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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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8. Acclimatisation u. Verbreitung japan. Zier- u. Nutzpflanzen in Europa.
8. Acclimatisation und Verbreitung japanischer Zier- und Nutz-
pflanzen in Europa.

Acclimatisation einer Pflanze ist ihre Gewöhnung an Klima
und Boden eines fremden Gebiets. Es leuchtet ein, dass diese Ein-
bürgerung um so leichter sein muss, je mehr in beiden Beziehungen
die Verhältnisse des neuen Wohnorts den gewohnten entsprechen, da-
gegen in den meisten Fällen schwer, wenn nicht unmöglich, sobald
sie weit davon abweichen; denn die innere Structur der Pflanze und
ihre ganze Entwickelung hängen mit der durch Klima und Boden be-
dingten Art ihrer Ernährung auf's innigste zusammen.

Sommergewächse, sowie alle ausdauernden Pflanzen, welche sich
nur durch Samen fortpflanzen, lassen sich da nicht einbürgern, wo
dieser Same nicht die keimfähige Reife erlangt; andere perennierende
Pflanzen sind dort nicht völlig acclimatisierbar, wo sie durch die Win-
terkälte von Zeit zu Zeit erfrieren, mag sonst die Sommerwärme ihrer
Entwickelung noch so förderlich sein. Der Winter von 1879/80 zer-
störte z. B. in Frankreich und Deutschland eine Menge californischer
Nadelhölzer, welche sich zum Theil schon mehrere Jahrzehnte hindurch
auf's beste entwickelt hatten, und lieferte damit den Beweis, dass ihre
völlige Einbürgerung bei uns unmöglich ist. Dagegen kann man solche
Holzgewächse, welche sich auch durch Wurzelschösslinge vermehren,
selbst da noch halten, wo sie keine Samen reifen, ja wo sie in strengen
Wintern theilweise erfrieren. Wie die oberirdischen Theile des ge-
meinen Besenginsters in vielen Gegenden Deutschlands im December
1879 durch die Kälte getödtet wurden, die gesunden Wurzeln jedoch
in den darauf folgenden Sommern wieder völlig Ersatz lieferten, so ver-
hielt es sich z. B. auch mit Kerria japonica. Ein anderes japanisches
Gewächs, die Paulownia imperialis, gedeiht in England sehr gut,
bringt jedoch nur selten Blüthen und nie keimfähige Samen hervor,
vermehrt sich dagegen leicht durch Wurzelschösslinge ähnlich wie die
grossen Bambusrohre in Japan, und kann desshalb in beschränktem
Sinne als eingebürgert gelten.

Es liegt nahe, dass man erst die Bedingungen, unter welchen ein
Gewächs in seiner Heimat vorkommt und gut gedeiht, kennen lernen
sollte, bevor man anderwärts zu Anbauversuchen mit demselben schrei-
tet. Oft ist diese Regel nicht befolgt worden und hat man erst durch
viele unnütze Versuche und theures Lehrgeld erreicht, was man auf
viel kürzerem und billigerem Wege hätte erlangen können. Die Ver-

8. Acclimatisation u. Verbreitung japan. Zier- u. Nutzpflanzen in Europa.
8. Acclimatisation und Verbreitung japanischer Zier- und Nutz-
pflanzen in Europa.

Acclimatisation einer Pflanze ist ihre Gewöhnung an Klima
und Boden eines fremden Gebiets. Es leuchtet ein, dass diese Ein-
bürgerung um so leichter sein muss, je mehr in beiden Beziehungen
die Verhältnisse des neuen Wohnorts den gewohnten entsprechen, da-
gegen in den meisten Fällen schwer, wenn nicht unmöglich, sobald
sie weit davon abweichen; denn die innere Structur der Pflanze und
ihre ganze Entwickelung hängen mit der durch Klima und Boden be-
dingten Art ihrer Ernährung auf’s innigste zusammen.

