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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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Je m'en allay a Bagnolet,
Ou ie trouvay un grand mulet,
Qui plantoit des carottes.
Ma Madelon, je t'aime tant,
Que quasi je radotte.
Je m'en allay un peu plus loing,
Trouvay une botte de Foing,
Qui dansoit la gavotte.
Ma Madelon, je etc.

Die Gascognaden der Franzosen sind ebenfalls solche
heitere Absurditäten, wie sie in der alten noch immer gern
gesehenen, aus dem Französischen auch zu uns verpflanzten
Posse: der Lügner und sein Sohn, zu einem lockern
Ganzen versammelt sind. Vater und Sohn überbieten sich
einander in albernen Erfindungen. Herr von Crac hat
einen Punschbaum gepflanzt, indem er einer Reisstaude einen
Citronenstengel eingeimpft und mit Rum begossen habe; der
Sohn erzählt, eine Büchse besessen zu haben, mit welcher
er kreuzweis um die Ecke habe schießen können u. s. w.
Bei uns haben sich solche Schnurren früher im Eulen¬
spiegel
, später durch Bürger und Lichtenberg, im
Münchhausen concentrirt. Münchhausen will auf einer
Bohnenranke in den Mond klettern, an seinem Zopf sich
aus dem Sumpf ziehen. Seinem Pferde wird von einem
zusammenklaffenden Thorweg der halbe Leib weggeschlagen;
der Vorderleib bleibt ruhig stehen und säuft aus einem Röhr¬
brunnen ins Unendliche, da das Wasser immer hinten aus¬
läuft. Sein Jagdhund läuft sich die Beine kurz und meta¬
morphosirt sich so vom Windhund zu einer Art Teckel.
Einem Hirsch schießt er einen Kirschkern in den Kopf. Im
nächsten Jahr begegnet er ihm und der Hirsch trägt zwischen

Je m'en allay à Bagnolet,
Où ie trouvay un grand mulet,
Qui plantoit des carottes.
Ma Madelon, je t'aime tant,
Que quasi je radotte.
Je m'en allay un peu plus loing,
Trouvay une botte de Foing,
Qui dansoit la gavotte.
Ma Madelon, je etc.

Die Gascognaden der Franzoſen ſind ebenfalls ſolche
heitere Abſurditäten, wie ſie in der alten noch immer gern
geſehenen, aus dem Franzöſiſchen auch zu uns verpflanzten
Poſſe: der Lügner und ſein Sohn, zu einem lockern
Ganzen verſammelt ſind. Vater und Sohn überbieten ſich
einander in albernen Erfindungen. Herr von Crac hat
einen Punſchbaum gepflanzt, indem er einer Reisſtaude einen
Citronenſtengel eingeimpft und mit Rum begoſſen habe; der
Sohn erzählt, eine Büchſe beſeſſen zu haben, mit welcher
er kreuzweis um die Ecke habe ſchießen können u. ſ. w.
Bei uns haben ſich ſolche Schnurren früher im Eulen¬
ſpiegel
, ſpäter durch Bürger und Lichtenberg, im
Münchhauſen concentrirt. Münchhauſen will auf einer
Bohnenranke in den Mond klettern, an ſeinem Zopf ſich
aus dem Sumpf ziehen. Seinem Pferde wird von einem
zuſammenklaffenden Thorweg der halbe Leib weggeſchlagen;
der Vorderleib bleibt ruhig ſtehen und ſäuft aus einem Röhr¬
brunnen ins Unendliche, da das Waſſer immer hinten aus¬
läuft. Sein Jagdhund läuft ſich die Beine kurz und meta¬
morphoſirt ſich ſo vom Windhund zu einer Art Teckel.
Einem Hirſch ſchießt er einen Kirſchkern in den Kopf. Im
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[311/0333] Je m'en allay à Bagnolet, Où ie trouvay un grand mulet, Qui plantoit des carottes. Ma Madelon, je t'aime tant, Que quasi je radotte. Je m'en allay un peu plus loing, Trouvay une botte de Foing, Qui dansoit la gavotte. Ma Madelon, je etc. Die Gascognaden der Franzoſen ſind ebenfalls ſolche heitere Abſurditäten, wie ſie in der alten noch immer gern geſehenen, aus dem Franzöſiſchen auch zu uns verpflanzten Poſſe: der Lügner und ſein Sohn, zu einem lockern Ganzen verſammelt ſind. Vater und Sohn überbieten ſich einander in albernen Erfindungen. Herr von Crac hat einen Punſchbaum gepflanzt, indem er einer Reisſtaude einen Citronenſtengel eingeimpft und mit Rum begoſſen habe; der Sohn erzählt, eine Büchſe beſeſſen zu haben, mit welcher er kreuzweis um die Ecke habe ſchießen können u. ſ. w. Bei uns haben ſich ſolche Schnurren früher im Eulen¬ ſpiegel, ſpäter durch Bürger und Lichtenberg, im Münchhauſen concentrirt. Münchhauſen will auf einer Bohnenranke in den Mond klettern, an ſeinem Zopf ſich aus dem Sumpf ziehen. Seinem Pferde wird von einem zuſammenklaffenden Thorweg der halbe Leib weggeſchlagen; der Vorderleib bleibt ruhig ſtehen und ſäuft aus einem Röhr¬ brunnen ins Unendliche, da das Waſſer immer hinten aus¬ läuft. Sein Jagdhund läuft ſich die Beine kurz und meta¬ morphoſirt ſich ſo vom Windhund zu einer Art Teckel. Einem Hirſch ſchießt er einen Kirſchkern in den Kopf. Im nächſten Jahr begegnet er ihm und der Hirſch trägt zwiſchen

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/333>, abgerufen am 25.04.2024.