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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

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Ton, der gar nicht zu dem seines Lehrers paßte.
"Mamsell Selinde, Göttin, Amalthea, Sie hat wieder
den Schlüssel zur Speisekammer. Ja, diese verdammten
Englischen! sie haben immer das Horn des Ueberflusses
mit sich. Jeses, nun seh' Einer, was Mademoisells
Kriegsfortuna ihr in die Schwanenhände gelegt hat --
Vivat Ferdinand, jetzt halten wir schon eine Belage¬
rung aus!"

Man konnte nicht sagen, daß es ein zauberisches Lächeln
war, was nun zum erstenmal an diesem wilden Tage
das Gesicht der Schönsten von Kloster Amelungsborn
verklärte; aber lächeln that sie und wies ein beneidens¬
werth gesundes Gebiß dabei von einem Ohre zum andern
über ihren Schätzen.

A flitch of bacon -- ein gut Stück wenigstens von
einer west- oder ostfälischen Speckseite! Deutsche Bauern¬
wurst, deutsches Bauernbrod! Der unbehosete Tartan¬
träger, der wackere Alliirte aus dem hohen Norden hatte
es gerade so gut wie der arme Teufel vom Golfe du
lion
verstanden, auf seinem Marsche zum Ith unter¬
wegens zuzugreifen; und Keiner aus der kleinen hungri¬
gen Flüchtlingsschaar in der Ithhöhle nahm ihm das
in diesem Moment, unter "sothanen Umständen", wie
Magister Buchius sich doch entschuldigte, übel. "Son¬
dern im Gegentheil!" sprach Thedel von Münchhausen
sozusagen mit einer gewissen Andacht.

Von den drei Feldflaschen, die auf der Gefechts¬
stelle bei Scharfoldendorf den todten Kriegsleuten von

Ton, der gar nicht zu dem ſeines Lehrers paßte.
„Mamſell Selinde, Göttin, Amalthea, Sie hat wieder
den Schlüſſel zur Speiſekammer. Ja, dieſe verdammten
Engliſchen! ſie haben immer das Horn des Ueberfluſſes
mit ſich. Jeſes, nun ſeh' Einer, was Mademoiſells
Kriegsfortuna ihr in die Schwanenhände gelegt hat —
Vivat Ferdinand, jetzt halten wir ſchon eine Belage¬
rung aus!“

Man konnte nicht ſagen, daß es ein zauberiſches Lächeln
war, was nun zum erſtenmal an dieſem wilden Tage
das Geſicht der Schönſten von Kloſter Amelungsborn
verklärte; aber lächeln that ſie und wies ein beneidens¬
werth geſundes Gebiß dabei von einem Ohre zum andern
über ihren Schätzen.

A flitch of bacon — ein gut Stück wenigſtens von
einer weſt- oder oſtfäliſchen Speckſeite! Deutſche Bauern¬
wurſt, deutſches Bauernbrod! Der unbehoſete Tartan¬
träger, der wackere Alliirte aus dem hohen Norden hatte
es gerade ſo gut wie der arme Teufel vom Golfe du
lion
verſtanden, auf ſeinem Marſche zum Ith unter¬
wegens zuzugreifen; und Keiner aus der kleinen hungri¬
gen Flüchtlingsſchaar in der Ithhöhle nahm ihm das
in dieſem Moment, unter „ſothanen Umſtänden“, wie
Magiſter Buchius ſich doch entſchuldigte, übel. „Son¬
dern im Gegentheil!“ ſprach Thedel von Münchhauſen
ſozuſagen mit einer gewiſſen Andacht.

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[207/0215] Ton, der gar nicht zu dem ſeines Lehrers paßte. „Mamſell Selinde, Göttin, Amalthea, Sie hat wieder den Schlüſſel zur Speiſekammer. Ja, dieſe verdammten Engliſchen! ſie haben immer das Horn des Ueberfluſſes mit ſich. Jeſes, nun ſeh' Einer, was Mademoiſells Kriegsfortuna ihr in die Schwanenhände gelegt hat — Vivat Ferdinand, jetzt halten wir ſchon eine Belage¬ rung aus!“ Man konnte nicht ſagen, daß es ein zauberiſches Lächeln war, was nun zum erſtenmal an dieſem wilden Tage das Geſicht der Schönſten von Kloſter Amelungsborn verklärte; aber lächeln that ſie und wies ein beneidens¬ werth geſundes Gebiß dabei von einem Ohre zum andern über ihren Schätzen. A flitch of bacon — ein gut Stück wenigſtens von einer weſt- oder oſtfäliſchen Speckſeite! Deutſche Bauern¬ wurſt, deutſches Bauernbrod! Der unbehoſete Tartan¬ träger, der wackere Alliirte aus dem hohen Norden hatte es gerade ſo gut wie der arme Teufel vom Golfe du lion verſtanden, auf ſeinem Marſche zum Ith unter¬ wegens zuzugreifen; und Keiner aus der kleinen hungri¬ gen Flüchtlingsſchaar in der Ithhöhle nahm ihm das in dieſem Moment, unter „ſothanen Umſtänden“, wie Magiſter Buchius ſich doch entſchuldigte, übel. „Son¬ dern im Gegentheil!“ ſprach Thedel von Münchhauſen ſozuſagen mit einer gewiſſen Andacht. Von den drei Feldflaſchen, die auf der Gefechts¬ ſtelle bei Scharfoldendorf den todten Kriegsleuten von

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/215>, abgerufen am 25.04.2024.