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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die Nahrungsmittel und ihre Zubereitung.
und Lautschrift, die Theilung der Zeit, Maasse und Gewichte,
Stellenwerth der Zahlen sind älter als die Kenntniss der narco-
tischen Genussmittel und nur dem Wein könnten wir daran ein
Verdienst zuschreiben. Der mosaische Gottesgedanke, der zoro-
astrische Dualismus, Christenthum und Islam, indische Sagenwelten
und Philosophien sind sämmtlich ohne narkotische Nachhilfe ans
Licht getreten. Der Thee war dem erfindungsreichen alten China,
also dem China der drei ersten Dynastien nicht bekannt Coper-
nikus hat sein System erdacht, Galilei es begründet und Kepler
es durch seine Gesetze bewiesen, ohne dass sie je den Kaffee
auch nur dem Namen nach gekannt hätten. Es ist daher wohl
vorsichtiger, das dunkle Gebiet der Forschung über die Erregbar-
keit unsres Denkvermögens durch geniessbare Reizmittel nicht zu
betreten.

Nicht minder wichtig als die Nahrung ist ihre Zubereitung.
Der Genuss rohen Fleisches und Speckes kommt ausnahmsweise
allenthalben, als Gewohnheit nur bei den Eskimo vor. Sonst wird
die Aschengluth oder ein hölzerner Bratspiess gewöhnlich zum
Rösten verwendet. Als Trinkgefässe dienen meistens die Rinden-
gehäuse melonenartiger Früchte, die Schalen der Nüsse oder ge-
egentlich den Buschmännern die Eier südafrikanischer Strausse.
Ihre Nachbarn, die Betschuanen und Kafirn flechten Körbe so
dicht, dass sich Flüssigkeiten darin aufbewahren lassen 1). Hölzerne
Gefässe dienten aber schlecht dazu, Wasser ins Sieden zu ver-
setzen und doch half sich der menschliche Scharfsinn dadurch,
dass Steine bis zum Glühen erhitzt und dann in das Wasser des
Holzgefässes geschüttet wurden. Auf diese Weise ist das Kochen
zuerst betrieben worden. Noch einfacher ist das Verfahren eines
Stammes der Rothhäute im Norden der Prärien. Sie gruben eine
Höhlung in die Erde, kleideten sie mit dem Felle des erlegten
Wildes aus, gossen Wasser darauf und erhitzten dieses mit glühen-
den Steinen. Deshalb nannten die Odschibbewäer diese Stämme
Assinniboin oder Steinkocher 2). Seitdem sie der Handel mit Thon-
gesc hirren und Kesseln versehen hat, wird die alterthümliche Zu-
lereitung des Fleisches nur bei festlichen Gelegenheiten noch an-

1) Casalis, Les Bassoutos. Paris 1859. p. 145. I. G. Wood, Natural
History of man. Africa. London 1868. p. 63.
2) Catlin, Indianer Nordamerikas. Leipzig 1851. S. 38.

Die Nahrungsmittel und ihre Zubereitung.
und Lautschrift, die Theilung der Zeit, Maasse und Gewichte,
Stellenwerth der Zahlen sind älter als die Kenntniss der narco-
tischen Genussmittel und nur dem Wein könnten wir daran ein
Verdienst zuschreiben. Der mosaische Gottesgedanke, der zoro-
astrische Dualismus, Christenthum und Islam, indische Sagenwelten
und Philosophien sind sämmtlich ohne narkotische Nachhilfe ans
Licht getreten. Der Thee war dem erfindungsreichen alten China,
also dem China der drei ersten Dynastien nicht bekannt Coper-
nikus hat sein System erdacht, Galilei es begründet und Kepler
es durch seine Gesetze bewiesen, ohne dass sie je den Kaffee
auch nur dem Namen nach gekannt hätten. Es ist daher wohl
vorsichtiger, das dunkle Gebiet der Forschung über die Erregbar-
keit unsres Denkvermögens durch geniessbare Reizmittel nicht zu
betreten.

