Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

ist, ihr seinen eigenen Stempel aufzudrücken. Der
große Philosoph Locke, von Gibson, erscheint als
ein magrer Stubengelehrter; daneben hängen ein schö-
ner, fetter Luther, von Holbein, der stattliche Hen-
del, von Hodson, und ein Portrait von Hugo Gro-
tius, mit einem feinen, schlauen und doch ritterlich
ehrlichen Gesicht, mehr den rüstigen Weltmann als
den Gelehrten zeigend. Das sind ungefähr die Ge-
genstände, die mich am meisten anzogen.



Heute bin ich erst recht in Oxford umbergeirrt, und
kann nicht ausdrücken, mit welchem innigen Vergnü-
gen ich in dieser gothischen Stadt, von Kloster zu
Kloster wandernd, mir die alten Zeiten aufgefrischt
habe. Unter andern gibt es eine prachtvolle Allee
von Rüstern hier, die, gleich den von dieser Prome-
nade sichtbaren Gebäuden, dem Jahre 1520 ihren
Ursprung verdankt. Von dieser Königin aller Alleen,
in der auch nicht ein Baum fehlt, und die mitten
durch eine Wiese am Wasser hinführt, sieht man von
der einen Seite eine reizende Landschaft, von der an-
dern einen Theil der Stadt mit fünf bis sechs der
schönsten gothischen Thürme, an sich schon ein herr-
licher Anblick, der aber heute noch durch einen bezo-
genen Himmel, an dem der Wind schwarze, phanta-
stische Wolken, gleich dem wilden Heere hinjagte, und

iſt, ihr ſeinen eigenen Stempel aufzudrücken. Der
große Philoſoph Locke, von Gibſon, erſcheint als
ein magrer Stubengelehrter; daneben hängen ein ſchö-
ner, fetter Luther, von Holbein, der ſtattliche Hen-
del, von Hodſon, und ein Portrait von Hugo Gro-
tius, mit einem feinen, ſchlauen und doch ritterlich
ehrlichen Geſicht, mehr den rüſtigen Weltmann als
den Gelehrten zeigend. Das ſind ungefähr die Ge-
genſtände, die mich am meiſten anzogen.



Heute bin ich erſt recht in Oxford umbergeirrt, und
kann nicht ausdrücken, mit welchem innigen Vergnü-
gen ich in dieſer gothiſchen Stadt, von Kloſter zu
Kloſter wandernd, mir die alten Zeiten aufgefriſcht
habe. Unter andern gibt es eine prachtvolle Allee
von Rüſtern hier, die, gleich den von dieſer Prome-
nade ſichtbaren Gebäuden, dem Jahre 1520 ihren
Urſprung verdankt. Von dieſer Königin aller Alleen,
in der auch nicht ein Baum fehlt, und die mitten
durch eine Wieſe am Waſſer hinführt, ſieht man von
der einen Seite eine reizende Landſchaft, von der an-
dern einen Theil der Stadt mit fünf bis ſechs der
ſchönſten gothiſchen Thürme, an ſich ſchon ein herr-
licher Anblick, der aber heute noch durch einen bezo-
genen Himmel, an dem der Wind ſchwarze, phanta-
ſtiſche Wolken, gleich dem wilden Heere hinjagte, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0332" n="286"/>
i&#x017F;t, ihr &#x017F;einen eigenen Stempel aufzudrücken. Der<lb/>
große Philo&#x017F;oph Locke, von Gib&#x017F;on, er&#x017F;cheint als<lb/>
ein magrer Stubengelehrter; daneben hängen ein &#x017F;chö-<lb/>
ner, fetter Luther, von Holbein, der &#x017F;tattliche Hen-<lb/>
del, von Hod&#x017F;on, und ein Portrait von Hugo Gro-<lb/>
tius, mit einem feinen, &#x017F;chlauen und doch ritterlich<lb/>
ehrlichen Ge&#x017F;icht, mehr den rü&#x017F;tigen Weltmann als<lb/>
den Gelehrten zeigend. Das &#x017F;ind ungefähr die Ge-<lb/>
gen&#x017F;tände, die mich am mei&#x017F;ten anzogen.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <opener>
            <dateline> <hi rendition="#et">Den 9ten.</hi> </dateline>
          </opener><lb/>
          <p>Heute bin ich er&#x017F;t recht in Oxford umbergeirrt, und<lb/>
kann nicht ausdrücken, mit welchem innigen Vergnü-<lb/>
gen ich in die&#x017F;er gothi&#x017F;chen Stadt, von Klo&#x017F;ter zu<lb/>
Klo&#x017F;ter wandernd, mir die alten Zeiten aufgefri&#x017F;cht<lb/>
habe. Unter andern gibt <hi rendition="#g">es</hi> eine prachtvolle Allee<lb/>
von Rü&#x017F;tern hier, die, gleich den von die&#x017F;er Prome-<lb/>
nade &#x017F;ichtbaren Gebäuden, dem Jahre 1520 ihren<lb/>
Ur&#x017F;prung verdankt. Von die&#x017F;er Königin aller Alleen,<lb/>
in der auch nicht <hi rendition="#g">ein</hi> Baum fehlt, und die mitten<lb/>
durch eine Wie&#x017F;e am Wa&#x017F;&#x017F;er hinführt, &#x017F;ieht man von<lb/>
der einen Seite eine reizende Land&#x017F;chaft, von der an-<lb/>
dern einen Theil der Stadt mit fünf bis &#x017F;echs der<lb/>
&#x017F;chön&#x017F;ten gothi&#x017F;chen Thürme, an &#x017F;ich &#x017F;chon ein herr-<lb/>
licher Anblick, der aber heute noch durch einen bezo-<lb/>
genen Himmel, an dem der Wind &#x017F;chwarze, phanta-<lb/>
&#x017F;ti&#x017F;che Wolken, gleich dem wilden Heere hinjagte, und<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[286/0332] iſt, ihr ſeinen eigenen Stempel aufzudrücken. Der große Philoſoph Locke, von Gibſon, erſcheint als ein magrer Stubengelehrter; daneben hängen ein ſchö- ner, fetter Luther, von Holbein, der ſtattliche Hen- del, von Hodſon, und ein Portrait von Hugo Gro- tius, mit einem feinen, ſchlauen und doch ritterlich ehrlichen Geſicht, mehr den rüſtigen Weltmann als den Gelehrten zeigend. Das ſind ungefähr die Ge- genſtände, die mich am meiſten anzogen. Den 9ten. Heute bin ich erſt recht in Oxford umbergeirrt, und kann nicht ausdrücken, mit welchem innigen Vergnü- gen ich in dieſer gothiſchen Stadt, von Kloſter zu Kloſter wandernd, mir die alten Zeiten aufgefriſcht habe. Unter andern gibt es eine prachtvolle Allee von Rüſtern hier, die, gleich den von dieſer Prome- nade ſichtbaren Gebäuden, dem Jahre 1520 ihren Urſprung verdankt. Von dieſer Königin aller Alleen, in der auch nicht ein Baum fehlt, und die mitten durch eine Wieſe am Waſſer hinführt, ſieht man von der einen Seite eine reizende Landſchaft, von der an- dern einen Theil der Stadt mit fünf bis ſechs der ſchönſten gothiſchen Thürme, an ſich ſchon ein herr- licher Anblick, der aber heute noch durch einen bezo- genen Himmel, an dem der Wind ſchwarze, phanta- ſtiſche Wolken, gleich dem wilden Heere hinjagte, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/332
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/332>, abgerufen am 28.03.2024.