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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

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schienen. Ja ungeachtet der Gegenwart einer Gou-
vernante und eines Besuchs des H. Kemble im Zwi-
schenakt, fand kaum eine Pause in unserer Unterhal-
tung statt, der so viele Reminiscenzen aus der Hei-
math immer neues Interesse gaben.

Auch dauerte meinerseits das angenehme Ercite-
ment ohne Zweifel noch auf dem nachherigen Balle
bei der fashionablen Lady Tankarville fort, denn ich
fühlte mich weit weniger von der hölzernen Fete en-
nuyirt, als gewöhnlich. Verzeih', wenn ich Dir heute
nur diese wenigen Worte schreibe, denn eben geht
Helios auf, und ich zu Bette.



Alles ist hier in colossalen Verhältnissen, selbst mein
Schneider, dessen Werkstatt einer Manufaktur gleicht.
Man kömmt hin und fragt, umgeben von hundert
Ballen Tuch und Zeug, und eben so viel Arbeitern,
nach dem Schicksal eines bestellten Fracks. Ein Se-
kretär erscheint mit großer Förmlichkeit, und frägt
verbindlich nach dem Tage der Bestellung. Sobald
man ihn angegeben, werden auf einen Wink des Ge-
schäftsmannes zwei Folianten herbeigebracht, in de-
nen er eine kurze Zeit studiert. Mein Herr, ist end-
lich die Antwort, morgen um 11 Uhr 20 Minuten
wird Ihr Frack so weit fertig seyn, um ihn im An-
kleidezimmer anprobiren zu können. Dieser Zimmer

ſchienen. Ja ungeachtet der Gegenwart einer Gou-
vernante und eines Beſuchs des H. Kemble im Zwi-
ſchenakt, fand kaum eine Pauſe in unſerer Unterhal-
tung ſtatt, der ſo viele Reminiscenzen aus der Hei-
math immer neues Intereſſe gaben.

Auch dauerte meinerſeits das angenehme Ercite-
ment ohne Zweifel noch auf dem nachherigen Balle
bei der faſhionablen Lady Tankarville fort, denn ich
fühlte mich weit weniger von der hölzernen Fete en-
nuyirt, als gewöhnlich. Verzeih’, wenn ich Dir heute
nur dieſe wenigen Worte ſchreibe, denn eben geht
Helios auf, und ich zu Bette.



Alles iſt hier in coloſſalen Verhältniſſen, ſelbſt mein
Schneider, deſſen Werkſtatt einer Manufaktur gleicht.
Man kömmt hin und fragt, umgeben von hundert
Ballen Tuch und Zeug, und eben ſo viel Arbeitern,
nach dem Schickſal eines beſtellten Fracks. Ein Se-
kretär erſcheint mit großer Förmlichkeit, und frägt
verbindlich nach dem Tage der Beſtellung. Sobald
man ihn angegeben, werden auf einen Wink des Ge-
ſchäftsmannes zwei Folianten herbeigebracht, in de-
nen er eine kurze Zeit ſtudiert. Mein Herr, iſt end-
lich die Antwort, morgen um 11 Uhr 20 Minuten
wird Ihr Frack ſo weit fertig ſeyn, um ihn im An-
kleidezimmer anprobiren zu können. Dieſer Zimmer

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[356/0376] ſchienen. Ja ungeachtet der Gegenwart einer Gou- vernante und eines Beſuchs des H. Kemble im Zwi- ſchenakt, fand kaum eine Pauſe in unſerer Unterhal- tung ſtatt, der ſo viele Reminiscenzen aus der Hei- math immer neues Intereſſe gaben. Auch dauerte meinerſeits das angenehme Ercite- ment ohne Zweifel noch auf dem nachherigen Balle bei der faſhionablen Lady Tankarville fort, denn ich fühlte mich weit weniger von der hölzernen Fete en- nuyirt, als gewöhnlich. Verzeih’, wenn ich Dir heute nur dieſe wenigen Worte ſchreibe, denn eben geht Helios auf, und ich zu Bette. Den 30ſten. Alles iſt hier in coloſſalen Verhältniſſen, ſelbſt mein Schneider, deſſen Werkſtatt einer Manufaktur gleicht. Man kömmt hin und fragt, umgeben von hundert Ballen Tuch und Zeug, und eben ſo viel Arbeitern, nach dem Schickſal eines beſtellten Fracks. Ein Se- kretär erſcheint mit großer Förmlichkeit, und frägt verbindlich nach dem Tage der Beſtellung. Sobald man ihn angegeben, werden auf einen Wink des Ge- ſchäftsmannes zwei Folianten herbeigebracht, in de- nen er eine kurze Zeit ſtudiert. Mein Herr, iſt end- lich die Antwort, morgen um 11 Uhr 20 Minuten wird Ihr Frack ſo weit fertig ſeyn, um ihn im An- kleidezimmer anprobiren zu können. Dieſer Zimmer

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/376>, abgerufen am 28.03.2024.