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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

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linge und Schuldner in der ganzen Herrschaft ist.
Dieser gewa[l][ - 2 Zeichen fehlen]ge Türk gieng neben dem Vogt gleich
gravitätisch daher; aber ich darf nicht sagen, was
mir in dem Maul ist. -- Doch ist ganz gewiß, daß
der Vogt, der entsetzlich wütend war, einmal jezt in
seinem Angesicht mit dem Hund etwas gleiches
hatte.


§. 59.
Auflösung eines Zweifels. *)

Aber daß der Vogt nach dem gestrigen Jammer
und nach dem heutigen Schrecken jezt dennoch so
stolz thut, das wundert vielleicht einen einfältigen
Frägler; ein gescheider Landmann merkets von
selbst. Der Hochmuth plagt einen nie stärker, als
wenn man im Koth steckt. So lang alles gut geht,
und Niemand in Zweifel zieht, daß man oben am
Bret ist, so thut Niemand so gar dick; aber dann,
wenn links und rechts der Schadenfroh ausstreut,
es stehe nicht wie vor altem -- dann regt sich das
Blut, schäumt und wallt auf, wie heisse Butter
im Kessel -- und das war eben der Fall des Vogts.

Also
*) In einem andern Buch würde ich den Abschnitt
überschreiben: Die Sorgfalt des Autors gegen
kunstrichterliches Bedenken.
R 5

linge und Schuldner in der ganzen Herrſchaft iſt.
Dieſer gewa[l][ – 2 Zeichen fehlen]ge Tuͤrk gieng neben dem Vogt gleich
gravitaͤtiſch daher; aber ich darf nicht ſagen, was
mir in dem Maul iſt. — Doch iſt ganz gewiß, daß
der Vogt, der entſetzlich wuͤtend war, einmal jezt in
ſeinem Angeſicht mit dem Hund etwas gleiches
hatte.


§. 59.
Aufloͤſung eines Zweifels. *)

Aber daß der Vogt nach dem geſtrigen Jammer
und nach dem heutigen Schrecken jezt dennoch ſo
ſtolz thut, das wundert vielleicht einen einfaͤltigen
Fraͤgler; ein geſcheider Landmann merkets von
ſelbſt. Der Hochmuth plagt einen nie ſtaͤrker, als
wenn man im Koth ſteckt. So lang alles gut geht,
und Niemand in Zweifel zieht, daß man oben am
Bret iſt, ſo thut Niemand ſo gar dick; aber dann,
wenn links und rechts der Schadenfroh ausſtreut,
es ſtehe nicht wie vor altem — dann regt ſich das
Blut, ſchaͤumt und wallt auf, wie heiſſe Butter
im Keſſel — und das war eben der Fall des Vogts.

Alſo
*) In einem andern Buch wuͤrde ich den Abſchnitt
uͤberſchreiben: Die Sorgfalt des Autors gegen
kunſtrichterliches Bedenken.
R 5
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[265/0290] linge und Schuldner in der ganzen Herrſchaft iſt. Dieſer gewal__ge Tuͤrk gieng neben dem Vogt gleich gravitaͤtiſch daher; aber ich darf nicht ſagen, was mir in dem Maul iſt. — Doch iſt ganz gewiß, daß der Vogt, der entſetzlich wuͤtend war, einmal jezt in ſeinem Angeſicht mit dem Hund etwas gleiches hatte. §. 59. Aufloͤſung eines Zweifels. *) Aber daß der Vogt nach dem geſtrigen Jammer und nach dem heutigen Schrecken jezt dennoch ſo ſtolz thut, das wundert vielleicht einen einfaͤltigen Fraͤgler; ein geſcheider Landmann merkets von ſelbſt. Der Hochmuth plagt einen nie ſtaͤrker, als wenn man im Koth ſteckt. So lang alles gut geht, und Niemand in Zweifel zieht, daß man oben am Bret iſt, ſo thut Niemand ſo gar dick; aber dann, wenn links und rechts der Schadenfroh ausſtreut, es ſtehe nicht wie vor altem — dann regt ſich das Blut, ſchaͤumt und wallt auf, wie heiſſe Butter im Keſſel — und das war eben der Fall des Vogts. Alſo *) In einem andern Buch wuͤrde ich den Abſchnitt uͤberſchreiben: Die Sorgfalt des Autors gegen kunſtrichterliches Bedenken. R 5

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/290>, abgerufen am 28.03.2024.