe Infanterie, Kavallerie und Gensd'armen verschrieben, und glücklich legte sich „die Aufregung!“ Laut Reskript vom 25. d. befahl die kgl. Regierung zu Köln, „daß das hierhin detaschirte Militärkommando am 27. d. zurückgezogen und den Einwohnern Wesselingen's selbst die Aufrechthaltung der Sicherheit von Person und Eigenthum anvertraut werde.“
Kaum gesagt, so geschehen, — kaum geschehen, so rücken neue Truppen ein — beziehen Quartier bei den Bürgern und eine Wachtstube und Posten bei „Herr Gnaden,“ wohl also zur Sicherstellung und Garantie des ruhigen Schlafes — — herrlicher, neumodischer, konstitutioneller Schlaftrunk!
Wirklich! unser allverehrter Herr Landrath hatte Recht, als er sagte:
„Meine Herren von Wesselingen, ich will mein Bestes thun; dann müssen Sie aber auch sorgen, daß der Mann ruhig schlafen kann. — Sie kennen ihn, wie er ist; und ich sage Ihnen: er muß zart und schonend behandelt werden — wissen Sie — wie eine Frau in den ersten Tagen ihrer Wochen — so schonend — er ist wirklich in einem eigenthümlichen Zustande.“
@xml:id#ar184_007
@typejArticle
@facs0992
[ 39 ] Münster, 29. Dez.
Was ich Ihnen zuletzt versprach, Ihnen nähere Details zu berichten, dazu hat mich das hiesige Oberlandesgericht schnell in den Stand gesetzt. Unergründlich an Taktlosigkeit hat es mit seinen widrigen Eingaben an das Ministerium und an den König sich noch nicht begnügt, sondern fortwährend verhaftet. Morgen werden die Abgeordneten Fischer, Bruchhausen und Dekan Schulte unserm braven Temme Gesellschaft leisten. Und warum? Hat das Gericht etwa untrügliche Beweißstücke in Händen? Mit Nichten; im Gegentheil, ohne alle richterliche Cognition ist Temme's Captur beantragt und genehmigt worden. Ein Beiblatt der Milde'schen Reform, welches die bekannte Proklamation der 170 Abgeordneten vom 27. Novbr. nicht offiziell, sondern nur „nachgedruckt“ enthält, mußte die Unterlage zur Einleitung des Verfahrens bilden, so daß selbst bei diesem Kollegium von einigen Seiten Zweifel über die Echtheit und Genüge der Indizien erhoben wurde. Nimmt man hinzu, daß die Milde'sche Reform nur in dem sogenannten Civilklub gehalten wird und daß gerade jenes Beiblatt in dem betreffenden Hefte fehlt, obwohl nach den Statuten keine Zeitung mitgenommen werden darf, daß sogar gerade dieses gestohlene Exemplare dem edlen Inquisiten bei der Vernehmung vorgelegt worden sein soll, so ist die gegen das Gericht herrschende Stimmung um so mehr erklärlich, als es in diesem Falle nicht einmal so viel richterlichen Takt besaß, selbst vorausgesetzt, die Einleitung einer Untersuchung sei rechtlich begründet und nothwendig, die Leitung seinerseits zuvor schon abzulehnen und einem andern Gerichtshofe zu überweisen wünschte, weil es selbst gegen seinen eigenen Direktor die feindseligste Stellung eingenommen hatte. Allein wo Privathaß und Persönlichkeit mit der feigsten Servilität sich paaren, da darf man sich über ein solches Verfahren nicht wundern. Das thut man hier auch gar nicht; man freut sich vielmehr, wie das Unter- und Obergericht sich in ihrer Blindheit und tollen Verfolgungswuth immer mehr Blößen geben. Am Land- und Stadtgericht ist es der Assessor v. Stockhausen, der um seines neugebackenen Adels willen und um sich nach Oben hin recht möglich zu machen, als wüthender, ultramontaner Reaktionär das Ganze ausgespürt haben soll; am Obergericht wird natürlich dessen Schwiegervater, der Präsident Olfers, den endlich erwirkten Antrag auf Temme's Einziehung freudig willkommen geheißen haben. Das ist die gepriesene Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Richter! Es geht hier so weit, daß alle Briefe an Temme, was sonst bei keinem der Gefangenen geschieht, vorher von der Post geholt und von dem Inquirenten gelesen und beglaubigt werden müssen. Das alte Jahr schließt somit würdig, wie es begonnen. Sein Anfang war die Herrschaft der Polizei, der Bajonette und des Landrechts mit seinen Mißvergnügen-Erregungs-Paragraphen und das Ende des Jahres 1848 bildet von alledem eine neu durchgesehene, vermehrte; verbesserte und natürlich gnädigst oktroyirte zweite Auflage. Das entscheidende „Nachwort“ hierzu wird uns jedenfalls das herannahende Jahr nicht vorenthalten!
@xml:id#ar184_008
@typejArticle
@facs0992
[ * ] Berlin, 29. Dez.
Wer den Verhandlungen des ersten vereinigten Landtages aufmerksam gefolgt ist, wird sich der Provokation erinnern, welche sich damals der „ritterliche“ Herr v. Vincke gegen die Juden in öffentlicher Sitzung erlaubte. Einer ihm hierauf vom Assessor Venda, der sich durch jene Aeußerung persönlich beleidigt erachtete, zugekommenen Herausforderung, wich Vincke durch eine nicht weniger als „ritterliche“ Antwort aus. In gleich „ritterlicher“ Weise hat sich der Held des Rechtbodens gestern in Eisenach benommen. Dort sollte nämlich ein Duell zwischen dem Abgeordneten der preußischen Nationalversammlung Hrn. Jung und Hrn. v. Vincke stattfinden; und zwar auf Anlaß der bekannten Aeußerungen des Letztern in der 134. Sitzung des deutschen Parlaments. *) *) Für Leser, welche sich jenes Vorfalles in der 134. Sitzung des deutschen Parlaments nicht mehr erinnern, wollen wir denselben hier kurz wieder erzählen. Vinke erlaubte sich über die Majorität der Berliner National-Versammlung die Bemerkung, sie sei nicht frei von persönlichem Ehrgeize gewesen und habe sich durch diesen bei ihren Abstimmungen leiten lassen. Einem von der Linken ausgegangenen Ordnungsruf gab der Präsident wie gewöhnlich keine Folge, worauf Vinke seine Behauptung wiederholte. Als nun eine Stimme rief, das ist nicht „ritterlich!“ sagte Vinke, gegen die Linke gewandt: „Ich bin in meinem Leben gewohnt gewesen, alle meine Aeußerungen auf eine sehr ritterliche Weise zu vertreten,“ und auf einem nun wegen der Provokation erfolgenden Ordnungsruf des Präsidenten, interpretirte er diese Worte dahin, sie hätten denjenigen gegolten, welchen etwa in Berlin seine Aeußerungen Anstoß verursachen sollten. An Ort und Stelle jedoch erklärten die Sekundanten des „ritterlichen“ Freiherrn denen des Hrn. Jung, Letzterer sei nicht satisfaktionsfähig, und zwar deshalb, weil derselbe von der bekannten komischen Persönlichkeit des Herrn v. Bülow durch Inserate in der Vossischen und Spenerschen als Lügner bezeichnet worden sei und sich doch deshalb mit Bülow nicht geschlagen habe.
Vor dem Appellationssenat des Kammergerichts waren heute drei politische Prozesse in zweiter Instanz. Zunächst der des Malers Hopf aus Charlottenburg, gegen den wegen seines Gedichtes: „Schöne Worte des Königs von Preußen“, eine Klage auf Majestätsbeleidigung erhoben, aber in erster Instanz abgewiesen worden war. Das Appellationsgericht, unter dem Vorsitze des Kammergerichtsrath Gutschmidt, erkannte ihn jedoch, trotz der beredten Vertheidigung des Referendars Meyen für schuldig, und zwar deshalb, weil das Gedicht zwar nicht seinem Wortlaute nach ehrenrührige Schmähungen enthalte, weil aber die hämische Intention durchleuchte, und die Ausdrücke boshafter Natur seien. Wir sind also vollständig auf dem Punkt der reinen Tendenz-Prozesse angelangt. Das Urtheil lautete auf ein Jahr Festung. — Der zweite Prozeß gegen Fernbach und Fähndrich, wurde ausgesetzt, weil Ersterer als polizeilich Ausgewiesener nicht anwesend sein konnte. Der Staatsanwalt erklärte übrigens, er lasse die Anklage gegen das unter dem Titel: „Extrablatt der Vossischen Zeitung“ verbreitete Flugblatt, fallen. — Auch der dritte Prozeß gegen Leid-Brand (Thiele) mußte wegen Krankheit des Angeklagten ausgesetzt werden.
@xml:id#ar184_009
@typejArticle
@facs0992
[ X ] Berlin, 29. Dezember.
In der gestrigen Sitzung kamen auch die bevorstehenden Wahlen zur Sprache. Von mehreren Bezirken war der Antrag eingegangen, die Stadtverordnetenversammlung möge dahin wirken, daß der Belagerungszustand aufgehoben und die Urwählerversammlungen zur Vorbereitung für die Wahlen gestattet werden. Der Magistrat ist bereits mit dem General v. Wrangel in Correspondenz getreten und dieser hat darauf geantwortet, daß der Magistrat nach dem Wahlreglement zuerst die Aufgabe habe, die Wahlbezirke abzugrenzen. Nachdem dies geschehen, die Urwählerlisten ausgelegt und ihm davon Kenntniß gegeben sein wird — habe er die Absicht, sofort die Urwähler-Versammlungen zu gestatten, und zwar unter folgenden Bedingungen:
1) daß nur die stimmberechtigten Urwähler der Bezirke dazu Zutritt haben;
2) daß in diesen Versammlungen nur Wahlangelegenheiten, mit Ausschluß jeder weiteren Politik, verhandelt werden, und zwar unter specieller Verantwortlichkeit des Vorsitzenden der Versammlung;
3) daß die Möglichkeit gewahrt werde, diese Versammlungen jederzeit durch einen Beamten überwachen lassen zu können.
