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Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.

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Auf diese Art wird er also das Gute, so er von einem und dem andern höret, nachahmen, und sich zu Nutze machen können. Noch leichter wird ihm dieses werden, wenn er zugleich von dem Claviere und der Violine etwas versteht: weil doch selten eine Musik ohne die gedachten Instrumente aufgeführet wird.

21. §.

Von guten musikalischen Stücken sammle sich ein Anfänger so viel, als er nur immer haben kann, und nehme sie zu seiner täglichen Uebung vor: so wird sich auch dadurch sein Geschmack, nach und nach, auf eine gute Art bilden; und er wird das Böse vom Guten unterscheiden lernen. Wie jedes Stück, wenn es gut seyn soll, beschaffen seyn müsse, davon wird man im XVIII. Hauptstücke dieser Anweisung die nöthigsten Nachrichten finden. Ein Anfänger thut wohl, wenn er lauter Stücke zu seiner Uebung erwählet, die dem Instrumente gemäß, und von solchen Meistern verfertiget worden sind, deren Verdienste man an mehr als einem Orte kennet. Er darf sich nicht daran kehren, ob ein Stück ganz neu, oder schon etwas alt ist. Es sey ihm genug, wenn es nur gut ist. Denn nicht alles, was neu ist, ist deswegen auch zugleich schön. Er hüte sich vornehmlich für den Stücken der selbst gewachsenen Componisten, welche die Setzkunst weder durch mündliche, noch durch schriftliche Anweisung erlernet haben: denn darinne kann weder ein Zusammenhang der Melodie, noch richtige Harmonie anzutreffen seyn. Die meisten laufen auf einen Mischmasch von entlehnten und zusammen gestickten Gedanken hinaus. Viele von diesen selbst gewachsenen Componisten machen nur die Oberstimme selbst, die übrigen lassen sie sich von andern dazu setzen. Es ist demnach leicht zu erachten, daß weder eine ordentliche Verbindung der Gedanken, noch eine ordentliche Modulation beobachtet worden sey; und daß folglich die übrigen Stimmen, an vielen Orten, haben hinein gezwungen werden müssen. Auch den Stücken der neuangehenden Componisten ist in diesem Punkte nicht allzuviel zu trauen. Hat aber einer die Setzkunst ordentlich, und zwar von einem solchen, der die Fähigkeit hat andere zu unterweisen, erlernet, und versteht vierstimmig rein zu setzen, so kann man zu seinen Arbeiten ein besseres Vertrauen fassen.

22. §.

Ein Anfänger muß sich besonders befleißigen, daß er alles was er spielet, es mögen geschwinde Paßagien im Allegro, oder Manieren im Adagio, oder noch andere Noten seyn, deutlich, und rund spielen lerne.

Auf diese Art wird er also das Gute, so er von einem und dem andern höret, nachahmen, und sich zu Nutze machen können. Noch leichter wird ihm dieses werden, wenn er zugleich von dem Claviere und der Violine etwas versteht: weil doch selten eine Musik ohne die gedachten Instrumente aufgeführet wird.

21. §.

Von guten musikalischen Stücken sammle sich ein Anfänger so viel, als er nur immer haben kann, und nehme sie zu seiner täglichen Uebung vor: so wird sich auch dadurch sein Geschmack, nach und nach, auf eine gute Art bilden; und er wird das Böse vom Guten unterscheiden lernen. Wie jedes Stück, wenn es gut seyn soll, beschaffen seyn müsse, davon wird man im XVIII. Hauptstücke dieser Anweisung die nöthigsten Nachrichten finden. Ein Anfänger thut wohl, wenn er lauter Stücke zu seiner Uebung erwählet, die dem Instrumente gemäß, und von solchen Meistern verfertiget worden sind, deren Verdienste man an mehr als einem Orte kennet. Er darf sich nicht daran kehren, ob ein Stück ganz neu, oder schon etwas alt ist. Es sey ihm genug, wenn es nur gut ist. Denn nicht alles, was neu ist, ist deswegen auch zugleich schön. Er hüte sich vornehmlich für den Stücken der selbst gewachsenen Componisten, welche die Setzkunst weder durch mündliche, noch durch schriftliche Anweisung erlernet haben: denn darinne kann weder ein Zusammenhang der Melodie, noch richtige Harmonie anzutreffen seyn. Die meisten laufen auf einen Mischmasch von entlehnten und zusammen gestickten Gedanken hinaus. Viele von diesen selbst gewachsenen Componisten machen nur die Oberstimme selbst, die übrigen lassen sie sich von andern dazu setzen. Es ist demnach leicht zu erachten, daß weder eine ordentliche Verbindung der Gedanken, noch eine ordentliche Modulation beobachtet worden sey; und daß folglich die übrigen Stimmen, an vielen Orten, haben hinein gezwungen werden müssen. Auch den Stücken der neuangehenden Componisten ist in diesem Punkte nicht allzuviel zu trauen. Hat aber einer die Setzkunst ordentlich, und zwar von einem solchen, der die Fähigkeit hat andere zu unterweisen, erlernet, und versteht vierstimmig rein zu setzen, so kann man zu seinen Arbeiten ein besseres Vertrauen fassen.

