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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.

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können, jubelte mit, bis ihm die Augen zufielen und er
auf meinem Sopha ein- und weiter schlief bis elf Uhr,
wo das Fest endete, die kleinen Gäste wieder in ihre
Mäntel krochen, mich für einen "gottvollen alten Herrn"
erklärten, Röschen küßten und nach einem vielstimmigen
"gute Nacht" die Treppe herabtrippelten. Darauf trug
Strobel den schlafenden Alfred eine Treppe höher (wozu
ich leuchtete) und -- auch dieser Weihnachtsabend der
Sperlingsgasse war vorbei. --



Neujahrstag! -- Ich habe einen Brief bekommen
aus dem fernen Italien; ein köstliches Neujahrsgeschenk.
Er spricht von der alten dunkeln Sperlingsgasse und
Glück und Wiedersehen, und eine Frauenhand hat diese
feinen, zierlichen Buchstaben gekritzelt. Den Namen der
Schreiberin nenne ich aber noch nicht, sondern fahre
in meinem Gedenkbuch fort, wozu ich diesmal eine neue
Mappe hervorsuchen muß. --

So war ich denn allein mit der kleinen Elise, die
unbewußt ihres Waisenthums und des unbehülflichen

können, jubelte mit, bis ihm die Augen zufielen und er
auf meinem Sopha ein- und weiter ſchlief bis elf Uhr,
wo das Feſt endete, die kleinen Gäſte wieder in ihre
Mäntel krochen, mich für einen „gottvollen alten Herrn“
erklärten, Röschen küßten und nach einem vielſtimmigen
„gute Nacht“ die Treppe herabtrippelten. Darauf trug
Strobel den ſchlafenden Alfred eine Treppe höher (wozu
ich leuchtete) und — auch dieſer Weihnachtsabend der
Sperlingsgaſſe war vorbei. —



Neujahrstag! — Ich habe einen Brief bekommen
aus dem fernen Italien; ein köſtliches Neujahrsgeſchenk.
Er ſpricht von der alten dunkeln Sperlingsgaſſe und
Glück und Wiederſehen, und eine Frauenhand hat dieſe
feinen, zierlichen Buchſtaben gekritzelt. Den Namen der
Schreiberin nenne ich aber noch nicht, ſondern fahre
in meinem Gedenkbuch fort, wozu ich diesmal eine neue
Mappe hervorſuchen muß. —

So war ich denn allein mit der kleinen Eliſe, die
unbewußt ihres Waiſenthums und des unbehülflichen

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[71/0081] können, jubelte mit, bis ihm die Augen zufielen und er auf meinem Sopha ein- und weiter ſchlief bis elf Uhr, wo das Feſt endete, die kleinen Gäſte wieder in ihre Mäntel krochen, mich für einen „gottvollen alten Herrn“ erklärten, Röschen küßten und nach einem vielſtimmigen „gute Nacht“ die Treppe herabtrippelten. Darauf trug Strobel den ſchlafenden Alfred eine Treppe höher (wozu ich leuchtete) und — auch dieſer Weihnachtsabend der Sperlingsgaſſe war vorbei. — Am 1. Januar. — Neujahrstag! — Ich habe einen Brief bekommen aus dem fernen Italien; ein köſtliches Neujahrsgeſchenk. Er ſpricht von der alten dunkeln Sperlingsgaſſe und Glück und Wiederſehen, und eine Frauenhand hat dieſe feinen, zierlichen Buchſtaben gekritzelt. Den Namen der Schreiberin nenne ich aber noch nicht, ſondern fahre in meinem Gedenkbuch fort, wozu ich diesmal eine neue Mappe hervorſuchen muß. — So war ich denn allein mit der kleinen Eliſe, die unbewußt ihres Waiſenthums und des unbehülflichen

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/81>, abgerufen am 24.04.2024.