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Poersch, Bruno: Woran krankt die deutsche Gewerkschaftsbewegung? Berlin, 1897.

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Saisonarbeit, wie z. B. im Baugewerbe, bereitet größere Schwierig¬
keiten; doch läßt sich hier dadurch ein Ausweg finden, indem sie
für die Zeit eingeführt wird, wo die Saison stattfindet, wie z. B.
dieses die deutschen Steinsetzer beabsichtigen.

Wo die Arbeitslosen-Unterstützung nicht durchführbar ist,
versuche man durch andere Unterstützungszweige Mitglieder
zu gewinnen und an die Organisation zu fesseln. Wächst die Mit¬
gliederzahl und die Stabilität in jenen Organisationen, wo man
die Arbeitslosen-Unterstützung durchführen kann und durchgeführt
wird, so muß dieses ganz naturgemäß auch einen Einfluß auf
jene Organisationen ausüben, die sie nicht durchführen können.
Die Macht, das Ansehen und die Bedeutung der gewerkschaft¬
lichen Vereinigung wird dann im Allgemeinen zunehmen. --
Darum Einführung der Arbeitslosen-Unterstützung und anderer
Versicherungszweige.


IV.
Der Beamtenstab der
deutschen Gewerkschafts-Organisationen
.

Auch betreffs des Beamtenwesens haben die englischen Gewerk¬
schafts-Organisationen andere Verhältnisse aufzuweisen, als die
deutschen. Sie besitzen einen größeren, besser besoldeten und
stabileren Beamtenstab. Ich will hier zunächst die Gehälter der
Zentralbeamten einiger englischen Organisationen angeben, um
die Gegensätze zu beweisen. Die Vereinigung der Maschinen¬
bauer zahlt ihren Hauptbeamten ein jährliches Gehalt von
4200 Mk., Kesselschmiede 5875 Mk., Londoner Maurer 3182 Mk.,
Schuhmacher 5100 Mk. u. s. w.

C. Hugo nennt diese Gehälter in seinem Werk "Die englische
Gewerkvereins-Bewegung" mäßig. -- Daher ist es wohl auch
erklärlich, daß die Leiter der englischen Gewerkschafts-Organisationen
den deutschen überlegen sind. -- Leute mit hervorragender In¬
telligenz und Befähigung finden heute in der politischen Arbeiter¬
bewegung oder aber in bürgerlichen Berufen eine besser dotirte
Stellung, als ihnen die gewerkschaftlichen Organisationen bieten
können. Daher werden auch der deutschen Gewerkschaftsbewegung
Kräfte entzogen, die für sie Bedeutendes leisten könnten. Nichts
ist so falsch, als jene Ansicht, welche in den Köpfen vieler deut¬
scher Arbeiter herumspukt, daß es ganz egal sei, wer an der
Spitze steht. Die Menschen sind durch Veranlagung, Erziehung und
so weiter sehr verschieden in ihrer Intelligenz, Begabung, Wissen
und Talenten, weshalb auch die Person eine Rolle mitspielt.
So schreibt z. B. Fr. Engels in "Die Lage der arbeitenden
Klasse in England", daß die Bergarbeiter-Assoziation von Gro߬
britannien und Irland in den vierziger Jahren zum großen
Theil nur deshalb in ihren juristischen und politischen Unter¬

Saiſonarbeit, wie z. B. im Baugewerbe, bereitet größere Schwierig¬
keiten; doch läßt ſich hier dadurch ein Ausweg finden, indem ſie
für die Zeit eingeführt wird, wo die Saiſon ſtattfindet, wie z. B.
dieſes die deutſchen Steinſetzer beabſichtigen.

Wo die Arbeitsloſen-Unterſtützung nicht durchführbar iſt,
verſuche man durch andere Unterſtützungszweige Mitglieder
zu gewinnen und an die Organiſation zu feſſeln. Wächſt die Mit¬
gliederzahl und die Stabilität in jenen Organiſationen, wo man
die Arbeitsloſen-Unterſtützung durchführen kann und durchgeführt
wird, ſo muß dieſes ganz naturgemäß auch einen Einfluß auf
jene Organiſationen ausüben, die ſie nicht durchführen können.
Die Macht, das Anſehen und die Bedeutung der gewerkſchaft¬
lichen Vereinigung wird dann im Allgemeinen zunehmen. —
Darum Einführung der Arbeitsloſen-Unterſtützung und anderer
Verſicherungszweige.


IV.
Der Beamtenſtab der
deutſchen Gewerkſchafts-Organiſationen
.

Auch betreffs des Beamtenweſens haben die engliſchen Gewerk¬
ſchafts-Organiſationen andere Verhältniſſe aufzuweiſen, als die
deutſchen. Sie beſitzen einen größeren, beſſer beſoldeten und
ſtabileren Beamtenſtab. Ich will hier zunächſt die Gehälter der
Zentralbeamten einiger engliſchen Organiſationen angeben, um
die Gegenſätze zu beweiſen. Die Vereinigung der Maſchinen¬
bauer zahlt ihren Hauptbeamten ein jährliches Gehalt von
4200 Mk., Keſſelſchmiede 5875 Mk., Londoner Maurer 3182 Mk.,
Schuhmacher 5100 Mk. u. ſ. w.