Der Magistrat hat darauf geantwortet, daß er mit der Eintheilung der Bezirke beschäftigt sei und, dem Verlangen gemäß, den General Wrangel davon in Kenntniß setzen werde. Er erlaube sich aber die Bemerkung, daß die Debatte in diesen Versammlungen unmöglich in eine bestimmte Grenze zurückgedrängt werden kann, da die ganze Wahlangelegenheit rein politischer Natur sei und es würden nur außerhalb des Gebiets der Wahlen liegende politische Debatten vermieden werden können. Die Versammlungen habe er nicht zu leiten, sondern nur die Wahlen selbst, und könne deshalb auch die Vorsitzenden dieser Versammlungen, die von den Urwählern selbst gewählt und bestimmt werden, nicht verantwortlich machen. Am Wahltage selbst dürften keine Diskussionen stattfinden; der Magistrat wolle jedoch, wenn es verlangt wird, die Liste der Wahlkommissarien einreichen. Was die Controlle der Urwähler-Versammlungen durch Offizianten anbelangt, so glaube und hoffe er, daß die Urwähler darauf eingehen werden. (Lärmen in der Versammlung, oh, oh!) — Die Stadtverordneten-Versammlung war jedoch der Meinung, daß diese Vorversammlungen ohne jede Beschränkung stattfinden müßten, um jeder Ansicht Spielraum zu gewähren, zumal man glaube, daß die Urwähler eine solche Ueberwachung sich auch nicht gefallen lassen würden. Es wurde deshalb eine Deputation ernannt, welche zuerst bei dem General v. Wrangel und sodann bei dem Staatsministerium auf das Schleunigste dahin wirken soll, daß die Urwählerversammlungen zu den Wahlen ohne jede Beschränkung gestattet werden. — Hinsichts des Antrags wegen der Aufhebung des Belagerungszustandes wurde auf den Antrag des Stadtv. Schäffer ebenfalls eine Deputation niedergesetzt, welche die Motive zusammenstellen soll, weshalb die Aufhebung des Belagerungszustandes wünschenswerth sei. — Mehrere Bezirke hatten gegen die vom Magistrat vorgenommene Theilung der Wahlbezirke protestirt. Die Proteste wurden dem Magistrat zugefertigt. Hierauf ging die Versammlung zu einer geheimen Sitzung über.
Die letzte Nummer der „Ewigen Lampe“ ist wiederum auf Befehl des Obee-Commando's in den Marken mit Beschlag belegt worden. Den Polizeibeamten und Schutzmännern war gemessene Ordre zugegangen, auf den Vertrieb dieses Blattes sowohl in den Straßen ihre genaue Aufmerksamkeit zu richten, als auch möglichst diejenigen Buchhandlungen zu ermitteln, welche dasselbe öffentlich ausliegen haben, um gegen solche mit Schließung ihrer Geschäfte, der frühern Bestimmung gemäß, verfahren zu können.
Gestern Abend sollte hier zum ersten Male nach der gesetzlichen Anerkennung der Preßfreiheit eine Bücherconfiscation vorgenommen werden. Diese Maßregel war gegen eine schon vor längerer Zeit von dem Assessor Jung herausgegebene Schrift gegen den Berliner Magistrat gerichtet. Die Verlagshandlung (Reuter et Stargardt) bestand indeß auf der gesetzlich erforderlichen Vorzeigung eines richterlichen Befehls, mit welchem der ausführende Polizeibeamte nicht versehen war. Es mußte deshalb von der Vollstreckung der Confiscation Abstand genommen werden.
@xml:id#ar184_010
@typejArticle
@facs0992
[ * ] Wien, 27. Dez.
Albert Cygarn, Korporal der 2. Grenadierkompagnie des Infanterieregiments Graf Hartmann ward nebst beständiger Degradirung zum Gemeinen zu fünfjähriger Schanzarbeit in schwerem Eisen verurtheilt, weil er, obgleich unter terroristischem Andringen in die polnische Legion eingereiht, die Gelegenheit, zur Militärbehörde zurückzukehren, nicht benutzt, sondern öfters Wachdienst versehen und, jedoch nicht überwiesen, sondern nur stark beinzichtigt, an der Vertheidigung der Linien gegen die Truppen thätigen Antheil genommen hatte.
@xml:id#ar184_011
@typejArticle
@facs0992
[ 24 ] Wien, 27. Dez.
Nach Briefen von östreichischen Offizieren in Italien unterliegt es keinem Zweifel, daß die Horden Radetzky's in den Kirchenstaat zur Wiedereinsetzung des Pabstes entweder schon eingerückt sind oder bald einrücken werden. Der Belagerungszustand in Preßburg und Umgegend gedeiht vortrefflich. Verhaftungen in täglich größerer Masse; über Begnadigungen zu „Pulver und Blei“ wird man auch von da her bald Einiges hören. Der Vizegespann des Preßburger Komitats ist unter den Verhafteten. Die „Wienerin“ veröffentlicht heute die „finanzielle Uebersicht im Monat Oktober 1848.“ Es ist ein erbauliches Aktenstück und eine so drastisch-wirkende Christbescheerung, daß das „schwarzgelbe“ Philister- und Bourgeoisthum sich am Geldbeutel faßt und hinter den Ohren kratzt.
Die Einnahmen an direkten Steuern betrugen2071134 Fl.
Die Einnahmen an indirekten Steuern betrugen3957158 Fl.
Die Einnahmen aus andern Branchen620981 Fl.
Zusammen:6649273 Fl.
Die Ausgaben zusammen11376923 Fl.
Folglich in diesem einen Monat ein Defizit von4727650 Fl.
Und bei diesen Ausgaben sind die Kosten für's Militär in Ungarn und Italien nicht inbegriffen, weil dort die Soldaten durch Brandschatzung etc. der besetzten Länder ernährt werden.
Der Ausfall gegen den ministeriellen Voranschlag betrug allein bei den indirekte[n] Abgaben 4198676 Fl.
Zur Versüßung der finanziellen Schmerzen werden Bülletins über das stets siegreiche Vordringen der k. k. Armee in Ungarn publizirt. Heute ist das 5. dieser Art erschienen. Während man vor zwei Tagen noch zu Schanzarbeit in schweren Eisen verurtheilt worden wäre, hätte man der Lüge von der Einnahme Raab's widersprochen: läßt dieses 5te Bülletin selbst erst die Vorposten 1/2 Stunde vor Raab stehen und den Windischgrätz rückt es bis St. Miklos bei Hochstraß vor. Im Bülletin werden die k. k. Henker überall „auf das freundlichste“ bald auch mit dem unbeschreiblichsten Jubel empfangen. Die nicht „schwarz-gelbe“ Bevölkerung Wien's lächelt dazu. Man hört jetzt öfters die Hoffnungen für nächstes Frühjahr in dem Satz ausdrücken: „Wartet nur, das Lagerbier ist allerdings schlecht ausgefallen, daß das Märzbier desto besser ausfalle, dafür werden wir sorgen.“
Obiges Bülletin läßt noch auf andere Weise, z. B. vom General Suplicacz, Siege erfechten.
@xml:id#ar184_012
@typejArticle
@facs0992
[ 20 ] Aus dem Reich.
Auf den ersten „kühnen Griff“ folgte einen halben Monat lang „Kanonendonner und Glockengeläut.“ Zur Einleitung des zweiten „kühnen Griffs,“ sind vom Reich aus Kanonen in Brüssel, wollte sagen, in und bei Lüttich bestellt. Nach dem schmälichen Verrath in Betreff des dänischen Waffenstillstandes thut man, als ob zum Frühjahr noch ein Stückchen deutsche Ehre an den Küsten von Schleswig-Holstein zu vertheidigen sein würde. Drum sollen dort Strandbatterien „von Reichswegen“ errichtet werden. Immerhin ein plausibler Vorwand, um das Reichsbudget auf die Höhe der Zeit zu bringen. Unsere Truppen füttern sich nach wie vor ganz gemüthlich; bezahlt wird mit Anweisungen auf die, welche nach uns kommen weeden. Die in unserem Nachbarlande eingetretene Lerchenreld'sche Ministerkrisis dauert fort, wie sämmtliche „Reichsblätter“ versichern. In unseren eigenen Regionen muß überall Ordre parirt werden, sonst gibt's Exekutionen. So ist in Mühlhausen ein Kommando zu diesem Behufe eingerückt! ihm voran ritt der Eichhorn'sche Regierungsrath Volk, um die Demokratenhetze zu leiten. Hr. Hergenhahn ist noch immer Minister, was seiner Langweiligkeit keinen Abbruch thut. Unserem Reichsministerium fallen die Haare aus vor banger Ungewißheit um die nächste Zukunft und aus Trauer um's Vaterland, wenn diese Minister bis zum Frühjahr, wie's wohl möglich ist, durch einen bösen Märzsturm weggeblasen würden.
@xml:id#ar184_013
@typejArticle
@facs0992
[ * ] Schleswig, 27. Dez.
Heute wurde hier die Landesversammlung eröffnet, die zusammenkam, um die Steuern vom 1. Januar 1849 an zu bewilligen. Die Sitzung wird daher auch nur kurze Zeit dauern. Die neuesten Nachrichten von der Insel Alsen stimmen sämmtlich darin überein, daß es dort in Städten und Dörfern von Soldaten wimmelt und täglich neue Schaaren anlangen. Zu Neujahr werden an 12,000 Mann auf der Insel zusammengebracht sein. Man vermuthet einen baldigen Einfall der Dänen in Schleswig. Sonderburg wird nach der Landseite zu stark befestigt.
Donaufürstenthümer.
@xml:id#ar184_014
@typejArticle
@facs0992
[ X ] Bucharest, 12. Dezbr.
