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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.

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nicht zum Instrumente würde, um liebliche Töne für das Herz daraus zu ziehen! Das Gefühl der Wesenvereinigung duftet uns entgegen aus jeder Blume, die das liebende Mädchen an seinen Busen steckt; es leuchtet uns entgegen aus jeder Nadel die sein Gewand heftet, oder den Bau seiner Locken fesselt!

Dreyzehntes Kapitel.

Geschwätzigkeit der Liebe.

Aber wovon reden sie denn, diese Liebenden: was haben sie sich so unaufhörlich zu sagen? Daß sie sich lieben, davon reden sie: daß sie sich lieben, das haben sie sich unaufhörlich zu sagen!

Sonderbar! Die Süßigkeit dieser Rede nimmt nie ab. Wir haben sie unzählige Mahl gehört, sie ist uns unter den feyerlichsten Betheuerungen wiederholt worden; - und dennoch bleibt unersättlich das Bedürfniß, zu fragen: liebst du mich auch? unermüdet die Geduld, zu antworten: ja, ich liebe dich! Mitten im Taumel der Liebe, mitten in ihren höchsten Entzückungen spricht unaufgefordert der Liebende: ach! wie ich dich liebe!

Aber wenn sie auch das Wort nicht sagen, so reproduciert sich doch das Geständniß und die Ueberzeugung ihrer innigsten Verwebung unter unzähligen Gestalten. Wer macht sich im ruhigen Zustande einen Begriff von der unerschöpflichen Erfindsamkeit der Liebe in dieser Sprache der Herzen! Wer von dem Reichthum der Wendungen, womit sie ein einziges, allein herrschendes Gefühl

nicht zum Instrumente würde, um liebliche Töne für das Herz daraus zu ziehen! Das Gefühl der Wesenvereinigung duftet uns entgegen aus jeder Blume, die das liebende Mädchen an seinen Busen steckt; es leuchtet uns entgegen aus jeder Nadel die sein Gewand heftet, oder den Bau seiner Locken fesselt!

Dreyzehntes Kapitel.

Geschwätzigkeit der Liebe.

Aber wovon reden sie denn, diese Liebenden: was haben sie sich so unaufhörlich zu sagen? Daß sie sich lieben, davon reden sie: daß sie sich lieben, das haben sie sich unaufhörlich zu sagen!

Sonderbar! Die Süßigkeit dieser Rede nimmt nie ab. Wir haben sie unzählige Mahl gehört, sie ist uns unter den feyerlichsten Betheuerungen wiederholt worden; – und dennoch bleibt unersättlich das Bedürfniß, zu fragen: liebst du mich auch? unermüdet die Geduld, zu antworten: ja, ich liebe dich! Mitten im Taumel der Liebe, mitten in ihren höchsten Entzückungen spricht unaufgefordert der Liebende: ach! wie ich dich liebe!

Aber wenn sie auch das Wort nicht sagen, so reproduciert sich doch das Geständniß und die Ueberzeugung ihrer innigsten Verwebung unter unzähligen Gestalten. Wer macht sich im ruhigen Zustande einen Begriff von der unerschöpflichen Erfindsamkeit der Liebe in dieser Sprache der Herzen! Wer von dem Reichthum der Wendungen, womit sie ein einziges, allein herrschendes Gefühl

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[301/0301] nicht zum Instrumente würde, um liebliche Töne für das Herz daraus zu ziehen! Das Gefühl der Wesenvereinigung duftet uns entgegen aus jeder Blume, die das liebende Mädchen an seinen Busen steckt; es leuchtet uns entgegen aus jeder Nadel die sein Gewand heftet, oder den Bau seiner Locken fesselt! Dreyzehntes Kapitel. Geschwätzigkeit der Liebe. Aber wovon reden sie denn, diese Liebenden: was haben sie sich so unaufhörlich zu sagen? Daß sie sich lieben, davon reden sie: daß sie sich lieben, das haben sie sich unaufhörlich zu sagen! Sonderbar! Die Süßigkeit dieser Rede nimmt nie ab. Wir haben sie unzählige Mahl gehört, sie ist uns unter den feyerlichsten Betheuerungen wiederholt worden; – und dennoch bleibt unersättlich das Bedürfniß, zu fragen: liebst du mich auch? unermüdet die Geduld, zu antworten: ja, ich liebe dich! Mitten im Taumel der Liebe, mitten in ihren höchsten Entzückungen spricht unaufgefordert der Liebende: ach! wie ich dich liebe! Aber wenn sie auch das Wort nicht sagen, so reproduciert sich doch das Geständniß und die Ueberzeugung ihrer innigsten Verwebung unter unzähligen Gestalten. Wer macht sich im ruhigen Zustande einen Begriff von der unerschöpflichen Erfindsamkeit der Liebe in dieser Sprache der Herzen! Wer von dem Reichthum der Wendungen, womit sie ein einziges, allein herrschendes Gefühl

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/301>, abgerufen am 16.04.2024.