C. Hugo nennt dieſe Gehälter in ſeinem Werk „Die engliſche
Gewerkvereins-Bewegung“ mäßig. — Daher iſt es wohl auch
erklärlich, daß die Leiter der engliſchen Gewerkſchafts-Organiſationen
den deutſchen überlegen ſind. — Leute mit hervorragender In¬
telligenz und Befähigung finden heute in der politiſchen Arbeiter¬
bewegung oder aber in bürgerlichen Berufen eine beſſer dotirte
Stellung, als ihnen die gewerkſchaftlichen Organiſationen bieten
können. Daher werden auch der deutſchen Gewerkſchaftsbewegung
Kräfte entzogen, die für ſie Bedeutendes leiſten könnten. Nichts
iſt ſo falſch, als jene Anſicht, welche in den Köpfen vieler deut¬
ſcher Arbeiter herumſpukt, daß es ganz egal ſei, wer an der
Spitze ſteht. Die Menſchen ſind durch Veranlagung, Erziehung und
ſo weiter ſehr verſchieden in ihrer Intelligenz, Begabung, Wiſſen
und Talenten, weshalb auch die Perſon eine Rolle mitſpielt.
So ſchreibt z. B. Fr. Engels in „Die Lage der arbeitenden
Klaſſe in England“, daß die Bergarbeiter-Aſſoziation von Gro߬
britannien und Irland in den vierziger Jahren zum großen
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[26/0034] Saiſonarbeit, wie z. B. im Baugewerbe, bereitet größere Schwierig¬ keiten; doch läßt ſich hier dadurch ein Ausweg finden, indem ſie für die Zeit eingeführt wird, wo die Saiſon ſtattfindet, wie z. B. dieſes die deutſchen Steinſetzer beabſichtigen. Wo die Arbeitsloſen-Unterſtützung nicht durchführbar iſt, verſuche man durch andere Unterſtützungszweige Mitglieder zu gewinnen und an die Organiſation zu feſſeln. Wächſt die Mit¬ gliederzahl und die Stabilität in jenen Organiſationen, wo man die Arbeitsloſen-Unterſtützung durchführen kann und durchgeführt wird, ſo muß dieſes ganz naturgemäß auch einen Einfluß auf jene Organiſationen ausüben, die ſie nicht durchführen können. Die Macht, das Anſehen und die Bedeutung der gewerkſchaft¬ lichen Vereinigung wird dann im Allgemeinen zunehmen. — Darum Einführung der Arbeitsloſen-Unterſtützung und anderer Verſicherungszweige. IV. Der Beamtenſtab der deutſchen Gewerkſchafts-Organiſationen. Auch betreffs des Beamtenweſens haben die engliſchen Gewerk¬ ſchafts-Organiſationen andere Verhältniſſe aufzuweiſen, als die deutſchen. Sie beſitzen einen größeren, beſſer beſoldeten und ſtabileren Beamtenſtab. Ich will hier zunächſt die Gehälter der Zentralbeamten einiger engliſchen Organiſationen angeben, um die Gegenſätze zu beweiſen. Die Vereinigung der Maſchinen¬ bauer zahlt ihren Hauptbeamten ein jährliches Gehalt von 4200 Mk., Keſſelſchmiede 5875 Mk., Londoner Maurer 3182 Mk., Schuhmacher 5100 Mk. u. ſ. w. C. Hugo nennt dieſe Gehälter in ſeinem Werk „Die engliſche Gewerkvereins-Bewegung“ mäßig. — Daher iſt es wohl auch erklärlich, daß die Leiter der engliſchen Gewerkſchafts-Organiſationen den deutſchen überlegen ſind. — Leute mit hervorragender In¬ telligenz und Befähigung finden heute in der politiſchen Arbeiter¬ bewegung oder aber in bürgerlichen Berufen eine beſſer dotirte Stellung, als ihnen die gewerkſchaftlichen Organiſationen bieten können. Daher werden auch der deutſchen Gewerkſchaftsbewegung Kräfte entzogen, die für ſie Bedeutendes leiſten könnten. Nichts iſt ſo falſch, als jene Anſicht, welche in den Köpfen vieler deut¬ ſcher Arbeiter herumſpukt, daß es ganz egal ſei, wer an der Spitze ſteht. Die Menſchen ſind durch Veranlagung, Erziehung und ſo weiter ſehr verſchieden in ihrer Intelligenz, Begabung, Wiſſen und Talenten, weshalb auch die Perſon eine Rolle mitſpielt. So ſchreibt z. B. Fr. Engels in „Die Lage der arbeitenden Klaſſe in England“, daß die Bergarbeiter-Aſſoziation von Gro߬ britannien und Irland in den vierziger Jahren zum großen Theil nur deshalb in ihren juriſtiſchen und politiſchen Unter¬

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Zitationshilfe: Poersch, Bruno: Woran krankt die deutsche Gewerkschaftsbewegung? Berlin, 1897, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poersch_gewerkschaftsbewegung_1897/34>, abgerufen am 29.03.2024.