Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

einem Fähndrich auf half pay, oder gar einem rei-
chen Schneider oder Schuster so viel Ehre erwiesen
hat. Ein solches niedres Individuum ist indessen doch
wenigstens höflich, die Impertinenz mancher Vorneh-
men dagegen geht wirklich über jeden Begriff.

Ich weiß, daß in einer der größten Städte Deutsch-
lands ein liebenswürdiger Prinz des K . . . . . .
Hauses, der noch zu sehr Angloman ist, weil er die
Engländer nicht in ihrem Lande gesehen, und sie
nur nach seiner eigenen jovialen Ritterlichkeit beur-
theilt, übrigens auch ihre Pferde und Wagen mit
Recht liebt, einen englischen Viscount, der kaum
angekommen, und ihm noch nicht präsentirt worden
war, zur Jagd einladen ließ, worauf dieser erwie-
derte: er könne davon nicht profitiren, denn der
Prinz sey ihm ganz unbekannt. Es ist wahr, daß
einem Fremden in England nie eine solche Artigkeit
geboten werden würde, wo die Einladung eines Gro-
ßen zu einem einzigen Mittagsessen (denn mit
Einladungen zu Soirees und Routs etc. ist man, um
das Haus zu füllen, sehr freigebig) schon als die
ausgezeichnetste Ehrenbezeigung von ihm betrachtet
wird, die er, selbst vornehmen Fremden erzeigen zu
können glaubt, und welche immer entweder eine
schon lange dauernde Bekanntschaft, oder gewichtige
schriftliche Empfehlung voraussetzt -- eine solche Zu-
vorkommenheit aber, wenn sie einmal durch ein Wun-
der in England statt fände, so aufzunehmen, wie

einem Fähndrich auf half pay, oder gar einem rei-
chen Schneider oder Schuſter ſo viel Ehre erwieſen
hat. Ein ſolches niedres Individuum iſt indeſſen doch
wenigſtens höflich, die Impertinenz mancher Vorneh-
men dagegen geht wirklich über jeden Begriff.

