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Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

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vom gesunden Witze, etc.
C. Ein redliches Gemüth, das allen Men-
schen wohl will, und alle Foiblessen, so der
menschlichen Natur anhangen, mitleidig an-
siehet, besitzet einen, heute zu Tage sehr ra-
ren, Geschmack.
Das andere Hundert
Practischer Maximen

vom
hohen und gemeinen Geschmacke
in allen Theilen der Weltweisheit.
CI.
So weit der erhabene Flug eines Adlers von
dem niederträchtigen Kriechen eines Ge-
würmes entfernet ist: So weit ist auch der hohe
Geschmack von dem gemeinen, oder pöbelhaf-
ten,
unterschieden.
CII. Der hohe Geschmack findet sich nicht
allezeit bey Leuten von hoher Geburt, Range
und Ansehen; dagegen giebt es manche gemeine
Leute,
die, in ihrer Art und Metier, einen für-
trefflichen und ungemeinen Geschmack besitzen.
CIII. Der Geschmack derer Hof-Leute sollte
billig durchgängig ein erhabener Geschmack
seyn, weil die wichtigsten und erhabensten Din-
ge bey Höfen getrieben werden; aber es giebt
genug Hof-Leute, die sich in ihren Sentiments
und Maximen wie Leute von der schlechtesten
Sorte
aufführen.
CIV.
O 2
vom geſunden Witze, ꝛc.
C. Ein redliches Gemuͤth, das allen Men-
ſchen wohl will, und alle Foibleſſen, ſo der
menſchlichen Natur anhangen, mitleidig an-
ſiehet, beſitzet einen, heute zu Tage ſehr ra-
ren, Geſchmack.
Das andere Hundert
Practiſcher Maximen

vom
hohen und gemeinen Geſchmacke
in allen Theilen der Weltweisheit.
CI.
So weit der erhabene Flug eines Adlers von
dem niedertraͤchtigen Kriechen eines Ge-
wuͤrmes entfernet iſt: So weit iſt auch der hohe
Geſchmack von dem gemeinen, oder poͤbelhaf-
ten,
unterſchieden.
CII. Der hohe Geſchmack findet ſich nicht
allezeit bey Leuten von hoher Geburt, Range
und Anſehen; dagegen giebt es manche gemeine
Leute,
die, in ihrer Art und Metier, einen fuͤr-
trefflichen und ungemeinen Geſchmack beſitzen.
CIII. Der Geſchmack derer Hof-Leute ſollte
billig durchgaͤngig ein erhabener Geſchmack
ſeyn, weil die wichtigſten und erhabenſten Din-
ge bey Hoͤfen getrieben werden; aber es giebt
genug Hof-Leute, die ſich in ihren Sentiments
und Maximen wie Leute von der ſchlechteſten
Sorte
auffuͤhren.
CIV.
O 2
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[211/0219] vom geſunden Witze, ꝛc. C. Ein redliches Gemuͤth, das allen Men- ſchen wohl will, und alle Foibleſſen, ſo der menſchlichen Natur anhangen, mitleidig an- ſiehet, beſitzet einen, heute zu Tage ſehr ra- ren, Geſchmack. Das andere Hundert Practiſcher Maximen vom hohen und gemeinen Geſchmacke in allen Theilen der Weltweisheit. CI. So weit der erhabene Flug eines Adlers von dem niedertraͤchtigen Kriechen eines Ge- wuͤrmes entfernet iſt: So weit iſt auch der hohe Geſchmack von dem gemeinen, oder poͤbelhaf- ten, unterſchieden. CII. Der hohe Geſchmack findet ſich nicht allezeit bey Leuten von hoher Geburt, Range und Anſehen; dagegen giebt es manche gemeine Leute, die, in ihrer Art und Metier, einen fuͤr- trefflichen und ungemeinen Geſchmack beſitzen. CIII. Der Geſchmack derer Hof-Leute ſollte billig durchgaͤngig ein erhabener Geſchmack ſeyn, weil die wichtigſten und erhabenſten Din- ge bey Hoͤfen getrieben werden; aber es giebt genug Hof-Leute, die ſich in ihren Sentiments und Maximen wie Leute von der ſchlechteſten Sorte auffuͤhren. CIV. O 2

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Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/219>, abgerufen am 29.03.2024.