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Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

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Dreyßig Fragestücke
Trennt uns ein himmlisches Geschick:
So wünsch ich beyden Glück!
Troch. Fahre hin, mit deiner Tück!
3) Probe, da lange Füße kurz, und kurze
lang gemacht, auch die Abschnitte, oder Ce-
sur übergangen wird.

Die Pudel-Köpfe finden manchen Freyer,
Denn man gedenkt, Pommade ist ja ziemlich
theuer,
Und Puder auf jeden Tag kostet leicht vier Dreyer,
Das macht wöchentlich einen halben Gulden,
Entweder macht die Jungfer Schulden,
Oder es macht jährlich ein Capital,
Nach 6 pro Cent aufs wenigste nach unsrer Zahl,
Als drey hundert Thaler, die Schuhe nicht drein
gezählt,
Noch Strümpf, Contuschen, Röcke, Wam-
ster, Hauben,
Lebt sie von Jnteressen, kann man glauben,
Daß ihr an zehn tausend kaum hundert Thaler
fehlt.

Bey dergleichen Art Versen muß man gar
nicht scandiren,
sondern, wie die Franzosen
in ihren Gedichten, sich nicht so genau ans Syl-
ben-Maaß
binden, also da wir sonst so gern
alle französische Moden nachahmen, warum
sollten wir nicht auch unsere deutsche Verse so
flüchtig weg lesen, als wir bey französischen
Reimen thun.

16. Frage.
Was hält der Herr Candidat von der poeti-
schen Regel, daß man weder in einen Vers
lauter einsylbigte Wörter, noch allzustar-

ke
Dreyßig Frageſtuͤcke
Trennt uns ein himmliſches Geſchick:
So wuͤnſch ich beyden Gluͤck!
Troch. Fahre hin, mit deiner Tuͤck!
3) Probe, da lange Fuͤße kurz, und kurze
lang gemacht, auch die Abſchnitte, oder Ce-
ſur uͤbergangen wird.

Die Pudel-Koͤpfe finden manchen Freyer,
Denn man gedenkt, Pommade iſt ja ziemlich
theuer,
Und Puder auf jeden Tag koſtet leicht vier Dreyer,
Das macht woͤchentlich einen halben Gulden,
Entweder macht die Jungfer Schulden,
Oder es macht jaͤhrlich ein Capital,
Nach 6 pro Cent aufs wenigſte nach unſrer Zahl,
Als drey hundert Thaler, die Schuhe nicht drein
gezaͤhlt,
Noch Struͤmpf, Contuſchen, Roͤcke, Wam-
ſter, Hauben,
Lebt ſie von Jntereſſen, kann man glauben,
Daß ihr an zehn tauſend kaum hundert Thaler
fehlt.

Bey dergleichen Art Verſen muß man gar
nicht ſcandiren,
ſondern, wie die Franzoſen
in ihren Gedichten, ſich nicht ſo genau ans Syl-
ben-Maaß
binden, alſo da wir ſonſt ſo gern
alle franzoͤſiſche Moden nachahmen, warum
ſollten wir nicht auch unſere deutſche Verſe ſo
fluͤchtig weg leſen, als wir bey franzoͤſiſchen
Reimen thun.

16. Frage.
Was haͤlt der Herr Candidat von der poeti-
ſchen Regel, daß man weder in einen Vers
lauter einſylbigte Woͤrter, noch allzuſtar-

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[96/0104] Dreyßig Frageſtuͤcke Trennt uns ein himmliſches Geſchick: So wuͤnſch ich beyden Gluͤck! Troch. Fahre hin, mit deiner Tuͤck! 3) Probe, da lange Fuͤße kurz, und kurze lang gemacht, auch die Abſchnitte, oder Ce- ſur uͤbergangen wird. Die Pudel-Koͤpfe finden manchen Freyer, Denn man gedenkt, Pommade iſt ja ziemlich theuer, Und Puder auf jeden Tag koſtet leicht vier Dreyer, Das macht woͤchentlich einen halben Gulden, Entweder macht die Jungfer Schulden, Oder es macht jaͤhrlich ein Capital, Nach 6 pro Cent aufs wenigſte nach unſrer Zahl, Als drey hundert Thaler, die Schuhe nicht drein gezaͤhlt, Noch Struͤmpf, Contuſchen, Roͤcke, Wam- ſter, Hauben, Lebt ſie von Jntereſſen, kann man glauben, Daß ihr an zehn tauſend kaum hundert Thaler fehlt. Bey dergleichen Art Verſen muß man gar nicht ſcandiren, ſondern, wie die Franzoſen in ihren Gedichten, ſich nicht ſo genau ans Syl- ben-Maaß binden, alſo da wir ſonſt ſo gern alle franzoͤſiſche Moden nachahmen, warum ſollten wir nicht auch unſere deutſche Verſe ſo fluͤchtig weg leſen, als wir bey franzoͤſiſchen Reimen thun. 16. Frage. Was haͤlt der Herr Candidat von der poeti- ſchen Regel, daß man weder in einen Vers lauter einſylbigte Woͤrter, noch allzuſtar- ke

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Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/104>, abgerufen am 28.03.2024.