Die Verhaftungen durch die russische Militärbehörde dauern fort. Vorgestern ward ein eng, lischer Unterthan in seinem eignen Hause verhaftet und ins Gefängniß abgeführt. Auf die Nachricht hiervon beeilte sich der brittische Generalkonsul, Hr. Colquhoun, beim Statthalter des Fürstenthums gegen diese Verletzung des Hausrechts Protest einzulegen und zugleich die unmittelbare Freigebung des Verhafteten zu verlangen, unbeschadet der diesem gebührenden Entschädigung, wie der Genugthuung, die das Konsulat wegen der ihm widerfahrenen Rechtsverletzung anspricht. Der Kaimakam erwiderte, daß er, da ihm diese Sache ganz fremd sei, jede Verantwortung ablehne und übrigens bereit sei, die verlangte Genugthuung zu geben, wenn dieselbe von ihm abhängen würde. Da Hr. Colquhoun von dem Kaimakam nichts erlangen konnte, so soll er sich an den türkischen Kommissar gewendet haben, der nichts weiter thun konnte, als gegen das ihm berichtete Verfahren der russischen Militärbehörde zu protestiren. Der brittische Gesandte, Hr. Stratford-Canning, soll die Sache bereits aufgenommen haben.
Italien.
@xml:id#ar184_015
@typejArticle
@facs0992
[ * ] Venedig, 20. Dez.
Es geht die Rede von verschiedenen österreichischen Komplots, die man in Venedig aufgedeckt haben will, und die eben die Veranlassung gewesen sein sollen zur Verhaftung des Offiziers, welcher das Kommando über das Fort Malghera führte.
Eine wunderschöne Frau, die Radetzky in Venedig eingeführt und mit großen Summen versehn hatte, soll vornehmlich beauftragt worden sein, jenen Offizier durch Bestechung zu gewinnen. Sie war an einen andern bereits gewonnenen Offizier adressirt, der ihr überall Zugang verschaffen sollte. Durch verschiedene Umstände ward sie verhindert, mit diesem Offizier zusammenzutreffen; ein anderer Offizier stellte sich daher ihr vor, im Namen seines Kameraden, und ward trefflich von der Dame empfangen. Es war ein hübscher junger Mann, der den größten Eifer für die Sache Oesterreichs bekundete, und von Allem genau unterrichtet war. Der junge Offizier zeigte sich um so bereitwilliger und unternehmender, als seine Liebe zu der schönen Verführerin mit jeder Stunde zunahm. Die Intrigue zwischen dem Liebespaar entspinnt sich vollends und geht so weit, daß sie der schönen Manini den Eingang zum herzoglichen Palast verschafft, wo der Diktator Manin sie empfängt, mit dem sie vorgibt, verwandt zu sein. Durch die freundliche Aufnahme ermuthigt, schlägt sie ihm vor, Venedig zu „retten,“ d. h. die Oesterreicher herein zu lassen, und bietet ihm, ohne zu zählen, Millionen an für diesen aufopfernden Akt. Man läßt sich scheinbar in Unterhandlungen mit ihr ein. Der junge Offizier, von dem wir gesprochen, und dessen Rolle man leicht erräth, weis't nach, wie ein Angriff auf Malghera unfehlbar gelingen müsse, um so mehr, als man mit dem Kommandanten einverstanden sei. Die Oesterreicher werden gerufen an einem bestimmten Tag, und mit einem wohlgenährten Feuer empfangen. An demselben Tage wird das schöne Weib in's Gefängniß gewor- [0993] fen, und wird jetzt erst gewahr, daß das Sicherheits-Comité sie keinen Augenblick aus dem Auge verloren hat.
Sollte man nicht glauben, wenn man diese Episode liest, wieder in die alte Geschichte Venedigs versetzt zu sein?
@xml:id#ar184_016
@typejArticle
@facs0993
[ * ] Mailand, 20. Dezbr.
Der Militärgouverneur von Mailand, Graf C. Wimpffen, hat folgenden echtöstreichischen Erlaß veröffentlicht:
„Die Regierung unterrichtet, daß man Gerüchte verbreitet, die dahin zielen, Allarm und Mißtrauen in der Bevölkerung hervorzurufen, daß Schlechtgesinnte sich der verächtlichsten Mittel bedienen, um Aufregung in den Geist der guten Bürger zu säen und sie gegen ihren Willen zur Theilnahme am Haß gegen die konstituirten Obrigkeiten und die öffentliche Ruhe hinzureißen, sei es durch Ausstellung auf revolutionäre Ereignisse bezüglicher Gegenstände an den Fenstern der Butiken, sei es durch Tragen politischen Parteien angehöriger Zeichen, sei es endlich durch hochverrätherische Rufe in der Nacht; in Erwägung alles dessen, fordert die Regierung, mit Bezugnahme auf ihre Kundmachungen vom 20. Aug. und 3. Sept., die guten Bürger auf, nichts zu fürchten; sie hat die geeigneten Mittel in ihrer Hand, um jeder Unordnung zuvorzukommen und wird mit der größten Sorgfalt das Betragen Derer überwachen, die durch die erwähnten Mittel die öffentliche Ruhe gefährden und es wird gegen sie mit der ganzen Energie und Strenge verfahren, welche die in dieser Stadt noch nicht aufgehobenen Belagerungsgesetze zulassen.“
@xml:id#ar184_017
@typejArticle
@facs0993
[ * ] Genua, 13. Dezbr.
Unter diesem Datum bringt der hier erscheinende „Pensiero italiano“ eine Adresse der zu Rom residirenden Franzosen an das römische Volk.
Sie spricht die Bewunderung über das Verhalten des römischen Volks während der revolutionären Krise aus und straft die Berichte der zu Paris erscheinenden „Union“ und das „Journal des Debats“ Lügen.
@xml:id#ar184_018
@typejArticle
@facs0993
Rom, 20. Dezbr.
Gestern Abend hat sich die oberste Junta definitiv konstituirt. Sie besteht aus 1) Fürst Corsini, Senator von Rom; 2) Grafen Camerata, Burgermeister aus Ankona; 3) Galleti, Advokat. Diese Junta hat ihre Bildung den beiden Kammern offiziell angezeigt und erklärt, daß sie bis zum Zusammentritt einer aus dem allgemeinen Stimmrecht hervorgegangenen Nationalversammlung ihr Amt treulich und kräftig verwalten wolle. Der größte Volksjubel herrscht in Rom und den Legationen.
Französische Republik.
@xml:id#ar184_019
@typejArticle
@facs0993
[ * ] Paris, 29. Dez.
Das Journal, der „Credit“, bringt ein nicht uninteressantes Zwiegespräch, worin der Gouverneur der Bank von Frankreich, Argout, dem Finanzminister Leon Faucher einen Vorschuß von 8 Millionen für eine Eisenbahn rundweg abschlägt.
Das Generalquartier der Kontrerevolution ist in dem „Rathe“ der Bank von Frankreich. Dort finden sich die hohen Barone der Finanzfeudalität, für welche Lauis Philippe Frankreich während 18 Jahre aussog.
Seit der Revolution geht der Widerstand und die Krise von diesen selben Leuten aus. Weigerung des Beistandes gegen die provisorische Regierung, welche aus Mangel an Muth sich darauf angewiesen sah, zu der 45 Centimessteuer ihre Zuflucht zu nehmen. Später wurde eine Negotiation, welche die Staatswaldungen verpfänden sollte, mit Recht als ein angemessener Plan des Finanzministers betrachtet; der Generalrath der Bank weigerte noch einmal seinen Beistand, und als eine Stimme die Majorität für den Vorschlag gab, boten Delessert und Hottinguer ihre Entlassung an.
Von dem Generalrath der Bank gehn beständig die Reklamationen gegen die Revolution und die Sozialisten aus. Die Junischlächterei genügt den Finanzbaronen nicht. Damit der Kredit wieder erwachse, bedürfen sie eines zweiten Juni, der nach ihrer Meinung den Sozialismus radikal zerstören würde.
Die Bank von Frankreich, die Administration des Kredits, des Lebensfluidums der nationalen Produktion, befindet sich so in den Händen der egoistischsten und gefährlichsten Feinde der französischen Gesellschaft. Die Revolution muß vor allem diesen Feind niederschlagen. Die provisorische Regierung konnte ihn für immer beseitigen, ohne irgendwie von der gesetzlichen Routine abzuweichen.
Die Bank hatte aus Haß gegen die Februarrevolution, und um die von ihr abhängigen Industriellen, Kaufleute u. s. w. in die Kontrerevolution zu schleudern, eine Geldkrise provozirt, indem sie den Alarm ausstreute, den Kredit entzog und was dergleichen Manöver mehr sind.
Aber wie bei allen kommerziellen Krisen schlug der von den Banquiers hervorgerufene panische Schrecken auf die hohe Bank zurück.
Einerseits beeilten sich die Pariser Rentiers u. s. w. die bei der Bank deponirten Baarvorräthe zurückzufordern. Andrerseits strömte Alles was Bankbillets besaß an ihre Kasse, um die Billets gegen Silber und Gold umzutauschen. Die Bank konnte dem Bankerutt nicht entgehen. Die provisorische Regierung konnte ruhig zusehn. Sie hatte doppelt gewonnen. Die tödtlichsten und mächtigsten Feinde der Revolution waren beseitigt, durch den gewöhnlichen bürgerlichen Geschäftsgang auf immer beseitigt, ohne irgend eine Einmischung der Regierung, und die Bank fiel von selbst in die Hände der provisorischen Regierung, die sie nun wirklich zu dem machen konnte, was sie bisher nur nominell ist, zu einer Bank von Frankreich.
Das Institut, was durch die blose Fortdauer in seiner bisherigen Form, hinreichte, die Revolution zurückzudämmen, wurde zum mächtigsten Mittel der Revolution.
Was that die provisorische Regierung statt dessen? Sie gab den Bankbillets Zwangskurs, ohne der auf Gnade und Ungnade ihr überlieferten Bank nur ein einziges Privilegium zu entreißen oder eine einzige neue Verpflichtung aufzuerlegen. Die Bank rächte sich giftig für diese alberne Großmuth.