Nicht minder wichtig als die Nahrung ist ihre Zubereitung.
Der Genuss rohen Fleisches und Speckes kommt ausnahmsweise
allenthalben, als Gewohnheit nur bei den Eskimo vor. Sonst wird
die Aschengluth oder ein hölzerner Bratspiess gewöhnlich zum
Rösten verwendet. Als Trinkgefässe dienen meistens die Rinden-
gehäuse melonenartiger Früchte, die Schalen der Nüsse oder ge-
egentlich den Buschmännern die Eier südafrikanischer Strausse.
Ihre Nachbarn, die Betschuanen und Kafirn flechten Körbe so
dicht, dass sich Flüssigkeiten darin aufbewahren lassen 1). Hölzerne
Gefässe dienten aber schlecht dazu, Wasser ins Sieden zu ver-
setzen und doch half sich der menschliche Scharfsinn dadurch,
dass Steine bis zum Glühen erhitzt und dann in das Wasser des
Holzgefässes geschüttet wurden. Auf diese Weise ist das Kochen
zuerst betrieben worden. Noch einfacher ist das Verfahren eines
Stammes der Rothhäute im Norden der Prärien. Sie gruben eine
Höhlung in die Erde, kleideten sie mit dem Felle des erlegten
Wildes aus, gossen Wasser darauf und erhitzten dieses mit glühen-
den Steinen. Deshalb nannten die Odschibbewäer diese Stämme
Assinniboin oder Steinkocher 2). Seitdem sie der Handel mit Thon-
gesc hirren und Kesseln versehen hat, wird die alterthümliche Zu-
lereitung des Fleisches nur bei festlichen Gelegenheiten noch an-

1) Casalis, Les Bassoutos. Paris 1859. p. 145. I. G. Wood, Natural
History of man. Africa. London 1868. p. 63.
2) Catlin, Indianer Nordamerikas. Leipzig 1851. S. 38.
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[171/0189] Die Nahrungsmittel und ihre Zubereitung. und Lautschrift, die Theilung der Zeit, Maasse und Gewichte, Stellenwerth der Zahlen sind älter als die Kenntniss der narco- tischen Genussmittel und nur dem Wein könnten wir daran ein Verdienst zuschreiben. Der mosaische Gottesgedanke, der zoro- astrische Dualismus, Christenthum und Islam, indische Sagenwelten und Philosophien sind sämmtlich ohne narkotische Nachhilfe ans Licht getreten. Der Thee war dem erfindungsreichen alten China, also dem China der drei ersten Dynastien nicht bekannt Coper- nikus hat sein System erdacht, Galilei es begründet und Kepler es durch seine Gesetze bewiesen, ohne dass sie je den Kaffee auch nur dem Namen nach gekannt hätten. Es ist daher wohl vorsichtiger, das dunkle Gebiet der Forschung über die Erregbar- keit unsres Denkvermögens durch geniessbare Reizmittel nicht zu betreten. Nicht minder wichtig als die Nahrung ist ihre Zubereitung. Der Genuss rohen Fleisches und Speckes kommt ausnahmsweise allenthalben, als Gewohnheit nur bei den Eskimo vor. Sonst wird die Aschengluth oder ein hölzerner Bratspiess gewöhnlich zum Rösten verwendet. Als Trinkgefässe dienen meistens die Rinden- gehäuse melonenartiger Früchte, die Schalen der Nüsse oder ge- egentlich den Buschmännern die Eier südafrikanischer Strausse. Ihre Nachbarn, die Betschuanen und Kafirn flechten Körbe so dicht, dass sich Flüssigkeiten darin aufbewahren lassen 1). Hölzerne Gefässe dienten aber schlecht dazu, Wasser ins Sieden zu ver- setzen und doch half sich der menschliche Scharfsinn dadurch, dass Steine bis zum Glühen erhitzt und dann in das Wasser des Holzgefässes geschüttet wurden. Auf diese Weise ist das Kochen zuerst betrieben worden. Noch einfacher ist das Verfahren eines Stammes der Rothhäute im Norden der Prärien. Sie gruben eine Höhlung in die Erde, kleideten sie mit dem Felle des erlegten Wildes aus, gossen Wasser darauf und erhitzten dieses mit glühen- den Steinen. Deshalb nannten die Odschibbewäer diese Stämme Assinniboin oder Steinkocher 2). Seitdem sie der Handel mit Thon- gesc hirren und Kesseln versehen hat, wird die alterthümliche Zu- lereitung des Fleisches nur bei festlichen Gelegenheiten noch an- 1) Casalis, Les Bassoutos. Paris 1859. p. 145. I. G. Wood, Natural History of man. Africa. London 1868. p. 63. 2) Catlin, Indianer Nordamerikas. Leipzig 1851. S. 38.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/189>, abgerufen am 29.03.2024.