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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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schaffen, und dies gelingt ihnen auch in der Regel
vollkommen. Ein Fremder dient den Engländerinnen
wohl zur Unterhaltung und Spielsache, aber flößt ih-
nen dabei immer auch einige Furcht und Scheu ein.
Höchst selten werden sie ihm dasselbe Vertrauen als
einem Landsmann schenken. Für einen halben Athei-
sten oder crassen Baals-Anbeter halten sie nun schon
einmal jeden Ausländer ganz gewiß -- zuweilen
amüsirt sie daher auch das Bekehrungsgeschäft. Von
den Lond'ner Exclusiven spreche ich hier nicht -- diese
geben dasselbe Resultat, als wenn man alle Farben
zusammenreibt -- wo nemlich zuletzt gar keine mehr
übrig bleibt.



Das schöne Wetter lockte mich hinaus ins Freie.
Ich ritt den ganzen Tag umher, und sah ein Paar
merkwürdige Schlösser, Malahide und Howth Castle.
Beide haben eine seltne Eigenschaft. Sie sind näm-
lich seit 900 Jahren immer im Besitz derselben Fa-
milien geblieben, was sich, so viel ich weiß, kein ein-
ziger Wohnsitz des englischen hohen Adels rühmen
kann. Malahide ist auch noch historisch merkwürdig;
denn es gehört den Talbots, und selbst des berühm-
ten Feldherrn Rüstung, mit einem Partisanen-Stoß
in der Brust, wird noch hier aufbewahrt. Die eine
Hälfte des Schlosses ist uralt, die andere von Crom-
well zerstört, und nachher im Styl des alten wieder

ſchaffen, und dies gelingt ihnen auch in der Regel
vollkommen. Ein Fremder dient den Engländerinnen
wohl zur Unterhaltung und Spielſache, aber flößt ih-
nen dabei immer auch einige Furcht und Scheu ein.
Höchſt ſelten werden ſie ihm daſſelbe Vertrauen als
einem Landsmann ſchenken. Für einen halben Athei-
ſten oder craſſen Baals-Anbeter halten ſie nun ſchon
einmal jeden Ausländer ganz gewiß — zuweilen
amüſirt ſie daher auch das Bekehrungsgeſchäft. Von
den Lond’ner Excluſiven ſpreche ich hier nicht — dieſe
geben daſſelbe Reſultat, als wenn man alle Farben
zuſammenreibt — wo nemlich zuletzt gar keine mehr
übrig bleibt.



Das ſchöne Wetter lockte mich hinaus ins Freie.
Ich ritt den ganzen Tag umher, und ſah ein Paar
merkwürdige Schlöſſer, Malahide und Howth Caſtle.
Beide haben eine ſeltne Eigenſchaft. Sie ſind näm-
lich ſeit 900 Jahren immer im Beſitz derſelben Fa-
milien geblieben, was ſich, ſo viel ich weiß, kein ein-
ziger Wohnſitz des engliſchen hohen Adels rühmen
kann. Malahide iſt auch noch hiſtoriſch merkwürdig;
denn es gehört den Talbots, und ſelbſt des berühm-
ten Feldherrn Rüſtung, mit einem Partiſanen-Stoß
in der Bruſt, wird noch hier aufbewahrt. Die eine
Hälfte des Schloſſes iſt uralt, die andere von Crom-
well zerſtört, und nachher im Styl des alten wieder

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[160/0182] ſchaffen, und dies gelingt ihnen auch in der Regel vollkommen. Ein Fremder dient den Engländerinnen wohl zur Unterhaltung und Spielſache, aber flößt ih- nen dabei immer auch einige Furcht und Scheu ein. Höchſt ſelten werden ſie ihm daſſelbe Vertrauen als einem Landsmann ſchenken. Für einen halben Athei- ſten oder craſſen Baals-Anbeter halten ſie nun ſchon einmal jeden Ausländer ganz gewiß — zuweilen amüſirt ſie daher auch das Bekehrungsgeſchäft. Von den Lond’ner Excluſiven ſpreche ich hier nicht — dieſe geben daſſelbe Reſultat, als wenn man alle Farben zuſammenreibt — wo nemlich zuletzt gar keine mehr übrig bleibt. Den 29ſten. Das ſchöne Wetter lockte mich hinaus ins Freie. Ich ritt den ganzen Tag umher, und ſah ein Paar merkwürdige Schlöſſer, Malahide und Howth Caſtle. Beide haben eine ſeltne Eigenſchaft. Sie ſind näm- lich ſeit 900 Jahren immer im Beſitz derſelben Fa- milien geblieben, was ſich, ſo viel ich weiß, kein ein- ziger Wohnſitz des engliſchen hohen Adels rühmen kann. Malahide iſt auch noch hiſtoriſch merkwürdig; denn es gehört den Talbots, und ſelbſt des berühm- ten Feldherrn Rüſtung, mit einem Partiſanen-Stoß in der Bruſt, wird noch hier aufbewahrt. Die eine Hälfte des Schloſſes iſt uralt, die andere von Crom- well zerſtört, und nachher im Styl des alten wieder

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/182>, abgerufen am 29.03.2024.