So wenig war diese provisorische Regierung ihrer Stellung gewachsen. Aus Delikatesse gegen die Finanzbarone hetzte sie sich die ganze Bauernklasse, 3/4 der französischen Bevölkerung, durch die 45 Centimessteuer auf den Hals. Die Antwort der Bauernklasse war die Wahl Louis Napoleons.
@xml:id#ar184_020
@typejArticle
@facs0993
[ 12 ] Paris, 29. Decbr.
Richtig! Die Kammer hat sich dem Odilon-Barrot gegenüber auf den revolutionären Boden gestellt. Odilon-Barrot verlangte durch den Finanzminister Passy die Wiederherstellung der Salzsteuer, welche nach einem Dekrete der provisorischen Regierung vom ersten Januar aufgehoben sein sollte. Die Kammer, ohne die Salzsteuer geradezu aufzuheben, hat sie dermaßen reduzirt, daß ihr Beschluß dem Beschlusse der provisorischen Regierung so ziemlich gleich zu achten und die Salzsteuer als aufgehoben zu betrachten ist. (Sie ist um 2/3 reduzirt.) Was hatte Napoleon den Bauern versprochen? oder vielmehr: was versprachen sich die Bauern von Napoleon? Zuvörderst Verminderung aller Steuern und zumal Aufhebung der Salzsteuer. Nun kömmt Barrot und verlangte grade im Namen Napoleon's die entgegengesetzte Maßregel? von wem verlangt er diese Maßregel? Von der Kammer, die bisheran sich zur Aufgabe gemacht hatte, alle nur etwa revolutionären Maßregeln der provisorischen Regierung für null und nichtig zu erklären. Das Ministerium zweifelt keinen Augenblick an einem glücklichen Erfolg. Barrot sitzt als Ministerpräsident auf der Ministerbank: die lebendige nullité grave, wie die Franzosen ihn treffend bezeichnen, d. h. die gründliche Seichtigkeit, die blos ihre hohe Stirne zu zeigen braucht, um sich ihres Triumphes zu versichern. Der Republikaner Goudchaux tritt für Barrot auf; er vertheidigt die Maßregel Passy's; denn es handelt sich um die Deckung enormen Defizits. Vergebens. Die Majorität der Kammer pflichtet der provisorischen Regierung bei und Barrot ist wie vor der Stirne geschlagen.
Die Salzsteuer war von jeher eine der gehässigsten Steuern gewesen. Alle Regierungen, die sich in Frankreich seit 30 Jahren aufeinanderfolgten, hatten die Abschaffung derselben versprochen; und am andern Tage ihrer Installirung waren sie jedesmal wieder die ersten, welche die Nothwendigkeit dieser Steuer geltend machten. Aber daß diese Steuer einem Barrot mit Napoleon hinter sich verweigert werden sollte, von einer Kammer, welche die Juni-Insurgenten bekämpfte, darauf war Barrot nicht gefaßt. Gewiß, die Kammer ist über Nacht roth geworden! Von dem Augenblicke an, wo die Kammer auf ihren Ursprung zurückgehend, den Präsidenten Napoleon auf seinen Ursprung zurückführen will, sieht Napoleon sich genöthigt, den Ursprung der Kammer zu verläugnen. Napoleon, wie er entstanden ist, kann nicht fortbestehn mit der Kammer, wie sie bestehen will. Die Kammer und Napoleon müssen sich in Einklang setzen. 5 Millionen Herzen haben sich für das Herz Napoleon's erklärt: so wähnt Bonaparte. Fünf Millionen Herzen werden doch nicht annehmen, daß eines Menschen Herz im Hute seinen Sitz habe: so antwortet die Kammer, und zum ersten Male stellt sie sich auf den Kopf, d. h. sie tritt revolutionär auf. Ein Ministerwechsel kann den Widerspruch zwischen der Kammer und dem Präsidenten nicht beseitigen. Die Auflösung der Kammer ist eine Nothwendigkeit geworden. Mit der Auflösung der Kammer wird Napoleon ebenfalls aufgelöst. Der Eine Napoleon verschwindet und in den neuen Wahlen werden die verschiedenen Napoleon's in der Kammer sich gegenüberstehen als Parteien. Aber die bloße Nothwendigkeit der Auflösung der Kammer, die Furcht vor der wirklichen Zergliederung Napoleon's hat schon die anfängliche Freude der Eintracht zerstört, und die Catastrophe ist näher als man glaubt.
@xml:id#ar184_021
@typejArticle
@facs0993
[ 17 ] Paris, 28. Dez.
Herr Odilon-Barrot, der große Ministerpräses „mit dem kahlen Haupte, worin just so viel Gedanken drin sind, als Haare darauf,“ (Le peuple souverain), der Mann „mit der kühn zwischen die Westenknöpfe geschobenen Linken und dem weltvernichtend nach oben geschleuderten gläsernstieren Blicke“ (Constituant von Toulouse), hat bereits die Konstitution recht con amore verletzt. Dieser alte Liberale de anno 1820, der Mann des französischen Rechtsbodens, hat dem legitimistischsten aller Generale, Changarnier, das Kommando über die Nationalgarden des Seinedepartements und zugleich über die Linie gegeben; was widerrechtlich. Er hat vor drei Tagen eine hohe Idee in der Kammer zum Besten gegeben, des Inhalts: das Ministerium Bonaparte's werde forthin das aufrührerische Treiben dermaßen zerstören, daß sogar der Gedanke daran verschwinden werde, denn Vorkehr sei besser als Repressivmaßregeln. Die Februarrevolution steht mithin am 24. Dez. gerade wieder da, wo sie am 24. Febr. 1847 gestanden, als um 10 1/2 Uhr Morgens der betäubte Louis Philipp an den blutbespritzten Straßenecken anschlagen ließ: „O. Barrot: Konseilspräsident.“ Nach fernern acht Monaten steht sie vielleicht da, wo sie am 23. Februar u. s. w. immer zurückgeschoben die Zeiger bis das Uhrgewicht von der endlich gesprengten Kette herunterkracht und die Pfuscher alle zerschmettert.
Daß dieser Moment wohl näher ist, als sich's die Schulweisheit der herrschenden pedantischen und perfiden Malthusianer träumen läßt, dieser Magister, die jetzt wieder gegen Aufhebung der vom Provisorium dekretirten Salzsteuer, und gegen Ermäßigung des Briefporto stimmen, während ihr geliebter Bruder Michel Chevalier den ihm von einem nicht ganz malthusischen Minister vor einigen Monaten wegen seiner verrückten monarchistischen Nationalökonomie entzogenen Lehrstuhl à 6000 Franken Salair, abermals triumphirend besteigt —: dürfte die Fortsetzung unseres Berichtes:
Bilanz Frankreich,
an den Tag legen helfen.
1te Kategorie. 10,110,000 Franzosen im Elend. Die 16,784,000, welche laut obiger Tabelle in Hütten mit einer, zwei, drei Oeffnungen und in Erdlöchern hausen, bestehn in Tagelöhnern vom Lande, wahrhaft an die Scholle gebundene Drangsalsmenschen. Die 2,335,000 in Häusern mit 4 Oeffnungen, in Dörfern und weniger als 5000 Einwohner enthaltenden Ortschaften sind gleichfalls meist Feldarbeiter, die es noch nicht bis zum untersten Grade des Wohlergehens, zur gemilderten Armuth, gebracht haben.
Also im Ganzen: 19,119,000 Männer, Frauen und Kinder in Elend.
2te Kategorie. 5,750,000 in gemilderter Armuth. Auffallen muß, daß nur 583,926 Wohnungen fünf Oeffnungen, aber 4,326,727 darunter haben. Daraus folgt, daß die mit fünf schon eine Ausnahme sind.
In der That, 3,750,000 Personen fangen in ihnen an, die erste rohe Spur des Wohlergehens zu finden; sie bearbeiten schon einige gute Grundstücke, doch meistens einige schlechte.
Diese beiden ersten Kategorien umfassen 22,869,000 Franzosen; sie haben weder Reichthum noch Gehäbigkeit. Sie haben die Paupers vom Lande, die Vagabunden und Bettler, aufzuweisen, deren es 1842 laut administrativen Dokumenten an vier Millionen gab. Damals zahlte die Nation jährlich hundert Mill. Franken an den Pauperismus in Spitälern, Mildthätigkeitsanstalten, Findelhäusern und ähnlichen erfreulichen Bourgeois-Etablissements.
Mithin ist nur in dem letzten Drittel der Nation, 10,450,000 Personen zählend, auf Wohlergehen zu rechnen; sie wohnen in Gebäuden mit sechs Oeffnungen und mehr.
Aber, entgegnet der Malthusschüler, ihr sagt, in Frankreich lebten 23 Mill., wovon 4/5 im Elend, 1/5 in gemäßigter Dürftigkeit; und doch solltet ihr wissen, daß 20 Mill. Eigenthümer existiren. „Wisset, der Boden gehört 5 Mill. Eigenthümern, die Familienhäupter sind, d. h. 22 bis 25 Mill. Franzosen. Ergo, die Proletärs sind weit minder zahlreich, als die Proprietärs,“ sprach 1833 ein (erzministerielles) Mitglied der Deputirtenkammer. „In der That, ihr schreit stets Ach und Weh (sagten mehrere Journale im Mai 1848) und wollt nicht im Gedächtniß behalten, daß der französische Boden mit 10,282,946 Eigenthümern desselben bedeckt ist, und im Ganzen volle 21,141,120 Eigenthümer, Acker bauende Industrielle, Handelstreibende und Künstler hat.“
Im Jahre 1835 stand die unter 5 Franken betragende Grundsteuer, vertheilt auf 5,205,411 Personen; die zwischen 5 und 10 Franken, vertheilt auf 1,754,944 Personen, und die zwischen 10 und 20, vertheilt auf 1,514,250.
