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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.

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ebenfalls in das Dintenfaß zu schauen, um den Grund
der Zögerung zu erfahren. Endlich aber ist Elise mit
ihren Vorbereitungen fertig und schreibt:

Lieber Gustav!

"Dein Brief ist glücklich angekommen. Flämm-
"chen hat ihn gebracht. Die alte Martha hat einen
"nassen Waschlappen im Fenster liegen; sie will Dich
"tüchtig waschen, wenn Du kommst. Den Onkel
"kann ich nicht festbinden, er rennt heute immer in
"der Stube auf und ab und sitzt keinen Augenblick
"still. Du sollst erst Dein Exercitium fertig machen
"und es mit bringen, eher soll ich nicht kommen!
"Mach' schnell!!! Meine Tasche bringe ich mit!" --

Elise.

Auch diese Botschaft wird dem Flämmchen umge-
hängt -- die Praxis hat es gelehrig gemacht; zwitschernd
schüttelt es das Köpfchen, als wolle es sagen, nun[ ]ist's
aber genug, jetzt komme ich nicht wieder, und -- ver-
schwunden ist's. Elise sitzt wartend vor ihrem Nähtisch-
chen unter der Epheulaube, ich vertiefe mich wieder in
meine Bücher, aber keine halbe Stunde vergeht, da er-
tönt unterm Fenster ein heller Pfiff, und Elise springt
auf und schaut hinaus.

"Da ist er schon!" ruft sie halb zurück mir zu. --

"Komm herauf Gustav!" -- ruft sie herunter.

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ebenfalls in das Dintenfaß zu ſchauen, um den Grund
der Zögerung zu erfahren. Endlich aber iſt Eliſe mit
ihren Vorbereitungen fertig und ſchreibt:

Lieber Guſtav!

„Dein Brief iſt glücklich angekommen. Flämm-
„chen hat ihn gebracht. Die alte Martha hat einen
„naſſen Waſchlappen im Fenſter liegen; ſie will Dich
„tüchtig waſchen, wenn Du kommſt. Den Onkel
„kann ich nicht feſtbinden, er rennt heute immer in
„der Stube auf und ab und ſitzt keinen Augenblick
„ſtill. Du ſollſt erſt Dein Exercitium fertig machen
„und es mit bringen, eher ſoll ich nicht kommen!
„Mach’ ſchnell!!! Meine Taſche bringe ich mit!“ —

Eliſe.

Auch dieſe Botſchaft wird dem Flämmchen umge-
hängt — die Praxis hat es gelehrig gemacht; zwitſchernd
ſchüttelt es das Köpfchen, als wolle es ſagen, nun[ ]iſt’s
aber genug, jetzt komme ich nicht wieder, und — ver-
ſchwunden iſt’s. Eliſe ſitzt wartend vor ihrem Nähtiſch-
chen unter der Epheulaube, ich vertiefe mich wieder in
meine Bücher, aber keine halbe Stunde vergeht, da er-
tönt unterm Fenſter ein heller Pfiff, und Eliſe ſpringt
auf und ſchaut hinaus.

„Da iſt er ſchon!“ ruft ſie halb zurück mir zu. —

„Komm herauf Guſtav!“ — ruft ſie herunter.

11*
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[163/0173] ebenfalls in das Dintenfaß zu ſchauen, um den Grund der Zögerung zu erfahren. Endlich aber iſt Eliſe mit ihren Vorbereitungen fertig und ſchreibt: Lieber Guſtav! „Dein Brief iſt glücklich angekommen. Flämm- „chen hat ihn gebracht. Die alte Martha hat einen „naſſen Waſchlappen im Fenſter liegen; ſie will Dich „tüchtig waſchen, wenn Du kommſt. Den Onkel „kann ich nicht feſtbinden, er rennt heute immer in „der Stube auf und ab und ſitzt keinen Augenblick „ſtill. Du ſollſt erſt Dein Exercitium fertig machen „und es mit bringen, eher ſoll ich nicht kommen! „Mach’ ſchnell!!! Meine Taſche bringe ich mit!“ — Eliſe. Auch dieſe Botſchaft wird dem Flämmchen umge- hängt — die Praxis hat es gelehrig gemacht; zwitſchernd ſchüttelt es das Köpfchen, als wolle es ſagen, nun iſt’s aber genug, jetzt komme ich nicht wieder, und — ver- ſchwunden iſt’s. Eliſe ſitzt wartend vor ihrem Nähtiſch- chen unter der Epheulaube, ich vertiefe mich wieder in meine Bücher, aber keine halbe Stunde vergeht, da er- tönt unterm Fenſter ein heller Pfiff, und Eliſe ſpringt auf und ſchaut hinaus. „Da iſt er ſchon!“ ruft ſie halb zurück mir zu. — „Komm herauf Guſtav!“ — ruft ſie herunter. 11*

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/173>, abgerufen am 23.04.2024.