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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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III. Topographie.
versandt. Kochi, die Hauptstadt von Toshiu, nahe der Südküste
gelegen, hat 40000 Einwohner und ist ohne Zweifel die bedeutendste
und einflussreichste Stadt der ganzen Insel. Als frühere Residenz
des reichen Yamanouchi Tosa-no-Kami (242000 koku) hat sie viele
Samurai, die seit der Perry-Expedition an den Geschicken des Landes
immer einen lebhaften Antheil nahmen und gleich vielen Kaufleuten
der Stadt für wohlhabend gelten. Die Stadt erstreckt sich 1 ri weit
von Ost nach West, hat gute breite Strassen und viel Verkehr.
Dampfschiffe erleichtern ihn mit Tokushima und Osaka, wohin die
Fahrt einen Tag dauert. Die Bewohner erschienen dem Verfasser in
Kochi wie in ganz Tosa und Iyo selbstbewusst, wie in Satsuma, aber
entschieden aufgeweckter. Fragen, welche er an sie richtete, wurden
in der Regel mit überraschender Klarheit und Präcision beantwortet.
Zwei Dinge fielen ihm in der Hauptstadt von Tosa noch besonders
auf, nämlich Hundekämpfe, wozu die Thiere besonders abgerichtet
werden, sowie Haltestellen für nach alter japanischer Art gesattelte
Miethpferde vor den Stadtthoren. Die Besitzer dieser Pferde bieten
die Thiere den Vorübergehenden an, wie die Kulis ihre Jinrikishas.

Gegenüber Kochi erscheinen die übrigen Städte von Tosa klein
und unbedeutend. Hierher gehören Nakamura, Sakawa und
Kubokawa, wo Zweige des Hauses Yamanouchi wohnten, ferner
Takaoka mit 5800 Einwohnern, Aki mit 4500 Einwohnern, Susaki
mit 4000 Einwohnern und ebenso Akaoka.

VIII. Kiushiu oder die neun Provinzen des Saikaido,
d. h. der Westseestrasse
.

Kiushiu, die südlichste der vier grossen Inseln des Reiches
Nippon, spielt in der Geschichte desselben eine hervorragende Rolle.
Von hier zog Jimmau Tenno mit seinen Vasallen auf Abenteuer und
Eroberung aus; von hier aus wurden die grossen Expeditionen der
Kaiserin Jingu Kogo und des Taiko-sama gegen Korea unternommen
und siegreich zu Ende geführt. Auf Kiushiu landeten Mendez Pinto
und die portugiesischen Missionare; hier also lernte man zuerst die
Europäer, das Christenthum, die Feuerwaffen und manches Andere
kennen, was dem chinesischen Culturgebiete fremd war. Als dann
in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts die katholischen Mis-
sionäre vertrieben und das Christenthum ausgerottet wurden, wussten
sich holländische Kaufleute die Gunst und das Vertrauen der mäch-
tigen Tokugawa zu erwerben und über zwei Jahrhunderte mit einem
Handelsmonopol unter demüthigenden Bedingungen in Nagasaki auf
Kiushiu zu erhalten. Der grosse Gewinn, den sie aus dieser Ver-

III. Topographie.
versandt. Kôchi, die Hauptstadt von Toshiu, nahe der Südküste
gelegen, hat 40000 Einwohner und ist ohne Zweifel die bedeutendste
und einflussreichste Stadt der ganzen Insel. Als frühere Residenz
des reichen Yamanouchi Tosa-no-Kami (242000 koku) hat sie viele
Samurai, die seit der Perry-Expedition an den Geschicken des Landes
immer einen lebhaften Antheil nahmen und gleich vielen Kaufleuten
der Stadt für wohlhabend gelten. Die Stadt erstreckt sich 1 ri weit
von Ost nach West, hat gute breite Strassen und viel Verkehr.
Dampfschiffe erleichtern ihn mit Tokushima und Ôsaka, wohin die
Fahrt einen Tag dauert. Die Bewohner erschienen dem Verfasser in
Kôchi wie in ganz Tosa und Iyo selbstbewusst, wie in Satsuma, aber
entschieden aufgeweckter. Fragen, welche er an sie richtete, wurden
in der Regel mit überraschender Klarheit und Präcision beantwortet.
Zwei Dinge fielen ihm in der Hauptstadt von Tosa noch besonders
auf, nämlich Hundekämpfe, wozu die Thiere besonders abgerichtet
werden, sowie Haltestellen für nach alter japanischer Art gesattelte
Miethpferde vor den Stadtthoren. Die Besitzer dieser Pferde bieten
die Thiere den Vorübergehenden an, wie die Kulis ihre Jinrikishas.

