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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

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Therese, seine Gemahlinn, die im [N]ebenge-
mach noch in der Ruhe war, hörte das laute Ge-
lächter und das Oh -- Ah -- Uh -- des Hüner-
trägers, und rief:

Carl! was ist das? Komm doch herein, und
sage mir, was es ist.

Da sagte der Junker zum Hünerträger: Meine
Frau will auch hören, wie du den Teufel vorstel-
len könnest; komm herein.

Und er gieng mit dem Hünerträger ins Schlaf-
zimmer seiner Gemahlinn.

Da erzählte dieser wieder: wie er den Vogt bis
unten in's Feld verfolgt hätte -- wie seine Nachbaren
bey Dutzenden mit Spiessen und Pru[e]geln und Wind-
lichtern dem armen Vogt zu Hülf gekommen wären,
und wie er dann wieder still den Berg hinauf ge-
schlichen sey.

Therese und Carl lachten auf ihrem Bette wie
Kinder, und liessen den Hünerträger, so viel er woll-
te, von dem köstlichen Wein des Junkers, der seit
gestern noch da stuhnd, trinken. *) Hingegen ver-

bot
*) Herr Jesus! was denkst du auch, Junker? Mar-
grithe! gieb doch Dienstenwein -- würde freylich
manche Gräfinn gerufen haben. A. d. V.
Alles zu seiner Zeit; Wenn der Hünerträger
nur Hüner bringt, warum sollte man ihm vom be-
sten Wein geben? Wer soll dann den schlechtern
trinken? Aber in gewissen Fällen kann auch der
Bürger thun und soll er thun, was der Graf mit
Rechte seinen Mägden verbietet. A. d. H.

Thereſe, ſeine Gemahlinn, die im [N]ebenge-
mach noch in der Ruhe war, hoͤrte das laute Ge-
laͤchter und das Oh — Ah — Uh — des Huͤner-
traͤgers, und rief:

Carl! was iſt das? Komm doch herein, und
ſage mir, was es iſt.

Da ſagte der Junker zum Huͤnertraͤger: Meine
Frau will auch hoͤren, wie du den Teufel vorſtel-
len koͤnneſt; komm herein.

Und er gieng mit dem Huͤnertraͤger ins Schlaf-
zimmer ſeiner Gemahlinn.

Da erzaͤhlte dieſer wieder: wie er den Vogt bis
unten in’s Feld verfolgt haͤtte — wie ſeine Nachbaren
bey Dutzenden mit Spieſſen und Pru[ͤ]geln und Wind-
lichtern dem armen Vogt zu Huͤlf gekommen waͤren,
und wie er dann wieder ſtill den Berg hinauf ge-
ſchlichen ſey.

Thereſe und Carl lachten auf ihrem Bette wie
Kinder, und lieſſen den Huͤnertraͤger, ſo viel er woll-
te, von dem koͤſtlichen Wein des Junkers, der ſeit
geſtern noch da ſtuhnd, trinken. *) Hingegen ver-

bot
*) Herr Jeſus! was denkſt du auch, Junker? Mar-
grithe! gieb doch Dienſtenwein — wuͤrde freylich
manche Graͤfinn gerufen haben. A. d. V.
Alles zu ſeiner Zeit; Wenn der Huͤnertraͤger
nur Huͤner bringt, warum ſollte man ihm vom be-
ſten Wein geben? Wer ſoll dann den ſchlechtern
trinken? Aber in gewiſſen Faͤllen kann auch der
Buͤrger thun und ſoll er thun, was der Graf mit
Rechte ſeinen Maͤgden verbietet. A. d. H.
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[320/0345] Thereſe, ſeine Gemahlinn, die im Nebenge- mach noch in der Ruhe war, hoͤrte das laute Ge- laͤchter und das Oh — Ah — Uh — des Huͤner- traͤgers, und rief: Carl! was iſt das? Komm doch herein, und ſage mir, was es iſt. Da ſagte der Junker zum Huͤnertraͤger: Meine Frau will auch hoͤren, wie du den Teufel vorſtel- len koͤnneſt; komm herein. Und er gieng mit dem Huͤnertraͤger ins Schlaf- zimmer ſeiner Gemahlinn. Da erzaͤhlte dieſer wieder: wie er den Vogt bis unten in’s Feld verfolgt haͤtte — wie ſeine Nachbaren bey Dutzenden mit Spieſſen und Pruͤgeln und Wind- lichtern dem armen Vogt zu Huͤlf gekommen waͤren, und wie er dann wieder ſtill den Berg hinauf ge- ſchlichen ſey. Thereſe und Carl lachten auf ihrem Bette wie Kinder, und lieſſen den Huͤnertraͤger, ſo viel er woll- te, von dem koͤſtlichen Wein des Junkers, der ſeit geſtern noch da ſtuhnd, trinken. *) Hingegen ver- bot *) Herr Jeſus! was denkſt du auch, Junker? Mar- grithe! gieb doch Dienſtenwein — wuͤrde freylich manche Graͤfinn gerufen haben. A. d. V. Alles zu ſeiner Zeit; Wenn der Huͤnertraͤger nur Huͤner bringt, warum ſollte man ihm vom be- ſten Wein geben? Wer ſoll dann den ſchlechtern trinken? Aber in gewiſſen Faͤllen kann auch der Buͤrger thun und ſoll er thun, was der Graf mit Rechte ſeinen Maͤgden verbietet. A. d. H.

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/345>, abgerufen am 19.04.2024.