Drittes Capitel. Versuch einer Vermittelung zwischen den beiden protestantischen Parteien.
In sehr naher Beziehung finden wir nun die Eidge- nossenschaft zu dem Reiche.
Einer aufstrebenden mit der öffentlichen Meinung ver- bündeten Minorität stand auf den Tagsatzungen, wie auf dem Reichstag eine altgläubige Mehrheit gegenüber.
Der nächste Unterschied lag darin, daß Kaiser und Reich zugleich eine kirchliche Autorität besaßen, welche der Tag- satzung, die sich hiebei auch nicht auf den Kaiser berufen konnte, zu dem sie als solche kein gesetzliches Verhältniß hatte, mit nichten zukam. Dagegen hatte aber auch die Minorität in der Schweiz nicht wie die deutsche frühere allgemeine Beschlüsse für sich. Der Kampf war in der Schweiz mehr factischer, in Deutschland mehr rechtlicher Natur.
Beide Majoritäten suchten ihre vornehmste Hülfe bei dem Hause Oestreich. Sollten da nicht auch die Minori- täten auf das ernstlichste daran denken, die alte Zwietracht, die sich zwischen ihnen erhoben, fallen zu lassen?
22*
Drittes Capitel. Verſuch einer Vermittelung zwiſchen den beiden proteſtantiſchen Parteien.
In ſehr naher Beziehung finden wir nun die Eidge- noſſenſchaft zu dem Reiche.
Einer aufſtrebenden mit der öffentlichen Meinung ver- bündeten Minorität ſtand auf den Tagſatzungen, wie auf dem Reichstag eine altgläubige Mehrheit gegenüber.
Der nächſte Unterſchied lag darin, daß Kaiſer und Reich zugleich eine kirchliche Autorität beſaßen, welche der Tag- ſatzung, die ſich hiebei auch nicht auf den Kaiſer berufen konnte, zu dem ſie als ſolche kein geſetzliches Verhältniß hatte, mit nichten zukam. Dagegen hatte aber auch die Minorität in der Schweiz nicht wie die deutſche frühere allgemeine Beſchlüſſe für ſich. Der Kampf war in der Schweiz mehr factiſcher, in Deutſchland mehr rechtlicher Natur.
Beide Majoritäten ſuchten ihre vornehmſte Hülfe bei dem Hauſe Oeſtreich. Sollten da nicht auch die Minori- täten auf das ernſtlichſte daran denken, die alte Zwietracht, die ſich zwiſchen ihnen erhoben, fallen zu laſſen?
22*
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0355"n="[339]"/><divn="2"><head><hirendition="#g">Drittes Capitel</hi>.<lb/>
Verſuch einer Vermittelung zwiſchen den beiden<lb/>
proteſtantiſchen Parteien.</head><lb/><p>In ſehr naher Beziehung finden wir nun die Eidge-<lb/>
noſſenſchaft zu dem Reiche.</p><lb/><p>Einer aufſtrebenden mit der öffentlichen Meinung ver-<lb/>
bündeten Minorität ſtand auf den Tagſatzungen, wie auf<lb/>
dem Reichstag eine altgläubige Mehrheit gegenüber.</p><lb/><p>Der nächſte Unterſchied lag darin, daß Kaiſer und Reich<lb/>
zugleich eine kirchliche Autorität beſaßen, welche der Tag-<lb/>ſatzung, die ſich hiebei auch nicht auf den Kaiſer berufen<lb/>
konnte, zu dem ſie als ſolche kein geſetzliches Verhältniß<lb/>
hatte, mit nichten zukam. Dagegen hatte aber auch die<lb/>
Minorität in der Schweiz nicht wie die deutſche frühere<lb/>
allgemeine Beſchlüſſe für ſich. Der Kampf war in der Schweiz<lb/>
mehr factiſcher, in Deutſchland mehr rechtlicher Natur.</p><lb/><p>Beide Majoritäten ſuchten ihre vornehmſte Hülfe bei<lb/>
dem Hauſe Oeſtreich. Sollten da nicht auch die Minori-<lb/>
täten auf das ernſtlichſte daran denken, die alte Zwietracht,<lb/>
die ſich zwiſchen ihnen erhoben, fallen zu laſſen?</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">22*</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[[339]/0355]
Drittes Capitel.
Verſuch einer Vermittelung zwiſchen den beiden
proteſtantiſchen Parteien.
In ſehr naher Beziehung finden wir nun die Eidge-
noſſenſchaft zu dem Reiche.
Einer aufſtrebenden mit der öffentlichen Meinung ver-
bündeten Minorität ſtand auf den Tagſatzungen, wie auf
dem Reichstag eine altgläubige Mehrheit gegenüber.
Der nächſte Unterſchied lag darin, daß Kaiſer und Reich
zugleich eine kirchliche Autorität beſaßen, welche der Tag-
ſatzung, die ſich hiebei auch nicht auf den Kaiſer berufen
konnte, zu dem ſie als ſolche kein geſetzliches Verhältniß
hatte, mit nichten zukam. Dagegen hatte aber auch die
Minorität in der Schweiz nicht wie die deutſche frühere
allgemeine Beſchlüſſe für ſich. Der Kampf war in der Schweiz
mehr factiſcher, in Deutſchland mehr rechtlicher Natur.
Beide Majoritäten ſuchten ihre vornehmſte Hülfe bei
dem Hauſe Oeſtreich. Sollten da nicht auch die Minori-
täten auf das ernſtlichſte daran denken, die alte Zwietracht,
die ſich zwiſchen ihnen erhoben, fallen zu laſſen?
22*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. [339]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/355>, abgerufen am 29.03.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.