3te Kategorie. 6,180,000 Bürger in steter Klemme vegetirend, s. g. halbem Wohlergehn. — Was Häuser von 6 Oeffnungen und darüber betrifft, so läßt uns jede Statistik in bisheriger Weise im Stich; wir betreten nunmehr das Bereich der Miethsleute. In den beiden früheren Kategorien war Miethsherr und Miethsmann gleich arm, folglich wäre dort ein Unterschied reiner Unsinn. Es kommt also hier darauf an die Menschensumme zu finden, die in halbem Wohlergehen unter den 10,450,000 in Häusern mit mehr als 6 Oeffnungen lebt. Wir streichen vorab die Armen, dann die Reichen aus diesen 10 Mill. weg.
Arme gibt es darin 3,500,000.
Denn 1833 konstatirte man 425,029 Leute in den Spitälern; und 695,932 von Mildthätigkeitsanstalten unterstützte, macht 1,120,961. Nun aber versichern die Statistiker, die offizielle Misere sei stets nur ein Drittel der wirklichen, d. h. letztere war 3,362,883 im Jahre 1833. Wobei noch keine Rede ist von der s. g. gefährlichen Armuth, den durch Dieberei und Prostitution das Dasein fristenden; man darf immerhin 60,000 Diebe, Spitzbuben und Unterhalter öffentlicher Dirnen rechnen, und mindestens 200,000 s. g. femmes folles de leur corps, de to[unleserlicher Text] étage, d. h. mit ihrer Körperschönheit Gewerb treibender Personen des weiblichen Geschlechts; folglich taxiren wir ohne Uebermaß die Armuthsmasse in den Städten und Stadtweichbildern auf 3 1/2 Mill. Die Mehrheit besteht aus Schwachen, Greisen, zu gering bezahlten Arbeitern, Arbeitslosen, für die „der Himmel stets schwarz ist,“ wie das uralte Volkslied singt.
Diese 3 1/2 Mill. stehen Tag und Nacht zwischen Diebstahl, Prostitution, Selbstmord und Hunger (oder gar Hungertod) wie zwischen 4 Mauern eingekeilt; ein Zufall entscheidet meistens, nach welcher der vier Seiten hin das gepeinigte Individuum hinschlägt.
Ferner löschen wir aus die 770,000 Gehäbigen und Reichen. Da haben wir's leichter im Taxiren, das „goldene Buch“ belehrt uns, worin unsere politischen Wahlherren stehen. Im J. 1836 (siehe Recherches statistiques de la ville de Paris, Bd. V) war unter 849,059 wohnhaften Parisern eine Anzahl von 14,630 Wählern, die mindestens 200 Fr. direkte Steuer entrichteten; letztere besteht für Paris in 8 Mill. Grundsteuer, in Frankreich 158 Mill.; zweitens in Personal- und Mobiliarsteuer: Paris 3 Mill., Frankreich 34 Mill.; drittens in Thür- und Fenstersteuer: Paris 3 Mill., Frankreich 24 Mill.; viertens Patentsteuer: Paris 7 Mill., Frankreich 28 Mill. Summa 245 Mill. Fr. im J. 1846, wovon Paris ein Zwölftel entrichtet. So erfreulich diese runden Ziffern dem Malthusianer in's Auge strahlen mögen, so halten wir unerbittlich daneben folgendes Rechenexempel vom J. 1845:
In Paris enthielt der 1ste Bezirk:1713 Wähler und
4107 Dürftige.
der 2te, Ausnahme unter allen:3013 Wähler und
2503 Dürftige.
der 8te, Ausnahme unter allen:1188 Wähler und
11179 Dürftige.
der 9te, Ausnahme unter allen:577 Wähler und
6334 Dürftige.
der 12te, Ausnahme unter allen:753 Wähler und
12978 Dürftige u. s. w.
Kurz im Ganzen 16,007 Wähler und 66,148 Dürftige.
Desgleichen, wenn in Paris auf 58 Einwohner ein politischer Wähler, hatten die Gemeinden des Weichbildes einen auf 108, und die Departemente durchschnittlich einen auf 200. Mit Triumphgeschrei zeigt die Malthusschule uns die Tabelle, wo 1831 von 33 Mill. Franzosen 166,185 im ganzen Lande Wähler waren und 1846 waren 238,251; aber ach! sie vergißt, daß ja auch die Einwohnerzahl um mehr denn eine Mill. in jenen 15 Jahren gestiegen war!
Weiter: Je 4 1/2 Person machen in statistischer Sprache 1 Familie; folglich hatten 171,015 Wähler eine Bevölkerung von 770,000 Personen hinter sich. Das also war die reiche Klasse des 34 Mill. Einwohner zeugenden Frankreich. Zieht man sie sowohl ab, als die arme von 3 1/2 Millionen, dann bleiben uns 6,180,000 kleine und mittlere Eigenthümer in Stadt und Dorf, untere Civil- und Militärbeamte, Geistliche, Aerzte, Advokaten, Künstler, Arbeiter mit gutem Lohn, Dienstboten, kleine Atelierchefs; das ist also die s. g. in Halbwohlsein lebende Klasse.
Sie zahlt Grundsteuer von 21 Fr. bis 199 Fr.; letzteres entrichteten nur 159,000 Personen, ersteres 759,000. Was unsern Ausdruck „Halbwohlsein“ über und über rechtfertigt, ist besonders die scheusliche Belastung des Bodenbesitzthums. Siehe unten.
4te Kategorie. 513,000 wohlgehäbige Bürger. Sie stehen in der Summe der 770,000, welche 200 Fr. und mehr Steuern zahlen.
@xml:id#ar184_022
@typejArticle
@facs0993
Paris, 29. Dezbr.
Die Nationalversammlung entschied gestern Abend mit 372 gegen 363 Stimmen, daß die Salzsteuer vom 1. Januar 1849 an um zwei Drittheile herabgesetzt werden solle.
Diese Entscheidung rief um 9 Uhr an der sogenannten Tortoni-Börse (im Operngange) eine förmliche Insurrektion hervor. Die Börsenwölfe schimpften laut gegen die Nationalversammlung und gruppirten sich so dicht zusammen, daß die Gardiens von Paris alle Mühe hatten, die Cirkulation frei zu erhalten.
Das Wörtchen „Ministerialkrisis“ fuhr wie der Blitz unter die Jünger Rothschild's.
— Passy's Niederlage in der Salzsteuer, die er zur Höhe einer Kabinetsfrage gehoben hatte, scheint wirklich dem Kabinet einen tödtlichen Streich zu versetzen. Der ehrenwerthe Expair will sein Portefeuille durchaus niederlegen und bestand bis diesen Morgen hartnäckig auf seiner Entlassung.
— (Journaljammer über den drohenden Nationalbankerott und die partielle Ministerkrisis). Der „Constitutionel“ ist außer sich über die Rücksichtslosigkeit der Nationalversammlung. In einer Nachricht gibt er als Drohung zu verstehen, daß die Bitten aller Ordnungsfreunde gegen den Entschluß des Herrn Passy noch nichts vermocht hätten, und daß derselbe auf seinem Austritt bestände. — Die „Gazette de France et de Navarre“ fügt mit heimlicher Schadenfreude hinzu, daß der Rücktritt Passy's den Sturz des ganzen Kabinets nach sich ziehen müsse und sieht im Stillen das Reich Heinrich's V. heranrücken.
Die „Debats“ vergießen bittere Thränen über die finanzielle Niederlage und bedauert, daß dem Präsidenten Bonaparte kein Veto gegen dieses Votum zustehe, das der Staatskasse 46 Millionen Franken entziehe. — „National“ und „Siècle reichen sich ganz vertraulich die Hände und sehen in dem Passy'schen Unglück ein neues Element zu dem gegen das Cabinet des 10. Decbr. eröffneten Feldzuge. — „Peuple“ meint, die Zeit sei nicht mehr fern, wo Herr Bonaparte gezwungen sein werde, seine Minister im sozialistischen Lager zu rekrutiren. „Peuple“ und „Revolution“ (Blatt Ledru Rollin's) jammern darum natürlich nicht über die neue Verlegenheit der Staatskasse.
Aber „La Presse“ senkt das Haupt und sagt: „Jedermann frägt sich, was wird das Ministerium thun? Wie wird sich die Staatskasse aus der Verlegenheit ziehen? Die sofortige Herabsetzung der Salzsteuer entzieht ihr über 40 Millionen Franken; wie soll sie diesen Verlust decken, da sie das 1849er Büdget ohnedieß mit einem Defizit von 560 Millionen Franken beginnt. (Ein schönes Neujahr!) Das öffentliche Vertrauen, das kaum wieder erwachte, sieht sich durch Versagung dieser mächtigen Hilfsquelle von Neuem erschüttert. Das Uebel, welches die Nationalversammlung anrichtet, ist größer als das Gute, das sie zu bewirken strebte‥‥ Wir verhehlen uns die Größe der Verlegenheit nicht, in welche die Regierung durch dieses Votum gestürzt wird. Allein diese Größe der Gefahr selbst muß sie zu einem heroischen Entschluß treiben. Greift sie zu keiner entscheidenden Maaßregel, so liegt uns der Abhang des Nationalbankerotts näher und steiler als jemals! Diese entscheidende Maßregel muß in Ersparnissen bestehen, welche sie mit kühner Hand durchführen soll.“
Herr Girardin deutet hier seine Armee Reduktionen an und schließt seine Liebe zum ewgen Frieden mit den, gegen Baune gerichteten Worten: „‥‥Keine Intervention! Keine Prinzipienkämpfe!‥‥“
[0994]
„Reform“ sagt: das Volk gewann 20 Franken für je 2 Centner Salz!!
— Herr Baune (vom Berge) stellt heute das Ministerium wegen Italiens und Deutschlands zur Rede. (Siehe National-Versammlung.)
— Das Journal „Credit“ meldet, der Kavallerie-Oberst Ney de la Moskowa sei an Arago's Stelle zum Vertreter der französische Republik in Berlin ernannt.
