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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Bekleidung und Obdach.
mit einem Gewand aus Baumrinde, das von der Brust bis auf die
Kniee reicht, ihre Frauen dagegen befestigen blos ein handgrosses
Stück Bananenlaub an der Lendenschnur 1). Ausserordentliche
Strenge in Bezug auf sittsame Kleidung fand Speke am Hofe
Mtesa's des Königs von Uganda. Waren auch die Besorgnisse
seines Freundes Rumanika unbegründet, dass man ihm und Grant
das Betreten jenes Landes verweigern werde, weil beide nur Bein-
kleider trügen, nicht lange fliessende Gewänder, wie die Araber,
so ergab sich doch später, dass der König mit dem Tode jeden
Mann bestrafte, der in seiner Gegenwart auch nur ein Zollbreit
seines Beines unbedeckt liess, während doch gleichzeitig völlig nackte
Frauen Kammerdienste verrichten mussten 2). Der arabische Rei-
sende Ibn Batuta versichert, dass sich dem König des Mandingo-
reiches von Melli Frauen, selbst Prinzessinnen nur unbekleidet
nahen durften 3). In Südafrika empfing die Königin der Balonda-
neger Livingstone im Zustande völliger Nacktheit und nicht anders
erscheinen die Frauen der benachbarten Kissamaneger bei Fest-
lichkeiten 4). Bei halbgekleideten Menschenstämmen wird gewöhn-
lich die Bedeckung erst mit der Altersreife angelegt und es ist
ein Ausnahmsfall, der überdies noch einer Bestätigung bedarf, dass
bei Australierinnen die Entblössung der Frauen erst nach der Ehe
stattfinden solle 5).

Hellfarbige Völker empfinden viel lebhafter als dunkle das
Bedürfniss einer Umhüllung. Die Afrikaner sind sich auch der
Vorzüge ihrer dunklen Hautfarbe recht wohl bewusst 6). Wir er-
innern uns bei Adolf Bastian gelesen zu haben, dass ihm beim
Baden neben braunen Asiaten, seine weisse Haut als etwas krank-
haftes erschienen sei, und als geschähe durch sie der Schönheit
Abbruch. Genau so äussert Hr. v. Maltzan: "die Nacktheit steht
bei der schwarzen Haut immer gut, bei hellhäutigen Menschen
kam sie mir stets widerwärtig vor 7)." In gleichem Sinne schildert

1) Zeitschrift für Ethnologie. Berlin 1873. Bd. 5. S. 16.
2) Speke, Entdeckung der Nilquellen. Bd. 1. S. 262. S. 283. S. 284.
S. 293.
3) Voyages d'Ibn Batoutah. Paris 1858. tom. IV. p. 418.
4) Livingstone, Missionsreisen. Bd. 1. S. 315. Hamilton im Journ. of
the Anthropol. Institute. tom. I. S. 189.
5) Dumont d' Urville, Voyage de l'Astrolabe. Paris 1830. tom. I. p. 471.
6) Darwin, Abstammung des Menschen. Bd. 2. S. 303--304.
7) Globus 1872. Bd. 21. S. 26.
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Bekleidung und Obdach.
mit einem Gewand aus Baumrinde, das von der Brust bis auf die
Kniee reicht, ihre Frauen dagegen befestigen blos ein handgrosses
Stück Bananenlaub an der Lendenschnur 1). Ausserordentliche
Strenge in Bezug auf sittsame Kleidung fand Speke am Hofe
Mtesa’s des Königs von Uganda. Waren auch die Besorgnisse
seines Freundes Rumanika unbegründet, dass man ihm und Grant
das Betreten jenes Landes verweigern werde, weil beide nur Bein-
kleider trügen, nicht lange fliessende Gewänder, wie die Araber,
so ergab sich doch später, dass der König mit dem Tode jeden
Mann bestrafte, der in seiner Gegenwart auch nur ein Zollbreit
seines Beines unbedeckt liess, während doch gleichzeitig völlig nackte
Frauen Kammerdienste verrichten mussten 2). Der arabische Rei-
sende Ibn Batuta versichert, dass sich dem König des Mandingo-
reiches von Melli Frauen, selbst Prinzessinnen nur unbekleidet
nahen durften 3). In Südafrika empfing die Königin der Balonda-
neger Livingstone im Zustande völliger Nacktheit und nicht anders
erscheinen die Frauen der benachbarten Kissamaneger bei Fest-
lichkeiten 4). Bei halbgekleideten Menschenstämmen wird gewöhn-
lich die Bedeckung erst mit der Altersreife angelegt und es ist
ein Ausnahmsfall, der überdies noch einer Bestätigung bedarf, dass
bei Australierinnen die Entblössung der Frauen erst nach der Ehe
stattfinden solle 5).

