Wider alle Erwartung meldete sich am Vor- abend der Abreise ein Fremder zur Mitbelehn- schaft des Wagens.
Während der Doktor in seinem Misgeburten- Kabinette einiges abstäubte von ausgestopften Thierleichen, durch Räuchern die Motten (die Teufel derselben) vertrieb, und den Embryonen in ihren Gläschen Spiritus zu trinken gab: trat ein fremder feingekleideter und feingesitteter Herr ein, nannte sich Herr von Nieß, und über- reichte der Tochter des Doktors nach der Frage, ob Sie Theoda heiße, ein blaueingeschlagenes Briefchen an sie, es ist von meinem Freunde, dem Bühnen-Dichter Theudobach, sagte er. Das Mädchen entglühte hochroth, und riß zit- ternd mit dem Umschlag in den Brief hinein (die Liebe und der Haß zerreißen den Brief, so- wie beyde den Menschen verschlingen wollen)
3. Summula. Ein Reiſegefährte.
Wider alle Erwartung meldete ſich am Vor- abend der Abreiſe ein Fremder zur Mitbelehn- ſchaft des Wagens.
Waͤhrend der Doktor in ſeinem Misgeburten- Kabinette einiges abſtaͤubte von ausgeſtopften Thierleichen, durch Räuchern die Motten (die Teufel derſelben) vertrieb, und den Embryonen in ihren Glaͤschen Spiritus zu trinken gab: trat ein fremder feingekleideter und feingeſitteter Herr ein, nannte ſich Herr von Nieß, und uͤber- reichte der Tochter des Doktors nach der Frage, ob Sie Theoda heiße, ein blaueingeſchlagenes Briefchen an ſie, es iſt von meinem Freunde, dem Buͤhnen-Dichter Theudobach, ſagte er. Das Maͤdchen entgluͤhte hochroth, und riß zit- ternd mit dem Umſchlag in den Brief hinein (die Liebe und der Haß zerreißen den Brief, ſo- wie beyde den Menſchen verſchlingen wollen)
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0026"n="8"/><divn="3"><head>3. Summula.<lb/><hirendition="#g">Ein Reiſegefährte</hi>.</head><lb/><p><hirendition="#in">W</hi>ider alle Erwartung meldete ſich am Vor-<lb/>
abend der Abreiſe ein Fremder zur Mitbelehn-<lb/>ſchaft des Wagens.</p><lb/><p>Waͤhrend der Doktor in ſeinem Misgeburten-<lb/>
Kabinette einiges abſtaͤubte von ausgeſtopften<lb/>
Thierleichen, durch Räuchern die Motten (die<lb/>
Teufel derſelben) vertrieb, und den Embryonen<lb/>
in ihren Glaͤschen Spiritus zu trinken gab: trat<lb/>
ein fremder feingekleideter und feingeſitteter Herr<lb/>
ein, nannte ſich Herr von <hirendition="#g">Nieß</hi>, und uͤber-<lb/>
reichte der Tochter des Doktors nach der Frage,<lb/>
ob Sie <hirendition="#g">Theoda</hi> heiße, ein blaueingeſchlagenes<lb/>
Briefchen an ſie, es iſt von meinem Freunde,<lb/>
dem Buͤhnen-Dichter <hirendition="#g">Theudobach</hi>, ſagte er.<lb/>
Das Maͤdchen entgluͤhte hochroth, und riß zit-<lb/>
ternd mit dem Umſchlag in den Brief hinein<lb/>
(die Liebe und der Haß zerreißen den Brief, ſo-<lb/>
wie beyde den Menſchen verſchlingen wollen)<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[8/0026]
3. Summula.
Ein Reiſegefährte.
Wider alle Erwartung meldete ſich am Vor-
abend der Abreiſe ein Fremder zur Mitbelehn-
ſchaft des Wagens.
Waͤhrend der Doktor in ſeinem Misgeburten-
Kabinette einiges abſtaͤubte von ausgeſtopften
Thierleichen, durch Räuchern die Motten (die
Teufel derſelben) vertrieb, und den Embryonen
in ihren Glaͤschen Spiritus zu trinken gab: trat
ein fremder feingekleideter und feingeſitteter Herr
ein, nannte ſich Herr von Nieß, und uͤber-
reichte der Tochter des Doktors nach der Frage,
ob Sie Theoda heiße, ein blaueingeſchlagenes
Briefchen an ſie, es iſt von meinem Freunde,
dem Buͤhnen-Dichter Theudobach, ſagte er.
Das Maͤdchen entgluͤhte hochroth, und riß zit-
ternd mit dem Umſchlag in den Brief hinein
(die Liebe und der Haß zerreißen den Brief, ſo-
wie beyde den Menſchen verſchlingen wollen)
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/26>, abgerufen am 28.03.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.