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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Arteneinheit des Menschengeschlechtes.
die Erde bevölkerten und bereits theilweise im Besitze ihrer heu-
tigen Wortschätze sich befanden, denn in ihrem Eifer nahm jene
Schule sogar eine Artenmehrheit innerhalb der sprachverbundenen
arischen Völkerfamilie an. Diese wunderlichen Ansichten stützten
sich zunächst auf die Behauptung, dass die Merkmale der Arten-
verschiedenheit sich unverändert in der historischen Zeit erhalten
haben, namentlich bei Juden 1) und brahmanischen Indiern. Beide
Beispiele vermögen aber ernste Zweifler nicht zu bekehren, denn
wir wissen von Juden und brahmanischen Hindu, dass sie seit Jahr-
tausenden streng unter sich geheirathet haben. Dass sich aber dann
nothwendig Racenmerkmale befestigen müssen, lehren uns die Er-
fahrungen der Thierzüchter. Selbst in unsern heutigen Gesell-
schaften, wo durch Kastenvorschriften Heirathen in dem nämlichen
Stande vorgeschrieben werden, tritt bisweilen kenntlich ein aristo-
kratischer Typus hervor und bei den Habsburgern wie bei den
Bourbonen sind in vergleichsweise kurzer Zeit physiognomische Be-
sonderheiten innerhalb zweier Familien erblich geworden.

Das hohe Alter und die Beharrlichkeit des Typischen in den
verschiedenen Menschenarten sollen uns ferner die Racenbilder der
Denkmäler am Nil bezeugen. Allerdings herrscht Einstimmigkeit
bei allen Aegyptologen, dass man in den heutigen Fellahin des Nil-
landes noch scharf und deutlich das Volk der Pharaonen wieder
erkenne, und wenn auch stark verzerrt sind neben ihnen die Neger
des Sudan in den Wandgemälden so deutlich wieder gegeben, dass
jeder Verwechselung vorgebeugt ist. Bedenklich bleibt indessen,
dass die altägyptischen Künstler ihre Menschen nach starren Vor-
bildern naturwidrig entstellten; die Gesichter nämlich zeichneten sie
stets im Profil, das Auge stets en face, und die Hände immer als
zwei rechte. Staunen muss man daher über die Kühnheit der
Pluralisten, welche aus den Bildnissen der Könige und Königinnen
sogar die Mischung mit semitischem oder europäischem Blute bei
den Pharaonen herauslesen wollten. Von der Gemahlin des Grün-
ders der 17. Dynastie Amunoph I., der in das Jahr 1671 v. Chr.

1) Anfänger in der Völkerkunde möchten wir vor Missverständnissen be-
züglich der "schwarzen Juden" in Cochin warnen, die früher als Beispiel miss-
braucht wurden, dass die indische Sonne die Hautfarbe zu ändern vermöge.
Die schwarzen Juden sind indische Eingeborne, die von den rechten weissen
Juden als Sklaven gekauft und dann nach Erfüllung der mosaischen Gebräuche
in die Judengemeinde aufgenommen wurden.

Arteneinheit des Menschengeschlechtes.
die Erde bevölkerten und bereits theilweise im Besitze ihrer heu-
tigen Wortschätze sich befanden, denn in ihrem Eifer nahm jene
Schule sogar eine Artenmehrheit innerhalb der sprachverbundenen
arischen Völkerfamilie an. Diese wunderlichen Ansichten stützten
sich zunächst auf die Behauptung, dass die Merkmale der Arten-
verschiedenheit sich unverändert in der historischen Zeit erhalten
haben, namentlich bei Juden 1) und brahmanischen Indiern. Beide
Beispiele vermögen aber ernste Zweifler nicht zu bekehren, denn
wir wissen von Juden und brahmanischen Hindu, dass sie seit Jahr-
tausenden streng unter sich geheirathet haben. Dass sich aber dann
nothwendig Racenmerkmale befestigen müssen, lehren uns die Er-
fahrungen der Thierzüchter. Selbst in unsern heutigen Gesell-
schaften, wo durch Kastenvorschriften Heirathen in dem nämlichen
Stande vorgeschrieben werden, tritt bisweilen kenntlich ein aristo-
kratischer Typus hervor und bei den Habsburgern wie bei den
Bourbonen sind in vergleichsweise kurzer Zeit physiognomische Be-
sonderheiten innerhalb zweier Familien erblich geworden.

