Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

Um der heftigen Kälte einigermaßen zu begegnen,
die ich von jeher in Frankreich und Italien wegen
Mangels an Vorkehrungen dagegen am empfindlich-
sten fand, mußte ich heut früh alle Spalten meines
kleinen Logis mit Bourlets garniren lassen. Dann
eilte ich hinaus, den gewöhnlichen ersten Spaziergang
der Fremden, nach den Boulevards, Palais royal,
Tuilerien etc., denn ich war doch neugierig zu sehen,
was sich seit sieben Jahren dort geändert haben
möge. Auf den Boulevards fand ich Alles beim
Alten, im Palais royal hat der Herzog von Orleans,
dieser in jeder Hinsicht ausgezeichnete Prinz, ange-
fangen, die schmäligen Holzgallerieen, und andere
Winkel durch neue Steingebäude und einen eleganten
Glasgang zu ersetzen, welches, wenn alles erst ganz
fertig ist, gewiß dies Palais zu einem der ansehnlich-
sten machen wird, wie es bereits eins der eigen-
thümlichsten und auffallendsten ist, vielleicht schon der
Seltenheit wegen, einen Königlichen Prinzen dasselbe
Haus mit mehreren hundert F ... Mädchen nebst
eben so viel Krämern bewohnen, und von diesen,
wie von Spiel und Boutiken, soviel Revenuen bezie-
hen zu sehen, um mehr als seine menaus plaisirs, da-
mit decken zu können. In England würde ein Edel-
mann dergleichen sich in seinem Hause nicht als mög-
lich denken können, wäre es aber der Fall, so würde
man wenigstens gewiß dafür sorgen, es reinlicher zu
halten -- denn man muß gestehen, die Götzen Venus


Um der heftigen Kälte einigermaßen zu begegnen,
die ich von jeher in Frankreich und Italien wegen
Mangels an Vorkehrungen dagegen am empfindlich-
ſten fand, mußte ich heut früh alle Spalten meines
kleinen Logis mit Bourlets garniren laſſen. Dann
eilte ich hinaus, den gewöhnlichen erſten Spaziergang
der Fremden, nach den Boulevards, Palais royal,
Tuilerien ꝛc., denn ich war doch neugierig zu ſehen,
was ſich ſeit ſieben Jahren dort geändert haben
möge. Auf den Boulevards fand ich Alles beim
Alten, im Palais royal hat der Herzog von Orleans,
dieſer in jeder Hinſicht ausgezeichnete Prinz, ange-
fangen, die ſchmäligen Holzgallerieen, und andere
Winkel durch neue Steingebäude und einen eleganten
Glasgang zu erſetzen, welches, wenn alles erſt ganz
fertig iſt, gewiß dies Palais zu einem der anſehnlich-
ſten machen wird, wie es bereits eins der eigen-
thümlichſten und auffallendſten iſt, vielleicht ſchon der
Seltenheit wegen, einen Königlichen Prinzen daſſelbe
Haus mit mehreren hundert F … Mädchen nebſt
eben ſo viel Krämern bewohnen, und von dieſen,
wie von Spiel und Boutiken, ſoviel Revenuen bezie-
hen zu ſehen, um mehr als ſeine menûs plaisirs, da-
mit decken zu können. In England würde ein Edel-
mann dergleichen ſich in ſeinem Hauſe nicht als mög-
lich denken können, wäre es aber der Fall, ſo würde
man wenigſtens gewiß dafür ſorgen, es reinlicher zu
halten — denn man muß geſtehen, die Götzen Venus

