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Perthes, Friedrich Christoph: Der deutsche Buchhandel als Bedingung des Daseyns einer deutschen Literatur. 1816.

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reich die Ausbildung deutscher Sprache noch zu sehr
vernachläßigt, als daß man in Bearbeitung der schö¬
nen Literatur hätte wetteifern können, wohl aber er¬
wachte im alten Kaiserstaat Sehnsucht und Liebe zu
diesen vaterländischen Früchten. Da man dafür nichts
im Tausch zu geben hatte, so mußten diese Werke
mit schwerem Gelde theuer erkauft werden und um
dem begierigen Publikum diese ausbildenden Genüsse
nicht entbehren zu lassen, gestattete man den Nach¬
druck der, wie man's nannte, ausländischen Bücher.

Es entstand hierdurch Abtrennung vom deutschen
allgemeinen Buchhandel, da Nachdrucker mit ihren
Waaren die jährlichen Zusammenkünfte der Buchhänd¬
ler nicht besuchen dürfen; doch war diese Trennung
nicht durchgängig, da die Wiener Verleger großer
und wissenschaftlicher Werke, z. B. von Jacquin,
Born, Sonnenfels, Plenk, Quarin, van Swieten,
Vega etc. bey Aufwendung der dazu nöthigen Kosten
das Nicht-Oesterreichische Deutschland nicht entbehren
konnten, also gar nicht, oder nur sehr heimlich, sich
mit Nachdrucken abgeben durften.

Seit einem Jahrzehend, also eben in den Zeiten
höchster Bedrängniß, haben diese Verhältniße sich gänz¬
lich geändert, und wenn die Balanz der Ein- und
Ausfuhr literarischer Producte nicht schon jetzt ganz
zu Gunsten Oesterreichs ist, so wird sie es doch ge¬
wiß in wenig Jahren seyn.

reich die Ausbildung deutſcher Sprache noch zu ſehr
vernachlaͤßigt, als daß man in Bearbeitung der ſchoͤ¬
nen Literatur haͤtte wetteifern koͤnnen, wohl aber er¬
wachte im alten Kaiſerſtaat Sehnſucht und Liebe zu
dieſen vaterlaͤndiſchen Fruͤchten. Da man dafuͤr nichts
im Tauſch zu geben hatte, ſo mußten dieſe Werke
mit ſchwerem Gelde theuer erkauft werden und um
dem begierigen Publikum dieſe ausbildenden Genuͤſſe
nicht entbehren zu laſſen, geſtattete man den Nach¬
druck der, wie man's nannte, auslaͤndiſchen Buͤcher.

Es entſtand hierdurch Abtrennung vom deutſchen
allgemeinen Buchhandel, da Nachdrucker mit ihren
Waaren die jaͤhrlichen Zuſammenkuͤnfte der Buchhaͤnd¬
ler nicht beſuchen duͤrfen; doch war dieſe Trennung
nicht durchgaͤngig, da die Wiener Verleger großer
und wiſſenſchaftlicher Werke, z. B. von Jacquin,
Born, Sonnenfels, Plenk, Quarin, van Swieten,
Vega ꝛc. bey Aufwendung der dazu noͤthigen Koſten
das Nicht-Oeſterreichiſche Deutſchland nicht entbehren
konnten, alſo gar nicht, oder nur ſehr heimlich, ſich
mit Nachdrucken abgeben durften.

Seit einem Jahrzehend, alſo eben in den Zeiten
hoͤchſter Bedraͤngniß, haben dieſe Verhaͤltniße ſich gaͤnz¬
lich geaͤndert, und wenn die Balanz der Ein- und
Ausfuhr literariſcher Producte nicht ſchon jetzt ganz
zu Gunſten Oeſterreichs iſt, ſo wird ſie es doch ge¬
wiß in wenig Jahren ſeyn.

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[16/0022] reich die Ausbildung deutſcher Sprache noch zu ſehr vernachlaͤßigt, als daß man in Bearbeitung der ſchoͤ¬ nen Literatur haͤtte wetteifern koͤnnen, wohl aber er¬ wachte im alten Kaiſerſtaat Sehnſucht und Liebe zu dieſen vaterlaͤndiſchen Fruͤchten. Da man dafuͤr nichts im Tauſch zu geben hatte, ſo mußten dieſe Werke mit ſchwerem Gelde theuer erkauft werden und um dem begierigen Publikum dieſe ausbildenden Genuͤſſe nicht entbehren zu laſſen, geſtattete man den Nach¬ druck der, wie man's nannte, auslaͤndiſchen Buͤcher. Es entſtand hierdurch Abtrennung vom deutſchen allgemeinen Buchhandel, da Nachdrucker mit ihren Waaren die jaͤhrlichen Zuſammenkuͤnfte der Buchhaͤnd¬ ler nicht beſuchen duͤrfen; doch war dieſe Trennung nicht durchgaͤngig, da die Wiener Verleger großer und wiſſenſchaftlicher Werke, z. B. von Jacquin, Born, Sonnenfels, Plenk, Quarin, van Swieten, Vega ꝛc. bey Aufwendung der dazu noͤthigen Koſten das Nicht-Oeſterreichiſche Deutſchland nicht entbehren konnten, alſo gar nicht, oder nur ſehr heimlich, ſich mit Nachdrucken abgeben durften. Seit einem Jahrzehend, alſo eben in den Zeiten hoͤchſter Bedraͤngniß, haben dieſe Verhaͤltniße ſich gaͤnz¬ lich geaͤndert, und wenn die Balanz der Ein- und Ausfuhr literariſcher Producte nicht ſchon jetzt ganz zu Gunſten Oeſterreichs iſt, ſo wird ſie es doch ge¬ wiß in wenig Jahren ſeyn.

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Zitationshilfe: Perthes, Friedrich Christoph: Der deutsche Buchhandel als Bedingung des Daseyns einer deutschen Literatur. 1816, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/perthes_buchhandel_1816/22>, abgerufen am 28.03.2024.