— (Bankbericht-) Bis zum 25. Dez. Morgens stieg der Wechselverkehr an der Pariser Bank zwar von 56,750,711 Franken auf 58,458,353 Fr. 3 Cent. In den Departements fiel aber derselbe von 110,910,400 Fr. auf 104,833,577 Fr. 22 Cent. Die leidenden Wechsel betragen immer noch 11,256,525 Fr. in Paris und 5 1/2 Mill. in den Departements.
— Der Moniteur bringt die amtlichen Tabellen über Ab- und Zufuhr oder Exportations- und Importationszölle. Laut dieser Tabellen betrugen letztere während der letzten Eilf Monate nur 80,447,893 Fr., während sie sich 1847 auf 123,575,552 Fr. und 1841 auf 141,643,385 Fr. während derselben Periode beliefen.
— Der Zeitungstempel ist todt! Es lebe der Zeitungsstempel! Ein Deputirter, Namens Rodat, tief gerührt durch den Ausfall des Büdgets wegen der Salzsteuer, hat gestern Abend bei der Nationalversammlung den Antrag gestellt: Den Zeitungsstempel wider einzuführen! Herr Rodat und sein Antrag werden mit Glanz durchfallen.
— Die sämmtlichen Pariser Schriftsetzer und Drucker hielten ein Meeting, in dem sie beschlossen, denjenigen ihrer Kameraden, die zu Geschwornen gewählt würden, täglich 3 Franken Zehrgelder auszusetzen und denjenigen, welche durch Erfüllung dieses oft drei Wochen dauernden Amts brodlos werden sollten, einen interimistischen Taglohn von 2 Franken zu garantiren.
Diesem Beispiele wollen andere Gewerbe folgen, damit sich das Proletariat nicht von den Geschwornen-Listen auszuschließen genöthigt sehe. Sehr wichtig für unsere Geschwornengerichte, die in politischen Prozessen eine so parteiische Rolle spielen.
— Proudhons „Peuple“ erlässt heute einen Hülferuf an die demokratische Partei. Zwei seiner Geranten und Hauptaktionäre sitzen im Gefängnisse.
— Tourret, Exackerbauminister, wird wahrscheinlich von der Akademie an Rossi's Stelle aufgenommen.
— Guizot wird bald nach Neujahr hier erwartet.
— Charles Marchal hat gegen Caussidière eine Verläumdungsklage bei den Gerichten eingereicht. Marchal mag wohl mit Unrecht auf die Mouchardliste gerathen sein. Seine jüngste Broschüre: „Brod! Brod für das Volk!“ wird stark gelesen.
— Marrast läßt sich von Couture in Lebensgröße malen, um dann im Conferenzsaale aufgehangen zu werden.
— Nach der Berechnung der „Presse“ verursacht die Reduktion der Salzsteuer nicht minder als einen Verlust von 60 Mill., die zu dem Defizit von 560 Mill. zu schlagen sind. „Sicherlich wenn das so fort geht, so ist der Banquerott unausbleiblich. Nur ein Mittel kann uns retten, das ist, daß wir uns zu Beschützern von fremden Revolutionen aufwerfen, und wenn morgen die italienische Frage zur Rede kömmt, so müssen wir gleich: Nein, antworten auf jede Anfrage von Intervention.“
— Die Stadt Amiens hat, laut telegraphischer Depesche, ihren Präfekten und Generalprokurator fortgejagt.
— Der neue Präsident verbittet sich für den Neujahrstag alle sogenannte Neujahrsreden.
— Der Verein der Rue de Poitiers hat sich für die Auflösung der Kammer ausgesprochen; der von der Rue St. Georges erklärt sich dagegen.
— Maleville, Minister des Innern, Bixio, Handelsminister und Passy, Finanzminister, haben, heißt es, dem Präsidenten Bonaparte ihre Entlassung eingereicht und bestehen auf ihrem Austritt aus dem Ministerium. (2 Uhr.)
— Der Pabst soll in Marseille gelandet sein!
— Joseph Antoine, Repräsentant des Moseldepartements und seines Glaubens ein reicher Brauer, hat der Nationalversammlung zur Abwehr der Geldklemme folgenden Gesetzentwurf vorgelegt:
Art. 1. Derjenige, der einen Frack trägt, hat an den Steuereinnehmer seines Bezirks binnen den ersten vierzehn Tagen des Januar die Summe von 100 Fr. zu zahlen.
Art. 2. Derjenige, der einen Hut trägt, zahlt an dasselbe Amt und binnen derselben Frist die Summe von 20 Fr.
Art. 3. Derjenige, der einen Rock trägt, zahlt 5 Fr., wie im Art. 1.
Art. 4. Militär- und Civil-Uniformen, Blusen, Jacken und Mützen sind keiner Steuer unterworfen.
Obiger Antrag ist heute dem Reglement gemäß an die Nationalversammlung vertheilt worden, um demnächst auf die Tagesordnung gestellt zu werden.
— (4 Uhr.) Den vereinigten Anstrengungen der hervorragendsten Glieder der Conservativen: Thiers, Mole, Changarnier, Dupin etc. ist es gelungen, die Herren Maleville, Bixio und Passy zu vermögen, ihre Demission zurückzuziehen. Die Krisis wäre somit vorüber.
— Laut der Gazette du Midi erwartet man den Pabst in Marseille von einem Augenblick zum andern mit dem Friedland.
Nationalversammlung. Sitzung vom 29. December. Präsident Marrast eröffnet die Sitzung um 2 Uhr.
Das Protokoll wird vorgelesen, aber eine unbeschreibliche Aufregung herrscht auf allen Bänken. Die Ministerialkrisis ist in Aller Munde. Die Einen sagen, sie ist vorüber; die Anderen behaupten, das Ungewitter hange noch drohend am Himmel.
Victor Grandin vor der Tagesordnung. Ich glaube, beginnt er, daß bei der gestrigen Salzdebatte Irrthümer obgewaltet. (Ja, Ja! Nein, Nein!) Diese Irrthümer beziehen sich vorzüglich auf die Desjobertschen Anträge rücksichtlich der Zollgefalle für ausländische Salze.
Der Redner zergliedert die Skala und meint, die Nationalversammlung werde sich wohl somit genöthigt sehen, auf ihre gestrige Entscheidung wegen der desfallsigen Douanen-Instruktion zurückzukommen und dieselbe zu modifiziren. (Ah, Ah! vom Berge.)
Goudchaux (sehr ernst): Das Gesetz ist votirt und reißt eine große Bresche in unsere Finanzen. Diese Lücke muß schleunigst ausgefüllt werden. Ich beantrage also, daß man alle Finanzentwürfe auf die Tagesordnung der nächsten Woche setze und nicht früher ablasse, bis sie erledigt sind. Während dieser Zeit möge der Finanzminister ein neues Salzgesetz vorlegen. (Oh, Oh!)
Dupin (senior) erinnert die Versammlung an ihre Verfassungsdebatte und versichert dieselbe, daß wenn sie keine konstituante wäre, der Präsident von dem ihn laut Artikel 58 zustehenden Veto Gebrauch machen würde. (Hier entsteht ein fürchterlicher Tumult der jedes Verstehen unmöglich macht. Von allen Seiten: Zur Ordnung! Zur Ordnung!) Aber wenn er auch dieses Veto nicht benützen könne, so sei doch das Salzgesetz nicht 3 Male vorgelesen worden, wie dies Artikel 41 vorschreibe. Es sei dies nur 2 Male geschehen. (Der Tumult erdrückt die Stimme des Redners.)
Senard bekämpt diese Deduktion. Artikel 41 ist keineswegs anwendbar.
Der Zwischenfall ist erledigt.
Beaune bittet seine Interpellation erst morgen zu gestatten. (Wird genehmigt.)
Die Versammlung genehmigt dann die La Plata Kredite.
Leremboure hatte bekanntlich darauf angetragen: ein offizielles Journal zu gründen, das unter Aufsicht des Justizministers lediglich die Parlaments-Debatten mit größerer Genauigkeit und Schnelligkeit bringe und im Gebäude der Nationalversammlung selbst gedruckt würde.
Leremboure besteigt die Bühne und entwickelt die Nützlichkeit eines solchen offiziellen Journals von Neuem, nachdem die obigen La Plata Kredite genehmigt waren.
Bureau de Pazy bekämpft aber den Plan als unausführbar und zu kostspielig. Er räth der Versammlung, ihre Verträge mit Herren Panckoucke nicht zu kündigen, sondern fortzusetzen.
Er spricht eine Stunde.
Hubert de Lisle unterbricht die Debatte durch Ueberreichung seines Ausschuß-Gutachtens über die Anträge, in Gemäsheit des Artikels 41 der Verfassung alle Gesetzentwürfe gleich dem britischen Parlament drei Male zu berathen. (Ah, Ah!)
Chauffour protestirt gegen dieses Gutachten; der Vorredner sei gar nicht Berichterstatter.
Diese Einrede erregt einigen Skandal, der aber beigelegt wird.
Der Bericht wird zum Druck gewiesen.
Du Bruel, Berichterstatter des Leremboureschen Planes besteigt die Bühne und will einen langen Vortrag zu dessen Gunsten beginnen. Allein Alles ruft: Auf morgen! Auf morgen!
Die Debatte wird vertagt um 6 Uhr und die Sitzung geschlossen.
Die Regierung hat eine Depesche erhalten, laut welcher in Neapel am 21. eine Revolution zu Gunsten der Römer losgebrochen.
Spanien.
@xml:id#ar184_023
@typejArticle
@facs0994
Madrid, 23. Dezbr.
Die Cortes saßen gestern als Abtheilungen in den Bureaus, um die Adreßkommission zu ernennen, welche mit der Antwort auf die Thronrede beauftragt war.
— Heute begaben sich die Minister in die Bureaus.
— In Sevilla ist eine kleine Insurrektion ausgebrochen, aber unterdrückt worden. Ein Sturm auf das Zeughaus mißglückte.
Portugal.
@xml:id#ar184_024
@typejArticle
@facs0994
[ 68 ] Lissabon, 22. Dcbr.
