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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

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ist. Da ich aber die Weiser meiner Geistesuhr auf
eine ganz andere Direktion gestellt habe, so bin ich
im Gegentheil sehr dankbar, die freundliche Sonne
täglich zu sehen, und daß sie, ohngeachtet ihrer Größe
und Herrlichkeit, nicht verschmäht, meine Stube von
Morgens an emsig zu wärmen, den Tag über freund-
liche Lichtstrahlen hineinzusenden, die alles wie mit
Gold überziehen, und Abends sogar sich die Mühe
nicht verdrießen läßt, mir armen Kranken, der wohl
eingehüllt an seinem großen Fenster sitzt, am Mee-
ressaum seltsame Wolkenbilder vorzumalen, die sie
bald mit tiefem Blau, gelbem Feuer oder Purpur
färbt, und endlich, Abschied nehmend, sich jeden
Abend in solcher Herrlichkeit zeigt, daß die Erinne-
rung noch lange nachher den düstern Schatten der
sinkenden Nacht ihren trüben und unheimlichen Ein-
druck benimmt, den sie sonst wohl der Seele des Ein-
samen und des Leidenden zu bereiten pflegen. Und
so hat denn Alles zwei Seiten. Der Thörichte kann
über Alles in Verzweiflung gerathen, der Weise aus
Allem Befriedigung und Genuß ziehen. --



Ein Brief von Dir erregt mir immer große Freude,
wie Du weißt, aber wie viel mehr noch in meiner
jetzigen Lage. Beurtheile daher, mit welchem Jubel
der heutige empfangen wurde. . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

iſt. Da ich aber die Weiſer meiner Geiſtesuhr auf
eine ganz andere Direktion geſtellt habe, ſo bin ich
im Gegentheil ſehr dankbar, die freundliche Sonne
täglich zu ſehen, und daß ſie, ohngeachtet ihrer Größe
und Herrlichkeit, nicht verſchmäht, meine Stube von
Morgens an emſig zu wärmen, den Tag über freund-
liche Lichtſtrahlen hineinzuſenden, die alles wie mit
Gold überziehen, und Abends ſogar ſich die Mühe
nicht verdrießen läßt, mir armen Kranken, der wohl
eingehüllt an ſeinem großen Fenſter ſitzt, am Mee-
resſaum ſeltſame Wolkenbilder vorzumalen, die ſie
bald mit tiefem Blau, gelbem Feuer oder Purpur
färbt, und endlich, Abſchied nehmend, ſich jeden
Abend in ſolcher Herrlichkeit zeigt, daß die Erinne-
rung noch lange nachher den düſtern Schatten der
ſinkenden Nacht ihren trüben und unheimlichen Ein-
druck benimmt, den ſie ſonſt wohl der Seele des Ein-
ſamen und des Leidenden zu bereiten pflegen. Und
ſo hat denn Alles zwei Seiten. Der Thörichte kann
über Alles in Verzweiflung gerathen, der Weiſe aus
Allem Befriedigung und Genuß ziehen. —



Ein Brief von Dir erregt mir immer große Freude,
wie Du weißt, aber wie viel mehr noch in meiner
jetzigen Lage. Beurtheile daher, mit welchem Jubel
der heutige empfangen wurde. . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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[311/0329] iſt. Da ich aber die Weiſer meiner Geiſtesuhr auf eine ganz andere Direktion geſtellt habe, ſo bin ich im Gegentheil ſehr dankbar, die freundliche Sonne täglich zu ſehen, und daß ſie, ohngeachtet ihrer Größe und Herrlichkeit, nicht verſchmäht, meine Stube von Morgens an emſig zu wärmen, den Tag über freund- liche Lichtſtrahlen hineinzuſenden, die alles wie mit Gold überziehen, und Abends ſogar ſich die Mühe nicht verdrießen läßt, mir armen Kranken, der wohl eingehüllt an ſeinem großen Fenſter ſitzt, am Mee- resſaum ſeltſame Wolkenbilder vorzumalen, die ſie bald mit tiefem Blau, gelbem Feuer oder Purpur färbt, und endlich, Abſchied nehmend, ſich jeden Abend in ſolcher Herrlichkeit zeigt, daß die Erinne- rung noch lange nachher den düſtern Schatten der ſinkenden Nacht ihren trüben und unheimlichen Ein- druck benimmt, den ſie ſonſt wohl der Seele des Ein- ſamen und des Leidenden zu bereiten pflegen. Und ſo hat denn Alles zwei Seiten. Der Thörichte kann über Alles in Verzweiflung gerathen, der Weiſe aus Allem Befriedigung und Genuß ziehen. — Den 10ten. Ein Brief von Dir erregt mir immer große Freude, wie Du weißt, aber wie viel mehr noch in meiner jetzigen Lage. Beurtheile daher, mit welchem Jubel der heutige empfangen wurde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/329>, abgerufen am 29.03.2024.