Das hohe Alter und die Beharrlichkeit des Typischen in den
verschiedenen Menschenarten sollen uns ferner die Racenbilder der
Denkmäler am Nil bezeugen. Allerdings herrscht Einstimmigkeit
bei allen Aegyptologen, dass man in den heutigen Fellahin des Nil-
landes noch scharf und deutlich das Volk der Pharaonen wieder
erkenne, und wenn auch stark verzerrt sind neben ihnen die Neger
des Sudan in den Wandgemälden so deutlich wieder gegeben, dass
jeder Verwechselung vorgebeugt ist. Bedenklich bleibt indessen,
dass die altägyptischen Künstler ihre Menschen nach starren Vor-
bildern naturwidrig entstellten; die Gesichter nämlich zeichneten sie
stets im Profil, das Auge stets en face, und die Hände immer als
zwei rechte. Staunen muss man daher über die Kühnheit der
Pluralisten, welche aus den Bildnissen der Könige und Königinnen
sogar die Mischung mit semitischem oder europäischem Blute bei
den Pharaonen herauslesen wollten. Von der Gemahlin des Grün-
ders der 17. Dynastie Amunoph I., der in das Jahr 1671 v. Chr.

1) Anfänger in der Völkerkunde möchten wir vor Missverständnissen be-
züglich der „schwarzen Juden“ in Cochin warnen, die früher als Beispiel miss-
braucht wurden, dass die indische Sonne die Hautfarbe zu ändern vermöge.
Die schwarzen Juden sind indische Eingeborne, die von den rechten weissen
Juden als Sklaven gekauft und dann nach Erfüllung der mosaischen Gebräuche
in die Judengemeinde aufgenommen wurden.
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[13/0031] Arteneinheit des Menschengeschlechtes. die Erde bevölkerten und bereits theilweise im Besitze ihrer heu- tigen Wortschätze sich befanden, denn in ihrem Eifer nahm jene Schule sogar eine Artenmehrheit innerhalb der sprachverbundenen arischen Völkerfamilie an. Diese wunderlichen Ansichten stützten sich zunächst auf die Behauptung, dass die Merkmale der Arten- verschiedenheit sich unverändert in der historischen Zeit erhalten haben, namentlich bei Juden 1) und brahmanischen Indiern. Beide Beispiele vermögen aber ernste Zweifler nicht zu bekehren, denn wir wissen von Juden und brahmanischen Hindu, dass sie seit Jahr- tausenden streng unter sich geheirathet haben. Dass sich aber dann nothwendig Racenmerkmale befestigen müssen, lehren uns die Er- fahrungen der Thierzüchter. Selbst in unsern heutigen Gesell- schaften, wo durch Kastenvorschriften Heirathen in dem nämlichen Stande vorgeschrieben werden, tritt bisweilen kenntlich ein aristo- kratischer Typus hervor und bei den Habsburgern wie bei den Bourbonen sind in vergleichsweise kurzer Zeit physiognomische Be- sonderheiten innerhalb zweier Familien erblich geworden. Das hohe Alter und die Beharrlichkeit des Typischen in den verschiedenen Menschenarten sollen uns ferner die Racenbilder der Denkmäler am Nil bezeugen. Allerdings herrscht Einstimmigkeit bei allen Aegyptologen, dass man in den heutigen Fellahin des Nil- landes noch scharf und deutlich das Volk der Pharaonen wieder erkenne, und wenn auch stark verzerrt sind neben ihnen die Neger des Sudan in den Wandgemälden so deutlich wieder gegeben, dass jeder Verwechselung vorgebeugt ist. Bedenklich bleibt indessen, dass die altägyptischen Künstler ihre Menschen nach starren Vor- bildern naturwidrig entstellten; die Gesichter nämlich zeichneten sie stets im Profil, das Auge stets en face, und die Hände immer als zwei rechte. Staunen muss man daher über die Kühnheit der Pluralisten, welche aus den Bildnissen der Könige und Königinnen sogar die Mischung mit semitischem oder europäischem Blute bei den Pharaonen herauslesen wollten. Von der Gemahlin des Grün- ders der 17. Dynastie Amunoph I., der in das Jahr 1671 v. Chr. 1) Anfänger in der Völkerkunde möchten wir vor Missverständnissen be- züglich der „schwarzen Juden“ in Cochin warnen, die früher als Beispiel miss- braucht wurden, dass die indische Sonne die Hautfarbe zu ändern vermöge. Die schwarzen Juden sind indische Eingeborne, die von den rechten weissen Juden als Sklaven gekauft und dann nach Erfüllung der mosaischen Gebräuche in die Judengemeinde aufgenommen wurden.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/31>, abgerufen am 19.04.2024.