Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite
16.
Erst baut Natur den Leib, ein Haus mit Sinnenthoren,
Worin ein fremdes Kind, der Geist, dann wird geboren.
Er findet Hausgeräth und braucht es nach Gefallen,
Und wenn er dann das Haus verläßt, wird es zerfallen.
Doch die Baumeisterin baut immer Neues wieder,
Und lockt den Himmelsgast zur ird'schen Einkehr nieder.

17.
O Quelle, wenn du hier bewässert hast den Garten,
Fließ nur dem nächsten zu, der durstig auch wird warten.
Weil übern Berg das Licht des Morgens uns gekommen,
Rühmt sich der stolze Berg, es sei von ihm entglommen.
Die Sonn' auch prahle nicht, daß sie die Welt erhelle;
Sie schöpfet auch ihr Licht nur aus verborgnem Quelle.
Der Lehrer, den du lernst, war eines Lehrers Lerner;
Du bist nur einen Grad vom ersten Lehrer ferner.
16.
Erſt baut Natur den Leib, ein Haus mit Sinnenthoren,
Worin ein fremdes Kind, der Geiſt, dann wird geboren.
Er findet Hausgeraͤth und braucht es nach Gefallen,
Und wenn er dann das Haus verlaͤßt, wird es zerfallen.
Doch die Baumeiſterin baut immer Neues wieder,
Und lockt den Himmelsgaſt zur ird'ſchen Einkehr nieder.

17.
O Quelle, wenn du hier bewaͤſſert haſt den Garten,
Fließ nur dem naͤchſten zu, der durſtig auch wird warten.
Weil uͤbern Berg das Licht des Morgens uns gekommen,
Ruͤhmt ſich der ſtolze Berg, es ſei von ihm entglommen.
Die Sonn' auch prahle nicht, daß ſie die Welt erhelle;
Sie ſchoͤpfet auch ihr Licht nur aus verborgnem Quelle.
Der Lehrer, den du lernſt, war eines Lehrers Lerner;
Du biſt nur einen Grad vom erſten Lehrer ferner.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0233" n="223"/>
        <div n="2">
          <head>16.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Er&#x017F;t baut Natur den Leib, ein Haus mit Sinnenthoren,</l><lb/>
              <l>Worin ein fremdes Kind, der Gei&#x017F;t, dann wird geboren.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Er findet Hausgera&#x0364;th und braucht es nach Gefallen,</l><lb/>
              <l>Und wenn er dann das Haus verla&#x0364;ßt, wird es zerfallen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Doch die Baumei&#x017F;terin baut immer Neues wieder,</l><lb/>
              <l>Und lockt den Himmelsga&#x017F;t zur ird'&#x017F;chen Einkehr nieder.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>17.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>O Quelle, wenn du hier bewa&#x0364;&#x017F;&#x017F;ert ha&#x017F;t den Garten,</l><lb/>
              <l>Fließ nur dem na&#x0364;ch&#x017F;ten zu, der dur&#x017F;tig auch wird warten.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Weil u&#x0364;bern Berg das Licht des Morgens uns gekommen,</l><lb/>
              <l>Ru&#x0364;hmt &#x017F;ich der &#x017F;tolze Berg, es &#x017F;ei von ihm entglommen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Die Sonn' auch prahle nicht, daß &#x017F;ie die Welt erhelle;</l><lb/>
              <l>Sie &#x017F;cho&#x0364;pfet auch ihr Licht nur aus verborgnem Quelle.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Der Lehrer, den du lern&#x017F;t, war eines Lehrers Lerner;</l><lb/>
              <l>Du bi&#x017F;t nur einen Grad vom er&#x017F;ten Lehrer ferner.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[223/0233] 16. Erſt baut Natur den Leib, ein Haus mit Sinnenthoren, Worin ein fremdes Kind, der Geiſt, dann wird geboren. Er findet Hausgeraͤth und braucht es nach Gefallen, Und wenn er dann das Haus verlaͤßt, wird es zerfallen. Doch die Baumeiſterin baut immer Neues wieder, Und lockt den Himmelsgaſt zur ird'ſchen Einkehr nieder. 17. O Quelle, wenn du hier bewaͤſſert haſt den Garten, Fließ nur dem naͤchſten zu, der durſtig auch wird warten. Weil uͤbern Berg das Licht des Morgens uns gekommen, Ruͤhmt ſich der ſtolze Berg, es ſei von ihm entglommen. Die Sonn' auch prahle nicht, daß ſie die Welt erhelle; Sie ſchoͤpfet auch ihr Licht nur aus verborgnem Quelle. Der Lehrer, den du lernſt, war eines Lehrers Lerner; Du biſt nur einen Grad vom erſten Lehrer ferner.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane01_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane01_1836/233
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane01_1836/233>, abgerufen am 24.04.2024.