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0350" n="328"/>
        <div n="2">
          <opener>
            <dateline> <hi rendition="#et">Den 6<hi rendition="#sup">ten.</hi></hi> </dateline>
          </opener><lb/>
          <p>Um der heftigen Kälte einigermaßen zu begegnen,<lb/>
die ich von jeher in Frankreich und Italien wegen<lb/>
Mangels an Vorkehrungen dagegen am empfindlich-<lb/>
&#x017F;ten fand, mußte ich heut früh alle Spalten meines<lb/>
kleinen Logis mit Bourlets garniren la&#x017F;&#x017F;en. Dann<lb/>
eilte ich hinaus, den gewöhnlichen er&#x017F;ten Spaziergang<lb/>
der Fremden, nach den Boulevards, <hi rendition="#aq">Palais royal,</hi><lb/>
Tuilerien &#xA75B;c., denn ich war doch neugierig zu &#x017F;ehen,<lb/>
was &#x017F;ich &#x017F;eit &#x017F;ieben Jahren dort geändert haben<lb/>
möge. Auf den Boulevards fand ich Alles beim<lb/>
Alten, im <hi rendition="#aq">Palais royal</hi> hat der Herzog von Orleans,<lb/>
die&#x017F;er in jeder Hin&#x017F;icht ausgezeichnete Prinz, ange-<lb/>
fangen, die &#x017F;chmäligen Holzgallerieen, und andere<lb/>
Winkel durch neue Steingebäude und einen eleganten<lb/>
Glasgang zu er&#x017F;etzen, welches, wenn alles er&#x017F;t ganz<lb/>
fertig i&#x017F;t, gewiß dies Palais zu einem der an&#x017F;ehnlich-<lb/>
&#x017F;ten machen wird, wie es bereits eins der eigen-<lb/>
thümlich&#x017F;ten und auffallend&#x017F;ten i&#x017F;t, vielleicht &#x017F;chon der<lb/>
Seltenheit wegen, einen Königlichen Prinzen da&#x017F;&#x017F;elbe<lb/>
Haus mit mehreren hundert F &#x2026; Mädchen neb&#x017F;t<lb/>
eben &#x017F;o viel Krämern bewohnen, und von die&#x017F;en,<lb/>
wie von Spiel und Boutiken, &#x017F;oviel Revenuen bezie-<lb/>
hen zu &#x017F;ehen, um mehr als &#x017F;eine <hi rendition="#aq">menûs plaisirs,</hi> da-<lb/>
mit decken zu können. In England würde ein Edel-<lb/>
mann dergleichen &#x017F;ich in &#x017F;einem Hau&#x017F;e nicht als mög-<lb/>
lich denken können, <choice><sic>wa&#x0307;re</sic><corr>wäre</corr></choice> es aber der Fall, &#x017F;o würde<lb/>
man wenig&#x017F;tens gewiß dafür &#x017F;orgen, es reinlicher zu<lb/>
halten &#x2014; denn man muß ge&#x017F;tehen, die Götzen Venus<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[328/0350] Den 6ten. Um der heftigen Kälte einigermaßen zu begegnen, die ich von jeher in Frankreich und Italien wegen Mangels an Vorkehrungen dagegen am empfindlich- ſten fand, mußte ich heut früh alle Spalten meines kleinen Logis mit Bourlets garniren laſſen. Dann eilte ich hinaus, den gewöhnlichen erſten Spaziergang der Fremden, nach den Boulevards, Palais royal, Tuilerien ꝛc., denn ich war doch neugierig zu ſehen, was ſich ſeit ſieben Jahren dort geändert haben möge. Auf den Boulevards fand ich Alles beim Alten, im Palais royal hat der Herzog von Orleans, dieſer in jeder Hinſicht ausgezeichnete Prinz, ange- fangen, die ſchmäligen Holzgallerieen, und andere Winkel durch neue Steingebäude und einen eleganten Glasgang zu erſetzen, welches, wenn alles erſt ganz fertig iſt, gewiß dies Palais zu einem der anſehnlich- ſten machen wird, wie es bereits eins der eigen- thümlichſten und auffallendſten iſt, vielleicht ſchon der Seltenheit wegen, einen Königlichen Prinzen daſſelbe Haus mit mehreren hundert F … Mädchen nebſt eben ſo viel Krämern bewohnen, und von dieſen, wie von Spiel und Boutiken, ſoviel Revenuen bezie- hen zu ſehen, um mehr als ſeine menûs plaisirs, da- mit decken zu können. In England würde ein Edel- mann dergleichen ſich in ſeinem Hauſe nicht als mög- lich denken können, wäre es aber der Fall, ſo würde man wenigſtens gewiß dafür ſorgen, es reinlicher zu halten — denn man muß geſtehen, die Götzen Venus

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/350
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/350>, abgerufen am 28.03.2024.