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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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hingegen wird: 1. unmittelbar das Alltägliche, Gewöhnliche,
Triviale sein; 2. relativ das Wechselnde und Haltlose, das
Zufällige und Willkürliche; 3. die Rohheit als die Erniedri¬
gung der Freiheit unter eine ihr fremde Nothwendigkeit oder
gar als das Hervorbringen einer solchen Erniedrigung. Alle
diese Begriffe werden auch mit vielen andern Synonymen
bezeichnet, wie wir auch das Majestätische nach seiner gra¬
duellen Verschiedenheit mit noch andern Namen edel, hoch,
vornehm, imponirend, grandios u. s. w. benennen.

a) Das Gewöhnliche.

Das Gewöhnliche, sofern es die empirische Existenz des
Allgemeinen ausmacht, ist deshalb noch nicht häßlich; dies
Prädicat kann ihm erst relativ zukommen; es wird unter
gewissen Bedingungen häßlich. Das majestätisch Erhabene
ist in seiner Erscheinung insofern einzig, als es eine ganze
Welt in sich zusammennimmt, denn einzig in dem Sinn,
empirisch nicht ihres Gleichen zu haben, ist am Ende nach
dem Leibnitzischen principium indiscernibilium jede Existenz,
auch die gewöhnlichste. Die Majestät aber ist andern Er¬
scheinungen nicht blos überhaupt empirisch ungleich, sondern
sie ist einzig als ohne Vergleich innerhalb einer gegebenen
Sphäre. Man stelle sich eine Bergkette vor, so kann die¬
selbe schon durch ihre Größe erhaben sein. Nun soll aber
aus ihrem Kamm hervor Ein Berg noch weit in den Aether
sein Haupt erheben, so wird derselbe nicht nur erhaben über¬
haupt, sondern majestätisch erhaben erscheinen, weil er der
ungeheuren Masse gleichsam einen persönlichen Ausdruck ver¬
leihen wird. So strahlt das Licht des Mondes unter den
Sternen als ein einziges in sanfter Majestät u. s. f. Dies
sind Beispiele aus dem Gebiet des Raumes; aber auch die

hingegen wird: 1. unmittelbar das Alltägliche, Gewöhnliche,
Triviale ſein; 2. relativ das Wechſelnde und Haltloſe, das
Zufällige und Willkürliche; 3. die Rohheit als die Erniedri¬
gung der Freiheit unter eine ihr fremde Nothwendigkeit oder
gar als das Hervorbringen einer ſolchen Erniedrigung. Alle
dieſe Begriffe werden auch mit vielen andern Synonymen
bezeichnet, wie wir auch das Majeſtätiſche nach ſeiner gra¬
duellen Verſchiedenheit mit noch andern Namen edel, hoch,
vornehm, imponirend, grandios u. ſ. w. benennen.

a) Das Gewöhnliche.

Das Gewöhnliche, ſofern es die empiriſche Exiſtenz des
Allgemeinen ausmacht, iſt deshalb noch nicht häßlich; dies
Prädicat kann ihm erſt relativ zukommen; es wird unter
gewiſſen Bedingungen häßlich. Das majeſtätiſch Erhabene
iſt in ſeiner Erſcheinung inſofern einzig, als es eine ganze
Welt in ſich zuſammennimmt, denn einzig in dem Sinn,
empiriſch nicht ihres Gleichen zu haben, iſt am Ende nach
dem Leibnitziſchen principium indiscernibilium jede Exiſtenz,
auch die gewöhnlichſte. Die Majeſtät aber iſt andern Er¬
ſcheinungen nicht blos überhaupt empiriſch ungleich, ſondern
ſie iſt einzig als ohne Vergleich innerhalb einer gegebenen
Sphäre. Man ſtelle ſich eine Bergkette vor, ſo kann die¬
ſelbe ſchon durch ihre Größe erhaben ſein. Nun ſoll aber
aus ihrem Kamm hervor Ein Berg noch weit in den Aether
ſein Haupt erheben, ſo wird derſelbe nicht nur erhaben über¬
haupt, ſondern majeſtätiſch erhaben erſcheinen, weil er der
ungeheuren Maſſe gleichſam einen perſönlichen Ausdruck ver¬
leihen wird. So ſtrahlt das Licht des Mondes unter den
Sternen als ein einziges in ſanfter Majeſtät u. ſ. f. Dies
ſind Beiſpiele aus dem Gebiet des Raumes; aber auch die

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[199/0221] hingegen wird: 1. unmittelbar das Alltägliche, Gewöhnliche, Triviale ſein; 2. relativ das Wechſelnde und Haltloſe, das Zufällige und Willkürliche; 3. die Rohheit als die Erniedri¬ gung der Freiheit unter eine ihr fremde Nothwendigkeit oder gar als das Hervorbringen einer ſolchen Erniedrigung. Alle dieſe Begriffe werden auch mit vielen andern Synonymen bezeichnet, wie wir auch das Majeſtätiſche nach ſeiner gra¬ duellen Verſchiedenheit mit noch andern Namen edel, hoch, vornehm, imponirend, grandios u. ſ. w. benennen. a) Das Gewöhnliche. Das Gewöhnliche, ſofern es die empiriſche Exiſtenz des Allgemeinen ausmacht, iſt deshalb noch nicht häßlich; dies Prädicat kann ihm erſt relativ zukommen; es wird unter gewiſſen Bedingungen häßlich. Das majeſtätiſch Erhabene iſt in ſeiner Erſcheinung inſofern einzig, als es eine ganze Welt in ſich zuſammennimmt, denn einzig in dem Sinn, empiriſch nicht ihres Gleichen zu haben, iſt am Ende nach dem Leibnitziſchen principium indiscernibilium jede Exiſtenz, auch die gewöhnlichſte. Die Majeſtät aber iſt andern Er¬ ſcheinungen nicht blos überhaupt empiriſch ungleich, ſondern ſie iſt einzig als ohne Vergleich innerhalb einer gegebenen Sphäre. Man ſtelle ſich eine Bergkette vor, ſo kann die¬ ſelbe ſchon durch ihre Größe erhaben ſein. Nun ſoll aber aus ihrem Kamm hervor Ein Berg noch weit in den Aether ſein Haupt erheben, ſo wird derſelbe nicht nur erhaben über¬ haupt, ſondern majeſtätiſch erhaben erſcheinen, weil er der ungeheuren Maſſe gleichſam einen perſönlichen Ausdruck ver¬ leihen wird. So ſtrahlt das Licht des Mondes unter den Sternen als ein einziges in ſanfter Majeſtät u. ſ. f. Dies ſind Beiſpiele aus dem Gebiet des Raumes; aber auch die

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/221>, abgerufen am 23.04.2024.