Die Regierung ist von der größten Geldverlegenheit gequält. Die Armee hat seit einiger Zeit keinen Sold erhalten, die Söldlinge murren und das Land befindet sich in einem Zustande der Unsicherheit und der Aufregung. Costa Cabral war für den 2. d. M. in Lissabon erwartet. Dieser unerwartete Besuch soll mit dem bevorstehenden Ministerwechsel zusammenhangen. Die Sitzung der Cortes wird am 2. Januar eröffnet und dann das Schicksal des Saldanhacabinets entschieden werden.
Großbritannien.
@xml:id#ar184_025
@typejArticle
@facs0994
[ * ] London, 27. Dezbr.
Wir theilen aus der Botschaft des Präsidenten auch die Stellen über die Finanzlage der Vereinigten Staaten in wörtlicher Uebersetzung mit. Man sieht daraus, wie selbst die Bourgeoisrepublik in Sachen des Staatshaushalts den absolutistischen und konstitutionellen Staaten entschieden überlegen ist.
Die Einfuhr während des am 30. Juni letzthin endenden Rechnungs-Jahres belief sich auf einen Werth von 154,977,876 Dollars; hiervon wurde wiederum für 21,128,010 Dollars exportirt, im Lande blieb für 133,849,866 Dollars.
Der Werth der Ausfuhr während derselben Periode war 154,032,131 Dollars, wovon 132,904,121 Dollars für einheimische Produkte und 21,128,010 Dollars für fremde Artikel.
Die Einnahme des Schatzes während derselben Periode belief sich ausschließlich der Anleihen auf 35,436,750 Dollars 59 Cents, wovon 31,757,070 Dollars 96 Cents aus den Zöllen; 3,328,642 Dollars 56 Cents aus dem Verkaufe öffentlicher Ländereien und 351,037 Dollars 7 Cents aus vermischten und zufälligen Quellen.
Man wird bemerken, daß die während des letzten Rechnungsjahres aus den Zöllen hervorgegangene Einnahme den Anschlag des Sekretärs des Schatzes in seinem letzten jährlichen Berichte um 757,070 Doll. 96 Cts. übersteigt, und daß nicht minder die gesammte Einnahme während derselben Periode, aus Zöllen, Ländereien und vermischten Quellen hervorgegangen, dem Anschlag gegenüber ein Plus von 536,750 Doll. 59 Cts. ausweist. Durchschnittlich jedoch ist jener Anschlag den wirklichen Resultaten äußerst n[a]he gekommen.
Die Ausgaben während des letzten Rechnungsjahres, einschließlich derjenigen für den Krieg mit Mexiko und ausschließlich der Zahlungen von Kapital und Interessen für die Staatsschuld betragen 42,811,970 Doll. 3 Cts.
Die Einnahme des Schatzes während des am 30. Juni 1849 endenden Rechnungsjahres, einschließlich des am 1. Juli letzthin im Schatze verbliebenen Saldo's, wird sich nach einem vorläufigen Anschlage auf 57,048,969 Doll. 90 Cts. belaufen, wovon 32,000,000 Doll aus den Zöllen, 3,000,000 Doll. aus dem Verkaufe öffentlicher Landereien und 1,200,000 Doll. aus verschiedenen und zufälligen Quellen, einschließlich der Prämie auf die Anleihe, wie der auf Rechnung von Kriegscontributionen in Mexiko bereits gezahlten und noch zu zahlenden Summen und der Verkäufe von Waffen, Schiffen und andern durch die Beendigung des mexikanischen Krieges der Regierung überflüssig gewordenen öffentlichen Eigenthums. Die dann noch übrigen 20,695,435 Doll. 30 Cts. resultiren aus bereits negozirten Anleihen, einschließlich fundirter Schatzbillets, und ergeben mit dem Saldo vom 1. Juli letzthin die veranschlagte Summe.
Die Ausgaben für die nämliche Periode, einschließlich der erforderlichen Kapital- und Zinszahlungen auf Rechnung der Staatsschuld, einschließlich ferner der am 30. Mai 1849 fälligen ersten Kapital- und Zinszahlung an Mexiko und anderer aus dem Kriege herrührenden Ausgaben, wie nicht minder einschließlich der Rückzahlung von Schatzbillets, werden sich auf 54,195,275 Doll. 6 Cts. belaufen und am 1. Juli 1849 einen muthmaßlichen Saldo von 2,853,694 Doll. 84 Cts. im Schatze lassen.
Wie das Gesetz es vorschreibt, wird der Sekretär des Schatzes auch eine Veranschlagung der Einnahme und Ausgabe für das darauf folgende fiskalische Jahr vorlegen. Die Ausgaben desselben werden sich, diesem Anschlage gemäß, auf 33,213,152 Doll. 73 Cts. belaufen, wobei 3,799,102 Doll. 18 Cts. für Zinsen der Staatsschuld und 3,540,000 Doll. für die am 30. Mai 1850 an Mexiko zu machende Kapital- und Zinszahlung, so daß die, wie man glaubt, für die gewöhnlichen Friedensausgaben hinlänglich reichende Summe von 25,874,050 Doll. 35 Cts. überschießt.
Die Resultate der Tarif-Akte von 1846 während des vergangenen Jahres haben die Erwartung der Nation vollkommen gerechtfertigt und die frühere Meinung von der Weisheit des durch diese Akte in unserm Einnahme-System bewirkten Wechsels bestätigt. Die Einnahme des Schatzes während des ersten Rechnungsjahrs nach In-Kraft-Tretung der Akte überstieg den Betrag, welchen das letzte Rechnungsjahr unter der Akte von 1842 ergab (es ging am 30. Juni 1846 zu Ende) um 5,044,403 Doll. 9 Cts. Die seit dem Beginne ihrer Wirksamkeit (1. Decbr. 1846) bis zum Schluß des letzten Quartals (30. Sept. 1848), also während eines Zeitraums von 22 Monaten, realisirte Total-Revenue beläuft sich auf 56,654,563 Doll. 70 Cts., eine bei weitem größere Summe, als sie während einer gleichen Periode unter den Tarif-Akten von 1824, 1828, 1832 und 1842 jemals aus Zöllen erzielt wurde. Während durch die Aufhebung übermäßig schützender und verbietender Zölle die Revenüe vermehrt worden ist, sind die auf dem Volke lastenden Abgaben vermindert worden. Dem Volke sind die schweren Summen abgenommen worden, mit welchen es frühere Gesetze unter der Form von höheren Preisen oder an begünstigte Klassen und Geschäftszweige gezahlten Ausfuhrprämien beschwert hatten.
Die Prophezeiungen, daß die Tarif-Akte von 1846 den Betrag der Revenüe unter das Niveau der unter der Akte von 1842 eingekommenen stellen, das Geschäft zu Grunde richten und die Wohlfahrt des Landes zerstören würde, haben sich nicht bewahrheitet. Mit einer gestiegenen und täglich steigenden Revenüe sind die Finanzen in einem äußerst blühenden Zustande. Ackerbau, Handel und Schifffahrt gedeihen; die Preise von Manufakturwaaren und andern Produkten haben weit weniger gelitten, als man nach den beispiellosen Umwälzungen hätte vermuthen sollen, welche im vorigen und im laufenden Jahre die Industrie vieler großen und erleuchteten Nationen Europa's erdrückt und ihren Credit wie ihren Handel gelähmt haben.
Schwere ausländische Handelskrisen haben bis jetzt ohne Ausnahme fast jeden Zweig der amerikanischen Industrie niedergedrückt, nicht selten auf die allerverderblichste Weise. Der augenblickliche gedrückte Zustand eines Theils unserer Manufakturen beruht auf fremden Ursachen und ist bei weitem nicht so schwer, wie es ehedem bei allen ähnlichen Veranlassungen der Fall war.
Wenn wir die große Summe aller unserer Interessen in's Auge fassen, so dürfen wir uns der Gewißheit hingeben, daß das ganze Land niemals mehr prosperirt, niemals reißendere Fortschritte, sowohl was Reichthum als was Bevölkerung angeht, gemacht hat, als in der gegenwärtigen Periode. Weder der auswärtige Krieg, in den wir verwickelt gewesen sind, noch die Anleihen, die einen so bedeutenden Theil unseres Kapitals absorbirt haben, noch die englische Handelskrisis von 1847, noch die Lähmung alles europäischen Kredits und Handels während des laufenden Jahres, haben irgend eines der großen Interessen dieses Landes namhaft zu afficiren oder unser Voranschreiten entgegen der Größe, dem Reichthum und der Macht aufzuhalten vermocht.
Hätten die Störungen in Europa nicht stattgefunden, so würde unser Handel ohne Zweifel noch mehr an Ausdehnung gewonnen und zur Beförderung des Nationalreichthums und der öffentlichen Wohlfahrt beigetragen haben. Aber dieser Störungen ungeachtet sind die Operationen des durch die Tarif-Akte von 1846 etablirten Einkommensystems der Regierung und den Geschäften des Landes im Ganzen so zuträglich gewesen, daß eine Abänderung seiner Maßregeln von einer weisen Politik weder verlangt noch empfohlen wird.
Die Operationen der durch die Akte vom 6. August 1846 errichteten Staats-Schatzkammer sind, was Empfang, Aufbewahrung und Verausgabung der öffentlichen Gelder betrifft, andauernd erfolgreich gewesen. Unter diesem System haben die Staatsfinanzen ohne Verlegenheit und ohne Verlust die Feuerprobe eines auswärtigen, die Nothwendigkeit außerordentlicher Anleihen und Ausgaben mit sich bringenden, Krieges glänzend bestanden. Während es sich der Regierung als sicher und nützlich bewährte, hat dies System auf das Geschäft des Landes äußerst wohlthätig eingewirkt; es hat den verderblichen, die einheimische Industrie lähmenden und den Lohn der Arbeit so ungewiß machenden, Einflüssen des Papiergeldes kräftig entgegengearbeitet, und man darf wohl annehmen, daß es in hohem Grade dazu beigetragen hat, das ganze Land vor einer ernstlichen Handelskrise zu bewahren, wie deren unter dem Bank-Depositen-System so viele stattfanden. Im Jahr 1847 erlebte Großbritannien eine Handelskrise von enormer Ausdehnung und Intensität, welche in jenem Lande, sowohl der Zahl als den Summen nach, eine Menge bis dahin beispielloser Bankerotte zur Folge hatte. Es ist dies das erste Mal, daß Ereignisse dieser Art in einem mit uns in so umfangreichem Verkehr stehenden Lande unsre Handels- und Geldverhältnisse wenig oder gar nicht benachtheiligt haben. Unser Geldmarkt wurde nur leicht davon berührt, und unser Handel und unsre Gewerbe fuhren fort, zu blühen und voranzuschreiten.
