Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite
57.
Doch keine Fratze gibts, die nicht als Schönheit preist
Hier ein verliebter Narr, dort ein verschrobner Geist.
Ein Wicht, der gar nichts kann als winseln, ächzen, stöhnen,
Lebt, wenn du ihm es glaubst, im Guten, Ganzen, Schönen!
Spinnweb'ges Ideal, Idee schwindsüchtig hohl,
Bist du Idalia? erbärmliches Idol!
Der Schönheit Göttin ist dem Schaum entboren zwar,
Doch ist sie nicht ein Schaum, und nicht ein Abschaum gar.
Wie auch geschmacklos ein Geschmack sei, so vertrackt
Ist keiner als der ward aus Feinheit abgeschmackt.
Zu hobeln ist der Plump', ein Dummer ist zu witzigen,
Doch nichts zu machen mehr ist aus dem Ueberspitzigen.

Rückert, Lehrgedicht. I. 3
57.
Doch keine Fratze gibts, die nicht als Schoͤnheit preiſt
Hier ein verliebter Narr, dort ein verſchrobner Geiſt.
Ein Wicht, der gar nichts kann als winſeln, aͤchzen, ſtoͤhnen,
Lebt, wenn du ihm es glaubſt, im Guten, Ganzen, Schoͤnen!
Spinnweb'ges Ideal, Idee ſchwindſuͤchtig hohl,
Biſt du Idalia? erbaͤrmliches Idol!
Der Schoͤnheit Goͤttin iſt dem Schaum entboren zwar,
Doch iſt ſie nicht ein Schaum, und nicht ein Abſchaum gar.
Wie auch geſchmacklos ein Geſchmack ſei, ſo vertrackt
Iſt keiner als der ward aus Feinheit abgeſchmackt.
Zu hobeln iſt der Plump', ein Dummer iſt zu witzigen,
Doch nichts zu machen mehr iſt aus dem Ueberſpitzigen.

Rückert, Lehrgedicht. I. 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0059" n="49"/>
        <div n="2">
          <head>57.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Doch keine Fratze gibts, die nicht als Scho&#x0364;nheit prei&#x017F;t</l><lb/>
              <l>Hier ein verliebter Narr, dort ein ver&#x017F;chrobner Gei&#x017F;t.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Ein Wicht, der gar nichts kann als win&#x017F;eln, a&#x0364;chzen, &#x017F;to&#x0364;hnen,</l><lb/>
              <l>Lebt, wenn du ihm es glaub&#x017F;t, im Guten, Ganzen, Scho&#x0364;nen!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Spinnweb'ges Ideal, Idee &#x017F;chwind&#x017F;u&#x0364;chtig hohl,</l><lb/>
              <l>Bi&#x017F;t du Idalia? erba&#x0364;rmliches Idol!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Der Scho&#x0364;nheit Go&#x0364;ttin i&#x017F;t dem Schaum entboren zwar,</l><lb/>
              <l>Doch i&#x017F;t &#x017F;ie nicht ein Schaum, und nicht ein Ab&#x017F;chaum gar.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>Wie auch ge&#x017F;chmacklos ein Ge&#x017F;chmack &#x017F;ei, &#x017F;o vertrackt</l><lb/>
              <l>I&#x017F;t keiner als der ward aus Feinheit abge&#x017F;chmackt.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>Zu hobeln i&#x017F;t der Plump', ein Dummer i&#x017F;t zu witzigen,</l><lb/>
              <l>Doch nichts zu machen mehr i&#x017F;t aus dem Ueber&#x017F;pitzigen.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Rückert</hi>, Lehrgedicht. I. 3</fw>
        </div><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[49/0059] 57. Doch keine Fratze gibts, die nicht als Schoͤnheit preiſt Hier ein verliebter Narr, dort ein verſchrobner Geiſt. Ein Wicht, der gar nichts kann als winſeln, aͤchzen, ſtoͤhnen, Lebt, wenn du ihm es glaubſt, im Guten, Ganzen, Schoͤnen! Spinnweb'ges Ideal, Idee ſchwindſuͤchtig hohl, Biſt du Idalia? erbaͤrmliches Idol! Der Schoͤnheit Goͤttin iſt dem Schaum entboren zwar, Doch iſt ſie nicht ein Schaum, und nicht ein Abſchaum gar. Wie auch geſchmacklos ein Geſchmack ſei, ſo vertrackt Iſt keiner als der ward aus Feinheit abgeſchmackt. Zu hobeln iſt der Plump', ein Dummer iſt zu witzigen, Doch nichts zu machen mehr iſt aus dem Ueberſpitzigen. Rückert, Lehrgedicht. I. 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane01_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane01_1836/59
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane01_1836/59>, abgerufen am 25.04.2024.