Ich weiß, daß in einer der größten Städte Deutſch-
lands ein liebenswürdiger Prinz des K . . . . . .
Hauſes, der noch zu ſehr Angloman iſt, weil er die
Engländer nicht in ihrem Lande geſehen, und ſie
nur nach ſeiner eigenen jovialen Ritterlichkeit beur-
theilt, übrigens auch ihre Pferde und Wagen mit
Recht liebt, einen engliſchen Viscount, der kaum
angekommen, und ihm noch nicht präſentirt worden
war, zur Jagd einladen ließ, worauf dieſer erwie-
derte: er könne davon nicht profitiren, denn der
Prinz ſey ihm ganz unbekannt. Es iſt wahr, daß
einem Fremden in England nie eine ſolche Artigkeit
geboten werden würde, wo die Einladung eines Gro-
ßen zu einem einzigen Mittagseſſen (denn mit
Einladungen zu Soirees und Routs ꝛc. iſt man, um
das Haus zu füllen, ſehr freigebig) ſchon als die
ausgezeichnetſte Ehrenbezeigung von ihm betrachtet
wird, die er, ſelbſt vornehmen Fremden erzeigen zu
können glaubt, und welche immer entweder eine
ſchon lange dauernde Bekanntſchaft, oder gewichtige
ſchriftliche Empfehlung vorausſetzt — eine ſolche Zu-
vorkommenheit aber, wenn ſie einmal durch ein Wun-
der in England ſtatt fände, ſo aufzunehmen, wie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0158" n="118"/>
einem Fähndrich auf <hi rendition="#aq">half pay,</hi> oder gar einem rei-<lb/>
chen Schneider oder Schu&#x017F;ter &#x017F;o viel Ehre erwie&#x017F;en<lb/>
hat. Ein &#x017F;olches niedres Individuum i&#x017F;t inde&#x017F;&#x017F;en doch<lb/>
wenig&#x017F;tens höflich, die Impertinenz mancher Vorneh-<lb/>
men dagegen geht wirklich über jeden Begriff.</p><lb/>
          <p>Ich weiß, daß in einer der größten Städte Deut&#x017F;ch-<lb/>
lands ein liebenswürdiger Prinz des K . . . . . .<lb/>
Hau&#x017F;es, der noch zu &#x017F;ehr Angloman i&#x017F;t, weil er die<lb/>
Engländer nicht in ihrem Lande ge&#x017F;ehen, und &#x017F;ie<lb/>
nur nach &#x017F;einer eigenen jovialen Ritterlichkeit beur-<lb/>
theilt, übrigens auch ihre Pferde und Wagen mit<lb/>
Recht liebt, einen engli&#x017F;chen Viscount, der kaum<lb/>
angekommen, und ihm noch nicht prä&#x017F;entirt worden<lb/>
war, zur Jagd einladen ließ, worauf die&#x017F;er erwie-<lb/>
derte: er könne davon nicht profitiren, denn der<lb/>
Prinz &#x017F;ey ihm ganz unbekannt. Es i&#x017F;t wahr, daß<lb/>
einem Fremden in England nie eine &#x017F;olche Artigkeit<lb/>
geboten werden würde, wo die Einladung eines Gro-<lb/>
ßen zu einem einzigen <hi rendition="#g">Mittagse&#x017F;&#x017F;en</hi> (denn mit<lb/>
Einladungen zu Soirees und Routs &#xA75B;c. i&#x017F;t man, um<lb/>
das Haus zu füllen, &#x017F;ehr freigebig) &#x017F;chon als die<lb/>
ausgezeichnet&#x017F;te Ehrenbezeigung von ihm betrachtet<lb/>
wird, die er, &#x017F;elb&#x017F;t vornehmen Fremden erzeigen zu<lb/>
können glaubt, und welche immer entweder eine<lb/>
&#x017F;chon lange dauernde Bekannt&#x017F;chaft, oder gewichtige<lb/>
&#x017F;chriftliche Empfehlung voraus&#x017F;etzt &#x2014; eine &#x017F;olche Zu-<lb/>
vorkommenheit aber, wenn &#x017F;ie einmal durch ein Wun-<lb/>
der in England &#x017F;tatt fände, &#x017F;o aufzunehmen, wie<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[118/0158] einem Fähndrich auf half pay, oder gar einem rei- chen Schneider oder Schuſter ſo viel Ehre erwieſen hat. Ein ſolches niedres Individuum iſt indeſſen doch wenigſtens höflich, die Impertinenz mancher Vorneh- men dagegen geht wirklich über jeden Begriff. Ich weiß, daß in einer der größten Städte Deutſch- lands ein liebenswürdiger Prinz des K . . . . . . Hauſes, der noch zu ſehr Angloman iſt, weil er die Engländer nicht in ihrem Lande geſehen, und ſie nur nach ſeiner eigenen jovialen Ritterlichkeit beur- theilt, übrigens auch ihre Pferde und Wagen mit Recht liebt, einen engliſchen Viscount, der kaum angekommen, und ihm noch nicht präſentirt worden war, zur Jagd einladen ließ, worauf dieſer erwie- derte: er könne davon nicht profitiren, denn der Prinz ſey ihm ganz unbekannt. Es iſt wahr, daß einem Fremden in England nie eine ſolche Artigkeit geboten werden würde, wo die Einladung eines Gro- ßen zu einem einzigen Mittagseſſen (denn mit Einladungen zu Soirees und Routs ꝛc. iſt man, um das Haus zu füllen, ſehr freigebig) ſchon als die ausgezeichnetſte Ehrenbezeigung von ihm betrachtet wird, die er, ſelbſt vornehmen Fremden erzeigen zu können glaubt, und welche immer entweder eine ſchon lange dauernde Bekanntſchaft, oder gewichtige ſchriftliche Empfehlung vorausſetzt — eine ſolche Zu- vorkommenheit aber, wenn ſie einmal durch ein Wun- der in England ſtatt fände, ſo aufzunehmen, wie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/158
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/158>, abgerufen am 29.03.2024.