Während des laufenden Jahrs ist fast der ganze Continent von Europa durch Bürgerkrieg und Revolutionen, begleitet von zahlreichen Bankerotten, einem bisher noch nicht erlebten Fallen der Staatspapiere und einer fast universellen Lähmung des Handels und der Industrie, krampfhaft erschüttert worden; und dennoch, obgleich unser Handel und die Preise unserer Produkte mehr oder weniger ungünstig durch diese Fakten berührt werden mußten, sind wir einer Krise entgangen, unser Geldmarkt ist verhältnißmäßig leicht, und der öffentliche wie der Privatkredit hat sich gehoben.
Wir dürfen zuversichtlich annehmen, daß wir alles dieses nur dem heilsamen Wirken der Staats-Schatzkammer zu verdanken haben. Es ist sicher, daß, wenn die 24,000,000 Dollars, welche während des am 30. Juni 1847 zu Ende gegangenen Rechnungsjahrs in die Vereinigten Staaten baar importirt wurden, in die Banken gegangen wären (wie dies denn zum größten Theil der Fall gewesen sein würde) — es ist sicher, kann man behaupten, daß dieser ganze Betrag, in Abwesenheit des neuen Systems, zur Basis einer vermehrten Banknoten-Emission, wahrscheinlich bis zu einem Belaufe von nicht weniger als 60 bis 70,000,000 Dollars, gemacht worden wäre, woran sich als nothwendige Folge zeitweilige extravagante Preise, eine wilde Spekulation, und zuletzt, beim Zurückfluß jener Baarschaften nach Europa, eine allgemeine Niederlage des Geschäfts, die Suspension der Banken und die enormsten Bankerotte geknüpft haben würden. Dies würde während einer Epoche geschehen sein, wo das Land in einen auswärtigen Krieg verwickelt war — wo beträchtliche Anleihen zur Deckung der Kriegskosten erforderlich wurden, und wo demnach bei einer Suspension der Banken, dieser Finanzagenten der Regierung, der öffentliche Credit hätte sinken und viele Millionen Dollars (wie es während des Krieges von 1812 der Fall war) im Discontiren der Anleihen und des entwertheten Papiergeldes hätten geopfert werden müssen.
Seit der Staat die Leitung der Finanzen den Privatbanken abgenommen hat, ist auch kein Dollar durch die Entwerthung des circulirenden Geldes verloren gegangen. Die für den Krieg mit Mexiko nöthigen Anleihen wurden durch den Sekretär der Schatzkammer über Pari negociirt und haben der Regierung eine namhafte Praemie realisirt. Indem das System die übermäßigen Papier-Emissionen durch Privatbanken verhinderte, hat es die Regierung vor großen Verlusten und Tausende von Geschäftsmännern vor Bankerott und Ruin bewahrt. Die Weisheit des Systems ist durch die Erfahrung der letzten zwei Jahre bewährt worden, und eine gesunde Politik kann nicht anders als seine Aufrechthaltung gebieterisch anempfehlen. Modifikationen in einigen Details, welche keins der wesentlichen Prinzipien der Maßregel antasten, werden auch diesmal Ihrer günstigen Erwägung vorgelegt werden.
In meiner Botschaft vom 6. Juli letzthin, welche dem Kongreß den ratifizirten Friedensvertrag mit Mexiko übergab, empfahl ich die Annahme von Maßregeln zur schleunigen Abtragung der Staatsschuld. Ich wiederhole diesen Antrag heute, und verweise Sie auf die in jener Botschaft zu seiner Unterstützung angeführten Erwägungen. Die Staatsschuld, einschließlich der vom Kongreß genehmigten neuen Anleihen und einschließlich der von der Schatzkammer emittirten Noten, belief sich damals auf 65,778,450 Doll. 41 Cts., wovon seitdem durch Ankauf von fundirter Schuld eine halbe Million Dollars getilgt worden ist.
Die vom Sekretär des Schatzes vorgelegten Anschläge der für das nächste Rechnungsjahr nothwendig erachteten Ausgaben, werden, glaubt man, ausreichend befunden werden. Wenn der Kongreß sich in den Gränzen dieser Anschläge hält, so werden wir im Stande sein, die am 30. Mai 1849 an Mexico zu zahlenden 3,000,000 Doll. abzutragen, und noch ein beträchtliches Surplus zur Verminderung der Staatsschuld übrig behalten. Im entgegengesetzten Falle würden wir die Abtragung der Schuld nothwendig noch hinausschieben müssen. Obgleich unsre Staatsschuld, im Vergleich mit derjenigen der meisten andern Völker, klein ist, so ist es dennoch unsre wahre Politik und im Einklang mit dem Genius unserer Institutionen, daß wir der Welt das seltene Schauspiel einer großen Republik geben, die im Besitz immenser Hülfsquellen und immensen Reichthums und überdies ohne alle und jede Staatsschuld ist. Dies würde unsre Macht noch vergrößern und uns unter den Völkern des Erdballes eine noch gebieterischere Stellung anweisen.
Die Staatsausgaben sollten möglichst ökonomisirt und auf solche nothwendige Gegenstände beschränkt werden, welche die Kräfte des Kongresses nicht übersteigen. Alles nicht unumgänglich Nöthige sollte einstweilen unterbleiben, und die Abtragung der Staatsschuld, so bald wie nur irgend thunlich, sollte ein Grundprinzip unserer Politik sein.
Aus den in meiner letzten Jahresbotschaft angegebenen Gründen empfehle ich wiederholt die Etablirung einer Zweigmünze der Vereinigten-Staaten zu New-York. Die Wichtigkeit dieser Maßregel ist durch die Acquisition der reichen Gold und Silberminen in Neu-Mexico und namentlich in Californien, noch erhöht worden.
Ebenso empfehle ich wiederholt die Preisermäßigung solcher Staatsländereien, die schon lange ausgeboten und unverkauft geblieben sind. Nicht minder eine Erweiterung des Vorkaufsrechts zu Gunsten wirklicher Ansiedler in den vermessenen sowohl, wie in den unvermessenen Landstrichen.
Der Zustand und die Operationen der Armee und die Lage anderer vom Kriegsdepartement ressortirender Branchen werden in dem beiliegenden Berichte des Kriegssekretärs genügend dargestellt.
Bei der Rückkehr des Friedens wurden unsre Streitkräfte aus Mexico zurückgezogen und die Freiwilligen nebst den besonders für den Krieg engagirten Truppen entlassen. Befehle sind gegeben worden, unsre stehende Kriegsmacht auf verschiedenen Positionen unserer ausgedehnten Gebiete, wo eben ihre Anwesenheit erfordert werden möchte, zu stationiren. Wegen der Entlegenheit einiger dieser Positionen haben die verschiedenen Detachements ihre Bestimmungsorte noch nicht alle erreicht. Trotz der Ausdehnung unsrer Gränzen und trotz der in den neuen Territorien nothwendigen Truppen, glauben wir dennoch mit Zuversicht, daß unser gegenwärtiges stehendes Heer, so lange unsre augenblicklichen friedlichen Beziehungen ungestört bleiben, für alle Erfordernisse ausreichen wird.
Von den in Mexico erhobenen Kriegssteuern wurde eine Summe von 769,650 Doll. mit zur Abtragung der ersten, laut Vertrag an Mexico zu machenden Zahlung benutzt. Der Rest von 346,369 Doll. 30 Cts. ist in den Staatsschatz gezahlt worden, und unausgegebene Saldos befinden sich noch in den Händen der Kriegszahlmeister und der Collectoren. Nach Erklärung des Friedens ist von diesen Geldern nichts weiter verausgabt worden. Die noch nicht verrechneten Saldos werden laut gegebener Anweisung in den Schatz gezahlt werden und individuelle Ansprüche an den Fonds bleiben unberichtigt, bis der Kongreß die Autorisation zu ihrer Ausgleichung gegeben haben wird. Diese Ansprüche sind übrigens weder der Zahl noch den Beträgen nach irgendwie von Belang
@xml:id#ar184_026
@typejArticle
@facs0994
[ 68 ] London, 29. Dcbr.
Das eigentliche Paradies von Californien befindet sich zwischen der Sierra Nevada und einer niedrigeren Gebirgskette, die hart am Meere entlang laufend, diesen Landstrich von demselben trennt. Er umfaßt die Thäler der Flüsse Sacramento und San Joaquin. Das Sacramento-Thal ist von unterhalb der Stromschnellen, wo dasselbe breit und fruchtbar wird, bis zur Mündung etwa 50 deutsche Meilen lang, das S. Joaquin-Thal etwa 75 Meilen lang, die Breite verschieden bis 12 Meilen. Beide Flüsse, deren ersterer von Nord nach Süd, der andere umgekehert, sich entgegenlaufen und kurz vor ihrer Mündung vereinigen, fallen in die große Bai von San Francisco, ein Wasserbecken, das mit vielen Seitenbächen sich bis 20 Meilen weit in das Land und die Berge erstreckend, von dem offenen Meere durch 1 Meile lange, 1/4 Meile breite Enge getrennt ist. Bei der Beschreibung dieser Bai und der genannten Thäler und Seitenthäler fallen alle, selbst die nüchternsten Be-[Fortsetzung]
Hierzu eine Beilage.