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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

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zu halten, mithin jeden andern auch und so als
eine nachrückende Mauer von ihr das Gedränge
abzuwehren. Doch drückte er unter dem Nach¬
gange sehr innig ihre Hand im -- Brief an
Klothar.

Zu Hause sezt' er im Feuer, das fortbrann¬
te, diesen Strekvers auf:

Die Unwissende.

Wie die Erde die weichen Blumen vor die
Sonne trägt und ihre harten Wurzeln in ihre
Brust verschließ't -- wie die Sonne den Mond
bestrahlt, aber niemals seinen zarten Schein auf
der Erde erblickt -- wie die Sterne die Früh¬
lingsnacht mit Thau begießen, aber früh hinun¬
terziehen, eh' er morgensonnig entbrennt: so du,
du Unwissende, so trägst und giebst du die Blu¬
men und den Schimmer und den Thau, aber
du sieh'st es nicht. Nur dich glaubst du zu er¬
freuen, wenn du die Welt erquickst. O fliege
zu ihr, du Glücklichster, den sie liebt, und sag'
es ihr, daß du der Glücklichste bist, aber nur
durch sie; und glaubt sie nicht, so zeig' ihr an¬
dere Menschen, der Unwissenden.

Flegeljahre II. Bd. 9

zu halten, mithin jeden andern auch und ſo als
eine nachruͤckende Mauer von ihr das Gedraͤnge
abzuwehren. Doch druͤckte er unter dem Nach¬
gange ſehr innig ihre Hand im — Brief an
Klothar.

Zu Hauſe ſezt' er im Feuer, das fortbrann¬
te, dieſen Strekvers auf:

Die Unwiſſende.

Wie die Erde die weichen Blumen vor die
Sonne traͤgt und ihre harten Wurzeln in ihre
Bruſt verſchließ't — wie die Sonne den Mond
beſtrahlt, aber niemals ſeinen zarten Schein auf
der Erde erblickt — wie die Sterne die Fruͤh¬
lingsnacht mit Thau begießen, aber fruͤh hinun¬
terziehen, eh' er morgenſonnig entbrennt: ſo du,
du Unwiſſende, ſo traͤgſt und giebſt du die Blu¬
men und den Schimmer und den Thau, aber
du ſieh'ſt es nicht. Nur dich glaubſt du zu er¬
freuen, wenn du die Welt erquickſt. O fliege
zu ihr, du Gluͤcklichſter, den ſie liebt, und ſag'
es ihr, daß du der Gluͤcklichſte biſt, aber nur
durch ſie; und glaubt ſie nicht, ſo zeig' ihr an¬
dere Menſchen, der Unwiſſenden.

Flegeljahre II. Bd. 9
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[121/0129] zu halten, mithin jeden andern auch und ſo als eine nachruͤckende Mauer von ihr das Gedraͤnge abzuwehren. Doch druͤckte er unter dem Nach¬ gange ſehr innig ihre Hand im — Brief an Klothar. Zu Hauſe ſezt' er im Feuer, das fortbrann¬ te, dieſen Strekvers auf: Die Unwiſſende. Wie die Erde die weichen Blumen vor die Sonne traͤgt und ihre harten Wurzeln in ihre Bruſt verſchließ't — wie die Sonne den Mond beſtrahlt, aber niemals ſeinen zarten Schein auf der Erde erblickt — wie die Sterne die Fruͤh¬ lingsnacht mit Thau begießen, aber fruͤh hinun¬ terziehen, eh' er morgenſonnig entbrennt: ſo du, du Unwiſſende, ſo traͤgſt und giebſt du die Blu¬ men und den Schimmer und den Thau, aber du ſieh'ſt es nicht. Nur dich glaubſt du zu er¬ freuen, wenn du die Welt erquickſt. O fliege zu ihr, du Gluͤcklichſter, den ſie liebt, und ſag' es ihr, daß du der Gluͤcklichſte biſt, aber nur durch ſie; und glaubt ſie nicht, ſo zeig' ihr an¬ dere Menſchen, der Unwiſſenden. Flegeljahre II. Bd. 9

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/129>, abgerufen am 28.03.2024.