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Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.

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versunken, Erinnerungen, welche eine solche Gewalt über sie hatten, daß sie jetzt ihrer Sprache einen lebhafteren Ausdruck gaben, daß vor ihnen die Schwäche des kranken Körpers zu weichen, seine Schmerzen aufzuhören schienen. Unter entsetzlichen Qualen rang Johannes während dieses Geständnisses, er vermogte nicht mehr, die begeistert Sprechende anzusehen, er blickte vor sich nieder, und blieb stumm.

Nach einer Weile begann sie wieder: "Niemand ahnte unser verborgenes Glück -- Jaromir galt in der Gesellschaft als ein Sonderling, den nur die Einsamkeit reize -- o, es war die Einsamkeit meines kleinen Zimmers, das für uns ein Paradies war. Aber so schön, so geistreich, wie er war, so unbedeutend kam ich mir neben ihm vor, und je leidenschaftlicher ich ihn liebte, desto häufiger quälten mich auch eifersüchtige Befürchtungen! -- Ein halbes Jahr, nachdem wir uns kennen gelernt, ward er auf der Universität in Händel verwickelt, welche ihn zwangen, diese und die Stadt zu verlassen. Wir nahmen traurig Abschied, und gelobten uns ewige Treue. -- Mein Leben ward furchtbar öde, da er fort war -- wir schrieben uns oft, wenn auch die Mutter darüber schalt, daß ich Tage lang schrieb, ohne zu nähen, und über das viele Postgeld. Aber nun ward die Eifersucht zu meinem Dämon -- ich hatte keine ruhige Minute mehr. Schrieb er mir einmal länger nicht, als gewöhnlich, so sprach ich im nächsten Brief meine Unruhe

versunken, Erinnerungen, welche eine solche Gewalt über sie hatten, daß sie jetzt ihrer Sprache einen lebhafteren Ausdruck gaben, daß vor ihnen die Schwäche des kranken Körpers zu weichen, seine Schmerzen aufzuhören schienen. Unter entsetzlichen Qualen rang Johannes während dieses Geständnisses, er vermogte nicht mehr, die begeistert Sprechende anzusehen, er blickte vor sich nieder, und blieb stumm.

Nach einer Weile begann sie wieder: „Niemand ahnte unser verborgenes Glück — Jaromir galt in der Gesellschaft als ein Sonderling, den nur die Einsamkeit reize — o, es war die Einsamkeit meines kleinen Zimmers, das für uns ein Paradies war. Aber so schön, so geistreich, wie er war, so unbedeutend kam ich mir neben ihm vor, und je leidenschaftlicher ich ihn liebte, desto häufiger quälten mich auch eifersüchtige Befürchtungen! — Ein halbes Jahr, nachdem wir uns kennen gelernt, ward er auf der Universität in Händel verwickelt, welche ihn zwangen, diese und die Stadt zu verlassen. Wir nahmen traurig Abschied, und gelobten uns ewige Treue. — Mein Leben ward furchtbar öde, da er fort war — wir schrieben uns oft, wenn auch die Mutter darüber schalt, daß ich Tage lang schrieb, ohne zu nähen, und über das viele Postgeld. Aber nun ward die Eifersucht zu meinem Dämon — ich hatte keine ruhige Minute mehr. Schrieb er mir einmal länger nicht, als gewöhnlich, so sprach ich im nächsten Brief meine Unruhe

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[27/0037] versunken, Erinnerungen, welche eine solche Gewalt über sie hatten, daß sie jetzt ihrer Sprache einen lebhafteren Ausdruck gaben, daß vor ihnen die Schwäche des kranken Körpers zu weichen, seine Schmerzen aufzuhören schienen. Unter entsetzlichen Qualen rang Johannes während dieses Geständnisses, er vermogte nicht mehr, die begeistert Sprechende anzusehen, er blickte vor sich nieder, und blieb stumm. Nach einer Weile begann sie wieder: „Niemand ahnte unser verborgenes Glück — Jaromir galt in der Gesellschaft als ein Sonderling, den nur die Einsamkeit reize — o, es war die Einsamkeit meines kleinen Zimmers, das für uns ein Paradies war. Aber so schön, so geistreich, wie er war, so unbedeutend kam ich mir neben ihm vor, und je leidenschaftlicher ich ihn liebte, desto häufiger quälten mich auch eifersüchtige Befürchtungen! — Ein halbes Jahr, nachdem wir uns kennen gelernt, ward er auf der Universität in Händel verwickelt, welche ihn zwangen, diese und die Stadt zu verlassen. Wir nahmen traurig Abschied, und gelobten uns ewige Treue. — Mein Leben ward furchtbar öde, da er fort war — wir schrieben uns oft, wenn auch die Mutter darüber schalt, daß ich Tage lang schrieb, ohne zu nähen, und über das viele Postgeld. Aber nun ward die Eifersucht zu meinem Dämon — ich hatte keine ruhige Minute mehr. Schrieb er mir einmal länger nicht, als gewöhnlich, so sprach ich im nächsten Brief meine Unruhe

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Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/37>, abgerufen am 28.03.2024.