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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809.

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Theoda hörte es, sah auch hin -- und sie,
und ihr Leben wurden wie von einem ausgebrei
teten Abendrothe überzogen. Wie ein stiller
Riese, wie eine stille Alpe stand er da; und ihr
Herz war seine Alpenrose. -- Irgend einmal
findet auch der geringste Mensch seinen Gott-
mensch, und in irgend einer Zeit findet er ein
wenig Ewigkeit; Theoda fands.

Der Vorleser, den die fremde Bewundrung
seines Lesestücks hinriß in eigne, und der unter
allen Empfindungen diese am innigsten mit dem
Hör-Kreis theilte, hatte jetzt, wo die eigent-
liche Höhe und Bergstraße seiner Schöpfung erst
recht anging, gar nicht Zeit, die Ankunft, ge-
schweige die Gestalt, und die Einwirkuag des
Kriegers wahrzunehmen. Jetzt stand er eben an
der zweyten Hauptstelle seines Gesangs, (der
Anfang war die erste) am Schwanengesange,
am Ende-Triller; denn wie im Leben die Ge-
burt und der Tod, im Gesellschaftszimmer der
Eintritt und der Austritt die beyden Flügel sind,
womit man steigt oder fällt, so im Gedichte --
Nieß konnte also nicht unaufhaltsam genug stür-

Theoda hoͤrte es, ſah auch hin — und ſie,
und ihr Leben wurden wie von einem ausgebrei
teten Abendrothe uͤberzogen. Wie ein ſtiller
Rieſe, wie eine ſtille Alpe ſtand er da; und ihr
Herz war ſeine Alpenroſe. — Irgend einmal
findet auch der geringſte Menſch ſeinen Gott-
menſch, und in irgend einer Zeit findet er ein
wenig Ewigkeit; Theoda fands.

Der Vorleſer, den die fremde Bewundrung
ſeines Leſeſtuͤcks hinriß in eigne, und der unter
allen Empfindungen dieſe am innigſten mit dem
Hoͤr-Kreis theilte, hatte jetzt, wo die eigent-
liche Hoͤhe und Bergſtraße ſeiner Schöpfung erſt
recht anging, gar nicht Zeit, die Ankunft, ge-
ſchweige die Geſtalt, und die Einwirkuag des
Kriegers wahrzunehmen. Jetzt ſtand er eben an
der zweyten Hauptſtelle ſeines Geſangs, (der
Anfang war die erſte) am Schwanengeſange,
am Ende-Triller; denn wie im Leben die Ge-
burt und der Tod, im Geſellſchaftszimmer der
Eintritt und der Austritt die beyden Fluͤgel ſind,
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[162/0180] Theoda hoͤrte es, ſah auch hin — und ſie, und ihr Leben wurden wie von einem ausgebrei teten Abendrothe uͤberzogen. Wie ein ſtiller Rieſe, wie eine ſtille Alpe ſtand er da; und ihr Herz war ſeine Alpenroſe. — Irgend einmal findet auch der geringſte Menſch ſeinen Gott- menſch, und in irgend einer Zeit findet er ein wenig Ewigkeit; Theoda fands. Der Vorleſer, den die fremde Bewundrung ſeines Leſeſtuͤcks hinriß in eigne, und der unter allen Empfindungen dieſe am innigſten mit dem Hoͤr-Kreis theilte, hatte jetzt, wo die eigent- liche Hoͤhe und Bergſtraße ſeiner Schöpfung erſt recht anging, gar nicht Zeit, die Ankunft, ge- ſchweige die Geſtalt, und die Einwirkuag des Kriegers wahrzunehmen. Jetzt ſtand er eben an der zweyten Hauptſtelle ſeines Geſangs, (der Anfang war die erſte) am Schwanengeſange, am Ende-Triller; denn wie im Leben die Ge- burt und der Tod, im Geſellſchaftszimmer der Eintritt und der Austritt die beyden Fluͤgel ſind, womit man ſteigt oder faͤllt, ſo im Gedichte — Nieß konnte alſo nicht unaufhaltſam genug ſtuͤr-

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/180>, abgerufen am 29.03.2024.