Sommergewächse, sowie alle ausdauernden Pflanzen, welche sich
nur durch Samen fortpflanzen, lassen sich da nicht einbürgern, wo
dieser Same nicht die keimfähige Reife erlangt; andere perennierende
Pflanzen sind dort nicht völlig acclimatisierbar, wo sie durch die Win-
terkälte von Zeit zu Zeit erfrieren, mag sonst die Sommerwärme ihrer
Entwickelung noch so förderlich sein. Der Winter von 1879/80 zer-
störte z. B. in Frankreich und Deutschland eine Menge californischer
Nadelhölzer, welche sich zum Theil schon mehrere Jahrzehnte hindurch
auf’s beste entwickelt hatten, und lieferte damit den Beweis, dass ihre
völlige Einbürgerung bei uns unmöglich ist. Dagegen kann man solche
Holzgewächse, welche sich auch durch Wurzelschösslinge vermehren,
selbst da noch halten, wo sie keine Samen reifen, ja wo sie in strengen
Wintern theilweise erfrieren. Wie die oberirdischen Theile des ge-
meinen Besenginsters in vielen Gegenden Deutschlands im December
1879 durch die Kälte getödtet wurden, die gesunden Wurzeln jedoch
in den darauf folgenden Sommern wieder völlig Ersatz lieferten, so ver-
hielt es sich z. B. auch mit Kerria japonica. Ein anderes japanisches
Gewächs, die Paulownia imperialis, gedeiht in England sehr gut,
bringt jedoch nur selten Blüthen und nie keimfähige Samen hervor,
vermehrt sich dagegen leicht durch Wurzelschösslinge ähnlich wie die
grossen Bambusrohre in Japan, und kann desshalb in beschränktem
Sinne als eingebürgert gelten.

Es liegt nahe, dass man erst die Bedingungen, unter welchen ein
Gewächs in seiner Heimat vorkommt und gut gedeiht, kennen lernen
sollte, bevor man anderwärts zu Anbauversuchen mit demselben schrei-
tet. Oft ist diese Regel nicht befolgt worden und hat man erst durch
viele unnütze Versuche und theures Lehrgeld erreicht, was man auf
viel kürzerem und billigerem Wege hätte erlangen können. Die Ver-

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[327/0351] 8. Acclimatisation u. Verbreitung japan. Zier- u. Nutzpflanzen in Europa. 8. Acclimatisation und Verbreitung japanischer Zier- und Nutz- pflanzen in Europa. Acclimatisation einer Pflanze ist ihre Gewöhnung an Klima und Boden eines fremden Gebiets. Es leuchtet ein, dass diese Ein- bürgerung um so leichter sein muss, je mehr in beiden Beziehungen die Verhältnisse des neuen Wohnorts den gewohnten entsprechen, da- gegen in den meisten Fällen schwer, wenn nicht unmöglich, sobald sie weit davon abweichen; denn die innere Structur der Pflanze und ihre ganze Entwickelung hängen mit der durch Klima und Boden be- dingten Art ihrer Ernährung auf’s innigste zusammen. Sommergewächse, sowie alle ausdauernden Pflanzen, welche sich nur durch Samen fortpflanzen, lassen sich da nicht einbürgern, wo dieser Same nicht die keimfähige Reife erlangt; andere perennierende Pflanzen sind dort nicht völlig acclimatisierbar, wo sie durch die Win- terkälte von Zeit zu Zeit erfrieren, mag sonst die Sommerwärme ihrer Entwickelung noch so förderlich sein. Der Winter von 1879/80 zer- störte z. B. in Frankreich und Deutschland eine Menge californischer Nadelhölzer, welche sich zum Theil schon mehrere Jahrzehnte hindurch auf’s beste entwickelt hatten, und lieferte damit den Beweis, dass ihre völlige Einbürgerung bei uns unmöglich ist. Dagegen kann man solche Holzgewächse, welche sich auch durch Wurzelschösslinge vermehren, selbst da noch halten, wo sie keine Samen reifen, ja wo sie in strengen Wintern theilweise erfrieren. Wie die oberirdischen Theile des ge- meinen Besenginsters in vielen Gegenden Deutschlands im December 1879 durch die Kälte getödtet wurden, die gesunden Wurzeln jedoch in den darauf folgenden Sommern wieder völlig Ersatz lieferten, so ver- hielt es sich z. B. auch mit Kerria japonica. Ein anderes japanisches Gewächs, die Paulownia imperialis, gedeiht in England sehr gut, bringt jedoch nur selten Blüthen und nie keimfähige Samen hervor, vermehrt sich dagegen leicht durch Wurzelschösslinge ähnlich wie die grossen Bambusrohre in Japan, und kann desshalb in beschränktem Sinne als eingebürgert gelten. Es liegt nahe, dass man erst die Bedingungen, unter welchen ein Gewächs in seiner Heimat vorkommt und gut gedeiht, kennen lernen sollte, bevor man anderwärts zu Anbauversuchen mit demselben schrei- tet. Oft ist diese Regel nicht befolgt worden und hat man erst durch viele unnütze Versuche und theures Lehrgeld erreicht, was man auf viel kürzerem und billigerem Wege hätte erlangen können. Die Ver-

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/351>, abgerufen am 28.03.2024.