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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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Außer den Gemälden und einigen Antiken enthält
das Schloß noch eine andre seltne Kostbarkeit, einen
Stuhl oder Thron von Stahl, den die Stadt Augs-
burg dem Kaiser Rudolph II. schenkte, die Schwe-
den unter Gustav Adolph erbeuteten, und ein
Vorfahr des Grafen Radnor in Stockholm kaufte.
Die Arbeit ist bewunderungswürdig. Wie schwinden
vor diesem Kunstwerk alle Zierlichkeiten unsrer Tage,
von Birmingham, der Berliner Eisenfabrik etc., zu
elenden Spielereien und wahrem Tand! Man glaubt
ein Werk Benvenuto Cellini's vor sich zu sehen,
und weiß nicht was man mehr bewundern soll, ob
die herrliche Ausführung und Grazie der Details,
oder die geschmackvolle und künstlerische Anordnung
des Ganzen?



Den gestrigen Tag mußte ich meinem Erbfeinde,
der Migraine, opfern; heute reiste ich in fortwäh-
rendem Regenwetter nach der Metropolis, und setze
morgen früh meinen Weg nach Frankreich fort. Die
Gegend bot wenig Anziehendes dar, desto animirter
war das Gespräch auf unsrer Imperiale und rou-
lirte, fast den ganzen Tag, über einen berühmten
Boxing Match, wobei, wie es schien, ein Jankee
den John Bull angeführt, und durch Bestechung des

Außer den Gemälden und einigen Antiken enthält
das Schloß noch eine andre ſeltne Koſtbarkeit, einen
Stuhl oder Thron von Stahl, den die Stadt Augs-
burg dem Kaiſer Rudolph II. ſchenkte, die Schwe-
den unter Guſtav Adolph erbeuteten, und ein
Vorfahr des Grafen Radnor in Stockholm kaufte.
Die Arbeit iſt bewunderungswürdig. Wie ſchwinden
vor dieſem Kunſtwerk alle Zierlichkeiten unſrer Tage,
von Birmingham, der Berliner Eiſenfabrik ꝛc., zu
elenden Spielereien und wahrem Tand! Man glaubt
ein Werk Benvenuto Cellini’s vor ſich zu ſehen,
und weiß nicht was man mehr bewundern ſoll, ob
die herrliche Ausführung und Grazie der Details,
oder die geſchmackvolle und künſtleriſche Anordnung
des Ganzen?



Den geſtrigen Tag mußte ich meinem Erbfeinde,
der Migraine, opfern; heute reiste ich in fortwäh-
rendem Regenwetter nach der Metropolis, und ſetze
morgen früh meinen Weg nach Frankreich fort. Die
Gegend bot wenig Anziehendes dar, deſto animirter
war das Geſpräch auf unſrer Imperiale und rou-
lirte, faſt den ganzen Tag, über einen berühmten
Boxing Match, wobei, wie es ſchien, ein Jankee
den John Bull angeführt, und durch Beſtechung des

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[302/0324] Außer den Gemälden und einigen Antiken enthält das Schloß noch eine andre ſeltne Koſtbarkeit, einen Stuhl oder Thron von Stahl, den die Stadt Augs- burg dem Kaiſer Rudolph II. ſchenkte, die Schwe- den unter Guſtav Adolph erbeuteten, und ein Vorfahr des Grafen Radnor in Stockholm kaufte. Die Arbeit iſt bewunderungswürdig. Wie ſchwinden vor dieſem Kunſtwerk alle Zierlichkeiten unſrer Tage, von Birmingham, der Berliner Eiſenfabrik ꝛc., zu elenden Spielereien und wahrem Tand! Man glaubt ein Werk Benvenuto Cellini’s vor ſich zu ſehen, und weiß nicht was man mehr bewundern ſoll, ob die herrliche Ausführung und Grazie der Details, oder die geſchmackvolle und künſtleriſche Anordnung des Ganzen? London den 31ſten. Den geſtrigen Tag mußte ich meinem Erbfeinde, der Migraine, opfern; heute reiste ich in fortwäh- rendem Regenwetter nach der Metropolis, und ſetze morgen früh meinen Weg nach Frankreich fort. Die Gegend bot wenig Anziehendes dar, deſto animirter war das Geſpräch auf unſrer Imperiale und rou- lirte, faſt den ganzen Tag, über einen berühmten Boxing Match, wobei, wie es ſchien, ein Jankee den John Bull angeführt, und durch Beſtechung des

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/324>, abgerufen am 29.03.2024.