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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

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Junker. Ich will's nicht mit Worten versu-
chen, Herr Pfarrer! Mein Hünerträger muß mit
seinem Korb und mit seiner Laterne, mit seinem
Karst und mit seinem Pickel mir überflüßige Worte
sparen.

Pfarrer. Ich glaube im Ernst, dieser werde es
vortrefflich gut machen; denn es ist gewiß, wenn
man solche Vorfälle wohl zu benutzen weiß, so rich-
tet man dadurch in einem Augenblick mehr aus,
als mit allen Rednerkünsten in einem halben Jahr-
hundert.


§. 88.
Von Gespenstern, in einem andern Thon.

Indessen waren die Bauern bald alle auf dem Ge-
meindplatz -- Der gestrige Vorfall und das Ge-
rücht von den Gefangenen war die Ursache, daß sie
haufenweise herzueilten. Die erschreckliche Erschei-
nung des Teufels hatte sie innigst bewegt -- und
sie hatten von Morgens frühe an schon gerath-
schlagt, was unter diesen Umständen zu thun sey,
und sich entschlossen, es nicht mehr zu dulden,
daß der Pfarrer so ungläubig lehre und predige,
und alle Gespenster verlache. Sie riethen, sie wol-
en den Ehegaumer Hartknopf angehn, daß er da-

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Junker. Ich will’s nicht mit Worten verſu-
chen, Herr Pfarrer! Mein Huͤnertraͤger muß mit
ſeinem Korb und mit ſeiner Laterne, mit ſeinem
Karſt und mit ſeinem Pickel mir uͤberfluͤßige Worte
ſparen.

Pfarrer. Ich glaube im Ernſt, dieſer werde es
vortrefflich gut machen; denn es iſt gewiß, wenn
man ſolche Vorfaͤlle wohl zu benutzen weiß, ſo rich-
tet man dadurch in einem Augenblick mehr aus,
als mit allen Rednerkuͤnſten in einem halben Jahr-
hundert.


§. 88.
Von Geſpenſtern, in einem andern Thon.

Indeſſen waren die Bauern bald alle auf dem Ge-
meindplatz — Der geſtrige Vorfall und das Ge-
ruͤcht von den Gefangenen war die Urſache, daß ſie
haufenweiſe herzueilten. Die erſchreckliche Erſchei-
nung des Teufels hatte ſie innigſt bewegt — und
ſie hatten von Morgens fruͤhe an ſchon gerath-
ſchlagt, was unter dieſen Umſtaͤnden zu thun ſey,
und ſich entſchloſſen, es nicht mehr zu dulden,
daß der Pfarrer ſo unglaͤubig lehre und predige,
und alle Geſpenſter verlache. Sie riethen, ſie wol-
en den Ehegaumer Hartknopf angehn, daß er da-

fuͤr
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[343/0368] Junker. Ich will’s nicht mit Worten verſu- chen, Herr Pfarrer! Mein Huͤnertraͤger muß mit ſeinem Korb und mit ſeiner Laterne, mit ſeinem Karſt und mit ſeinem Pickel mir uͤberfluͤßige Worte ſparen. Pfarrer. Ich glaube im Ernſt, dieſer werde es vortrefflich gut machen; denn es iſt gewiß, wenn man ſolche Vorfaͤlle wohl zu benutzen weiß, ſo rich- tet man dadurch in einem Augenblick mehr aus, als mit allen Rednerkuͤnſten in einem halben Jahr- hundert. §. 88. Von Geſpenſtern, in einem andern Thon. Indeſſen waren die Bauern bald alle auf dem Ge- meindplatz — Der geſtrige Vorfall und das Ge- ruͤcht von den Gefangenen war die Urſache, daß ſie haufenweiſe herzueilten. Die erſchreckliche Erſchei- nung des Teufels hatte ſie innigſt bewegt — und ſie hatten von Morgens fruͤhe an ſchon gerath- ſchlagt, was unter dieſen Umſtaͤnden zu thun ſey, und ſich entſchloſſen, es nicht mehr zu dulden, daß der Pfarrer ſo unglaͤubig lehre und predige, und alle Geſpenſter verlache. Sie riethen, ſie wol- en den Ehegaumer Hartknopf angehn, daß er da- fuͤr Y 4

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/368>, abgerufen am 23.04.2024.