Hellfarbige Völker empfinden viel lebhafter als dunkle das
Bedürfniss einer Umhüllung. Die Afrikaner sind sich auch der
Vorzüge ihrer dunklen Hautfarbe recht wohl bewusst 6). Wir er-
innern uns bei Adolf Bastian gelesen zu haben, dass ihm beim
Baden neben braunen Asiaten, seine weisse Haut als etwas krank-
haftes erschienen sei, und als geschähe durch sie der Schönheit
Abbruch. Genau so äussert Hr. v. Maltzan: „die Nacktheit steht
bei der schwarzen Haut immer gut, bei hellhäutigen Menschen
kam sie mir stets widerwärtig vor 7).“ In gleichem Sinne schildert

1) Zeitschrift für Ethnologie. Berlin 1873. Bd. 5. S. 16.
2) Speke, Entdeckung der Nilquellen. Bd. 1. S. 262. S. 283. S. 284.
S. 293.
3) Voyages d’Ibn Batoutah. Paris 1858. tom. IV. p. 418.
4) Livingstone, Missionsreisen. Bd. 1. S. 315. Hamilton im Journ. of
the Anthropol. Institute. tom. I. S. 189.
5) Dumont d’ Urville, Voyage de l’Astrolabe. Paris 1830. tom. I. p. 471.
6) Darwin, Abstammung des Menschen. Bd. 2. S. 303—304.
7) Globus 1872. Bd. 21. S. 26.
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[179/0197] Bekleidung und Obdach. mit einem Gewand aus Baumrinde, das von der Brust bis auf die Kniee reicht, ihre Frauen dagegen befestigen blos ein handgrosses Stück Bananenlaub an der Lendenschnur 1). Ausserordentliche Strenge in Bezug auf sittsame Kleidung fand Speke am Hofe Mtesa’s des Königs von Uganda. Waren auch die Besorgnisse seines Freundes Rumanika unbegründet, dass man ihm und Grant das Betreten jenes Landes verweigern werde, weil beide nur Bein- kleider trügen, nicht lange fliessende Gewänder, wie die Araber, so ergab sich doch später, dass der König mit dem Tode jeden Mann bestrafte, der in seiner Gegenwart auch nur ein Zollbreit seines Beines unbedeckt liess, während doch gleichzeitig völlig nackte Frauen Kammerdienste verrichten mussten 2). Der arabische Rei- sende Ibn Batuta versichert, dass sich dem König des Mandingo- reiches von Melli Frauen, selbst Prinzessinnen nur unbekleidet nahen durften 3). In Südafrika empfing die Königin der Balonda- neger Livingstone im Zustande völliger Nacktheit und nicht anders erscheinen die Frauen der benachbarten Kissamaneger bei Fest- lichkeiten 4). Bei halbgekleideten Menschenstämmen wird gewöhn- lich die Bedeckung erst mit der Altersreife angelegt und es ist ein Ausnahmsfall, der überdies noch einer Bestätigung bedarf, dass bei Australierinnen die Entblössung der Frauen erst nach der Ehe stattfinden solle 5). Hellfarbige Völker empfinden viel lebhafter als dunkle das Bedürfniss einer Umhüllung. Die Afrikaner sind sich auch der Vorzüge ihrer dunklen Hautfarbe recht wohl bewusst 6). Wir er- innern uns bei Adolf Bastian gelesen zu haben, dass ihm beim Baden neben braunen Asiaten, seine weisse Haut als etwas krank- haftes erschienen sei, und als geschähe durch sie der Schönheit Abbruch. Genau so äussert Hr. v. Maltzan: „die Nacktheit steht bei der schwarzen Haut immer gut, bei hellhäutigen Menschen kam sie mir stets widerwärtig vor 7).“ In gleichem Sinne schildert 1) Zeitschrift für Ethnologie. Berlin 1873. Bd. 5. S. 16. 2) Speke, Entdeckung der Nilquellen. Bd. 1. S. 262. S. 283. S. 284. S. 293. 3) Voyages d’Ibn Batoutah. Paris 1858. tom. IV. p. 418. 4) Livingstone, Missionsreisen. Bd. 1. S. 315. Hamilton im Journ. of the Anthropol. Institute. tom. I. S. 189. 5) Dumont d’ Urville, Voyage de l’Astrolabe. Paris 1830. tom. I. p. 471. 6) Darwin, Abstammung des Menschen. Bd. 2. S. 303—304. 7) Globus 1872. Bd. 21. S. 26. 12*

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/197>, abgerufen am 29.03.2024.