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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809.

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an, Ihnen noch ehe wir vom Tisch aufstehen,
ins Gesicht zu beweisen, daß es rein genommen
gar keine ekelhaften Gegenstände gebe; ich will
mit Ihnen Scherzes halber, bloß einige der
ekelhaften durchgehen, und dann Ihre Empfin-
dung
fragen." Nach einem allgemeinen mit weib-
lichen Flachhänden unternommenen Niederschla-
gen dieser Untersuchung stand er ab davon.

"Gut, sagt' er, aber dieß sey mir erlaubt zu
sagen, daß unser Geist sehr groß ist, und sehr
geistig und unsterblich und immateriell. Denn
wäre dieser Umstand nicht, so waltete die Ma-
terie vor, und es wäre nicht denklich; denn wo
ist nur die geringste Nothwendigkeit, daß bey
Traurigkeit sich gerade die Thränendrüse, bey
Zorn die Gallendrüse ergießen? Wo ist das
absolute Band zwischen geistigen Schämen
und den Adernklappen, die dazu das Blut auf
den Wangen eindämmen? Und so alle Abson-
derungen hindurch, die den unsterblichen Geist in
seinen Thaten hienieden theils spornen, theils
zäumen? In meiner Jugend, wo noch der
Dichtergeist mich besaß, und nach seiner Pfeife

an, Ihnen noch ehe wir vom Tiſch aufſtehen,
ins Geſicht zu beweiſen, daß es rein genommen
gar keine ekelhaften Gegenſtaͤnde gebe; ich will
mit Ihnen Scherzes halber, bloß einige der
ekelhaften durchgehen, und dann Ihre Empfin-
dung
fragen.” Nach einem allgemeinen mit weib-
lichen Flachhaͤnden unternommenen Niederſchla-
gen dieſer Unterſuchung ſtand er ab davon.

„Gut, ſagt’ er, aber dieß ſey mir erlaubt zu
ſagen, daß unſer Geiſt ſehr groß iſt, und ſehr
geiſtig und unſterblich und immateriell. Denn
wäre dieſer Umſtand nicht, ſo waltete die Ma-
terie vor, und es waͤre nicht denklich; denn wo
iſt nur die geringſte Nothwendigkeit, daß bey
Traurigkeit ſich gerade die Thränendruͤſe, bey
Zorn die Gallendruͤſe ergießen? Wo iſt das
abſolute Band zwiſchen geiſtigen Schaͤmen
und den Adernklappen, die dazu das Blut auf
den Wangen eindaͤmmen? Und ſo alle Abſon-
derungen hindurch, die den unſterblichen Geiſt in
ſeinen Thaten hienieden theils ſpornen, theils
zaͤumen? In meiner Jugend, wo noch der
Dichtergeiſt mich beſaß, und nach ſeiner Pfeife

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[142/0160] an, Ihnen noch ehe wir vom Tiſch aufſtehen, ins Geſicht zu beweiſen, daß es rein genommen gar keine ekelhaften Gegenſtaͤnde gebe; ich will mit Ihnen Scherzes halber, bloß einige der ekelhaften durchgehen, und dann Ihre Empfin- dung fragen.” Nach einem allgemeinen mit weib- lichen Flachhaͤnden unternommenen Niederſchla- gen dieſer Unterſuchung ſtand er ab davon. „Gut, ſagt’ er, aber dieß ſey mir erlaubt zu ſagen, daß unſer Geiſt ſehr groß iſt, und ſehr geiſtig und unſterblich und immateriell. Denn wäre dieſer Umſtand nicht, ſo waltete die Ma- terie vor, und es waͤre nicht denklich; denn wo iſt nur die geringſte Nothwendigkeit, daß bey Traurigkeit ſich gerade die Thränendruͤſe, bey Zorn die Gallendruͤſe ergießen? Wo iſt das abſolute Band zwiſchen geiſtigen Schaͤmen und den Adernklappen, die dazu das Blut auf den Wangen eindaͤmmen? Und ſo alle Abſon- derungen hindurch, die den unſterblichen Geiſt in ſeinen Thaten hienieden theils ſpornen, theils zaͤumen? In meiner Jugend, wo noch der Dichtergeiſt mich beſaß, und nach ſeiner Pfeife

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/160>, abgerufen am 19.04.2024.