Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

Weisheit und Enthaltsamkeit zu sehen, als ich nie zu finden gehofft hatte!"

Bald nach dieser Rede des Alcibiades läßt Plato die übrigen Gäste sich theils nach Hause begeben, theils einschlafen. Socrates bleibt mit den beyden Theaterdichtern, dem Tragiker Agathon und dem Komiker Aristophanes, sitzen, trinkt mit ihnen fort, und beweiset ihnen, daß der Komödienschreiber zugleich Tragödien, und der Tragödiendichter zugleich Komödien verfertigen könne. Aber seine Zuhörer schlummern ein: er allein bleibt wach, treibt den Tag über seine Geschäfte, und begiebt sich erst am Abend zur Ruhe.

Dieser letzte Zug ist offenbar darum hinzugesetzt, um den Sokrates als einen der ausgezeichnetsten Menschen, sowohl an physischer als moralischer Stärke darzustellen. Er kann sich allen Gefahren der Sinnlichkeit aussetzen; sie wird ihn nie übermannen. Er kann unversucht Nächte in den Armen der Schönheit und beym Becher zubringen; seine Vernunft verläßt ihn nie, und sein abgehärteter Körper ist der Anstrengung gewachsen.

Siebentes Kapitel.

Vereinigung des Plato mit sich selbst und mit dem Xenophon in ihren Ideen über die Liebe zu den Lieblingen.

Von den Ideen, die Plato in seinem Gastmahle über die Liebe vorträgt, können nur diejenigen als ihm eigenthümlich angesehen werden, die er dem Sokrates selbst in den Mund legt. Alles, was die übrigen Gäste

Weisheit und Enthaltsamkeit zu sehen, als ich nie zu finden gehofft hatte!“

Bald nach dieser Rede des Alcibiades läßt Plato die übrigen Gäste sich theils nach Hause begeben, theils einschlafen. Socrates bleibt mit den beyden Theaterdichtern, dem Tragiker Agathon und dem Komiker Aristophanes, sitzen, trinkt mit ihnen fort, und beweiset ihnen, daß der Komödienschreiber zugleich Tragödien, und der Tragödiendichter zugleich Komödien verfertigen könne. Aber seine Zuhörer schlummern ein: er allein bleibt wach, treibt den Tag über seine Geschäfte, und begiebt sich erst am Abend zur Ruhe.

Dieser letzte Zug ist offenbar darum hinzugesetzt, um den Sokrates als einen der ausgezeichnetsten Menschen, sowohl an physischer als moralischer Stärke darzustellen. Er kann sich allen Gefahren der Sinnlichkeit aussetzen; sie wird ihn nie übermannen. Er kann unversucht Nächte in den Armen der Schönheit und beym Becher zubringen; seine Vernunft verläßt ihn nie, und sein abgehärteter Körper ist der Anstrengung gewachsen.

Siebentes Kapitel.

Vereinigung des Plato mit sich selbst und mit dem Xenophon in ihren Ideen über die Liebe zu den Lieblingen.

Von den Ideen, die Plato in seinem Gastmahle über die Liebe vorträgt, können nur diejenigen als ihm eigenthümlich angesehen werden, die er dem Sokrates selbst in den Mund legt. Alles, was die übrigen Gäste

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0222" n="222"/>
Weisheit und Enthaltsamkeit zu sehen, als ich nie zu finden gehofft hatte!&#x201C;</p>
          <p>Bald nach dieser Rede des Alcibiades läßt Plato die übrigen Gäste sich theils nach Hause begeben, theils einschlafen. Socrates bleibt mit den beyden Theaterdichtern, dem Tragiker Agathon und dem Komiker Aristophanes, sitzen, trinkt mit ihnen fort, und beweiset ihnen, daß der Komödienschreiber zugleich Tragödien, und der Tragödiendichter zugleich Komödien verfertigen könne. Aber seine Zuhörer schlummern ein: er allein bleibt wach, treibt den Tag über seine Geschäfte, und begiebt sich erst am Abend zur Ruhe.</p>
          <p>Dieser letzte Zug ist offenbar darum hinzugesetzt, um den Sokrates als einen der ausgezeichnetsten Menschen, sowohl an physischer als moralischer Stärke darzustellen. Er kann sich allen Gefahren der Sinnlichkeit aussetzen; sie wird ihn nie übermannen. Er kann unversucht Nächte in den Armen der Schönheit und beym Becher zubringen; seine Vernunft verläßt ihn nie, und sein abgehärteter Körper ist der Anstrengung gewachsen.</p>
        </div>
        <div n="2">
          <head>Siebentes Kapitel.<lb/></head>
          <argument>
            <p>Vereinigung des Plato mit sich selbst und mit dem Xenophon in ihren Ideen über die Liebe zu den Lieblingen.<lb/></p>
          </argument>
          <p>Von den Ideen, die Plato in seinem Gastmahle über die Liebe vorträgt, können nur diejenigen als ihm eigenthümlich angesehen werden, die er dem Sokrates selbst in den Mund legt. Alles, was die übrigen Gäste
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[222/0222] Weisheit und Enthaltsamkeit zu sehen, als ich nie zu finden gehofft hatte!“ Bald nach dieser Rede des Alcibiades läßt Plato die übrigen Gäste sich theils nach Hause begeben, theils einschlafen. Socrates bleibt mit den beyden Theaterdichtern, dem Tragiker Agathon und dem Komiker Aristophanes, sitzen, trinkt mit ihnen fort, und beweiset ihnen, daß der Komödienschreiber zugleich Tragödien, und der Tragödiendichter zugleich Komödien verfertigen könne. Aber seine Zuhörer schlummern ein: er allein bleibt wach, treibt den Tag über seine Geschäfte, und begiebt sich erst am Abend zur Ruhe. Dieser letzte Zug ist offenbar darum hinzugesetzt, um den Sokrates als einen der ausgezeichnetsten Menschen, sowohl an physischer als moralischer Stärke darzustellen. Er kann sich allen Gefahren der Sinnlichkeit aussetzen; sie wird ihn nie übermannen. Er kann unversucht Nächte in den Armen der Schönheit und beym Becher zubringen; seine Vernunft verläßt ihn nie, und sein abgehärteter Körper ist der Anstrengung gewachsen. Siebentes Kapitel. Vereinigung des Plato mit sich selbst und mit dem Xenophon in ihren Ideen über die Liebe zu den Lieblingen. Von den Ideen, die Plato in seinem Gastmahle über die Liebe vorträgt, können nur diejenigen als ihm eigenthümlich angesehen werden, die er dem Sokrates selbst in den Mund legt. Alles, was die übrigen Gäste

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/222
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/222>, abgerufen am 16.04.2024.