Gegenüber Kôchi erscheinen die übrigen Städte von Tosa klein
und unbedeutend. Hierher gehören Nakamura, Sakawa und
Kubokawa, wo Zweige des Hauses Yamanouchi wohnten, ferner
Takaoka mit 5800 Einwohnern, Aki mit 4500 Einwohnern, Susaki
mit 4000 Einwohnern und ebenso Akaoka.

VIII. Kiushiu oder die neun Provinzen des Saikaidô,
d. h. der Westseestrasse
.

Kiushiu, die südlichste der vier grossen Inseln des Reiches
Nippon, spielt in der Geschichte desselben eine hervorragende Rolle.
Von hier zog Jimmû Tennô mit seinen Vasallen auf Abenteuer und
Eroberung aus; von hier aus wurden die grossen Expeditionen der
Kaiserin Jingu Kôgô und des Taikô-sama gegen Korea unternommen
und siegreich zu Ende geführt. Auf Kiushiu landeten Mendez Pinto
und die portugiesischen Missionare; hier also lernte man zuerst die
Europäer, das Christenthum, die Feuerwaffen und manches Andere
kennen, was dem chinesischen Culturgebiete fremd war. Als dann
in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts die katholischen Mis-
sionäre vertrieben und das Christenthum ausgerottet wurden, wussten
sich holländische Kaufleute die Gunst und das Vertrauen der mäch-
tigen Tokugawa zu erwerben und über zwei Jahrhunderte mit einem
Handelsmonopol unter demüthigenden Bedingungen in Nagasaki auf
Kiushiu zu erhalten. Der grosse Gewinn, den sie aus dieser Ver-

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[596/0642] III. Topographie. versandt. Kôchi, die Hauptstadt von Toshiu, nahe der Südküste gelegen, hat 40000 Einwohner und ist ohne Zweifel die bedeutendste und einflussreichste Stadt der ganzen Insel. Als frühere Residenz des reichen Yamanouchi Tosa-no-Kami (242000 koku) hat sie viele Samurai, die seit der Perry-Expedition an den Geschicken des Landes immer einen lebhaften Antheil nahmen und gleich vielen Kaufleuten der Stadt für wohlhabend gelten. Die Stadt erstreckt sich 1 ri weit von Ost nach West, hat gute breite Strassen und viel Verkehr. Dampfschiffe erleichtern ihn mit Tokushima und Ôsaka, wohin die Fahrt einen Tag dauert. Die Bewohner erschienen dem Verfasser in Kôchi wie in ganz Tosa und Iyo selbstbewusst, wie in Satsuma, aber entschieden aufgeweckter. Fragen, welche er an sie richtete, wurden in der Regel mit überraschender Klarheit und Präcision beantwortet. Zwei Dinge fielen ihm in der Hauptstadt von Tosa noch besonders auf, nämlich Hundekämpfe, wozu die Thiere besonders abgerichtet werden, sowie Haltestellen für nach alter japanischer Art gesattelte Miethpferde vor den Stadtthoren. Die Besitzer dieser Pferde bieten die Thiere den Vorübergehenden an, wie die Kulis ihre Jinrikishas. Gegenüber Kôchi erscheinen die übrigen Städte von Tosa klein und unbedeutend. Hierher gehören Nakamura, Sakawa und Kubokawa, wo Zweige des Hauses Yamanouchi wohnten, ferner Takaoka mit 5800 Einwohnern, Aki mit 4500 Einwohnern, Susaki mit 4000 Einwohnern und ebenso Akaoka. VIII. Kiushiu oder die neun Provinzen des Saikaidô, d. h. der Westseestrasse. Kiushiu, die südlichste der vier grossen Inseln des Reiches Nippon, spielt in der Geschichte desselben eine hervorragende Rolle. Von hier zog Jimmû Tennô mit seinen Vasallen auf Abenteuer und Eroberung aus; von hier aus wurden die grossen Expeditionen der Kaiserin Jingu Kôgô und des Taikô-sama gegen Korea unternommen und siegreich zu Ende geführt. Auf Kiushiu landeten Mendez Pinto und die portugiesischen Missionare; hier also lernte man zuerst die Europäer, das Christenthum, die Feuerwaffen und manches Andere kennen, was dem chinesischen Culturgebiete fremd war. Als dann in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts die katholischen Mis- sionäre vertrieben und das Christenthum ausgerottet wurden, wussten sich holländische Kaufleute die Gunst und das Vertrauen der mäch- tigen Tokugawa zu erwerben und über zwei Jahrhunderte mit einem Handelsmonopol unter demüthigenden Bedingungen in Nagasaki auf Kiushiu zu erhalten. Der grosse Gewinn, den sie aus dieser Ver-

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 596. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/642>, abgerufen am 28.03.2024.