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Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850.

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rascher und wilder wurden, bis ihnen nach ungefähr einer halben Stunde Kraft und Stimme versagten. Ganz erschöpft traten sie ab und überließen den Schauplatz ihren Schwestern, die denselben Spectakel wiederholten. -- Dr. Rolland sagte mir, daß sie eine Liebesgeschichte vortrügen, in welcher alle Tugenden und Leidenschaften, als: Sanftmuth, Treue, Hingebung, dann Haß, Verfolgung, Verzweiflung u. s. w. ihre Rollen spielten. -- Die Musikanten standen knapp hinter den Tänzerinnen und folgten jeder ihrer Bewegungen. Der ganze Raum, den solch eine Gesellschaft braucht, mißt höchstens zehn Fuß in der Länge und acht Fuß in der Breite. Die guten Hindus vergnügen sich stundenlang an diesen geschmacklosen Wiederholungen.

Ich erinnere mich in Büchern gelesen zu haben, daß die indischen Tänzerinnen weit graziöser seien als die europäischen, daß ihre Gesänge höchst melodisch klängen und ihre Mimik zart und begeisternd, hingebend und ergreifend sei. Ich möchte wissen, ob die Verfasser ähnlicher Bücher wirklich in Indien gewesen sind?! Nicht minder übertrieben fand ich die Beschreibungen anderer, die behaupteten, daß man nichts unsittlicheres als die indischen Tänze sehen kann. Diese möchte ich wieder fragen, ob sie die Sammaquecca und Refolosa in Valparaiso, die Insulanerinnen auf Otahaiti, oder selbst unsere Tänzerinnen in fleischfarbigen Tricots gesehen haben?! --

Der Anzug des weiblichen Geschlechtes in Radschpatan und einigen Gegenden Bundelkund's ist von dem in den andern Gegenden Indiens sehr verschieden. Sie tragen lange, farbige, faltenreiche Röcke, fest anliegende Leibchen,

rascher und wilder wurden, bis ihnen nach ungefähr einer halben Stunde Kraft und Stimme versagten. Ganz erschöpft traten sie ab und überließen den Schauplatz ihren Schwestern, die denselben Spectakel wiederholten. — Dr. Rolland sagte mir, daß sie eine Liebesgeschichte vortrügen, in welcher alle Tugenden und Leidenschaften, als: Sanftmuth, Treue, Hingebung, dann Haß, Verfolgung, Verzweiflung u. s. w. ihre Rollen spielten. — Die Musikanten standen knapp hinter den Tänzerinnen und folgten jeder ihrer Bewegungen. Der ganze Raum, den solch eine Gesellschaft braucht, mißt höchstens zehn Fuß in der Länge und acht Fuß in der Breite. Die guten Hindus vergnügen sich stundenlang an diesen geschmacklosen Wiederholungen.

Ich erinnere mich in Büchern gelesen zu haben, daß die indischen Tänzerinnen weit graziöser seien als die europäischen, daß ihre Gesänge höchst melodisch klängen und ihre Mimik zart und begeisternd, hingebend und ergreifend sei. Ich möchte wissen, ob die Verfasser ähnlicher Bücher wirklich in Indien gewesen sind?! Nicht minder übertrieben fand ich die Beschreibungen anderer, die behaupteten, daß man nichts unsittlicheres als die indischen Tänze sehen kann. Diese möchte ich wieder fragen, ob sie die Sammaquecca und Refolosa in Valparaiso, die Insulanerinnen auf Otahaiti, oder selbst unsere Tänzerinnen in fleischfarbigen Tricots gesehen haben?! —

Der Anzug des weiblichen Geschlechtes in Radschpatan und einigen Gegenden Bundelkund’s ist von dem in den andern Gegenden Indiens sehr verschieden. Sie tragen lange, farbige, faltenreiche Röcke, fest anliegende Leibchen,

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[27/0035] rascher und wilder wurden, bis ihnen nach ungefähr einer halben Stunde Kraft und Stimme versagten. Ganz erschöpft traten sie ab und überließen den Schauplatz ihren Schwestern, die denselben Spectakel wiederholten. — Dr. Rolland sagte mir, daß sie eine Liebesgeschichte vortrügen, in welcher alle Tugenden und Leidenschaften, als: Sanftmuth, Treue, Hingebung, dann Haß, Verfolgung, Verzweiflung u. s. w. ihre Rollen spielten. — Die Musikanten standen knapp hinter den Tänzerinnen und folgten jeder ihrer Bewegungen. Der ganze Raum, den solch eine Gesellschaft braucht, mißt höchstens zehn Fuß in der Länge und acht Fuß in der Breite. Die guten Hindus vergnügen sich stundenlang an diesen geschmacklosen Wiederholungen. Ich erinnere mich in Büchern gelesen zu haben, daß die indischen Tänzerinnen weit graziöser seien als die europäischen, daß ihre Gesänge höchst melodisch klängen und ihre Mimik zart und begeisternd, hingebend und ergreifend sei. Ich möchte wissen, ob die Verfasser ähnlicher Bücher wirklich in Indien gewesen sind?! Nicht minder übertrieben fand ich die Beschreibungen anderer, die behaupteten, daß man nichts unsittlicheres als die indischen Tänze sehen kann. Diese möchte ich wieder fragen, ob sie die Sammaquecca und Refolosa in Valparaiso, die Insulanerinnen auf Otahaiti, oder selbst unsere Tänzerinnen in fleischfarbigen Tricots gesehen haben?! — Der Anzug des weiblichen Geschlechtes in Radschpatan und einigen Gegenden Bundelkund’s ist von dem in den andern Gegenden Indiens sehr verschieden. Sie tragen lange, farbige, faltenreiche Röcke, fest anliegende Leibchen,

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Zitationshilfe: Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850/35>, abgerufen am 23.04.2024.