22. §.

Ein Anfänger muß sich besonders befleißigen, daß er alles was er spielet, es mögen geschwinde Paßagien im Allegro, oder Manieren im Adagio, oder noch andere Noten seyn, deutlich, und rund spielen lerne.

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[98/0112] Auf diese Art wird er also das Gute, so er von einem und dem andern höret, nachahmen, und sich zu Nutze machen können. Noch leichter wird ihm dieses werden, wenn er zugleich von dem Claviere und der Violine etwas versteht: weil doch selten eine Musik ohne die gedachten Instrumente aufgeführet wird. 21. §. Von guten musikalischen Stücken sammle sich ein Anfänger so viel, als er nur immer haben kann, und nehme sie zu seiner täglichen Uebung vor: so wird sich auch dadurch sein Geschmack, nach und nach, auf eine gute Art bilden; und er wird das Böse vom Guten unterscheiden lernen. Wie jedes Stück, wenn es gut seyn soll, beschaffen seyn müsse, davon wird man im XVIII. Hauptstücke dieser Anweisung die nöthigsten Nachrichten finden. Ein Anfänger thut wohl, wenn er lauter Stücke zu seiner Uebung erwählet, die dem Instrumente gemäß, und von solchen Meistern verfertiget worden sind, deren Verdienste man an mehr als einem Orte kennet. Er darf sich nicht daran kehren, ob ein Stück ganz neu, oder schon etwas alt ist. Es sey ihm genug, wenn es nur gut ist. Denn nicht alles, was neu ist, ist deswegen auch zugleich schön. Er hüte sich vornehmlich für den Stücken der selbst gewachsenen Componisten, welche die Setzkunst weder durch mündliche, noch durch schriftliche Anweisung erlernet haben: denn darinne kann weder ein Zusammenhang der Melodie, noch richtige Harmonie anzutreffen seyn. Die meisten laufen auf einen Mischmasch von entlehnten und zusammen gestickten Gedanken hinaus. Viele von diesen selbst gewachsenen Componisten machen nur die Oberstimme selbst, die übrigen lassen sie sich von andern dazu setzen. Es ist demnach leicht zu erachten, daß weder eine ordentliche Verbindung der Gedanken, noch eine ordentliche Modulation beobachtet worden sey; und daß folglich die übrigen Stimmen, an vielen Orten, haben hinein gezwungen werden müssen. Auch den Stücken der neuangehenden Componisten ist in diesem Punkte nicht allzuviel zu trauen. Hat aber einer die Setzkunst ordentlich, und zwar von einem solchen, der die Fähigkeit hat andere zu unterweisen, erlernet, und versteht vierstimmig rein zu setzen, so kann man zu seinen Arbeiten ein besseres Vertrauen fassen. 22. §. Ein Anfänger muß sich besonders befleißigen, daß er alles was er spielet, es mögen geschwinde Paßagien im Allegro, oder Manieren im Adagio, oder noch andere Noten seyn, deutlich, und rund spielen lerne.

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Zitationshilfe: Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuchws_1752/112>, abgerufen am 19.04.2024.